#39 Multikommissionierung in der Lagerlogistik mit Peter Oechsle

Podcast Industrie 4.0 | Der Expertentalk für den Mittelstand

Digitalisierung im Lager macht auch vor der Multikommissionierung nicht Halt. Daher widmen wir Folge #39 unserer Videoshow dem Multi-Order-Picking in der Lagerlogistik.

Andrea Spiegel und Peter Oechsle sprechen über die Vorteile der Multikommissionierung, wie diese mit der Digitalisierung in Lager und Logistik zusammenhängt und welche Voraussetzungen für eine mobile und digitale Multikommissionierung gegeben sein müssen.

Außerdem verrät uns Peter, wie man das digitale Multi-Order-Picking sinnvoll mit Technologien kombinieren kann – für mehr Transparenz und Effizienz.

Das Transkript zur Podcast-Folge: Multikommissionierung in der Lagerlogistik

ANDREA SPIEGEL: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Industrie 4.0, der Experten-Talk für den Mittelstand. Eine gesteigerte Effizienz ist, glaube ich, das, was sich die meisten von der Digitalisierung, unter anderem im Lager oder in der Produktion, versprechen. Ein Weg, das im Lager zu erreichen, ist auf jeden Fall das Thema Multikommissionierung oder auch Multi-Order-Picking genannt. Was das aber genau ist, wie es eigentlich funktioniert und welche Vorteile es neben der Effizienzsteigerung noch mit sich bringt, das schaue ich mir heute mit meinem Kollegen an. Bei mir ist heute Peter Oechsle, er ist bei uns Sales Manager bei L-mobile. Ich freue mich sehr, dass du da bist. Herzlich willkommen, Peter.

PETER OECHSLE: Ja, vielen Dank für die Einladung. Hallo, Andrea.

ANDREA SPIEGEL: Danke, dass du da bist. Auch diese Folge gibt es wieder als Video bei YouTube zu sehen. Falls ihr also nicht nur die Podcast-Folge hören, sondern auch ein Bild zu uns beiden haben wollt, könnt ihr gerne bei YouTube vorbeischauen. Der Kanal heißt einfach L-mobile.

ANDREA SPIEGEL: Peter, ich habe dich jetzt gerade ganz kurz als Sales Manager bei L-mobile angeteasert. Aber vielleicht kannst du noch mal kurz erzählen, wer du bist und was du genau bei uns machst?

PETER OECHSLE: Ja, ich bin Peter und bin hier im Vertrieb bei L-mobile. Ich betreue das komplette Portfolio, das wir bei L-mobile anbieten, und präsentiere es unseren Kunden. Dabei erläutere ich die Vorteile und sorge dafür, dass unsere Kunden optimal versorgt werden.

ANDREA SPIEGEL: Perfekt. Dann hast du auf jeden Fall auch viel Kontakt zu Kunden und sprichst wahrscheinlich auch viel mit ihnen.

ANDREA SPIEGEL: Die ersten Fragen, die beim Thema Digitalisierung aufkommen, landen wahrscheinlich oft bei dir im Vertrieb. Kannst du uns da mal einen Einblick geben, gerade auch zum Thema Kommissionierung? Was sind die häufigsten Fragen? Was interessiert die Leute am meisten?

PETER OECHSLE: Die Interessenten beschäftigen sich damit, wie sie ihre Lagerhaltung und Materialwirtschaft verbessern können. Da ist natürlich das Thema Wareneingang relevant. Aber ganz schnell kommt das Thema Kommissionierung ins Spiel, weil das sozusagen das Herzstück ist, sei es für die Produktion, für die Montage oder für den KundenauftragKommissionierung ist eine Tätigkeit, die täglich und sehr häufig durchgeführt wird. Viele haben keine genaue Vorstellung davon, wie sie das über Industrie 4.0 und Digitalisierung verbessern könnten. Da kommen dann viele Fragen auf.

Zum Beispiel: Wie viel Technologie benötige ich? Brauche ich dafür ein WLAN? Brauche ich dafür teure Hardware? Was verbessert das im Vergleich zu meiner aktuellen Methode mit Papierkommissionierlisten? Es gibt also viele Fragen, die auf mich zukommen.

ANDREA SPIEGEL: Einige der Fragen, die du jetzt genannt hast, werden wir uns heute natürlich auch im Kontext der Multikommissionierung genauer anschauen.

ANDREA SPIEGEL: Bevor wir jetzt tiefer einsteigen, vielleicht nochmal kurz alle abzuholen. Was sind denn die Unterschiede bei der Kommissionierung und was ist dann nachher auch im Speziellen Multikommissionierung?

PETER OECHSLE: Genau, also bei der Kommissionierung muss man einmal schauen, was eigentlich kommissioniert wird. Welche Ware wird kommissioniert und für welchen Zweck? Wir sehen im Lager zwei Arten von Kommissionierung. Entweder es wird für einen Produktions- und/oder Montageauftrag vom Lager entnommen, also die interne Kommissionierung, die Bereitstellung für die Produktion, für die Wertschöpfungskette. Und dann gibt es die zweite Art von Kommissionierung, wenn für den Kunden kommissioniert wird. Das heißt, das fertige Produkt oder halbfertige Produkt wird für den Kunden zusammengestellt und häufig auch schon während der Kommissionierung verpackt, zum Beispiel auf eine Palette oder in eine Gitterbox. Das sind die zwei Arten der Kommissionierung, die wir bei den Interessenten und Kunden sehen.

ANDREA SPIEGEL: Jetzt haben wir ja gesagt, heute geht es um Multikommissionierung. Ist das für beide Arten von Kommissionierung, die du gerade beschrieben hast, sinnvoll oder nur für eine der beiden Varianten?

PETER OECHSLE: Das ist absolut für beide Varianten sinnvoll. Der Vorteil, den man durch die Multikommissionierung hat, ist in beiden Situationen gegeben. Die Tatsache, dass ich nur einmal durch mein Lager laufe und dabei mehrere Aufträge gleichzeitig picke und kommissioniere, anstatt dies nacheinander zu tun, bietet viele Vorteile, die in beiden Bereichen relevant sind.

ANDREA SPIEGEL: Du hast gerade schon ein bisschen angeteasert, was Multi-Order-Picking oder eben Multikommissionierung ist. Es gibt auch den Begriff Sammelkommissionierung. Was heißt das jetzt genau und wie läuft das ab?

PETER OECHSLE: Genau, es gibt unterschiedliche Bezeichnungen dafür, die hauptsächlich aus der ERP-Sprache stammen. In jedem ERP-System heißt es etwas anders. Und dann gibt es noch die Materialwirtschaftssysteme, die auch ihre eigenen Begriffe haben. Grundsätzlich geht es darum, dass man, wenn man aus der Papierwelt kommt, Materialentnahmescheine hat und in der moderneren Welt Kommissionierscheine. Es geht darum, nicht einen Auftrag zu kommissionieren, also mit einem Behälter durchs Lager zu laufen, die entsprechenden Artikel, die auf dem Kommissionierschein stehen, zu picken, den Behälter zu füllen, irgendwo hinzubringen, den nächsten Schein abzuholen und dann den gleichen Weg an den gleichen Artikeln oder Teilen wieder vorbeizugehen. Stattdessen arbeitet man zwei, drei oder mehrere Kommissionierlisten gleichzeitig ab, um eben nur einmal durchs Lager zu laufen und nur einmal an einem Regal Teile zu entnehmen. Wenn ich sowieso weiß, dass ich Kleinteile oder auch größere Teile für mehrere Aufträge picken muss, dann kann ich auch nur einmal hinlaufen, sie einmal picken und dann an den Zielort bringen.

ANDREA SPIEGEL: Bevor wir jetzt gleich einsteigen in die Frage, wie das funktioniert, ohne dass ich den Überblick verliere, wenn ich gleich mit acht, neun Aufträgen loslaufe: Wie kommissioniere ich denn so viele Aufträge auf einmal? Ich stelle mir das jetzt gerade vor: Ich habe sonst eine Box, wo ich ein paar Sachen reinsortiere, und dann habe ich da keinen Stress. Wie mache ich das jetzt, wenn ich auf einmal zehn Boxen gleichzeitig kommissionieren soll?

PETER OECHSLE: Genau, die Boxen sind ein sehr gutes Beispiel. Entweder haben sie unterschiedliche Farben, was ein System ist, das auch mit Papierlisten funktionieren würde. Ich habe unterschiedliche Behälter oder ich lege den Auftragssattel, also den Kommissionierschein, in den Behälter und entnehme ihn immer, um die Ware für diesen Schein zu kommissionieren und dann in den entsprechenden Behälter zu legen. Das hat aber, wenn man mit Papier arbeitet, schnell seine Grenzen. Die Unterscheidung der Kommissionierbehälter erfolgt entweder durch Farben, das ist die häufigste Variante, oder durch Nummern. Manche nutzen auch ausgeklügelte Nummernsysteme. Dann gibt es beispielsweise Kommissionierschein eins, zwei, drei und die Behälter haben die entsprechenden Nummern.

Oder ganz einfach: Der Schein liegt im Behälter, den ich gerade bearbeite, und ich lege die Ware in die Box, in der der entsprechende Schein liegt.

ANDREA SPIEGEL: Das heißt, Multikommissionierung ist, obwohl wir ja auch ein Softwarehaus sind, nicht zwangsläufig im ersten Schritt an Digitalisierung gebunden, sondern es ist eher eine Art der Organisation. Also, wie organisiere ich meine Kommissionierung?

PETER OECHSLE: Genau, es ist eine Organisationsfrage. Das tun heute auch schon Unternehmen, ich sage mal, mehr oder weniger erfolgreich, ganz ohne Digitalisierung. Aber genau da stoßen sie eben auch an ihre Grenzen. Man kann sich das vorstellen: Wenn man jetzt drei Platten hat und darauf Papierbelege liegen und dazu drei Boxen, dann wird es schnell unübersichtlich. Bei der einen Platte ist man vielleicht schon auf der zweiten Seite, bei der anderen noch ganz oben. Dann muss man abstreichen: Oh, habe ich das jetzt schon? Habe ich das nicht? Genau deswegen stößt dieses System in einer nicht digitalen Welt schnell an seine Grenzen. Da kommt dann die Frage auf, wie man diesen Prozessverbessern kann. Es geht dabei nicht nur um die Quantität, also schneller zu kommissionieren, sondern auch um die Qualität, damit Fehler, die mit Papier passieren können, nicht mehr vorkommen.

ANDREA SPIEGEL: Das heißt also, nur um das zusammenzufassen: Der Lagerist oder der Kommissionierer hat vielleicht einen Wagen oder etwas Ähnliches dabei, auf dem er verschiedene Boxen hat. Er hat mehrere Aufträge gleichzeitig dabei und läuft dann durchs Lager, um diese gleichzeitig zu kommissionieren. So muss er nicht für jeden Auftrag extra das gesamte Lager ablaufen.

PETER OECHSLE: Genau. Der größte Nutzen oder Vorteil entsteht eben dann, wenn ich ohnehin immer sehr ähnliche Teile kommissioniere. Wenn ich beispielsweise für eine Produktion kommissioniere und immer die gleichen SchraubenUnterlagen und Kleinteile benötige, egal um welches Sortiment es sich konkret handelt, entsteht der größte Nutzen. Dann kann ich mehrere Kommissionieraufträge gleichzeitig bearbeiten und habe nur einen Lagerdurchgang. Dadurch entsteht nur einmal die Bewegung. Oder wenn man weiterdenkt, nicht nur an den Menschen, der zur Ware geht, sondern beispielsweise an einen Staplerfahrer: Bei einem Staplerleitsystem ist das erste Ziel, Leerfahrten zu vermeiden. Genau hier kann man Leerfahrten vermeiden. Wenn ein Gabelstapler mehrere Aufträge gleichzeitig kommissioniert, entfallen die Zeiten, in denen er vom Zielort wieder zurück zum Startort fahren muss. Er fährt nur einmal leer zurück und nicht mehrmals.

ANDREA SPIEGEL: Oder er kann sogar gleich noch etwas mitnehmen.

PETER OECHSLE: Oder er kann sogar gleich etwas mitnehmen. Das ist jetzt allerdings mehr ein Thema des Staplerleitsystems und der Optimierung des Staplers. Aber die Idee der Multikommissionierung ist auch da, solche Leerfahrten und Leerwege, egal ob jemand läuft oder fährt, zu vermeiden.

ANDREA SPIEGEL: Bevor wir uns gleich die Vorteile etwas genauer anschauen, würde mich interessieren, für wen oder für welche Branchen ist Multikommissionierung überhaupt interessant? Ich habe da schon so ein Gefühl, aber gibt es da vielleicht bestimmte, die besonders davon profitieren?

PETER OECHSLE: Da bin ich mal gespannt, ob ich dein Gefühl treffe. Die Frage wird oft gestellt, ob es für uns das Richtige ist. Wir kommen aus Branchen wie dem Sonderanlagenbau. Wir haben so individuelle Dinge, da kann man das doch gar nicht tun. Aber wenn man eine Analyse der Kommissionierung für Montageaufträge macht, die häufig wöchentlich stattfinden, und betrachtet, welche Teile konkret kommissioniert werden, stellt man fest, dass auch hier Multikommissionierung sinnvoll und einsetzbar ist. Natürlich gibt es Grenzen und Ausnahmen, aber es gibt keine Branche, die ich ausschließen würde, egal ob es sich um einen Großhändler handelt, bei dem es oft schon umgesetzt ist, oder ein produzierendes Unternehmen, sei es im Serienprodukt oder Einzelprodukt. Es ist an vielen Stellen sinnvoll.

ANDREA SPIEGEL: Das wäre auch mein Gedanke gewesen, dass es wahrscheinlich für alle relevant und interessant ist, die nicht extrem individualisiert arbeiten. Und selbst für die, die individuell produzieren, wird es wahrscheinlich Sinn ergeben, besonders wenn wir uns die digitale Integration dahinter anschauen. Aber wir sollten definitiv auch über die Grenzen dieses Ansatzes sprechen.

PETER OECHSLE: Interessant ist auch, dass nicht nur die Branche, sondern auch die Unternehmensgröße fast unerheblich ist. Ich habe darüber nachgedacht, und tatsächlich, auch für relativ kleine Unternehmen, wie KMUs, ist es relevant. Oft gibt es dort keine dedizierte Lagerlogistikabteilung, sondern die Mitarbeiter in ProduktionMontage oder Versand holen die Ware selbst ab. Auch hier ist es interessant, dass sie nicht für jeden Auftrag einzeln ins Lager gehen müssen, sondern gleich für mehrere Aufträge die Ware entnehmen können. Und bei großen Unternehmen mit ausgereiften Lagerlogistikabteilungen ist das ohnehin der Fall. Die Größe spielt also keine große Rolle. Es gibt immer Ansätze, um Vorteile zu nutzen.

ANDREA SPIEGEL: Das ist definitiv ein wichtiger Punkt.

ANDREA SPIEGEL: Welche Voraussetzungen muss ein Unternehmen erfüllen, damit Multi-Order-Picking Sinn ergibt? Kannst du das noch einmal genauer erklären?

PETER OECHSLE: Wenn wir von einer digitalisierten Organisation ausgehen, dann ist es unerlässlich, mit Lagerplatzstrukturen zu arbeiten. Viele Unternehmen nutzen immer noch Lagerortstrukturen, aber der Unterschied ist deutlich. Bei Lagerortstrukturen kann eine ganze Lagerhalle als ein Lagerort betrachtet werden, was es schwierig macht, eine Optimierung vorzunehmen. Selbst bei kleineren Lager ist es sinnvoll, mit Lagerplätzen zu arbeiten. Jedes Regal hat eine Nummer, jedes Fach hat eine eigene Nummer. Das ermöglicht nicht nur Multi-Order-Picking, sondern auch eine Wegeoptimierung. Außerdem ist es wichtig, eine Regalauszeichnung zu haben, besonders wenn die Prozesse IT-gestützt sind. Dies dient nicht nur der Effizienzsteigerung, sondern auch der Qualitätsverbesserung und der Vermeidung von Fehlpicks. Mit einer Scannerlösung kann so sichergestellt werden, dass das richtige Teil entnommen wird.

ANDREA SPIEGEL: Zurück zum Thema Lager: Für Unternehmen mit chaotischer Lagerhaltung bedeutet Lagerplatzauszeichnung nicht zwangsläufig, dass sie kein chaotisches Lager mehr haben können, richtig?

PETER OECHSLE: Richtig, genau. Im Gegenteil, gerade bei chaotischer Lagerhaltung ist es äußerst wichtig, dass die Lagerplätze ausgezeichnet sind. Denn das System gibt vor, wo eingelagert werden soll. Auch bei der Multikommissionierung ist es wichtig, dass die Ware an den richtigen Lagerplätzen liegt, sowohl bei der Entnahme als auch bei der Bestückung der Regale. Die Auszeichnung der Regale und Lagerplätze ist daher auch in der chaotischen Lagerhaltung sehr wichtig.

ANDREA SPIEGEL: Gut zu wissen, um die Bedenken zu zerstreuen für diejenigen, deren Lager noch nicht so organisiert ist. Es gibt immer Wege, sich zu organisieren.

ANDREA SPIEGEL: Du hast bereits das Thema Digitalisierung angesprochen, das natürlich auch ein Bereich ist, in dem wir uns bewegen. Ich denke, es ist für viele relevant und wird es

auch immer mehr. Gerade in den letzten Jahren haben wir alle gesehen, dass es in diesem Bereich viel zu tun gibt. Wie digital sollte oder muss mein Lager denn nun für die Multikommissionierung sein? Wir haben bereits festgestellt, dass es nicht zwangsläufig digital sein muss, aber es wäre vielleicht von Vorteil. Was brauche ich also oder was sollte ich haben?

PETER OECHSLE: Für die Multikommissionierung sollte es digital sein, aus verschiedenen Gründen. Sicherlich gibt es Lagerstrukturen, in denen Papierlösungen noch funktionieren können. Aber wir stoßen sehr schnell an Grenzen. Viele, die es versuchen, kommen dann zu uns und berichten, dass sie es mit Papierlisten probiert haben. Doch das hat zu mehr Verwirrung und einer deutlich höheren Fehlerquote beim Picken geführt. Wie digital muss man also sein? Idealerweise verfügt man über eine Online-Verbindung im Lager, also ein gut ausgebautes WLAN-Netzwerk, was heutzutage aber kein Problem mehr darstellt. Zudem arbeitet man mit verschiedenen Lösungen zur Kommissionierung. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um ein Scannergerät, entweder ein Handscanner oder ein Scanner-Terminal auf dem Stapler. Es können aber auch weitere technische Raffinessen wie ein Pick-by-Light-System oder ein Pick-by-Wire-System sein, die je nach den spezifischen Strukturen Vorteile bieten können, was jedoch im Einzelfall betrachtet werden muss.

ANDREA SPIEGEL: Welche Rolle spielt die Art der Ware? Ist es wichtig, ob ich Kleinteile picke? Oder ist es auch in Ordnung, wenn ich größere oder schwerere Dinge habe, wie du bereits angesprochen hast, zum Beispiel mit dem Stapler? Gibt es da, vielleicht das Thema, wo sind die Grenzen vom Multipicking?

PETER OECHSLE: Die Grenzen sind dort, wo die Art der Ware vorgibt, dass ich ohnehin nur ein Teilkommissionieren kann. Wenn ich beispielsweise an den Sondermaschinenbau denke und eine Zuführeinheit zu einer großen Maschine kommissionieren muss, die gerade so auf eine Euro-Palette passt oder sogar ein größeres Gebinde ist, das mit einem schwereren Kran bewegt werden muss, dann macht Multikommissionierung keinen Sinn mehr. Denn ich kann nicht mehr als ein Großteil kommissionieren. Jedoch auf dem Stapler, zum Beispiel, können wir als L-mobile Kunden bis zu sechs Paletten transportieren. In diesem Fall kann ich im Zweifelsfall schon sechs Kommissionslistenabarbeiten. Je kleiner die Teile, desto interessanter wird es, je kleinteiliger sie sind und je häufiger ich gleiche Teile habe. Je häufiger ich also diesen Becher kommissionieren muss, umso interessanter wird das Thema Multikommissionierung. Wenn ich nur einmal in der Woche zu einem Teil gehe, ist die Chance, dass ich einen zweiten Auftrag habe, für dieses Teil in dieser Woche eher gering. Dann ist der Vorteil nicht so groß. Aber die meisten unserer Kunden sind so gut organisiert und haben so viele gleiche Teile, dass sich der Einsatz lohnt.

ANDREA SPIEGEL: Wohin kommissioniere ich denn eigentlich meine Artikel? Ist es beim Multi-Order-Picking oder bei der Multikommissionierung wichtig, ob ich ein Kommissionierlager habe, wo ich dann eine Zwischenstation habe, wo ich das hinbringe oder so? Spielt das im Prinzip überhaupt keine Rolle?

PETER OECHSLE: Im Prinzip spielt es keine Rolle. Wir sehen jedoch, dass das klassische Vorgehen, bei dem ich Artikel aus dem Lager entnehme und sie entweder in die ProduktionMontage oder den Versand bringe, zunehmend aufgebrochen wird. Es entstehen immer mehr sogenannte Hubs. Gerade im Maschinen- und Anlagenbau, wo wir tätig sind, werden Zonen eingerichtet, in denen für die kommende Montagewoche oder einen anderen Zeitraum bereits vorkommissioniert wird. Dadurch werden die Teile, die für eine bestimmte Anlage oder Maschine in der nächsten Woche benötigt werden, bereits aus den Lagerstrukturen geholt und vorbereitet. Dann werden sie von dort gesammelt und als kompletter Hub zur Montage gebracht. Das Gleiche gilt auch für die Kundenkommissionierung. Viele Unternehmen stellen eine Kommission zusammen und bilden einen Hub, weil die Lagerbereiche so groß und vielfältig geworden sind, dass eine einzelne Person oder Technologie den Auftrag nicht mehr alleine bewältigen kann. Dann wird ein Hub gebildet, auf den kommissioniert wird. Schließlich wird die gesamte Kommission zum Beispiel zur Verpackung und zum Versand transportiert.

ANDREA SPIEGEL: Wir haben vorhin schon das Thema Hardware ein bisschen angeschaut, also WLAN-AusleuchtungScanner-LösungAuszeichnung von Regalen mit Barcodes oder Ähnlichem. Aber wie sieht es mit der Digitalisierung aus? Denn da geht es ja auch viel um Software-Lösungen. Was brauche ich im Hintergrund alles? Ich nenne es immer Hintergrund, weil das immer das ist, was man nicht wirklich anfassen kann, was man nicht sieht, was man aber braucht. Die meisten haben wahrscheinlich ein ERP-System im Hintergrund, in dem alle Daten vorhanden sind. Auf meinem Scanner ist dann aber noch mal eine andere Lösung drauf, die das mobil abbildet. Wie funktioniert das? Was brauche ich da?

PETER OECHSLE: Genau, das ist ein ganz wichtiger Punkt. Es wird häufig als IT-Projekt betrachtet, aber das ist es gar nicht. Wir haben vorher darüber gesprochen. Es ist hauptsächlich ein organisatorisches Projekt. Trotzdem benötige ich natürlich Unterstützung durch SoftwareDigitalisierung bedeutet hier vor allem Software, insbesondere das Zusammenspiel zwischen dem ERP-System und dem System, das auf den Scan-Geräten läuft. Aus meiner Erfahrung können nicht alle ERP-Systeme das leisten. Deshalb gibt es separate Lösungen für Lager und Logistik, die die vorhandenen Kommissionierscheine aus dem ERP-System nutzen und Sammelkommissionierung oder Multi-Order-Kommissionierung anbieten. Und das benötige ich eben. Außerdem ist es wichtig, dass die Software auf den Scanner-Lösungen einfach zu bedienen ist.

ANDREA SPIEGEL: Was meinst du damit?

PETER OECHSLE: Damit meine ich beispielsweise, dass in vielen Lagerbereichen mit Handschuhen gearbeitet wird. Da brauche ich eine Lösung, wo ich über eine Tastatur zum Beispiel Eingaben machen kann. Es nützt nichts, wenn ich ein Gerät habe, auf dem ich mit dem Finger tippen sollte. Die Lösung muss auch für Mitarbeiter verständlich sein, die vielleicht nicht so gut Deutsch sprechen oder schnell eingearbeitet werden müssen. Sie müssen also sehr selbsterklärend sein. Und das Zusammenspiel zwischen dem ERP-System und dem Multikommissionier-System muss perfekt funktionieren, da die Belege sofort und online bearbeitet werden. Erst dann entsteht ja auch wieder der Nutzen.

ANDREA SPIEGEL: Heißt das dann auch, dass ich quasi die Daten in Echtzeit vorliegen habe? Also, inwiefern kommuniziert die Software, die ich nutze, mit dem ERP-System? Wie wird da der Datenaustausch gewährleistet?

PETER OECHSLE: Wir haben das Thema Multikommissionierung und die Vorteile davon. Einer der Vorteile ist natürlich auch, dass der Datenfluss hin zu einer Disposition, die sich um Materialverfügbarkeit kümmert, oder zu einem Auftragswesen, das wissen muss, dass die Ware gerade kommissioniert wird oder bereitsteht, beschleunigt wird. Auch das ist ein Nebennutzen der Multikommissionierung und der Digitalisierung. Deshalb muss es eine enge Verbindung zwischen dem ERP-System und dem Kommissionierungssystem geben. Idealerweise erfolgt dieser Austausch tatsächlich online. Das bedeutet, in dem Moment, in dem im ERP-System ein Kommissionierschein erzeugt wird, ist dieser im Kommissioniersystem sofort verfügbar. Sobald ein Artikel gepickt und abgeschlossen ist, muss auch im ERP-System sofort klar sein, dass die Ware jetzt an der vorgesehenen Stelle ist.

ANDREA SPIEGEL: Also hat das auch viel mit Transparenz zu tun und mit Echtzeitdaten, bis zu einem gewissen Grad. Das ist aus Kundensicht sicherlich spannend, weil man so auch dem Kunden eine bessere Rückmeldung geben kann: Wo ist mein Auftrag gerade? Ist er schon in Bearbeitung oder nicht?

PETER OECHSLE: Genau, das führt zu einer deutlich höheren Transparenz, die zum Kunden hin sehr wichtig ist, aber auch intern. Ein Vergleich zwischen Papierbeleg und Digitalisierung zeigt, dass bei einer Papierliste, auf der vielleicht noch Vermerke gemacht werden, Fehler entstehen können. Jemand anderes muss diese Papierliste irgendwann einsehen und eventuell erneut eingeben. Dabei entstehen Fehlerketten und Klärungsfragen wie “Ist das eine 7 oder eine 2, die du da geschrieben hast? Hast du 7 Stück oder 7 Kartons gemeint?” Solche typischen Fragen werden uns oft gestellt. Mit einer digitalisierten Lösung habe ich dieses Problem nicht. In dem Moment, in dem der Mitarbeitende im Lager die Zahl eingibt und bestätigt, ist sie bereits im ERP-System. Der manuelle Teil entfällt komplett, was zu einem Qualitäts- und Zeitvorteil führt.

ANDREA SPIEGEL: Ja, wie du sagst, einfach auch eine Fehlerreduzierung. Es ist nicht beabsichtigt, dass jemand absichtlich undeutlich schreibt, aber jeder hat eine Handschrift, die schwer zu lesen sein kann. Ich glaube, jeder Lehrer kennt das Problem.

PETER OECHSLE: Und die Schüler manchmal auch.

ANDREA SPIEGEL: Und die Schüler manchmal auch. Manchmal kann man die Kommentare vom Lehrer noch schlechter lesen. Das stimmt. Das ist auf jeden Fall sehr spannend, dieses ganze Thema drumherum und was es nachher bringt.

ANDREA SPIEGEL: Wir haben jetzt über viele Vorteile gesprochen. Die schauen wir uns gleich noch einmal gesammelt an. Mich würde vorher noch interessieren: Es gibt bestimmt Kunden, die sagen, eine Multikommissionierung ist super, aber was geht denn noch? Rund um das Thema Kommissionierung gibt es ja verschiedene Technologien, die ich damit kombinieren kann. Was für Möglichkeiten habe ich, wenn Geld keine Rolle spielt und ich alles möchte, was möglich ist?

PETER OECHSLE: Oh, dann geht natürlich noch sehr, sehr viel. Wobei das “Oh” jetzt gar nicht so gemeint ist, weil alles so wahnsinnig teuer ist. Klar, Technologie kostet immer Geld, deswegen ist eine Nutzenbetrachtung immer von Vorteil. Aber wenn der Nutzen da ist, dann geht natürlich wirklich noch viel.

Man kann beispielsweise über Ortungstechnologie verfolgen, wo die Kommissionierung gerade stattfindet, indem der Mensch die Technologie bei sich trägt und damit verfolgbar ist, wo er sich gerade aufhält. Oder der Kommissionierwagen kann überwacht werden. Auch für viele unserer Kunden relevant ist die Kommissionierung über Zeiten hinweg, also über Schichten hinweg. Wenn jemand mit einer umfangreichen Kommissionierung beginnt und sie an einen Kollegen übergibt, stellt sich die Frage: Wo steht der Kommissionierwagen, der Gabelstapler oder die Palette, die angefangen wurde zu kommissionieren? Mit Ortungstechnologie kann man bis auf Zentimeter genau, wenn nötig, oder bis auf wenige Meter genau im Außenbereich sehen, wo sich die Ware befindet. Das ist das Thema Ortungstechnologie.

Das geht auch wieder in die Richtung Wegeoptimierung. Wenn ich die Wege der Ware verfolge, kann ich gerade bei der Multikommissionierung Synergieeffekte sehen. Durch die Verfolgung der Wege und Bewegungsprofile kann ich weiter optimieren. Es gibt auch andere Technologien, wie elektronische Labels, die sogenannten e-Labels. Darauf kann ich jederzeit den Auftragsstatus sehen. Gerade im Bereich Multikommissionierung, wenn ich mehrere Aufträge kommissioniere und in einen Auftrag noch ein Teil eingefügt wird, habe ich bei einer Papierliste die Information nicht. Dann muss jemand kommen und mir sagen, dass ich das auch noch nehmen soll.

ANDREA SPIEGEL: Oder der muss wissen, wo ich gerade bin.

PETER OECHSLE: Oder der ruft an und ich bin gerade in der Mittagspause. Mit elektronischen Möglichkeiten habe ich immer die Chance, Teile zu

sperren, wenn etwas aufgefallen ist, oder ein Teil gerade doch nicht verfügbar ist, oder wenn der Chef einen Schnellauftrag durchschleusen möchte, können Teile gesperrt und hinzugefügt werden. Mit weiteren elektronischen Helferlein kann ich mich sehr gut unterstützen lassen, was viele auch tun.

ANDREA SPIEGEL: Gerade zum Thema Ortungstechnologien und e-Labels kann ich auch empfehlen: Wir haben natürlich auch schon Podcast-Folgen dazu aufgenommen. Ihr könnt gerne auf YouTube oder den jeweiligen Podcast-Kanälen nachsehen. Da gibt es noch weitere Infos für diejenigen, die sich tiefergehend interessieren.

ANDREA SPIEGEL: Zum Abschluss habe ich jetzt schon versprochen, dass wir uns das Thema Vorteile der Multikommissionierung, vielleicht auch der digitalen Multikommissionierung, noch einmal gesammelt ansehen. Kannst du uns da noch einmal durchführen? Wir hatten da Themen wie WegeoptimierungZeitersparnis und Fehlervermeidung. Da kann man gerne noch einmal einen Blick drauf werfen.

PETER OECHSLE: Also ich denke, es gibt zwei Hauptstränge der Vorteilsargumentation, würde ein Anwalt vermutlich sagen. Das eine ist ganz klar die Kostenseite. Ich spare enorm Kosten, wenn ich die Strukturen nur einmal durch das Lager führen lasse und die Picks und die Kommissionierungen gleichzeitig durchführe. Dadurch werden Wege vermieden und die Ware kommt schneller dorthin, wo sie hin soll, also zum Ziellagerplatz. Das wird gleichzeitig, und das ist der zweite Strang, mit einer hohen Qualität gemacht, wenn ich mich durch die entsprechende digitale Lösung unterstützen lasse.

ANDREA SPIEGEL: Sehr schön. Da war, glaube ich, jetzt wirklich noch einmal alles drin, was wir besprochen haben. Wie gesagt, die Folge ist ja zum Glück als Podcast oder auch als Video verfügbar. Das heißt, ihr könnt jederzeit vor- und zurückspulen, noch einmal anhören, das ist gar kein Problem. Ich habe mir jetzt auch noch einmal so für mich aufgeschrieben: Wichtig für ein optimales Multi-Order-Picking oder eine gute Multikommissionierung ist einmal der Informationsfluss, also dass die Daten gepflegt sind und alles da ist, was ich brauche. Dann der Materialfluss, dass klar ist, wo was steht und wo ich meine Ware finde. Und dann das große Thema, vielleicht als kleiner Reminder, ist es am Ende erst einmal ein organisatorisches Thema, also ein Organisationssystem, mit dem man das vergleichen kann.

PETER OECHSLE: Und das wird sehr häufig ein bisschen unter den Teppich gekehrt. In der Produktion steht man regelmäßig mit dem Klicker neben den Produzierenden und misst ZeitenTakte und Sequenzen und versucht da noch das Optimale herauszuholen. Es werden jeden Tag Besprechungen gemacht und im Sinne des Lean-Konzeptes noch weitere Verbesserungen eingeführt. In der Materialwirtschaft, in der Bereitstellung von Material, wird das häufig ein bisschen hinten angestellt. Naja, das Lager und die Ware sind ja da und wie sie dann dahin kommen, das wird schon irgendwie. Viele Unternehmen haben erkannt, dass da noch ein großes Potenzial steckt. Für viele ist das noch ein Feld, in dem sie sich deutlich verbessern können. Die Multikommissionierung gehört da absolut dazu.

ANDREA SPIEGEL: Gibt es jetzt noch etwas, was du als Abschlussstatement deinen Kunden mitgibst, wenn sie mit dir über das Thema sprechen? Vielleicht ein kleiner Impuls oder eine Frage, über die man sich Gedanken machen kann, wenn man sich gerade mit dem Thema auseinandersetzt?

PETER OECHSLE: Ja, eine interessante Frage wäre, wie oft Menschen oder technische Einheiten immer die gleichen Wege durch das Lager gehen, immer das gleiche Material picken und dann meistens leer zurückfahren und von vorne beginnen. Schon allein durch Augenschein, schon allein durch das Beobachten, wie oft es möglich wäre, dass man in einem Lagerdurchgang gleich mehrere Dinge mitnimmt. Wenn man sich mit dieser Fragestellung seine Lagerstruktur, seine Materialwirtschaft und seine Logistik anschaut, kommt man sehr schnell auf dieses Thema.

ANDREA SPIEGEL: Und vielleicht auch einfach mal die Mitarbeiter fragen, wie oft sie den gleichen Weg laufen.

PETER OECHSLE: Und das schadet sowieso nie, die Mitarbeiter zu fragen, was sie eigentlich tun und wo sie Vorteilesehen. Da kommen häufig die besten Anregungen.

ANDREA SPIEGEL: Super, dann geben wir das euch, unseren Zuhörerinnen und Zuhörern, einfach mal so mit. Fragt eure Leute, schaut euch eure Strukturen an und lasst euch inspirieren. Wir hoffen, die Folge hat euch ein paar schöne Impulse zum Thema Kommissionierung mitgegeben. Was kann man da vielleicht noch optimieren? Wozu ist Multikommissionierung oder Multi-Order-Picking gut?

Wenn euch die Folge gefallen hat, lasst uns einen Daumen nach oben da bei YouTube oder auch gerne eine Bewertung bei Apple Podcast oder Spotify. Wenn ihr Fragen an Peter zu dem Thema habt, schreibt uns das gerne in die Kommentare oder schickt uns eine Mail. Die Mailadresse findet ihr auch in den Show Notes. Dann würde ich sagen, vielen Dank noch einmal, Peter, dass du heute da warst.

PETER OECHSLE: Ja, vielen Dank an dich.

ANDREA SPIEGEL: Es war ein spannendes Gespräch, hat mir Spaß gemacht. Dann bis zum nächsten Mal, da draußen. Ciao.

Welche Idee steckt hinter der Multikommissionierung in der Lagerlogistik?

„Die Idee bei der Multikommissionierung ist auch da, eben solche Leerfahrten, Leerwege, egal ob jemand läuft oder eben fährt, zu vermeiden.“

Noch Fragen zu dieser Folge oder Themenvorschläge für weitere Folgen?

Nutze ganz einfach und unverbindlich unser Kontaktformular. Wir beantworten gerne deine Fragen und gehen auf individuelle Anfragen oder auch Themenvorschläge ein.

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