#51 Papier-/Digitale Belege mit Peter Oechsle

Podcast Industrie 4.0 | Der Expertentalk für den Mittelstand

Papierbelege digitalisieren heißt nicht, sich einen guten Scanner zu kaufen.

In Folge #51 unseres Podcasts spricht Andrea Spiegel mit Peter Oechsle, Leiter der project academy bei L-mobile, über digitale Belege und was diese Papierbelegen voraus haben.

Vor welchen Herausforderungen stehen Betriebe, die vorrangig mit Papierbelegen in Lager und Produktion arbeiten? Wie generiere ich Kommissionieraufträge, Fertigungspapiere und Co. digital? Welche Möglichkeiten bieten digitale Belege in Lager und Produktion?

Neben Echtzeitdaten und mehr Transparenz in allen Prozessen und Daten haben digitale Belege noch einiges mehr zu bieten. Was das genau ist, verrät euch Peter in unserer Podcastfolge! Und für alle, die direkt mit der Digitalisierung ihrer Belege starten wollen, hat Peter zum Abschluss noch den einen oder anderen Tipp parat.

Das Transkript zur Podcast-Folge: Papier-/Digitale Belege

ANDREA SPIEGEL: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge Industrie 4.0 der Expertentalk für den Mittelstand. Ich glaube, jeder hat es schon mal erlebt, man hat ein Stück Papier, vielleicht auch vom Sohn oder von der Tochter einen Aufsatz, den man mal durchlesen will und die Handschrift ist leider nicht wirklich zu entziffern. Kann schwierig bis unmöglich sein, das dann zu lesen.

Genauso gibt es das natürlich auch im beruflichen Kontext, stellen wir uns zum Beispiel mal ein Fertigungspapier vor, auf dass jemand eine wichtige Notiz noch handschriftlich hinzugefügt hat, gibt den Zettel weiter an den nächsten Kollegen und der fragt sich, was steht da eigentlich?

Also Papierbelege in der Fertigung oder auch im Lager oder wo die eben überall vorkommen, sind gar nicht immer die ideale Lösung. Und da gibt es auch noch was Schönes Digitales, dass wir uns heute mal anschauen wollen, nämlich digitale Papiere, Fertigungspapiere, Belegpapiere, was auch immer eben gebraucht wird.

Dafür habe ich einen spannenden Gast bei mir, den kennen vielleicht der ein oder andere von euch auch schon. Es ist mein Kollege Peter Oechsle. Schön, dass du heute da bist.

PETER OECHSLE: Hallo Andrea, vielen Dank für die Einladung.

ANDREA SPIEGEL: Sehr gerne. Peter ist bei uns Leiter der Project Academy. Er erklärt uns bestimmt auch gleich noch mal, was das genau ist, was die L-mobile sich für die Projektleiter ausgedacht hat.

PETER OECHSLE: Genau. Also alle, die zu uns ins Unternehmen kommen und in die Projektleitung oder in die Beratung gehen, durchlaufen Schulungsmodule aus der Projekt Akademie. Sie bekommen Prozess- und Produktwissen von der L-mobile vermittelt, vor allen Dingen auch unsere Projektmethode, wie wir unsere Produkte bei den Kunden einführen, je nachdem was sie mitbringen, einzelne Module oder auch das Gesamtpaket.

ANDREA SPIEGEL: Sehr spannend. Auf jeden Fall eine gute Einstiegsmöglichkeit für Projektleiter. Also auch da, falls jemand Lust hat, sich mal bei uns in Richtung Projektleiter zu entwickeln, gerne melden. An der Stelle wie immer noch der Hinweis, auch die Folge gibt es wieder als Video bei YouTube. Schaut da gerne auch mal rein. Wenn ihr den Peter und mich mal lachen sehen wollt. Wir grinsen dann auch mal, sind mal gut drauf hier für euch.

Und dann würde ich sagen legen wir direkt los Peter.

ANDREA SPIEGEL: Ich habe mal gegoogelt, was man findet, wenn man „Papierbelege digitalisieren“ eingibt. Der Toptreffer und die Top-Empfehlung sind, kauft euch einen guten Scanner. Kannst du das unterschreiben?

PETER OECHSLE: Das ist spannend. Das ist dann der Versuch, einen Papierbeleg zu digitalisieren, was vielleicht vor 15 oder 20 Jahren noch irgendwie aktuell gewesen sein mag, heute aber absolut nicht mehr Stand der Technik ist.

ANDREA SPIEGEL: Das heißt, vielleicht ist es nicht unbedingt die Lösung, das Papier einzuscannen und es darüber zu digitalisieren, sondern eben von vornherein digital zu denken. Richtig?

PETER OECHSLE: Richtig. Also ein Papierbeleg ist eben gar nichts digitales. Ein Papierbeleg ist ein Stück Papier, auf den von Hand oder vom Drucker was geschrieben wird. Aber selbst das einzuscannen und dann als PDF irgendwo abzulegen hat nichts mit Digitalisierung zu tun.

ANDREA SPIEGEL: Das ist schon mal ein gutes erstes Statement. Also alle die ihre Papierbelege nur einscannen und meinen: „Wir digitalisieren hier unsere Belege“, da können wir dann schon mal sagen, dass es vielleicht nicht ganz der richtige Weg ist, um langfristig erfolgreich damit zu sein.

PETER OECHSLE: Also das kann ein erster Ansatz sein. Wenn man Papierbelege, die man noch so bekommt, in ein Dokumentenmanagementsystem beispielsweise ablegt, dann kann man, wenn man entsprechend zertifiziert oder validiert ist, die Papierbelege tatsächlich hinterher wegwerfen, was einem das Lagern und Aufbewahren dieser Papierbelege erleichtert. Dann hat man ein digitales Dokumentenmanagementsystem, aber das hat wie gesagt noch nichts mit der Digitalisierung an sich zu tun.

ANDREA SPIEGEL: Was heißt es denn jetzt eigentlich für mich als Unternehmen, wenn ich mit Papierbelegen arbeite, in welcher Form auch immer? Was hat es für Auswirkungen? Man kann vielleicht manche Infos nicht lesen, aber das kann ja nicht der einzige Grund sein, warum man sagt, dass man digitalisieren muss.

PETER OECHSLE: Zunächst mal arbeitet man ja mit Papierbelegen, weil man noch keine andere Lösung hat. Ganz klassischerweise hat man schon immer mit Papierbelegen gearbeitet. Vor der IT gab es ja auch nichts anderes als Informationen auf einem Stück Papier von A nach B zu transportieren oder eben Menschen über Dinge zu informieren, die sie beispielsweise tun sollen.

Der Weg ist eben heute ein anderer und den können wir uns ja gleich mal anschauen.

ANDREA SPIEGEL: Das heißt, ein Problem bei Papierbelegen ist, es muss von A nach B transportiert werden. Also jemand muss diesen Beleg bewegen, sonst kommt er ja vom Drucker nie zu der Person, die zum Beispiel im Lager kommissionieren soll.

PETER OECHSLE: Genau und da haben wir schon das erste Defizit eines Papierbeleges. Der kommt aus einem Drucker raus, wird von irgendjemand angesteuert, wird gedruckt und dann liegt er da. Dann muss der Papierbeleg zu der Person transportiert werden, die mit diesem etwas tun soll. Entweder die Person holt sich das dort ab oder irgendjemand anderes verbreitet das im Sinne einer internen Hauptpost zum Beispiel.

Das dauert lang. Der Weg ist meistens nicht so ganz genau definiert und in der Zwischenzeit passiert nichts. Da sind einfach mehrere Nachteile im Gange.

ANDREA SPIEGEL: Oder es passiert irgendwas. Zum Beispiel verändert sich der Auftrag nochmal, aber das Papier ist schon unterwegs.

PETER OECHSLE: Genau deswegen gibt es ja die schöne Aussage: Papier ist in dem Moment schon veraltet, in dem man es ausgedruckt hat. Es können keine neue Information aktualisiert werden. Selbst wenn in der Zwischenzeit des Druckauftrags oder Informationstransports, irgendwas passiert, dann erreicht die neue Information diese Person nicht mehr.

ANDREA SPIEGEL: Gibt es sonst noch irgendwelche Fälle, wo du sagst, da kommt Papier an seine Grenzen, da wird es schwierig und da ist es nicht wirklich hilfreich?

PETER OECHSLE: Wir haben jetzt gerade davon gesprochen, wie die Information vom auslösenden Moment, also von der Person oder vom Prozess, die das Papier dann tatsächlich druckt, zur Personengruppe kommt. Auf dem Rückweg haben wir natürlich genauso viele Nachteile.

Du hast vorher den Produktionsbeleg angesprochen. Wenn in der Produktion von Papierbelegen gesprochen wird, dann handelt es sich z.B. um einen Werker an der Maschine, der 50 Teile in zwei Stunden produziert. Das Papier liegt dann zwei Stunden lang da und irgendwann schreibt er rein, dass er 50 Stück und zwei Ausschuss produziert hat und dann legt er das Papier wieder in einen Stapel.

Bis dieses Papier jetzt wiederum irgendwo hinkommt, um irgendwas auszulösen, dauert es auch wieder. Also auch da haben wir wieder einen verzögerten Prozess.

ANDREA SPIEGEL: Ich glaube, da gibt es noch ein paar andere Themen. Da haben wir im Vorfeld schon mal ein bisschen darüber gesprochen und du hattest mir auch ein paar Sachen geschickt. So auch zum Beispiel das Thema fehlende Flexibilität beim Kommissionieren. Also indem man beispielsweise sagt, man kann den Auftrag auch aufteilen, weil einer läuft sowieso durch Bereich A meines Lagers und der andere durch Bereich B.

PETER OECHSLE: Ja genau, da kommt eben auch der Papierbeleg deutlich an seine Grenzen. Wenn ich sage, ich habe einen Kommissionierschein und ich kommissioniere für eine Maschine. Da habe ich relativ große Bauteile, beispielsweise irgendwelche Gehäuse Bauteile. Diese werden auf der Palette vom Gabelstapler transportiert. Das ist jemand anderes, als die Person, die mit dem Kommissionierwagen irgendwelche Schrauben und Kleinteile kommissioniert.

Habe ich nur einen Papierbeleg, dann muss ich irgendwo einen Strich machen, es durchreisen, sagen oder verteilen. Da kommt ein Papierbeleg an seine Grenzen. In der Digitalisierung kann ich diesen Kommissionierbeleg im Vorfeld bearbeiten, zum Beispiel in der Lager- und Produktionsleitung und kann sagen, du bist die Person, die mit dem Gabelstapler fährt und du bekommst diese Artikelpositionen zum kommissionieren und jemand anderes, der mit dem Kommissionierwagen durchläuft, bekommt auf sein mobiles Endgerät eben die anderen Informationen.

ANDREA SPIEGEL: Und am Ende kommt dann alles da zusammen, wo man es dann braucht.

PETER OECHSLE: Am Ende kommt es auf dem einen Kommissionierbeleg im IT-System wieder zusammen, genau.

ANDREA SPIEGEL: Auch, wenn wir uns das heute nicht komplett in die Tiefe anschauen wollen, ist die Frage: Was heißt das denn, dass ich jetzt Belege digital habe? Was muss ich im Vorfeld dafür tun, damit es dann alles digital erstellt wird? Was braucht es dafür?

PETER OECHSLE: Interessanterweise haben Unternehmen das häufig schon digital. Es mag in Deutschland noch Unternehmen geben, die alles auf Papier machen und wirklich schreibmaschinenartig und handschriftlich arbeiten. Das ist aber die Seltenheit. Die meisten Unternehmen haben heute schon zum Beispiel ein ERP System im Einsatz und dieses ERP System hat die Daten schon digital. Um auf deinen Produktionsauftrag zurückzukommen, die haben schon Produktionsaufträge digital im System, machen dann aber ein Papierbeleg daraus, was aus heutiger Sicht schon ein bisschen unsinnig ist.

PETER OECHSLE: Ich kann eben diesen Produktionsbeleg, der schon in dieser digitalen Form vorhandenen ist, auf digitale Endgeräte spielen, damit derjenige in der Produktion, an der Maschine dann digital seine Zahlen über eine Tastatur, über einen Stift oder ein Touchpad eintragen kann. Der große Vorteil ist, die Informationen sind sofort im ERP System verfügbar, wenn er seine vorher angesprochenen 50 Gutmenge, zwei Ausschussmenge dort einträgt und auf Speichern klickt.

Da hat niemand mehr eine schlechte Handschrift. Da kann niemand mehr einen Abtippfehler machen und die Information ist sofort verfügbar.

ANDREA SPIEGEL: Ich weiß jetzt, dass du ein großer Fan von digitalen Belegen bist, weil die eben auch zum Beispiel nicht verloren gehen. Also es ist eher unwahrscheinlich, dass mir mein digitaler Beleg runterfällt und unter eine Maschine rutscht und ich es vielleicht gar nicht gemerkt habe, weil ich so viele andere Sachen in der Hand habe.

PETER OECHSLE: Oder der Kaffeebecher darüber geschüttet wird.

ANDREA SPIEGEL: Oder das. Das ist natürlich noch nie bei irgendjemandem vorgekommen.

ANDREA SPIEGEL: Jetzt sind die aber ja zum Beispiel auch nach der Erstellung noch veränderbar. Das ist ja, auch ein riesen Vorteil. Das hatten wir vorhin schon mal kurz anklingen lassen. Also angenommen, da kommt ein Kundenauftrag rein der besagt, ich möchte das gerne mit fünf Schrauben und nicht mit vier. Hat sich dann aber doch umentschieden und nimmt lieber das mit den vier Schrauben.

Wie funktioniert das dann zum Beispiel bei so einem digitalen Beleg? Also wer trägt das ein? Wer kriegt das mit? Wie kommt es bei der Person an?

PETER OECHSLE: Um auch da wieder den Unterschied einmal aufzuzeigen zwischen dem Papierbeleg und dem digitalen Beleg:

Im Papierbeleg ist diese Information praktisch nicht mehr verwertbar. Der Kunde ruft beispielsweise im Vertrieb an und sagt er möchte sein Teil mit vier Schrauben, statt fünf Schrauben. Bis die Vertriebsperson in die Produktion oder Logistik geht und den Mitarbeitern das sagt, funktioniert es schon nicht mehr. Wahrscheinlich sind die fünf Schrauben auch schon gepickt und kommissioniert worden und liegen schon irgendwo im Versand. Das wird so nicht mehr funktionieren.

Im digitalen Beleg wird im ERP System üblicherweise, zum Beispiel in der Bestellung, die Zahl verändert. Das ERP System weiß, dass das dann auch die Kommissionierung beeinflussen muss und verändert dementsprechend den Kommissionsbeleg und die Belege so, wie sie dann auf den digitalen Endgeräten sind. Diese werden immer wieder aktualisiert, sprich auf dem Gerät wird die Zahl von fünf auf vier automatisiert reduziert. Das sich da eine Zahl verändert hat, bekommt die Person, die das pickt oder kommissioniert unter Umständen gar nicht mit. Das ist jetzt noch ein relativ einfacher Ansatz, da kann man sich noch viel mehr Dinge vorstellen, was Veränderungen im Prozess angeht.

ANDREA SPIEGEL: Du kannst gerne nochmal ein Beispiel machen, wenn du gerade eins parat hast für uns.

PETER OECHSLE: Wenn man an einen Maschinen- oder Anlagenbauer denkt, die über Monate die Anlage fertigen, wird in der Regel, am Ende der Woche die Kommissionierwagen für die Montage der nächsten Woche vorbereitet. Also das, was das Montageteam in der nächsten Woche an die Anlage oder an die Maschine dran bauen soll, wird auf Kommissionierwägen vorbereitet.

Wenn ich da jetzt einen Papierbeleg habe, dann ist das ein starrer Beleg. Ich soll dieses Gehäuse, diesen Motor, diese Hydraulikschläuche, diese Schrauben kommissionieren. Ich habe keine Ahnung, ob die Ware tatsächlich schon im Lager liegt oder ob sie vielleicht vom Lieferanten erst am nächsten Mittwoch geliefert wird. Das reicht ja für die Montage nächster Woche, aber auf dem Papierbeleg kann draufstehen, dass es am Mittwoch geliefert wird. Aber stimmt die Information so auch?

Habe ich da jetzt eine digitale Anzeige, an diesem Montagewagen oder Kommissionierwagen, dann habe ich erst mal die gleichen Informationen. Wenn sich aber der Liefertermin für das Gehäuse von Mittwoch auf Dienstag ändert, dann wird diese digitale Anzeige sofort geändert und die Montierenden sehen, dass die Ware schon am Dienstag kommt, also kann man das schon mal anders vorbereiten.

ANDREA SPIEGEL: Dann mache ich heute erst mal etwas Anderes, was noch in meiner Auftragsliste vorhanden ist.

PETER OECHSLE: Genau. Somit hat das auf die Produktion und die Flexibilität einen direkten Impact, wenn ich solche Informationen sehr schnell online und veränderbar zur Verfügung habe, wie bei einer Losgröße 1 Fertigung.

ANDREA SPIEGEL: Ein Thema, das jetzt auch schon immer wieder ein bisschen angeklungen ist, ist der ganze Automatisierungsbereich. Bei dem Papierbeleg, hast du vorhin schon gesagt, wenn der erst mal unterwegs ist, passiert in der Zwischenzeit nichts, der löst nichts aus, der macht nichts, der ist höchstens veraltet, wenn man Pech hat. Das heißt, was ist an Automatisierung dann zum Beispiel denkbar, wenn ich dann mit digitalen Belegen arbeite?

Ein paar Beispiele hast du schon gebracht. Ich hätte es nur gerne noch mal ein bisschen zusammengefasst.

PETER OECHSLE: Ich mag ein Beispiel noch hinzufügen, welches die ganz klassische Digitalisierungsautomation ist, an das man vielleicht auch gar nicht so einfach denkt. Wenn ich wieder an die Kommissionierung denke, dann kommissioniere ich im Papierbeleg etwas und bis der Kommissionierschein von Hand ausgefüllt ist, muss ihn dann irgendjemand in das System wieder eintippen und wahrscheinlich werden die Mengen nicht alle stimmen. Da stehen 20 Schrauben drauf, es waren aber nur zehn da, also wurden nur zehn gepickt und so weiter. Das dauert alles so seine Zeit.

Über die Digitalisierung habe ich den Effekt für die Automatisierung, in dem Moment, wo ich mit dem mobilen Endgerät kommissioniere und die 20 Schrauben, auf zehn Schrauben korrigiere, weil ich nur zehn im Lager gefunden habe, wird es sofort an das ERP System gemeldet. Dort habe ich einen Mindestbestand und möglicherweise auch einen Workflow hinterlegt. Was passiert denn, wenn die Menge nicht gestimmt hat? Was passiert, wenn ich einen Mindestabstand unterschritten habe und sofort wird automatisch zum Beispiel ein Dispositionsvorschlag für den strategischen Einkauf oder auch für die Kanban Lieferung ausgelöst. Und das ist dann wirklich Automatisierung.

Da habe ich eben nicht mehr den Papierbeleg, der abgetippt wird. Dann guckt irgendjemand drauf, merkt, dass da der Mindestbestand unterschritten ist, der hatte gar nicht alles für seine Kommissionierung zur Verfügung.

Über die Automatisierung wird die Ware schnell nachgeliefert, zum Beispiel über den Lieferanten Kanban, dass die Kommissionierung mit den zehn Stück sofort wieder aufgefüllt werden kann. Dann habe ich einen echten Nutzen davon.

ANDREA SPIEGEL: Dann habe ich richtig was davon.

ANDREA SPIEGEL: Das heißt, das Ganze hat auch aus deiner Schilderung heraus einen sehr großen Einfluss auf das ganze Thema Materialfluss?

PETER OECHSLE: Der Materialfluss hat zwei Einflüsse. Es wird zum einen Mal mehr Qualitätssicherung hergestellt, weil es eben durch die Zahlen, die eingegeben werden, es keine Unleserlichkeit gibt und die Zahlen sofort verfügbar sind. Damit hat man deutlich mehr Qualität in den Lagerbeständen oder generell in den Materialbeständen und man kann mehr Geschwindigkeit aufnehmen.

ANDREA SPIEGEL: Und auch wie du sagst, man hat generell einfach mehr Transparenz darüber, wo gerade meine Ware ist, welchen Prozess sie schon hinter sich gebracht hat oder wo etwas fehlt.

PETER OECHSLE: Genau, du sprichst da gerade den Auswertungsbereich an. Ich kann natürlich hinterher auch sehr schöne Auswertungen machen und die auch durch den Geschwindigkeitsvorteil sofort haben. Also als Lagerleiter oder als Logistikleiter habe ich jederzeit den Zugriff und weiß, wo sich denn eigentlich zum Beispiel meine Kommission gerade befindet. Wenn ich an ein großes Lager denke, da laufen vielleicht zehn Personen durchs Lager und kommissionieren. Über einen Lagerleitstand oder über eine digitale Erfassung meiner Kommissionsscheine kann ich dann genau sehen, was gerade kommissioniert wird, durch wen und wie weit der Stand ist und wie viel denn schon gemacht worden ist.

Gebe ich ein Papierbeleg raus, dann habe ich eine Blackbox. Bis der Papierbeleg wieder zurück zu mir kommt, weiß ich nicht, wie der aktuelle Stand der Kommissionierung ist. Im digitalen Beleg weiß ich, 70 % sind kommissioniert worden und habe da eben auch wieder einen großen Zeitvorteil und einen Überblick.

ANDREA SPIEGEL: Ich wollte es gerade sagen, ich finde es auch aus Sicht des Kunden wieder spannend, weil wenn ich einen Auftrag gegeben habe und die Firma ist so gut aufgestellt, dass sie mir eigentlich zu jedem Zeitpunkt sagen kann, wo mein Auftrag gerade ist, kann die Firma dem Kunden eine andere Art von Service anbieten. Und das egal ob der Auftrag noch in der Kommissionierung ist, ob er schon produziert wird oder ob er vielleicht sogar schon im Versand ist. Das ist auch ein riesen Aspekt.

PETER OECHSLE: Genau. In ganz perfekten Organisationen. Das wird heute jedoch noch wenig gemacht, weil wir es alle gewohnt sind, unsere eigenen Prozesse lieber für uns zu behalten. Da muss ja der Kunde nicht draufgucken. Aber es gibt schon schöne Beispiele, wo der Kunde auch über einem Online-Portal zuschauen kann, wie sein Auftrag kommissioniert wird.

Und jetzt sind wir wieder beim Thema Automatisierung, zum Beispiel indem er seinen Wareneingang dadurch schon wieder steuern kann. Wenn er genau sieht, wie weit der Lieferant mit seiner Kommissionierung ist, wo der Versand der Ware sein wird und wann die Ware ankommt, dann kann er seine eigene Produktion darauf wieder abstimmen, möglicherweise auch seine Logistik, was die LKW Anlieferung angeht. Da steckt unheimlich viel an Prozessdenken dahinter, dass man automatisieren kann.

ANDREA SPIEGEL: Auch viel Potenzial natürlich dann für die gesamte Supply Chain oder Lieferkette. Das ist natürlich schon spannend.

ANDREA SPIEGEL: Also auf jeden Fall könnte das was sein, was für jeden interessant ist. Oder würdest du sagen, es gibt auch Betriebe, in denen das einfach too much ist?

PETER OECHSLE: Also es wird immer wieder dieser menschliche Aspekt hervorgehoben. Wir haben durchschnittlich eine etwas ältere Mitarbeiterstruktur und es kommt die Frage auf, ob die damit klarkommen. Wir machen bei den Kunden die Erfahrung, dass die Mitarbeitenden da durchaus sehr viel Verständnis dafür haben. Noch ein Aspekt des Papierbeleges gegenüber dem digitalen Beleg, der Papierbeleg ist in einer Sprache.

Jetzt haben wir gerade im Lager- und Logistikbereich, häufig mit sehr vielen Sprachen und sehr vielen Mitarbeitern aus allen möglichen Ländern dieser Welt zu tun. Der digitale Beleg, auf dem digitalen Endgerät, den kann ich auch in unterschiedlichen Sprachen anzeigen. Das ist jetzt ein kultureller Aspekt, den man zwar wegwischen könnte, aber das ist durchaus eine Sache. Wenn ich das alles auf Englisch, auf Französisch, auf Italienisch, auf Spanisch, auf Türkisch, auf welcher Sprachen auch immer, als Mitarbeiter lesen kann, dann habe ich da wahrscheinlich auch deutlich mehr Akzeptanz, als wenn ich einen Papierbeleg habe, von dem ich möglicherweise die Hälfte nicht verstehe.

ANDREA SPIEGEL: Es hat dann auch wieder einen Einfluss auf die Qualität, wenn meine Mitarbeiter genau verstehen, was sie machen sollen, was sie picken sollen. Dann habe ich auch als Unternehmen einen Vorteil davon.

PETER OECHSLE: Und es geht eben nicht nur darum, dass da Artikelpositionen und Mengen stehen. Auf den digitalen Beleg kann ich möglicherweise sogar noch Verpackungshinweise mit anzeigen und auch die dann mehrsprachig abbilden. Zum Beispiel, wenn du zehn Schrauben entnimmst, dann packe sie bitte in Plastiktüten rein und druck dann ein Etikett dazu aus. Solche Verpackungs- oder Bedienhinweise mitzugeben ist was, was über einen Papierbeleg einfach nicht geht.

ANDREA SPIEGEL: Wie hoch würdest du die Relevanz für die beiden Komponenten Datenqualität und Echtzeitdaten, also Geschwindigkeit, in diesem ganzen Prozess einordnen? Also ist es wirklich was, was nachher ein Argument dafür ist, sowas anzuschaffen, damit die Datenqualität viel höher wird? Ich meine, mein ERP ist nur so viel wert, wie die Qualität der Daten, die darin steckt.

Wir kennen das ja auch aus Kundenprojekten, wo teilweise die ERP Daten nicht so präzise gepflegt wurden, weil eben auch keine Digitalisierung da war. Man weiß gar nicht genau, ist es jetzt wirklich der Bestand oder ist es vielleicht doch ganz anders. Also wie hoch würdest du den Nutzen für das Thema Datenqualität und Echtzeitdaten für ein Unternehmen einstufen?

Also, dass ich eben auch jederzeit weiß, wie es gerade aussieht.

PETER OECHSLE: Also den Nutzen sehe ich als sehr hoch an. Die Stammdaten Qualität um den Beleg zu erzeugen muss vorhanden sein, unabhängig davon, ob Papier oder Digital. Das macht keinen großen Unterschied. Aber die Qualität, die zurückkommt, macht einen ganz großen Unterschied. Weil nochmal, ich muss keine Handschrift übersetzen. Auch die Frage kommissioniere ich zehn Stück oder kommissioniere ich zehn Kartons, das kann ich über einen Papierbeleg nicht abprüfen lassen.

Da nimmt irgendjemand, weil er es vielleicht nicht versteht oder weil es auch im Papierbeleg unklar ist möglicherweise zehn Stück statt zehn Kartons oder noch schlimmer andersrum, zehn Kartons statt zehn Stück. Das kann ich im digitalen Beleg aufgrund der Datenqualität, deutlich besser markieren.

Was soll es denn eigentlich sein? Und man kann auch noch mal hinterlegen, ob man Stück oder Karton hat. Dann habe ich die Daten mit deutlich höherer Qualität sofort im ERP System, im weiterverarbeiten System, im Lagerverwaltungssystem oder was auch immer hinten drangehängt ist. Und damit habe ich zwei Effekte, ich habe mehr Qualität und ich habe die Daten deutlich schneller.

ANDREA SPIEGEL: Du spielst es gerade auch mit diesem „Achtung“ an – geht es so in Richtung Plausibilitätsprüfung, im Zuge der Qualitätssicherung?

PETER OECHSLE: Genau. Also manche Unternehmen machen das beispielsweise über angeschlossene Waagen. Da werden stichprobenartig Teile auf eine Waage gestellt, bei denen man weiß, dass häufig Fehlkommissionierungen stattfinden. Zum Beispiel bei Waren, wo es eher unklar ist, wie viele denn jetzt tatsächlich kommissioniert werden sollen. Zehn Stück oder zehn Kartons. Wenn der Mitarbeitende dann die Ware auf die Waage stellt und das Gewicht ist deutlich zu hoch oder deutlich zu niedrig, dann kann da nochmal ein Hinweis kommen, ob man die richtige Mengeneinheit kommissioniert hat.

Das hört sich für viele Unternehmen jetzt unglaublich an. Tatsächlich, werden solche Dinge gemacht, weil es immer noch günstiger ist, solche digitalen Qualitätssicherungsmechanismen einzubauen, als eine Fehllieferung an den Kunden rauszugeben oder eine Fehlproduktion zu haben.

ANDREA SPIEGEL: Spannend.

ANDREA SPIEGEL: Was bieten digitale Belege zum Beispiel für die Flexibilität? Also geht das rein um das Kommissionieren oder, was wir vorhin schon mal hatten, dass ich Aufträge absplitten kann oder gibt es da noch mehr, wo du sagst, ja da sind digitale Belege wirklich noch on Top.

Also wo können Papierbelege gar nicht mehr mithalten?

PETER OECHSLE: Also wir haben es jetzt ein paar Mal vom Aufsplitten gehabt, dass man zum Beispiel ein Kommissionierbeleg eben auf zwei Personen aufsplitten kann. Es gibt auch noch die andere Möglichkeit und da sind Papierbelege wirklich gar nicht mehr in der Lage dazu. Wenn ich gerade im Handelsbereich oder auch im Servicebereich von Maschinenbauer, wo viele Kleinteile kommissioniert werden, gehen häufig die Mitarbeitenden mit den immer gleichen Teilen, durch das immer gleiche Lager.

Die nehmen sich ein Papierbeleg, arbeiten diesen ab, indem sie durchs Lager durchgehen, geben den dann hinterher wieder ab, nehmen sich den nächsten Beleg und gehen die gleiche Runde und die gleiche Schlange wieder, um die gleichen Artikel wieder zu holen. Bei einem digitalen Beleg kann ich dann da auf die Multikommissionierung gehen.

ANDREA SPIEGEL: Da gibt es auch eine spannende Folge mit dem Peter dazu.

PETER OECHSLE: Eines meiner Lieblingsthemen, denn das geht nicht mit Papierbelegen. Ein Papierbeleg läuft auseinander. Da bin ich bei meinem Papier noch auf der Seite eins, auf dem anderen Papier, auf der Seite drei, das kriege ich irgendwann nicht mehr gehandlet, während sich das bei dem digitalen Beleg sehr gut zusammenfassen lässt und es einen großen Nutzen erzeugen kann.

ANDREA SPIEGEL: Ich wollte gerade schon nachfragen, wie das dann aussieht, aber ich glaube, das haben wir in unserer Folge zur Multikommissionierung relativ ausführlich beschrieben.

PETER OECHSLE: Deswegen, die gerne nochmal anschauen oder anhören. Da ist es gut beschrieben.

ANDREA SPIEGEL: Genau. Über das ganze Thema Internationalisierung, haben wir heute auch noch gar nicht gesprochen. Nicht jeder Mittelständler hat unbedingt Produktionsstätten im Ausland. Aber es gibt ja durchaus Firmen, die gut international aufgestellt sind, die verschiedene Produktionsstandorte haben. Inwiefern kann da auch das Thema digitaler Beleg hilfreich sein?

PETER OECHSLE: Die Entfernungen müssen gar nicht so groß sein. Für Papier ist jede Entfernung, die außer der Laufreichweite ist, schon eine Herausforderung. Natürlich, wenn ich alleine in Deutschland oder in Europa zum Beispiel mehrere Fertigungsstandorte oder mehrere Lagerorte habe, haben die natürlich auch eigene Drucker und dort kann das Papier dann direkt gedruckt werden, selbst wenn ich eine zentrale IT habe. Aber wie oft haben wir das schon gehört, dass die Leute dann vorm Drucker stehen und das Papier leer ist, der Drucker aus ist oder sonst irgendwas. Über große Entfernungen ist das dann meistens schon ein Thema. Wie kommt jetzt das Papier dorthin, bis der Drucker repariert ist? Solche Geschichten. Das habe ich eben über einen digitalen Beleg auch nicht. Der wird über die IT transportiert und ist dann dort verfügbar.

ANDREA SPIEGEL: Am besten direkt auf dem Gerät des jeweiligen Mitarbeiters oder Mitarbeiterin. Perfekt.

ANDREA SPIEGEL: Sehr gut. Peter, ich würde es gar nicht noch weiter ausreizen. Ich würde lieber den Zuschauern noch die Möglichkeit geben, wenn es noch Fragen zu den Bereichen Digitale Belege versus Papierbelege gibt, diese uns gerne in die Kommentare zu schreiben.

Mich würde jetzt zum Abschluss noch interessieren, gibt es noch einen Tipp, was du den Leuten mitgeben willst, wenn sie sagen, das klingt jetzt erst mal spannend, was der Peter heute erzählt hat. Ich kann mir das vorstellen, dass wir das bei uns implementieren. Was brauche ich da alles? Was muss ich mir da für Fragen stellen? Vielleicht kannst du uns da nochmal so einen kleinen Eindruck geben. Wie steige ich von Papierbelegen zum digitalen Beleg um?

PETER OECHSLE: Als erster Punkt ist es relevant, dass man die Offenheit dafür hat. Wir erleben ganz häufig, dass Kunden sagen, dass es an der Stelle nicht geht. Dieses das geht nicht von diesem Papierbeleg wegzukommen, den hatten wir schon immer und den brauchen wir auch genau so, weil da braucht der nochmal einen Durchschlag und in die Buchhaltung muss auch noch mal irgendwas und der Lagerleiter braucht auch nochmal eine Sicherheit, er muss das nochmal in seinem Ordner stehen haben.

Man sollte versuchen von diesen limitierenden Gedanken wegzukommen, offen zu sein und frei zu sein und zu sagen, das ist alles schön und gut, aber ich kann auch digitale Belege in verschiedene Ecken transportieren.

Auch davon kann es Kopien geben oder die Leute, die heute ein Papierbeleg bekommen, die können über die IT Lösung alle auf die Belege draufschauen und eben die Offenheit dafür haben.

Das ist mal so der erste Punkt. Der zweite Punkt ist, sich einen kompetenten Partner zu suchen, der sich mit Digitalisierung sehr, sehr gut auskennt und gerade mit diesem Thema weg vom Papier, hin zur digitalen Lösung und das möglichst einfach für diejenigen, die am Ende damit arbeiten müssen.

ANDREA SPIEGEL: Um eben final dann medienbruchfreie, schnelle, transparente Prozesse erzeugen zu können.

PETER OECHSLE: Ich hätte es nicht besser sagen können.

ANDREA SPIEGEL: Manchmal habe ich auch noch einen Rat am Ende, den ich noch mitgeben möchte.

Das heißt, wir haben heute gesprochen über Papierbelege und ihre Grenzen oder ihre Limitierungen, wie du gerade so schön gesagt hast. Digitale Belege und ihre Möglichkeiten, also alles von Echtzeitdaten, mehr Flexibilität, Qualitätssicherung, Automatisierung.

Wir haben das Thema Fehlerquote gar nicht so genau angesprochen. Aber auch das ist natürlich ein Punkt, dass man auch weniger Fehlpicks zum Beispiel hat, weil eben Plausibilitätsprüfung dabei sind.

PETER OECHSLE: Genau die Fehlertoleranz hängt letztendlich immer daran, dass irgendjemand eine Zahl von Hand schreibt und jemand anderes sie nicht lesen kann. Das ist mit eines der Hauptkriterien.

ANDREA SPIEGEL: Genau. Also, wir haben viel angeschaut. Wir haben spannende Einblicke erhalten. Dankeschön Peter, dass du dir die Zeit heute genommen hast und dabei warst.

An euch da draußen der Aufruf, wenn ihr Fragen habt zu dem Thema oder noch mehr wissen möchtet oder vielleicht sogar noch eine Idee habt für eine ganz neue Folge, irgendein Thema, das euch beschäftigt in eurem Arbeitsalltag. Schreibt uns das gerne in die Kommentare oder meldet euch direkt bei uns. Alles, was ihr dafür wissen müsst, findet ihr in den Shownotes oder eben in der Videobeschreibung bei YouTube.

Deswegen würde ich sagen Peter, vielen Dank nochmal an dich, dass du da warst. An euch da draußen danke, dass ihr zugeschaut habt und bis zum nächsten Mal.

Welche Idee steckt hinter der Multikommissionierung in der Lagerlogistik?

„Die Idee bei der Multikommissionierung ist auch da, eben solche Leerfahrten, Leerwege, egal ob jemand läuft oder eben fährt, zu vermeiden.“

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