ANDREA SPIEGEL: Es geht nachher nicht nur um die ganze Technologie, um das technisch richtig abzubilden und die richtigen Prozesse zu definieren, sondern da stecken ja auch ganz viele Menschen dahinter. Es gibt, man sagt ja immer so schön, die Stakeholder. Es gibt die Kunden, die Mitarbeitenden, die Geschäftsleitung oder eben die, die das Ganze nachher auch bezahlen müssen. Und ich glaube, ein großes Thema ist ja auch das Mindset und die Kultur in den Firmen und so weiter. Ich habe gesehen, dass ihr da auch begleitet oder dass ihr euch dazu Gedanken macht. Was sind da deine Erfahrungen? Worum geht es da und was sind die wichtigen Stellschrauben in dem Bereich?
STEPHAN MÜLLER: Ja, da kann ich mal ausführen. Als ich mich das erste Mal mit dem Thema Digitalisierung vor sechs, sieben Jahren beschäftigt habe, hatte ich auch ein Projekt in der Firma. Und da haben wir tatsächlich vergessen, die Leute mitzunehmen. Das lässt sich verallgemeinern. Da machst du ein super Produkt, das wirklich einen Wert für deine Kunden draußen hat und auch für dich. Und du vergisst es, den Leuten intern zu erzählen und sie mitzunehmen, sie mitwirken zu lassen bei dem Ganzen. Das heißt, das ist dann so das exotische Projekt, das nebenherläuft und vielleicht auch noch als Geheimprojekt betitelt wird. Keiner weiß, worum es da geht. Und am Schluss ist es da und alle sollen damit arbeiten.
Das kann nur schiefgehen. Wenn man das so erzählt, ist es jedem klar. Aber wenn du mittendrin steckst, hast du das womöglich vergessen, weil dein Fokus ganz auf der Entwicklung von dem Ganzen liegt und so weiter.
ANDREA SPIEGEL: Du weißt ja auch, wo du hinwillst, wenn du es das erste Mal definiert hast.
STEPHAN MÜLLER: Genau. Und es ist ja völlig klar, dass es andere auch so sehen müssen. Genau. Und das ist tatsächlich etwas, wo wir mit unseren Kunden sagen, wenn wir das anfangen, auch gerade wenn wir anfangen, erst mal über das Geschäftsmodell etc. nachzudenken, das machen wir nicht nur mit der Geschäftsführung. Da sagen wir, da müssen wir Leute aus den verschiedenen Bereichen mit einbeziehen. Dass wir da nicht die ganze Firma beteiligen können, ist klar. Aber dann muss man einfach die Leute aus den richtigen Bereichen zusammenbringen. Man muss sie einbinden, weil am Ende, wenn man sich überlegt, welchen Nutzen man stiften möchte, muss man die Brille des Kundenaufsetzen. Und das können nur Leute, die nah am Kunden dran sind. Das kann natürlich auch der Geschäftsführer sein. Aber das ist sicherlich auch der Vertrieb und je nach Größe auch der Service. Man muss die Leute aus verschiedenen Bereichen einbringen. Da müssen dann nicht unbedingt Abteilungsleiter oder Bereichsleiter dabei sein.
Das können auch ganz verschiedene Leute sein, die sich Gedanken machen, wie es beim Kunden aussieht, und die auch in internen Prozessen stark involviert sind. Die Leute muss man zusammenbringen und das Thema offen angehen. Das meiste, was mitspielt, ist erst mal die Ablehnung.
ANDREA SPIEGEL: Veränderung ist unangenehm.
STEPHAN MÜLLER: Genau, unangenehm, Veränderung erst mal. Und ich habe nicht mitgewirkt, was ist das?
ANDREA SPIEGEL: Mich hat ja keiner gefragt.
STEPHAN MÜLLER: Das bringt mir doch nichts. Das ist das eine. Und das Zweite ist natürlich Angst. Digitalisierung– viele Leute haben Angst, dass ihr Arbeitsplatz dadurch gefährdet wird, dass wir jetzt da einen tollen Assistenten haben oder eine KI, die irgendwas macht. Ist da eine Gefährdung für meinen Arbeitsplatz? Diese Angst spielt immer mit. Das sind die Hauptgründe, und die muss man abbauen. Das schafft man nur, wenn man das Ganze transparent angeht.
ANDREA SPIEGEL: Gab es bei euch Kunden, die gesagt haben, ja, ist ja schön, dass wir uns auch um die Menschenkümmern müssen. Aber wir haben da gerade einen anderen Fokus oder ein anderes Problem. Oder ist das schon etwas, wo ihr sagt, das können wir nicht ignorieren? Ich höre bei dir heraus, dass es wichtig für den Erfolg ist.
STEPHAN MÜLLER: Richtig.
ANDREA SPIEGEL: Inwiefern ist die Offenheit in den Unternehmen da, das anzunehmen und auch so anzugehen, wie ihr das wollt?
STEPHAN MÜLLER: Das ist natürlich ganz unterschiedlich. Früher haben wir versucht, zu unterstützen und zu beraten. Aber das schaffen wir nicht. Das sind unsere Erfahrungen, die wir haben, aber das haben wir nicht ausgebildet. Da sagen wir dann tatsächlich …
ANDREA SPIEGEL: Keine Change-Coaches oder sowas.
STEPHAN MÜLLER: Nein, genau. Das könnten sicherlich ein paar Leute von uns machen, aber das ist nicht unser Fokus. Auch wir als Firma müssen uns ja fokussieren.
ANDREA SPIEGEL: Ja klar.
STEPHAN MÜLLER: Aber wenn das nicht passt, dann sagen wir, schiebt das Projekt lieber noch ein bisschen. Wir können die Stellschrauben benennen, in welche Richtung man schauen sollte. Aber das muss man vorher klären. Sonst kann man das tollste Projekt machen, aber wenn es intern nicht angenommen wird, ist der ganze Effekt verloren.
ANDREA SPIEGEL: Also das ist schon ein Teil, wo du sagst, da müssen die Leute dran denken, sonst tun sie sich keinen Gefallen.
STEPHAN MÜLLER: Richtig, ja. Das darf man auch ruhig abfragen.
ANDREA SPIEGEL: Ja, okay.