#15 Digitale Nachschubprozesse mit Marcell Singer

Podcast Industrie 4.0 | Der Expertentalk für den Mittelstand

In der fünfzehnten Folge unserer Videoshow sprechen wir mit Marcell Singer, CFO der Fritz STIEFEL GmbH, über digitalisierte Nachschubprozesse in der Produktion.

Wir starten mit den Grundlagen und der Frage, wie wichtig funktionierende Nachschubprozesse für ein Unternehmen wirklich sind. Welchen Herausforderungen begegnen Unternehmen im Bereich Nachschubmanagement und wann ist überhaupt der richtige Zeitpunkt für Nachschub?

Außerdem erklärt Marcell Singer, welchen Mehrwert digitalisierte Kanbanprozesse mit sich bringen und wie z.B. ein e-kanban Regal funktioniert. Zum Abschluss gibt es noch ein paar Tipps, wie man seine Nachschubprozesse am besten digitalisiert und einen Ausblick darauf, was in den nächsten Jahren in Sachen digitale Kanban-Systeme noch auf uns zukommt.

Das Transkript zur Podcast-Folge: Digitale Nachschubprozesse

ANDREA SPIEGEL: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge Industrie 4.0, der Experten-Talk für den Mittelstand. Wir schauen uns heute gemeinsam das Thema Nachschubprozesse in der Produktion an und auch die Effekte der Digitalisierung eben auf diese Prozesse.

Mein Gesprächspartner und wie ich finde Kanban-Kenner ist heute Marcell Singer, er ist CFO der Fritz STIEFEL GmbH. Schön, dass du heute da bist, Marcell.

MARCELL SINGER: Schön, dass ich da sein darf. Prima, ich freue mich auf unser Gespräch heute und auf den Austausch.

ANDREA SPIEGEL: Ich auch. An der Stelle wie immer noch mal ganz kurz der Hinweis, auch die Folge gibt es wieder als Podcast bei Spotify, iTunes und Co. zu hören. Also schaut da auch oder hört in dem Fall da gerne auch mal rein.

Ja, Marcel, bevor wir jetzt gleich in das Thema richtig einsteigen, vielleicht kannst du einfach dich als Person nochmal vorstellen und vielleicht auch die Fritz STIEFEL GmbH. Was macht ihr eigentlich?

MARCELL SINGER: Ja, sehr gerne. Mein Name ist Marcel Singer. Ich bin jetzt nun seit fast 15 Jahren bei der Firma STIEFEL. Ich bin zuständig für die Bereiche Vertrieb, Einkauf und Logistik.

Die Firma STIEFEL ist Vollsortimenter im Bereich Hydraulik. Wir sind Hersteller und was sicherlich dann eher außergewöhnlich ist, wir sind auch der Logistikdienstleister. Wir durften ein Projekt mit euch realisieren, eine E-Kanban-Lösung, die wir von der Entwicklung bis zum Go-Live zusammen durchgefochten haben und entwickelt haben mit den Hürden, die dazugehören. Und jetzt beglücken sich unsere Kunden damit, dass sie eine tolle innovative Lösung haben und die Chance haben einfach schnell ihre Produkte bestellen zu können.

ANDREA SPIEGEL: Perfekt. Ja, genau über das Projekt sprechen wir nachher auch noch natürlich nochmal ein bisschen. Hat eben auch mit dem Thema Nachschubprozesse zu tun. Ich würde jetzt am Anfang von dir noch gerne wissen, wie würdest du denn den Stellenwert von einem funktionierenden Nachschubprozesssystem, egal ob jetzt digital oder nicht, für ein produzierendes Unternehmen sehen? Wie würdest du den in einem Satz vielleicht beschreiben?

MARCELL SINGER: Also es ist sicherlich einer der wesentlichen Aspekte für eine funktionierende Fertigung. Es ermöglicht die Entlastung von Einkaufsprozessen und hilft natürlich auch bei einem reibungsloseren Ablauf in der Produktion. Die Vorteile liegen einmal im Preisersparnis und natürlich in den Wiederbeschaffungszeiten. Auch den ganzen Bestellaufwand und die Logistik, die man intern auch hat, spart man sich. Also ich würde behaupten, dass ohne funktionierende Logistik heute ein innovatives Unternehmen nicht überleben wird.

ANDREA SPIEGEL: Ja, das wird sich glaube ich jetzt auch gleich noch rauskristallisieren, wenn wir weiterschauen.

ANDREA SPIEGEL: Wenn wir jetzt nochmal die Basics angucken. Wenn du heute in ein vielleicht noch nicht so sehr digitalisiertes deutsches KMU reinschaust, wie würdest du die Kanban-Prozesse beschreiben? Was hast du da erlebt?

MARCELL SINGER: Also wenn wir bei Kunden und Interessenten starten, die vielleicht noch gar keine Kanban-Lösung haben, da ist oftmals die Unsicherheit, wie funktioniert das? Wie bekomme ich den Ablauf hin? Die kennen klassisch, sie haben die Bestellung ausgelöst und wurden dann beliefert. Die Ware wurde eingeräumt und wurde dann eben nochmal für ihre Produktionsprozesse verwendet.

Die erste Hürde ist oftmals, wie bekomme ich das mit der EDV hin? Also das heißt, wie kann ich den Prozess so abwickeln, dass nachher auch eine Rechnungsprüfung erfolgen kann, dass ich einen Nachweis habe, ist die Ware auch da? Also natürlich ist es auch eine Vertrauensbasis. Wer liefert was an? Es gibt keinen klassischen Wareneingang mehr, der kontrolliert, habe ich 10 bekommen oder nur 8. Das ist oftmals im Beginn Überzeugungsarbeit.

Danach, wenn diese Entscheidung gefallen ist, sind viele doch sehr offen, welche Variante sie wählen. Es ist ja nicht für jeden gemacht, dass er eine elektronische oder RFID-gestützte Variante wählt. Vielleicht ist er auch mit einer klassischen Variante besser aufgestellt, weil das Unternehmen nicht groß genug ist oder eben die Umschlagshäufigkeit das nicht hergibt. Da gibt es sicherlich viele Möglichkeiten. Aber doch, wenn die Entscheidung fällt, dann sind alle natürlich schon auch bereit, den Schritt zu gehen und das ist eher unkompliziert.

ANDREA SPIEGEL: Was würdest du denn sagen, wann ist denn der richtige Zeitpunkt für Nachschub?

MARCELL SINGER: Also vom Prinzip her natürlich klar. Früher war es so, wenn man wirklich nochmal ganz zurückgeht, die Meister haben Bestellkarten ausgefüllt, sind in die Beschaffung gegangen und haben gesagt, ich brauche wieder Ware.

Heute ist es so, dass die Bestellung des Kunden eigentlich mit dem Einlasten schon triggert, ich brauche Ware, wenn ich nicht ausreichend da habe. Das heißt, voll angebundene Systempartner, auch Kunden von uns, melden uns eigentlich ihren Bedarf schon, wenn sie ihre Produktionsaufträge generieren. Die warten gar nicht, bis es am Band ein Thema ist und gebaut oder verbaut ist.

Das beginnt eigentlich schon mit der Planung in der Produktion. Die Produktionsplanung triggert die Wiederbeschaffung. Das ist eigentlich ideal. So haben wir die Möglichkeit, lange genug auch den Vorlauf unserer Produkte zu fertigen. Die fallen auch nicht aus dem Regal, wir brauchen da ein bisschen Vorlaufzeit.

Die haben wir dann und können auch gewährleisten, dass der Kunde genau dann die Ware bekommt, wenn er sie benötigt. Just in time, just in sequence, also auch die Sequenzbelieferung wird damit getriggert und das unterstützen wir auch eben mit RFID-Tags.

ANDREA SPIEGEL: Bevor wir uns quasi die ganze digitalisierte Nachschubversorgung anschauen. Was sind deiner Meinung nach so die größten Stolpersteine oder die größten Herausforderungen, wenn man so seinen Nachschubprozess digitalisieren oder optimieren möchte? Also wo hadert es da am häufigsten oder wo haben die Leute ihre Probleme?

MARCELL SINGER: Ich denke eher, dass es ein Ablauf im Unternehmen ist. Man braucht einen Prozess, der eigentlich genau das kann, der das abwickelt. Das heißt, wenn ich ihn digitalisieren will, muss ich davor einen ordentlich funktionierenden Prozess haben. Also auch ein nicht digitaler Prozess muss funktionieren. Da ist es oftmals so, dass es einfach wenig klare Linien gibt. Jeder bestellt, unterschiedliche Bereiche machen das. Die Bestellauslösung erfolgt vielleicht nicht zentral. Das muss alles davor natürlich gegeben sein, um dann auch digital zu gehen. Weil genau das ist die Vorgabe. Ich brauche einen Prozess, der funktioniert, der nachhaltig funktioniert und zwar immer identisch ist. Eine Maschine ist einfach Null und Eins.

ANDREA SPIEGEL: Ein Gewohnheitstier.

MARCELL SINGER: Ich kann nicht sagen, wir machen es aber montags anders oder der Schichtleiter macht es anders als der nächste. Das geht natürlich nicht. Das heißt, ich muss diesen Ablauf wirklich eins zu eins umsetzen. Wenn das passiert ist, dann kann ich auch in die Zukunft springen. Dann kann ich den nächsten Step gehen.

Ich kann digital werden. Ich kann ein RFID-Regal nehmen. Ich bin da wirklich flexibel. Aber der Prozess als erstes, der muss stehen. In allen Bereichen.

ANDREA SPIEGEL: Eine Standardisierung ist absolut unumgänglich.

MARCELL SINGER: Das ist so.

ANDREA SPIEGEL: Wo sind meine Risiken, wenn ich die nicht habe? Also angenommen, ich habe eben einen Prozess, der vielleicht nicht funktioniert oder Schichtleiter A macht es anders als Schichtleiter B. Was sind da die Probleme, die auftreten?

MARCELL SINGER: Dann haben sie tatsächlich nachher auch einen Kanban, wo es nicht funktioniert. Das heißt, es muss eigentlich auch gegeben sein, wann nehme ich die Box raus? Wann führe ich sie hin?

Wenn wir jetzt klassisch auf unsere Variante gehen, dass ich oben ein Behälterablagefach habe, das den Nachschub organisiert. Dann muss der Behälter auch dort stehen. Wenn mein Prozess das natürlich nicht vorne sieht, das heißt, die Kollegen und die Werker nehmen die Boxen immer mit an ihre Arbeitsplätze, dann finden die oftmals den Weg nicht mehr zurück ins Regal. Dann ist natürlich auch die Nachschubversorgung nicht mehr gewährleistet. Die Box muss dorthin, wo sie hingehört. Das sehen wir schon häufig. Die verschwinden dann. Gerade in den Anfangsszenarien ist das häufig so.

Oder eben bei Firmen, die das nicht gewohnt sind, weil die wussten, ich nehme die Box, ich brauche da 20 Schrauben, die nehme ich mit. Wenn ich sie fertig habe, dann stelle ich sie wieder zurück. Der Nächste hat aber vielleicht dann auch keine mehr. Dann fängt das Chaos eigentlich an. Also da muss man wirklich stark entgegenbringen, dass es klar ist, wo ist das Lager? Ich entnehme dort, ich lasse die Box dort stehen und dann kann ich auch danach weitermachen. Aber die Hürde ist riesig, dass wirklich Boxen in der Produktion verschleppt werden und dann großer Teile Tourismus herrscht. Das ist schon so.

ANDREA SPIEGEL: Und was entsteht dadurch? Oft wahrscheinlich hohe Kosten, wenn dann die Teile überall sind und keiner weiß, wie viele noch wo.

MARCELL SINGER: Gehen wir davon aus, sie haben 20 Sequenzgeschichten und jetzt sagt jemand, ich nehme mir die Box mit. Dann sagt der Nächste, ich bräuchte auch eine. Irgendwann kommt der Logistikdienstleister, der das nicht mit RFID tagged, sondern sagt, ich habe keinen Behälter mehr, da bringe ich wieder einen. Der bringt dann munter jede Woche Neue, bis sie irgendwann mal 30 Neue da haben. Also es ist unfassbar natürlich, was da verloren geht.

Dann will der das zurückstellen, da gibt es gar keinen Platz mehr. Dann passiert das, was eigentlich nie passieren darf, aber die Teile werden entsorgt. Klar, der Lieferant freut sich, er wird einen tollen Umsatz machen. Für den Kunden ist es wirklich ein Worst-Case-Szenario. Da achten wir schon darauf, dass genau diese Prozesse davor klar sind, weil sonst erleiden wir danach einfach immer Schiffbruch. Das heißt, wir kommen in Diskussionen rein und das macht eigentlich keinen Sinn. Da wollen wir auch die Kunden ein bisschen schulen, dass sie da einfach die Chance haben und wir sie darauf hinzuweisen, ihr müsst da was tun. Das machen wir auch, bevor wir dann mit Kanban starten, dass wir die ganzen Kolleginnen und Kollegen beim Kunden, beim Partner einfach sensibilisieren.

ANDREA SPIEGEL: Einfach auch alle mit ins Boot zu holen, ist auch ganz wichtig. Nicht jemanden außen vorlassen.

MARCELL SINGER: Es braucht wirklich diesen Wareneingang der das nicht mehr macht. Da muss man klären, warum ist das so? Da sind ja auch Ängste dabei. Jetzt macht er meinen Job, was mache dann ich da noch?

Also für ihn bleibt ja genügend übrig. Er konzentriert sich auf das Wesentliche und kann das vielleicht einfach auch noch mal intensiver ausüben. Aber für bestimmte Produkte, fällt das weg. Auch die, wo bestehende Logistiker im Haus haben, muss der auch nicht mehr so viel dazu beitragen. Klar, da sind Ängste da. Die muss man einfach nehmen und dann auch klar machen, was ist der Vorteil für das Gesamtunternehmen? Was ist das für ein Kostenersparnis? Das bringt ja das Unternehmen auch schlussendlich weiter.

ANDREA SPIEGEL: Ja.

ANDREA SPIEGEL: Wenn wir uns überlegen, ein Unternehmen hat sich jetzt dazu entschieden, den Prozess zu digitalisieren, der im besten Fall natürlich auch schon funktioniert. Mit welcher IT-Infrastruktur muss denn so eine Firma rechnen? Also was sind so die Mindestanforderungen? Was muss ich haben? Vielleicht WLAN oder wie sieht es da aus? Also was ist so das, was man braucht?

MARCELL SINGER: Klar, ich brauche kein High-End-ERP-System. Das ist sicherlich nicht notwendig. Es reicht in eine normale Warenwirtschaft, egal ob das eine ist für ein paar hundert Euro oder für ein paar tausend Euro.

Dann ist halt die Frage, wie möchte ich es überprüfen? Möchte ich es überhaupt überprüfen? Wir haben heute Kunden, die machen das auf Vertrauensbasis. Also das heißt, das Kanban läuft, aber es läuft völlig autark von der Warenwirtschaft. Das heißt, es werden die Zubuchungen auch nicht im System getätigt. Für die werden diese klassischen C-Teile einfach ausgebucht, wenn es denn dann die nur sind. Rechnung wird bezahlt, die Ware wird ausgebucht, es wird völlig am ERP vorbeigearbeitet. Wenn sie eigentlich auch den Nachkalkulationsprozess nochmal anstoßen wollen, neige ich eher zu einer Warenwirtschaft, die eben materialbestandsgeführt ist.

WLAN brauche ich nicht zwingend, wenn ich sage, ich möchte einen Transponder haben. Dann muss ich schauen, habe ich eine Chance auf WLAN oder bringt der Dienstleister vielleicht auch eine Mobilfunklösung mit, wie es in dem Fall auch machbar wäre oder es reicht eine LAN-Anbindung.

Oder er möchte eben ein klassisches Mehrbehälter-Scan-Kanban. Das geht ohne Technik mehr oder weniger beim Kunden. Das heißt, er hat einfach mehrere Behälter hintereinanderstehen. Immer der Leere, wo übrig ist, wird auf den Lehrbehälterplatz gestellt und wird dann vom Logistiker abgeholt und der bringt sie dann wieder voll.

Das geht natürlich in der Nähe schon, auf die Distanz jedoch nicht. Weil sie haben einfach keinen, der zum Beispiel von Tschechien oder Polen nach Waiblingen fährt und schaut, ob die Behälter leer sind.

ANDREA SPIEGEL: Zumindest nicht geschwind.

MARCELL SINGER: Ja, das ist schwierig. Also momentan eigentlich noch viel schwieriger. Das heißt, wir brauchen natürlich immer dann, wenn Distanz ein Thema ist, eine elektronische Lösung. Da ist eine RFID-Lösung sicherlich die schnellste.

ANDREA SPIEGEL: Du hast jetzt schon angesprochen, eine Lösung. Welche Arten oder welche Lösungsansätze für E-Kanban, für elektronisches Kanban, wie auch immer man es nennen will, gibt es denn eigentlich überhaupt? Also was gibt es da für Möglichkeiten? Wir haben Regal schon gehört.

MARCELL SINGER: Also ich glaube, die Spielmöglichkeiten und technischen Varianten sind unzählig. Ich würde nicht mal vermögen zu sagen, ob ich alle kenne. Industrie-tauglich sind sicherlich nicht alle. Es gibt natürlich die RFID-Lösung, die wir miteinander entwickelt haben und ihr die Software- und Hardware-Lösung dafür bereitstellt. Das ist für uns eigentlich die gängigste und sicherlich auch die, die in Zukunft noch mehr Möglichkeiten bietet, es einfach weiterzuentwickeln.

Aber klar, ich hatte es schon gesagt, ich könnte es auch mit einem Scanner machen. Das heißt, der Barcode wird gescannt, der Leerbehälter wird vor Ort gescannt und durch den Scan übermitteln wir die Daten. Bitte befülle mich, ich bin leer. Dann kommt der Logistiker, befüllt den Leerbehälter und das geht weiter. Das ist dann immer dieser Zyklus zwischen Scannen und Bringen. Wann scannt er? Scannt er sie richtig?

Das enthält einfach auch eine Fehlermöglichkeit. Er scannt den Behälter nicht und stellt ihn einfach nur runter. Es kommt kein Nachschub. Das ist ein Problem. Das war ja ein Thema, warum wir gesagt haben, den Regalboden oben zu übermitteln, um diesen Scan-Vorgang wegzunehmen. Das heißt, das Regal scannt selber und es macht einfach weniger Fehler. Das ist einfach so.

Wenn ich auch viele Fremdarbeiter oder Zeitarbeiter habe, die vielleicht nicht so geschult werden, sondern die mal da sind, habe ich es dann farblich gekennzeichnet und es wird jeder verstehen, das ist der Leerbehälter, da stelle ich es hin. Der muss jetzt nicht mehr scannen, der muss nicht mehr was gucken, das passt einfach. Klar, gibt es natürlich von Regalen über Boxen über große Gates, wo man es durchschickt wirklich alles. Da muss man auch sagen, ihr bietet ja auch so ziemlich alles an. Also, wenn da Bedarf ist, gibt es ja da sämtliche Spielmöglichkeiten.

ANDREA SPIEGEL: Ja, so ein Gate ist ja eigentlich nur dann sinnvoll, wenn man auch wirklich eine Pulkerfassung oder so was machen will. Aber gerade so das Regal, der Briefkasten, die sind, glaube ich, relativ gängig.

MARCELL SINGER: Das ist so. Also, Briefkasten ist ein Thema. Aber auch da natürlich fehlerbehaftet. Wenn das Label weg von der Box geht, dann habe ich nachher nichts mehr zum Einwerfen. Ich muss es nachher wieder anbringen. Also, da merkt man auch, dass doch immer mehr die Variante RFID zum Tragen kommt.

ANDREA SPIEGEL: Dann würde ich sagen, wir schauen uns die jetzt auch einfach noch mal genauer an.

ANDREA SPIEGEL: Wir haben über das Regal schon ein bisschen gesprochen. Ihr habt das ja auch bei euch eben im Einsatz. Vielleicht können wir da einfach mal drüber sprechen, wie ist das aufgebaut? Wir haben das schon ein bisschen angedeutet mit verschiedenen Ebenen. Wie funktioniert das?

MARCELL SINGER: Also, im Prinzip kann man sich das vorstellen wie ein normales Lagerregal. Das hat eine Tiefe, sodass wir eben mehrere Boxen hintereinanderstellen können. Die Regalreihen sind so angebracht, dass einfach ein normal großer Mensch oben die ablegen kann. Nicht, dass es nur für Leute ist, die über zwei Meter sind. Das hat ja auch etwas mit dem Gewicht zu tun. Die Teile sind manchmal schwer. Ich muss den oberen dann noch bedienen können.

Auf jeden Fall auf dem obersten Lagerplatz gibt es die Freiflächenübermittlung, der Leerbehältersammelplatz. Der Behälter hat hinten einen Tag. Der Tag bietet einfach die Möglichkeit, dass der Boden erkennt, Box XY ist leer, bitte befülle mich mit Produkten. Dann ist eben hinterlegt, welche Art des Produktes und die Anzahl. Die Übermittlung findet statt, sobald eben auf dieser Übertragungsfläche am oberen Regalboden die Box für gewisse Zeit verweilt. Man kann das einstellen, soll das gleich passieren, sobald diese das erste Mal Kontakt hat oder soll die vielleicht zwei, drei oder fünf Minuten stehen. Wenn sie dann dort steht, dann wissen wir, da ist sie auch richtig. So haben wir das heute hinterlegt. Warum? Wenn das Regal voll ist und man muss das befüllen, dann passiert es immer wieder, jemand möchte was abstellen und hat die Hände voll. Dann stellt er es natürlich dort ab, wo es Platz hat. Also stellt er das nach oben. Jetzt würde er das übermitteln. Nein, fatal, wollte er gar nicht. Er wollte es nur abstellen. Deswegen gibt es diese Varianz, dass man sagt, ich will da einfach so ein Zeitfenster haben, danach geht es dann weiter.

Das ist eigentlich ideal, um diese Falschübermittlungen ein bisschen außenvorzulassen.

Und ja, man kann auch sämtliche Regale nachrüsten. Das ist vielleicht auch ganz wichtig, dass ich nicht sage, ich brauche jetzt ein neues Regal und dann brauche ich erstmal noch Technik dafür und so. Sondern man kann sein Standardregal nehmen. Da wird der Fachboden dafür angepasst, in Breite und Länge. Da kommen die Antennen und Transponder ran. An der Seite gibt es dann die Sendeeinheit, wie ich es vorher schon gesagt habe, WLAN, LAN, Mobilfunk, was man möchte oder braucht. Dann übermittelt er das von überall hin. Das funktioniert tadellos, ganz klar.

ANDREA SPIEGEL: Wie läuft der Bestellprozess ab? Du hast gesagt, der hat einen Pufferspeicher drin, dass man mal abwartet, ob sich derjenige wieder umentscheidet. Läuft das dann komplett automatisch? Also geht sofort eine Bestellung an den Lieferanten raus? Oder muss man das vielleicht noch mit einer Freigabe bestätigen? Oder kann ich mir das aussuchen? Wie funktioniert das?

MARCELL SINGER: Also man kann sich das tatsächlich überlegen, möchte ich das praktisch erstmal zu mir und ich gebe es dann weiter. Wir haben das heute so eingestellt, dass wir den Bestellprozess automatisch haben. Das heißt, es wird eine Datei an uns übermittelt, wo klar übermittelt, was bin ich und wie viele und bitte an Kunde XY. Also wir kriegen in dem Datensatz eben mitgeschickt, welches Regal sendet uns das, wo müssen wir hin befüllen.

Dann läuft es automatisch in die EDV. Das heißt, unser Kommissioniervorgang startet. Wir kommissionieren die Ware für den Kunden in die jeweilige Box. Wir drucken dann wieder ein separates Label, verheiraten die, dass man weiß, das nächste Mal, wenn die Box wieder auf die RFID-Fläche kommt, überträgt er uns wieder die gleichen Daten. Mit unserer Zustell-Tour geht es dann direkt zum Kunden. Das heißt, STIEFEL-LKWs bringen die Ware direkt dorthin. So ist es heute.

ANDREA SPIEGEL: So wünscht man sich es ja eigentlich.

MARCELL SINGER: Ja, so sollte das auch sein.

ANDREA SPIEGEL: Quasi ein Traumprozess. Was passiert denn mit meiner Nachbestellung, wenn ich das jetzt daraufgestellt habe? Der hat das auch erkannt und dann fällt z.B. der Strom aus.

MARCELL SINGER: Dann haben wir Glück.

ANDREA SPIEGEL: Das klingt gut.

MARCELL SINGER: Wir hatten genau das Thema früher in unserer alten Lösung immer wieder. Stromausfall oder irgendwelche Unwegsamkeiten. Die Sendeeinheit wurde blockiert durch Kransteuerungen. Das heißt, wenn wirklich viele Metallteile im Weg sind, ist die Übertragung nicht immer gewährleistet. Aber der puffert das. Das heißt, der versucht es zu senden. Wenn er sagt, nein, hat nicht geklappt, dann wartet er und sendet es irgendwann wieder. So wird es bei Stromausfall auch sein. Das heißt es bleibt in dem Zwischenspeicher. Der Rechner fährt wieder hoch nach dem Stromausfall. Er erkennt, ich habe hier noch etwas zum Versenden. Wunderbar, ich übermittle das. Er sendet es dann im Nachgang, wenn es wieder möglich ist. Das heißt, es kann auch mal sein, dass das Mobilfunknetz ausfällt. Das hat die Übermittlung auch vielleicht gestört oder das WLAN. Es spielt keine Rolle, ob es Strom ist oder was Anderes. Dann würde das System so lange warten, bis es wieder machbar ist und dann übermittelt es. Somit gehen auch keine Daten verloren.

ANDREA SPIEGEL: Perfekt.

ANDREA SPIEGEL: Wie würdest du generell bei diesem ganzen System, bei dieser ganzen Technologie das Zusammenspiel von Hardware und Software beschreiben? Das eine oder das andere wird wahrscheinlich nicht funktionieren.

MARCELL SINGER: Ja, man muss ja klar sagen, es muss perfekt abgestimmt sein. Das war ja euer Job, das zu machen. Also das genau in den Vordergrund zu rücken. Jetzt können wir im Nachgang wirklich feststellen, dass Soft- und Hardware sehr gut miteinander harmonieren, um nicht zu sagen, ein perfekt abgestimmtes Team sind.

Wichtig war uns auch, dass es wirklich hochwertige Komponenten sind. Also auch wie die Antenneneinheit und die Sendeeinheit sind, sodass die auch in schwierigen Rahmenbedingungen, wie Feuchtigkeit, Klima und so weiter, gut funktionieren. Ich glaube, das ist auch ein wichtiger Aspekt. Natürlich gehören die Software und Stabilität mit dazu. Aber das ist wie überall. Also das setzt man einfach voraus. Also das muss funktionieren.

ANDREA SPIEGEL: Welchen Mehrwert würden deiner Meinung nach digitalisierte Nachschubprozesse im Unternehmen schaffen? Also wir haben vorhin mal über das Thema Kapital gesprochen. Vielleicht wird einfach weniger Kapital gebunden. Was gibt es da vielleicht sonst noch für Vorteile?

MARCELL SINGER: Also der Ablauf ist sicherlich auch ein Vorteil. Also wenn heute jemand eine Bestellkarte ausfüllen müsste, müsste derjenige diese in die Beschaffung bringen und die Bestellung auslösen. Im Wareneingang, macht er dann den Wareneingangsprozess. Die Kommissionierer räumen dann eben die Ware wieder raus und bringen sie wieder ans Band. Der Werker dort verwendet sie. Dann wissen wir schon, wie viele Leute jetzt da ein Thema hatten mit dem gleichen Produkt. Wenn eigentlich das Regal das übernimmt, dann muss man klassisch sehen, die Beschaffung fällt außen vor.

Die Rechnungskontrolle fungiert automatisch durch den Handshake. Wenn gewünscht, übermitteln wir die Daten auch zurück in das System. Man kann sie einlesen. Somit erfolgt dann nachher auch die Rechnungskontrolle vollautomatisch, wenn das ERP das natürlich auch kann.

Der Wareneingangsprozess fällt weg und natürlich auch der Kommissionierprozess fällt weg. Man muss ganz deutlich sagen, ich habe einmal eine oder mehrere Fehlerquellen, die vermieden werden.

Falsche Preise erfasst bei der Bestellung. Sie müssen eine Gutschrift machen und so weiter.

Das Zweite ist natürlich auch völlig klar, ich bin schneller am Ziel. Wenn ich jetzt viel Geschäft habe und kriege das vielleicht gar nicht abgearbeitet, der Logistiker kommt an den fixierten Tag und bringt die Ware. Ob viel oder wenig, das spielt ja keine Rolle. So ist das bei uns auch. Das ist eine Zuverlässigkeit, die klar ist.

Das Dritte ist natürlich, dass ich mir die ganzen Prozesse spare. Das ist wahnsinnig viel Geld. Eine Bestellung kostet laut VDMA im Schnitt bei sehr guten Unternehmen, die wirklich gut durchgetaktet sind, mindestens 100 Euro. Egal, wie viele Positionen draufstehen. Jetzt kann sich das jeder ausmalen, wie viele Bestellpositionen habe ich am Tag und wie viele Bestellungen sind das.

ANDREA SPIEGEL: Wie viel Geld geht mir daraus?

MARCELL SINGER: Absolut, das ist so.

ANDREA SPIEGEL: Du hast jetzt schon gesagt, du hast ja auch viele Erfahrungen einfach schon gesammelt in dem Bereich. Gibt es dann irgendwie ein Kundenprojekt oder so, das bei dir hängen geblieben ist, wo du sagst, das war ein spannendes Kanbanprojekt für mich? Oder da gab es irgendwelche Besonderheiten, mit denen wir nicht gerechnet hatten?

MARCELL SINGER: Also wir stecken ja gerade in mehreren drin. Tatsächlich auch mit dem Rollout von neuen E-Kanban-Lösungen. Klar, da gibt es das Thema Kabel und Strom verlegen, wo es bisher keins gab. Klassische Thematik. Ich nehme die Box raus und ich bringe wieder eine. Da war Strom für Licht da und das war es dann auch. Oder es ist wirklich in verwinkelte Keller, wo dann eigentlich die Anbindung an ein Mobilnetz, an ein WLAN oder an ein Netzwerk gar nicht so einfach ist.

Aber die Herausforderung ist immer das Zusammenspiel. Habe ich genügend Platz für die Regale, habe ich die technische Möglichkeit, es so anzubinden? Der Rest würde ich fast behaupten, funktioniert bei den meisten Unternehmen sehr, sehr gut. Also man tut vielleicht dem Mittelstand echt Unrecht. Die sind weiter, wie man denkt. Viele Unternehmen sind super innovativ. Auch viel, viel weiter, wie wir das für uns manchmal feststellen. Das ist super interessant.

Daher freue ich mich eher darauf, wie die uns herausfordern. Das heißt, unsere Kunden kommen mit Fragen und Anforderungen. Das führt bei uns natürlich dann auch dazu, was müssen wir noch tun, um dem gerecht zu werden.

Ich hätte jetzt keines, wo ich rausheben wollte, sondern alle, die da kommen, sind alle ein bisschen anders gelagert. Das macht es sicherlich auch so einmalig.

ANDREA SPIEGEL: Und alle sind auch herzlich willkommen. Neue Herausforderung, neue Challenge.

MARCELL SINGER: Absolut.

ANDREA SPIEGEL: Das Thema mit der Steckdose hat mich gerade daran erinnert, dass man immer sagt, wenn man ein Haus baut, bau lieber noch eine Steckdose mehr ein. Man wird sie brauchen. Vielleicht das auch als Tipp für die Firmen, wenn ihr irgendwann mal plant, irgendwas zu digitalisieren, baut eine Steckdose mehr ein.

MARCELL SINGER: Steckdose, Netzwerkstecker, tatsächlich ist das so. Das fehlt oftmals. Das sollte man gar nicht glauben. Da gibt es Starkstrom in jeder Ecke, aber da, wo du eine Steckdose brauchst, da ist keine.

ANDREA SPIEGEL: Okay, also wir brechen heute eine Lanze für Steckdosen.

MARCELL SINGER: Wenn es möglich ist, gerne.

ANDREA SPIEGEL: Alles klar.

ANDREA SPIEGEL: Ich würde gerne von dir noch wissen, das ist so spontan vielleicht auch ein bisschen gemein, aber vielleicht fällt dir was ein. Wie würdest du denn E-Kanban oder eben diesen digitalisierten Kanban-Prozess in drei Worten beschreiben?

MARCELL SINGER: Schnell, innovativ und effizient.

ANDREA SPIEGEL: Perfekt. Ich lasse das jetzt einfach mal so stehen, kann sich jetzt jeder eine eigene Meinung bilden.

ANDREA SPIEGEL: Wenn wir schon bei der Drei sind. Könntest du uns vielleicht nochmal so deine drei, ich nenne es immer gern, Top-Tipps geben, wenn sich jemand überlegt, seine Nachschubprozesse zu digitalisieren. Wo muss man ansetzen? Mal abgesehen von der Steckdose. Was sind so die drei wichtigsten?

MARCELL SINGER: Also als erstes wirklich den Prozess zu überprüfen, zu schauen, wo stehe ich heute.

Das zweite ist, kann mein ERP das, was ich mir wünsche?

Das dritte ist, ist mein Team dafür bereit? Also sind die Leute wirklich vorbereitet dafür, dass so ein Wandel kommt? Wenn das so ist, dann sollte man das dringend tun.

ANDREA SPIEGEL: Was ist noch so zum Abschluss vielleicht dein Ausblick, deine Hoffnung, dein Wunsch? Was glaubst du, was bei dem Thema E-Kanban in der nächsten Zeit noch kommt oder Kanban generell? Wie wird sich das noch entwickeln? Hast du da Vorstellungen? Oder wie gesagt, es wäre hier auch ein Wunschkonzert. Was hättest du gerne noch? Was könntest du dir noch vorstellen?

MARCELL SINGER: Also ich hänge immer noch an dem Gedanken, dass diese Nachschubprozesse nicht an ein Regal gekoppelt sein dürfen, sondern die müssen an den Prozess hängen. Dann spielt es eigentlich keine Rolle, ob ich eine Box bin, eine Palette, eine Baugruppe oder ein Hydraulikschlauch.

Das sehen wir heute schon so. Wir können Etiketten überprüfen. Wir können das auch mit dem E-Kanban machen. Aber ich glaube, das ist jetzt schon ein bisschen zu weit. Wir können Etiketten überall draufkleben, wir haben so ein Gate. Man kann da schon ganz schön wilde Sachen damit machen.

ANDREA SPIEGEL: Perfekt. Gibt es sonst noch irgendwas, was du unseren Zuschauerinnen und Zuschauern mitgeben wollen würdest?

MARCELL SINGER: Ich denke, viele, die es heute noch nicht einsetzen, sollten sich dringend damit vielleicht mal auseinandersetzen. Es hat viele, viele Vorteile. Es spart einfach auch im Ablauf viel Zeit. Es bringt auch viel Ruhe rein. Also man sieht, dass der Warenfluss einfach klarer wird. Ich habe eine tolle Kontrollfunktion. Ich bekomme auch von meinem Dienstleister immer gute Auswertungen. Zumindest ist es bei uns so, dass wir den Kunden alles zur Verfügung stellen, was wir irgendwie können. Das bietet ja auch eine gute Transparenz. Jeder sollte sich damit auseinandersetzen. Ich glaube, da kommen die nächsten Jahre einiges auf uns zu. Das betrifft nicht nur E-Kanban, sondern auch die Sequenzbelieferung, Kit-Belieferung. Das kombiniert mit irgendeiner technischen Lösung. Das wird sicherlich die Zukunft werden.

ANDREA SPIEGEL: Perfekt. Dann würde ich sagen, wir lassen es so stehen. Jeder, der den Podcast bis hierhin gehört hat, hat glaube ich schon mal den ersten Schritt in die richtige Richtung gemacht. Ich danke dir für das Gespräch und für die tollen Einblicke ins Thema E-Kanban oder Kanban generell.

Wir hoffen, ihr da draußen konntet was mitnehmen. Wenn ihr noch Fragen an den Marcell habt oder generell einfach zum Thema Kanban, E-Kanban, dann schreibt uns das einfach gerne unten in die Kommentare. Wenn euch die Folge gefallen hat, lasst uns einen Daumen nach oben da bei iTunes. Und ja, dann würde ich sagen, bis zum nächsten Mal.

MARCELL SINGER: Bis bald. Tschüss.

Welche Idee steckt hinter der Multikommissionierung in der Lagerlogistik?

„Die Idee bei der Multikommissionierung ist auch da, eben solche Leerfahrten, Leerwege, egal ob jemand läuft oder eben fährt, zu vermeiden.“

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