#75 Digitalisierung im industriellen Anlagenbau mit Stephan Müller

Podcast Industrie 4.0 | Der Expertentalk für den Mittelstand

Alles Neu macht der… April. Bei uns zumindest, denn unser Podcast „Industrie 4.0 – der Expertentalk für den Mittelstand“ ist zurück! Und wie feiert man so eine Rückkehr? Mit einem hochkarätigen Gast!

Andrea Spiegel hat sich in Folge #75 Stephan Müller von der Possehl Analytics GmbH an die Seite geholt und spricht mit ihm über die Digitalisierung im industriellen Anlagenbau.

Unter anderem kommen Fakten zur Wichtigkeit von Daten aus einer Maschinendatenerfassung und deren Analyse auf den Tisch: Wie kommt man an diese Daten ran, wieso sind diese so spannend und wie macht man sich diese zunutze?

Auch das Mindset eines Unternehmens und deren Mitarbeitenden spielt eine riesen Rolle, wenn es um eine erfolgreiche digitale Transformation geht.

Zu guter Letzt verrät uns Stephan außerdem, was der Schlüssel zum Erfolg bei der Digitalisierung des industriellen Anlagenbaus ist – na wenn das mal kein Grund ist, genau jetzt die Folge zu starten – wir wissen auch nicht.

Das Transkript zur Podcast-Folge: Digitalisierung im Anlagenbau

ANDREA SPIEGEL: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge Industrie 4.0, der Experten-Talk für den Mittelstand. Wir haben euch heute wieder eine tolle, spannende Folge mitgebracht mit einem, wie ich hoffe, Firmen-Experten. Es klang auf jeden Fall sehr spannend, was wir über euch alles erfahren haben, zum Thema Digitalisierung des industriellen Anlagenbaus. Also heute mal ein bisschen spezifischer, auch auf eine gewisse Branche, die wir uns mal näher anschauen wollen. Wir gucken uns die aktuellen Herausforderungen an, mögliche Lösungswege und, worauf ich mich persönlich besonders freue, vielleicht auch neuartige Geschäftsmodelle in diesem Bereich. Da bin ich gespannt drauf. Bei mir ist heute Stephan Müller. Er ist Geschäftsführer der Possehl Analytics GmbH, glaube ich, genau.

STEPHAN MÜLLER: Richtig.

ANDREA SPIEGEL: Sehr schön, vielen Dank, dass du da bist.

STEPHAN MÜLLER: Schön, freue mich auch, hier zu sein.

ANDREA SPIEGEL: Wie immer an der Stelle für euch noch mal ganz kurz der Hinweis: Auch diese Folge gibt es wieder bei YouTube zu sehen. Also schaut da gerne mal vorbei, falls ihr ein Video zum Podcast haben wollt. Stephan, ich habe jetzt nur ganz kurz gesagt, wer du bist und bei welcher Firma du arbeitest, aber keiner kann sich vorstellen, was ihr da tut.

ANDREA SPIEGEL: Magst du uns mal einen Einblick geben, wer du bist und was ihr macht?

STEPHAN MÜLLER: Genau, super. Gerne. Ich bin Stephan Müller, ich bin der Geschäftsführer. Unsere Firma gibt es seit drei Jahren. Wir sind eine Ausgründung eines großen Druckmaschinenherstellers, unser Name ist Possehl Analytics. Wir gehören zur Possehl Gruppe. Die Possehl Gruppe mit Sitz in Lübeck, an der Spitze ist eine Stiftung. Sie besteht aus gut 200 Firmen, die weltweit verteilt sind, und ist auch relativ groß. Wir haben letztes Jahr einen Umsatz von insgesamt 4,8 Milliarden Euro gemacht und in diesem Umfeld bewegen wir uns. Da hat es natürlich auch ein paar Maschinen- und Anlagenbauer im Portfolio, mit denen wir uns beschäftigen.

ANDREA SPIEGEL: Voll spannend. Aber das heißt, ihr seid eine Ausgründung aus einer Firma, die auch im Bereich industrieller Anlagenbau tätig ist?

STEPHAN MÜLLER: Richtig, genau. Und da wurde damals die Idee geboren oder eine Software entwickelt, die geholfen hat, Maschinenausfälle zu verhindern. Irgendwann hat man gemerkt, dass das nicht nur für Druckmaschinen geeignet ist, sondern auch für sämtliche Produktionsmittel, also für Maschinen und Anlagen. Dann hat man gesagt, aus einem Anlagenbauer heraus sowas zu machen, ist schwierig, und hat eine eigene Firma gegründet. Damals mit sechs Leuten, und wir sind jetzt mittlerweile 25.

ANDREA SPIEGEL: Oh wow, cool. Das klingt auf jeden Fall gut. Das heißt, ihr seid erstmal offen, was die Brancheangeht. Ihr seid jetzt nicht auf Druckanlagen oder sowas spezialisiert?

STEPHAN MÜLLER: Richtig.

ANDREA SPIEGEL: Okay, super. Das hört sich interessant an. Dann sind wir mal gespannt, wo es uns heute so hinführt.

ANDREA SPIEGEL: Ich habe es dir ja schon gesagt, zum Einstieg gibt es immer noch eine kleine persönliche Frage, damit man noch ein bisschen mehr über dich erfährt oder Dinge, die dich interessieren. Mich würde heute interessieren, wenn du zu einem Dinner drei Personen einladen könntest, tot oder lebendig. Wer wäre das und warum?

STEPHAN MÜLLER: Oh, das ist eine interessante Frage. Da wäre eine Vorbereitung gar nicht schlecht gewesen.

ANDREA SPIEGEL: Du darfst auch gerne kurz überlegen. Es ist kein Druck.

STEPHAN MÜLLER: Okay, wen würde ich dann nehmen? Ich fahre privat hobbymäßig Rennrad, also wären es sicherlich Rennradfahrer, wo mich ein paar Sachen hinter den Kulissen interessieren würden. Und da ich jetzt auch schon ein bisschen älter bin, sind das natürlich auch Fahrer aus der Vergangenheit, also auch Tote. Ich würde gerne Jan Ullrich an den Tisch bekommen, Marco Pantani und tatsächlich auch Lance Armstrong und würde mich mit denen gerne mal über das, was damals alles hinter den Kulissen passiert ist, austauschen. Das wäre schon sehr interessant.

ANDREA SPIEGEL: Du würdest also einen Rennradabend machen, sozusagen?

STEPHAN MÜLLER: Ich würde tatsächlich einen Rennradabend machen.

ANDREA SPIEGEL: Cool, das klingt gut. Vielen Dank für den kleinen Einblick.

ANDREA SPIEGEL: Dann würde ich tatsächlich, wie ich schon im Intro angedeutet habe, mit den Herausforderungen starten. Also wo stehen wir denn gerade so im industriellen Anlagenbau, vor welchen Problemen oder Herausforderungen stehen wir da gerade?

STEPHAN MÜLLERVielschichtig. Uns gibt es seit drei Jahren, aber in den drei Jahren ist schon echt viel passiert. Die letzten zwei Jahre mit den ganzen weltweiten Ereignissen haben wir gemerkt, dass das auch auf den deutschen Maschinen- und Anlagenbau Auswirkungen hat. Die Investitionsbereitschaft in solche Themen wie Digitalisierung, die erstmal Kosten bedeuten, wird häufig runtergefahren oder gestoppt. Das ist eigentlich der falsche Weg, aber ich kann jeden Unternehmer verstehen, der so handelt. Man sollte es als Investment in die Zukunft sehen, um sich sicherer aufzustellen. Auch jede Krise geht mal vorbei.

ANDREA SPIEGEL: Man handelt da aus der falschen Angst heraus, dass man es sich nicht leisten kann, anstatt darauf zu schauen, was einem vielleicht irgendwann mal entgehen könnte, wenn man es nicht tut.

STEPHAN MÜLLER: Genau. Am Ende ist es ein Investment. Früher, in einer anderen Position, haben wir strategische Investitionskonzepte gemacht. An den Produktionsmitteln kannst du super hochrechnen, du simulierst eine Jahresproduktion darauf und weißt am Schluss, was du für eine ROI hast. Das lässt sich alles ausrechnen. Bei den Digitalisierungsthemen ist es manchmal schwieriger zu sagen, was wirklich an Geld reinkommt und was es dir bringt. Es gibt auch andere Faktoren, wie die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen, die da mit reinspielen. Das lässt sich nicht so einfach rechnen. Von daher sind solche Cases oft in der Priorität unten angesiedelt. Es kommt dann auf die Firma an, wie sie damit umgeht. Das ist ein Thema, das wir gerade im Maschinen- und Anlagenbau bei unseren Kunden oder potenziellen Kunden sehen und auf das wir stark eingehen.

ANDREA SPIEGEL: Das heißt, es wäre dann auch dein Plädoyer, das wäre jetzt meine Anschlussfrage gewesen, warum ist es trotzdem eine gute Idee, das jetzt zu machen? Also, was würdest du sagen, was passiert, wenn ich es nicht tue?

STEPHAN MÜLLER: Ja, also eigentlich der beste Zeitpunkt wäre vor sechs, sieben Jahren gewesen. Der zweitbeste Zeitpunkt ist heute. Wenn ich es nicht tue, ja, also, das ist, wie gesagt, mittelständischer Maschinen- und Anlagenbau, wo wir uns bewegen. Da gibt es ganz unterschiedliche Unternehmen. Das trennt sich gerade auch so ein bisschen in die, die schon richtig stark in der Digitalisierung und im Thema IoT sind, wo wir hauptsächlich tätig sind. Es gibt welche, die sind da noch gar nicht involviert. Das spaltet sich gerade so ein bisschen auf. Das heißt, die einen müssen schauen, dass sie nicht den Anschluss verlieren. Es kommt aber natürlich ganz darauf an, in welcher Position man sich gerade befindet. Wenn du jetzt noch Neuanlagen verkaufst, dann ist dein Schmerz noch nicht so groß. Aber wenn der Schmerz dann mal da ist, bist du gezwungen, schnell zu handeln. Daher würde ich das Thema jetzt angehen, solange ich noch in einer komfortablen Situation bin und es in Ruhe machen kann, statt wenn ich in einer Situation bin, in der ich mit dem Rücken zur Wand stehe.

ANDREA SPIEGEL: Ich wollte gerade sagen, das heißt, mit Schmerz meinst du, es gibt oft den Fall, dass keine neuen Maschinen mehr angefragt werden, oder was meinst du konkret?

STEPHAN MÜLLER: Genau, das meine ich damit. Ich habe auch mal bei Mannroland, einem Druckmaschinenhersteller, gearbeitet. Vor 20 Jahren war der Druckmarkt bei etwa 20 Milliarden oder so, was an Equipment pro Jahr verkauft wurde.

ANDREA SPIEGEL: Benötigt wurde, ja.

STEPHAN MÜLLER: Und das ist dann mit der Einführung von iPads etc. zusammengebrochen. Dieser Markt ist auf ein Zwanzigstel geschrumpft. Als Anlagenbauer kannst du dann kein neues Equipment mehr verkaufen und musst umstellen, wie du die installierte Basis bedienen und warten kannst, wie du damit Geld verdienen kannst. In diesem Bereich ist die Digitalisierung natürlich auch ein Thema, das Hand in Hand geht mit After-Sales-Service, ja. Das meine ich mit “Rücken zur Wand”, wenn ich die Neuanlagen nicht mehr verkaufen kann, aus solchen Gründen, oder wenn ich einfach einen Wettbewerbsdruck habe. Wenn mein direkter Konkurrent etwas macht und die Kunden dann verstärkt auch bei mir nachfragen, aber ich keine Lösungen bieten kann.

ANDREA SPIEGEL: Was sind denn, ich sage mal, was ist deine Erfahrung, welche Kunden kommen auf dich zu? Ich habe ja schon ein paar Podcast-Folgen gemacht und oft ist es so, dass man sagt, ja, es gibt halt auch Anlagenbauer, die sind so nischig, da gibt es vielleicht maximal einen Wettbewerber oder im Idealfall gar keinen. Sollten die trotzdem auch darüber nachdenken oder sagst du, nee, die haben noch ein bisschen mehr Zeit als die anderen, die im größeren Wettbewerbsdruck stehen?

STEPHAN MÜLLER: Das kommt natürlich erstmal auf den Kundendruck an. Also die Nachfrage kommt ja vom Betreiber, der die Anlage gekauft hat. Unsere Kunden haben ja auch Kunden, und wenn da natürlich die Nachfrage kommt, finden überall Generationswechsel statt. Da sind die ganzen alteingesessenen Bediener von Maschinen, zum Beispiel Schichtleiter oder Produktionsleiter, und da kommen jetzt auch Jüngere nach. Es muss ja nicht mal am Alterliegen, aber im Mindset bei den Leuten kommt das jetzt schon an. Überall hält es Einzug: Warum kann ich auf meinem Tablet oder auf meinem Handy tolle Sachen machen, aber nicht mit dem millionenteuren Produktionsequipment, das in meiner Halle steht? Also der Druck kommt da schon auch vom Markt.

ANDREA SPIEGEL: Das heißt, es geht nachher nicht nur um die Digitalisierung meiner Prozesse, um die Produktion meiner Anlagen, sondern es geht nachher auch um die Digitalisierung der Anlage an sich?

STEPHAN MÜLLERRichtig, ja. Also beides Hand in Hand.

ANDREA SPIEGEL: Okay.

ANDREA SPIEGEL: Du hast jetzt schon gesagt, dass euer Schwerpunkt ein Stück weit Richtung IoT geht und da ist ja auch immer ein Riesenthema Datenanalysen und so weiter. Welche Rolle spielen die Daten in dem Kontext, in dem ihr euch bewegt, und woher kommen die eigentlich?

STEPHAN MÜLLER: Das ist das Schöne an solchen Anlagen, die spucken eigentlich jede Menge Daten aus. Es kommt auf das Alter an, auf die Art der Steuerung, die darin ist, und die Art der Sensorik, aber grundsätzlich spucken die Maschinen schon richtig viele Daten aus. Die Herausforderung ist meistens, da ranzukommen. Was aber noch interessanter ist, als die Daten, die aus der Maschine kommen, weil sie schwieriger zu bekommen sind, sind die, nennen wir es mal, analogen Daten. Das heißt, was um die Maschine herum passiert. Da ist ja eine Infrastruktur, eine Fabrik, da sind Menschen, da sind andere vorgelagerte und nachgelagerte Prozesse, da passiert was um diese Maschine herum. Nur wenn ich diese Daten auch irgendwo habe, abbilden und zusammenführen kann mit den Maschinendaten, dann kann ich überhaupt eine richtige Analyse machen und einen Mehrwert stiften.

ANDREA SPIEGEL: Also eine Mischung aus BetriebsdatenUmgebungsdaten, würde ich es jetzt mal nennen, aber auch Maschinendaten?

STEPHAN MÜLLERGenau, ein ganz einfaches Beispiel: Ich schaue mir die Häufigkeit von Fehlern an und sehe, dass ein Fehler über die letzten Wochen immer wieder auftaucht und sich sogar vermehrt, der Trend ist steigend. Und jetzt im Nachhinein sehe ich, auf einmal hat es aufgehört. Das sagt mir die Maschine. Und jetzt frage ich mich, warum hat denn das aufgehört? Damit ich etwas für die Zukunft lernen kann. Es könnte sein, dass endlich jemand vorbeigelaufen ist, der mit der Fettpresse das Gerät mal wieder gewartet und geschmiert hat, es könnte ein Teil getauscht worden sein, es könnte ein Teil repariert worden sein, all das weiß ich nicht. Das sind die Daten, die wir als analoge Daten bezeichnen, die ich dann in diese Fehleranhäufung, das ist ein Sensor, eine Steueralarm oder so etwas, einordnen muss. Und genau diese Zuordnung, was in der echten Welt zu diesen Daten passiert ist, das ist das Interessante, das muss man hinbekommen.

ANDREA SPIEGEL: Ich wollte gerade sagen, das würde mich jetzt interessieren, wie mache ich das? Also, wie du sagst, die Maschine hat irgendwie Sensoren und so weiter, aber ob da jetzt einer vorbeigelaufen ist oder nicht, das kann ich vielleicht noch mit einem Kamerasystem erfassen, oder wie komme ich an diese Daten ran?

STEPHAN MÜLLER: Normalerweise durch Wartungsrückmeldungen, die aber dann halt genau so strukturiert sein müssen, damit sie in dieses System einfließen. Und das ist auch unser Know-how. Also, wir kommen aus dem Maschinen- und Anlagenbau. Wir sind jetzt keine IT-IoT-Bude per se, also wir sind alles Maschinen- und Anlagenbauer, auch die Entwickler bei uns. Und somit haben wir da schon Vorwissen, und genau das …

ANDREA SPIEGEL: Ihr kennt schon eure Pappenheimer und die Themen, die da so anstehen.

STEPHAN MÜLLER: Wir standen selber vor den Problemen, als wir damals vor sechs, sieben Jahren mit dem Projekt angefangen haben, und ich war damals auch noch nicht bei dieser Firma, von der wir ausgegründet wurden. Ich war bei einer anderen Firma und hatte da auch genau die gleichen Themen: Wie kommen wir an solche Daten heran? Und da haben wir uns über Forschungsprojekte und so weiter an solche Lösungen angenähert, aber immer ganz pragmatisch, auch an der Praxis orientiert. Und dann kommst du irgendwann darauf, dass du Wartungsrückmeldungen auch so sammeln kannst, dass sie intuitiv für den Bediener sind. Sei es mit Tablets, mit kleinen Apps, über die du etwas zurückmelden musst und so weiter.

Es braucht nicht mehr viel, aber die Daten müssen richtig vorliegen. Da muss man sich dann ein bisschen Gedanken machen. Man kann solche Systeme starten und parallel die Wartungsrückmeldungen optimieren, und so wird das System besser. Aber man muss jetzt nicht erst fünf Jahre an einem Konzept arbeiten, um dann in fünf Jahren Ergebnisse zu haben. Man kann jetzt schon starten, und die Ergebnisse werden besser.

ANDREA SPIEGEL: Okay. Und das heißt, Wartungsdaten sind das eine Thema. Was gäbe es noch für Möglichkeiten, um vielleicht auch Daten zu erfassen? Oder sagst du, nee, wenn ich das habe, dann reicht es eigentlich schon, um weiter voranzugehen?

STEPHAN MÜLLER: Ja, die Wartungsrückmeldungen sind sicherlich ein großes Thema, aber auch die vor- und nachgelagerten Bereiche. Wenn ich den gesamten Prozess einbeziehe, der meistens nicht nur aus einer Maschine besteht, sondern auch vorgelagerte und nachgelagerte Prozesse umfasst, dann weiß ich beispielsweise auch, warum ich Wartezeiten an dieser Anlage hatte, wenn im Prozessschritt davor etwas passiert ist. Genau solche Sachen sind wichtig.

Also, wenn ich immer das gesamte Bild der Maschine oder des Sensors im Auge behalte, der zu einer Maschine gehört, und diese Maschine steht in einer Umgebung. Diese Umgebung muss ich irgendwie versuchen abzubilden. Genau.

ANDREA SPIEGEL: Wie mache ich jetzt am Ende die Daten nutzbar? Also, sie zu sammeln ist schon mal super, dann habe ich ganz viele Daten, das ist toll. Aber wenn ich damit nichts mache, was kann ich denn damit machen und wie mache ich das nachher?

STEPHAN MÜLLER: Das ist genau unsere Rede immer. Wenn wir mit Kunden oder Firmen reden, sagen die oft, dass sie schon sehr viele Daten gesammelt haben, was per se super ist. Aber dann muss man aufpassen, ich bin selber auch Ingenieur, dass man nicht einfach auf diese Daten stürzt und versucht herauszufinden, was man damit anfangen kann. Man muss eigentlich von der anderen Seite herangehen und sagen, okay, welchen Nutzen möchte ich stiften? Und um diesen Nutzen stiften zu können, welche Daten brauche ich dazu? Dann gehe ich auf die Suche. Dann sehe ich, okay, 80 Prozent der Daten habe ich schon, 20 Prozent muss ich noch irgendwie beschaffen. Dann muss ich mir überlegen, mache ich das über zusätzliche Sensorik, die ich anbringe, oder bekomme ich die Daten indirekt her? Das ist dann wieder ganz individuell. Aber man sollte immer vom Ziel ausgehen: Ich möchte einen Nutzen stiften.

ANDREA SPIEGEL: Kannst du mir da ein Beispiel durchspielen? Hast du eines, wo du sagst, das Ziel kommt häufig vor oder das ist oft ein Anliegen eurer Kunden?

STEPHAN MÜLLER: Ja, das Ziel läuft immer darauf hinaus, die Total Cost of Ownership zu reduzieren. Kosten zu senken ist immer ein Ziel, aber etwas konkreter: ungeplante Stillstände verhindern. Das ist etwas, das je nach Maschinentyp oder Branche unterschiedliche Facetten hat. Bleiben wir mal bei einer Druckmaschine. Ich habe einen ungeplanten Stillstand, zum Beispiel auch einen Bahnriss. Also ich habe eine Papierbahn, die mit 15 Metern pro Sekunde durch die Maschine läuft, und jetzt reißt diese Bahn in der Produktion.

ANDREA SPIEGEL: Nicht gut.

STEPHAN MÜLLER: Ja, das ist alles lösbar, aber es dauert eine halbe bis eine Stunde, bis ich wieder gute Exemplare produziere. Diese Stunde kann sehr weh tun. Sie kostet Geld, alles verzögert sich. Die Maschine ist betriebsbereit, aber die Leute stehen herum.

ANDREA SPIEGEL: Ja, nur die Bahn ist gerissen.

STEPHAN MÜLLER: Genau, und dann habe ich meinen Maschinenstundensatz, den ich da anwenden kann, und so weiter. Wenn ich das reduzieren kann, dann habe ich schon gewonnen. Wenn ich diese ungeplanten Stillstände um 50 Prozent reduzieren könnte, hätte ich schon etwas erreicht. Ein Bahnriss ist ein Beispiel aus der Produktion, aber es gibt auch Wartungsthemen oder echte Störungen an der Maschine. Sobald ich da einen Einfluss habe und es reduzieren kann, habe ich einen Nutzen, der sich auch monetär abbilden lässt. Bildlich gesprochen, wenn ich mir eine Ampelvorstelle: das grüne Licht ist einfach, das sehe ich, die Maschine läuft. Das rote Licht ist auch einfach, das sehe ich, die Maschine steht. Was sehr interessant ist, ist das gelbe Licht.

ANDREA SPIEGEL: Da passiert irgendwas.

STEPHAN MÜLLER: Was passiert dazwischen? Genau, und auf dieses gelbe Licht schauen alle, da sind alle interessiert dran. Wenn ich das bedienen kann, mit Hilfe von Daten, habe ich einen Nutzen geschaffen.

ANDREA SPIEGEL: Okay.

ANDREA SPIEGEL: Jetzt haben wir ja in den meisten Firmen nicht nur eine Maschine stehen, die fröhlich Datenproduziert, die wir auswerten und optimieren können, sondern es ist, wie du sagst, immer ein Prozess aus mehreren Maschinen, vor- und nachgelagerten Prozessen und so weiter. Wie wichtig hältst du es oder wie empfehlt ihr es vielleicht auch euren Kunden, diese Maschinen miteinander sprechen zu lassen, um eben die Prozesskette richtig abbilden zu können?

STEPHAN MÜLLER: Ja, das ist sicherlich wichtig, aber da muss man jetzt schauen, aus welcher Position man darauf schaut.

ANDREA SPIEGEL: Welche gibt es denn?

STEPHAN MÜLLER: Es gibt den Anlagen- und Maschinenhersteller, der die Maschine ausliefert.

ANDREA SPIEGEL: Das sind eure Kunden sozusagen?

STEPHAN MÜLLER: Das sind unsere Kunden im Normalfall,

  1. Jetzt gibt es natürlich auch die Betreiber. Die Betreibersind an dieser Thematik viel mehr interessiert und haben da einen anderen Fokusals der Hersteller selbst. Der Hersteller hat andere Interessen und Sorgen als der Bediener oder der Betreiber dieser Anlage.

Für die Betreiber ist es sicherlich sehr wichtig, das zu können. Das heißt, wenn sie den ganzen Zoo, den sie in ihrer Produktion stehen haben, irgendwie vernetzen und sich die Daten holen können, dann haben sie gewonnen. Das bedingt natürlich irgendwelche Schnittstellen, aber auch Know-how beim Betreiber selbst oder Know-how, das er sich vom Hersteller holen kann. Da hat aber der Hersteller im Normalfall erst einmal nichts davon.

ANDREA SPIEGEL: Für den ist das halt so ein Gimmick, das er seinen Kunden mitgibt, weil …

STEPHAN MÜLLER: Ich kann eine Schnittstelle gegen Geld pro Monat zur Verfügung stellen. Oder ich mache es halt nicht, aber mein Mitbewerber tut es und irgendwann werde ich es auch tun müssen. Das ist immer das Spiel. Als Hersteller bin ich da natürlich auch interessiert, aber da ist die Frage, inwieweit ich das auch abrufen kann. Denn die Hersteller wollen sich untereinander nicht unbedingt die Daten zuschieben.

ANDREA SPIEGEL: Ja, okay.

ANDREA SPIEGEL: Welche Technologien sind in dem Kontext nachher interessant? Also für den Anlagenbauer, wenn er digitalisiert? Schon ein bisschen Sensorik gehört dazu und so weiter. Gibt es sonst noch Themen, sowohl Hardware als auch Software, wo du sagst, darüber sollte man sich Gedanken machen, das sollte man sich mal anschauen?

STEPHAN MÜLLER: Da habe ich eine eigene Meinung.

ANDREA SPIEGEL: Dafür bist du heute hier. Du hast quasi die Plattform für deine Meinung.

STEPHAN MÜLLER: Super. Die Technologiefrage ist bei uns meistens die zweite Frage, die man sich stellen sollte. Die Technologie ermöglicht eigentlich nur. Das heißt, wenn ich den Nutzen kenne, dann suche ich mir die richtige Technologie aus, die ich dazu verwende. Wir sind im IoT-Bereich tätig, auch KI spielt da mit rein. Die Verknüpfung aus beiden Bereichen ist in diesem Umfeld natürlich super interessant. Wir haben aber auch gemerkt, dass das große Buzzword KI gerade super Innovationen antreibt, aber oftmals sind die Leute noch gar nicht bereit dafür.

Man kann schon viel Nutzen stiften mit einfachen statistischen Methoden oder Analysen. Einfach nur die Dinge sichtbar und transparent zu machen, mit Auswertungen, die auf Erfahrung beruhen. Man muss nicht sofort mit KI arbeiten. Wenn es einen Nutzen stiftet, auf jeden Fall, und das probieren wir gerade tagtäglich aus, wo das wirklich einen Nutzen stiften kann. Aber es ist nicht der erste Schritt. Man kann schon viel mit anderen, althergebrachten Methoden erreichen.

ANDREA SPIEGEL: Althergebrachten.

ANDREA SPIEGEL: Ich wollte gerade sagen, vielleicht können wir da gleich noch mal reingucken, weil mich tatsächlich das Thema des Nutzens interessiert. Wo siehst du den größten Nutzen oder die größten Mehrwerte der Digitalisierung für den industriellen Anlagenbau? Wo haben sie dann wirklich etwas davon?

STEPHAN MÜLLER: Der Hersteller selbst hat jetzt die Möglichkeit, Transparenz über seine installierte Basis zu erhalten. Wenn die Maschinen angebunden sind, hat er die Möglichkeit zu sehen, ohne seine Kunden ausspähen zu wollen, was die Maschinen da draußen im Feld wirklich machen. Je nach Service-Level hat er schon Informationendarüber, was der Kunde damit macht und in welchem Zustand die Anlagen sind.

ANDREA SPIEGEL: Und wie viele Fehler es gibt, wie oft sie gewartet werden und so weiter.

STEPHAN MÜLLER: Genau, aber die liegen meist nicht so vor, dass man sie auswerten kann. Der Nutzen für den Hersteller ist, zu sehen, was draußen mit seinen Maschinen passiert, um daraus zu lernen. Zum Beispiel, welche neuen Features er den Kunden anbieten könnte, weil er ständig sieht, dass die Maschinen anders genutzt werden als gedacht. Dann könnte er dies und das anbieten. Er kann auch seinen Vertrieb darauf einstellen. Während der Corona-Phase konnte man kaum reisen, alles war im Shutdown. Wenn ich sehe, dass meine angebundenen Anlagen in bestimmten Teilen der Welt nicht mehr produzieren oder nicht mehr das Volumen produzieren, brauche ich dort keinen Neuanlagenvertriebler hinschicken. Ich gehe dahin, wo die Produktion auf gleichem oder höherem Niveau läuft.

ANDREA SPIEGEL: Oder bei Vollauslastung, genau.

STEPHAN MÜLLER: Genau, da schicke ich dann die Leute hin. So kann ich meine Firma ganz anders lenken, wenn ich diese Informationen habe. Auch im Aftersales und Service. Ich sehe, wie die Anlagen performen. Gleichwertige Anlagen bei verschiedenen Kunden, immer mit dem Wissen, was genau darauf produziert wird. Ich kann Kunden, die noch Potenzial haben, Dinge anbieten. Da freuen sich die Kunden und ich mich als Hersteller auch.

ANDREA SPIEGEL: Die fühlen sich verstanden und als Hersteller habe ich Optionen.

STEPHAN MÜLLER: Genau, ich kann ein Servicepaket schnüren oder ein Retrofit dem Kunden anbieten. Das sind die Vorteile für den Hersteller.

ANDREA SPIEGEL: Jetzt sind wir fast schon in Richtung Geschäftsmodell gerutscht. Das finde ich gut.

STEPHAN MÜLLER: Richtig, genau.

ANDREA SPIEGEL: Was für Möglichkeiten gibt es da? Ich fand es schon einen spannenden Ansatz zu sagen, ich kann die Daten der Maschinen nicht nur zur Optimierung meiner Maschinen nutzen, sondern auch zur Optimierung meiner Vertriebsstrategie. Gibt es noch mehr Modelle oder Geschäftsmodelle, mit denen sich richtig Geld verdienen lässt?

STEPHAN MÜLLER: Mit Sicherheit. Die sind super kundenspezifisch oder herstellerspezifisch.

ANDREA SPIEGEL: Kannst du ein Beispiel geben, wo du sagst, das haben wir begleitet und fand ich interessant oder inspirierend?

STEPHAN MÜLLER: Wir starten häufig die Projekte mit einem Businessmodel-Workshop. Bevor wir ein Stück Software entwickeln, schauen wir uns mit den Kunden an, wo wir hinwollen.

ANDREA SPIEGEL: Also wieder bei dem Nutzen und was will ich eigentlich?

STEPHAN MÜLLER: Genau, mit dem Nutzen stiften. Dann überlegen wir auch, wie es am Schluss monetär aussieht. Der ganze Spaß muss ja auch irgendwo bezahlt werden. Häufig sind es zwei große Themen, in die es dann einzahlt. Der Hersteller stellt dem Kunden eine Auswertung zur Verfügung, die ihm einen Nutzen stiftet und für die er bereit ist, zu bezahlen. Das ist eine Einnahmequelle, mit der häufig unsere Kunden die Weiterentwicklung der Plattform bezahlen. Davon wird man normalerweise nicht reich. Der Game Changer ist tatsächlich diese Insights. Wenn ich die Anlageangebunden habe, kann ich meinen Vertrieb danach ausrichten und vor allem meinen Aftersales und Service. Da ist der große Hebel drin.

ANDREA SPIEGEL: Da liegt das Geld begraben, sozusagen.

STEPHAN MÜLLER: Genau. Jeder, der im Maschinenanlagenbau unterwegs ist, weiß, dass im Aftersales die größte Marge steckt. Wenn ich das verbreitern kann, meine Produkte hier und auf Basis solcher echten Daten, dann habe ich eine Einnahmequelle geschaffen und auf der anderen Seite eine Kundenbindung. Ich bin nah am Kunden dran und kann ihm wirklich einen Nutzen oder Mehrwert bieten.

ANDREA SPIEGEL: Das Bedürfnis steht dann da auch im Fokus quasi.

STEPHAN MÜLLER: Richtig, genau. Da kann ich viel bedienen. Der dritte Punkt ist, für meine Konstruktion Feedback zu geben. Ich habe Anlagen draußen, auf die ich zugreifen kann. Ich könnte Serienfehler erkennen. Ich liefere eine Maschine aus, habe Gewährleistung darauf und es kommen dann Sachen zurück, die ich mir nicht erklären kann. Dann habe ich die Möglichkeit zu schauen, wie es bei anderen gleichwertigen Anlagen draußen aussieht. Dann kann ich sagen, das ist spezifisch für diese Maschine oder es ist ein Serienthema. Solche Sachen kann ich machen, wenn die Anlagen angebunden sind.

ANDREA SPIEGEL: Ich habe mir eure Website zur Vorbereitung angeschaut, um zu wissen, wer mir hier gegenübersitzt. Was ich ganz spannend fand und was wir auch im Podcast immer wieder behandelt haben, aber in diesem konkreten Kontext noch nicht.

ANDREA SPIEGEL: Es geht nachher nicht nur um die ganze Technologie, um das technisch richtig abzubilden und die richtigen Prozesse zu definieren, sondern da stecken ja auch ganz viele Menschen dahinter. Es gibt, man sagt ja immer so schön, die Stakeholder. Es gibt die Kunden, die Mitarbeitenden, die Geschäftsleitung oder eben die, die das Ganze nachher auch bezahlen müssen. Und ich glaube, ein großes Thema ist ja auch das Mindset und die Kultur in den Firmen und so weiter. Ich habe gesehen, dass ihr da auch begleitet oder dass ihr euch dazu Gedanken macht. Was sind da deine Erfahrungen? Worum geht es da und was sind die wichtigen Stellschrauben in dem Bereich?

STEPHAN MÜLLER: Ja, da kann ich mal ausführen. Als ich mich das erste Mal mit dem Thema Digitalisierung vor sechs, sieben Jahren beschäftigt habe, hatte ich auch ein Projekt in der Firma. Und da haben wir tatsächlich vergessen, die Leute mitzunehmen. Das lässt sich verallgemeinern. Da machst du ein super Produkt, das wirklich einen Wert für deine Kunden draußen hat und auch für dich. Und du vergisst es, den Leuten intern zu erzählen und sie mitzunehmen, sie mitwirken zu lassen bei dem Ganzen. Das heißt, das ist dann so das exotische Projekt, das nebenherläuft und vielleicht auch noch als Geheimprojekt betitelt wird. Keiner weiß, worum es da geht. Und am Schluss ist es da und alle sollen damit arbeiten.

Das kann nur schiefgehen. Wenn man das so erzählt, ist es jedem klar. Aber wenn du mittendrin steckst, hast du das womöglich vergessen, weil dein Fokus ganz auf der Entwicklung von dem Ganzen liegt und so weiter.

ANDREA SPIEGEL: Du weißt ja auch, wo du hinwillst, wenn du es das erste Mal definiert hast.

STEPHAN MÜLLER: Genau. Und es ist ja völlig klar, dass es andere auch so sehen müssen. Genau. Und das ist tatsächlich etwas, wo wir mit unseren Kunden sagen, wenn wir das anfangen, auch gerade wenn wir anfangen, erst mal über das Geschäftsmodell etc. nachzudenken, das machen wir nicht nur mit der Geschäftsführung. Da sagen wir, da müssen wir Leute aus den verschiedenen Bereichen mit einbeziehen. Dass wir da nicht die ganze Firma beteiligen können, ist klar. Aber dann muss man einfach die Leute aus den richtigen Bereichen zusammenbringen. Man muss sie einbinden, weil am Ende, wenn man sich überlegt, welchen Nutzen man stiften möchte, muss man die Brille des Kundenaufsetzen. Und das können nur Leute, die nah am Kunden dran sind. Das kann natürlich auch der Geschäftsführer sein. Aber das ist sicherlich auch der Vertrieb und je nach Größe auch der Service. Man muss die Leute aus verschiedenen Bereichen einbringen. Da müssen dann nicht unbedingt Abteilungsleiter oder Bereichsleiter dabei sein.

Das können auch ganz verschiedene Leute sein, die sich Gedanken machen, wie es beim Kunden aussieht, und die auch in internen Prozessen stark involviert sind. Die Leute muss man zusammenbringen und das Thema offen angehen. Das meiste, was mitspielt, ist erst mal die Ablehnung.

ANDREA SPIEGELVeränderung ist unangenehm.

STEPHAN MÜLLER: Genau, unangenehm, Veränderung erst mal. Und ich habe nicht mitgewirkt, was ist das?

ANDREA SPIEGEL: Mich hat ja keiner gefragt.

STEPHAN MÜLLER: Das bringt mir doch nichts. Das ist das eine. Und das Zweite ist natürlich AngstDigitalisierung– viele Leute haben Angst, dass ihr Arbeitsplatz dadurch gefährdet wird, dass wir jetzt da einen tollen Assistenten haben oder eine KI, die irgendwas macht. Ist da eine Gefährdung für meinen Arbeitsplatz? Diese Angst spielt immer mit. Das sind die Hauptgründe, und die muss man abbauen. Das schafft man nur, wenn man das Ganze transparent angeht.

ANDREA SPIEGEL: Gab es bei euch Kunden, die gesagt haben, ja, ist ja schön, dass wir uns auch um die Menschenkümmern müssen. Aber wir haben da gerade einen anderen Fokus oder ein anderes Problem. Oder ist das schon etwas, wo ihr sagt, das können wir nicht ignorieren? Ich höre bei dir heraus, dass es wichtig für den Erfolg ist.

STEPHAN MÜLLER: Richtig.

ANDREA SPIEGEL: Inwiefern ist die Offenheit in den Unternehmen da, das anzunehmen und auch so anzugehen, wie ihr das wollt?

STEPHAN MÜLLER: Das ist natürlich ganz unterschiedlich. Früher haben wir versucht, zu unterstützen und zu beraten. Aber das schaffen wir nicht. Das sind unsere Erfahrungen, die wir haben, aber das haben wir nicht ausgebildet. Da sagen wir dann tatsächlich …

ANDREA SPIEGEL: Keine Change-Coaches oder sowas.

STEPHAN MÜLLER: Nein, genau. Das könnten sicherlich ein paar Leute von uns machen, aber das ist nicht unser Fokus. Auch wir als Firma müssen uns ja fokussieren.

ANDREA SPIEGEL: Ja klar.

STEPHAN MÜLLER: Aber wenn das nicht passt, dann sagen wir, schiebt das Projekt lieber noch ein bisschen. Wir können die Stellschrauben benennen, in welche Richtung man schauen sollte. Aber das muss man vorher klären. Sonst kann man das tollste Projekt machen, aber wenn es intern nicht angenommen wird, ist der ganze Effekt verloren.

ANDREA SPIEGEL: Also das ist schon ein Teil, wo du sagst, da müssen die Leute dran denken, sonst tun sie sich keinen Gefallen.

STEPHAN MÜLLER: Richtig, ja. Das darf man auch ruhig abfragen.

ANDREA SPIEGEL: Ja, okay.

ANDREA SPIEGEL: Ich glaube, wir könnten noch tiefer reingehen, aber magst du zum Abschluss vielleicht noch einmal einen Einblick geben? Was ist der Schlüssel zum Erfolg für die Digitalisierung im industriellen Anlagenbau? Was wäre der eine Schritt, den alle machen müssen, damit es funktioniert?

STEPHAN MÜLLER: Einfach mal anfangen.

ANDREA SPIEGEL: Manchmal ist es so simpel, ja.

STEPHAN MÜLLER: Man muss einfach nur mal anfangen. Ich komme aus dem Maschinen- und Anlagenbau. Da gibt es immer die große Angst, dass, wenn ich beispielsweise eine Maschine ausliefere, diese auch funktionieren muss. Das muss bei einer Software, wie wir sie jetzt machen, die nicht relevant für die Steuerung und den Betrieb dieser Maschineist, nicht zu 100 Prozent ausgereift sein. Da gibt es sicherlich Friendly CustomerPilotkunden, die das wissen. Mit diesem Wissen können sie sich als Kunde einbringen. Man darf keine Angst davor haben, etwas auszuliefern, um es auszuprobieren. Natürlich muss es ein gewisses Level haben, aber man darf keine Angst haben.

ANDREA SPIEGEL: Allein mit Sicherheit und so weiter ist das ein Thema.

STEPHAN MÜLLER: Genau, Datensicherheit ist ein Thema, aber auch dafür gibt es Lösungen. Man darf keine Angst davor haben. Das Zweite ist, wenn man schon auf dem Weg ist, sich durch Rückschläge nicht verunsichern zu lassen. Es kann ja sein, dass ein Projekt scheitert. Dann muss man es beenden und vielleicht noch einmal neu starten. Diese “Sunken Costs” sind unangenehm, aber man muss sie akzeptieren und nicht weiter Geld hinterherwerfen, um es vielleicht noch umzubiegen. Man braucht vielleicht einfach einen Neustart.

ANDREA SPIEGEL: Noch mal resetten und noch mal loslegen.

STEPHAN MÜLLER: Richtig, genau.

ANDREA SPIEGEL: Das Letzte, was mich interessiert, ist, wo es für den industriellen Anlagenbau hingeht. Was sind Trends in Richtung Digitalisierung, die spannend werden könnten? Du hast KI schon angesprochen. Ist das das Thema? Oder gibt es noch etwas anderes, das vorher kommt?

STEPHAN MÜLLER: Es ist tatsächlich das Ausnutzen der ganzen Technologien und das Verbinden dieser. Wir versuchen gerade, AI verstärkt zu nutzen, um Mehrwerte zu schaffen. Es gibt aber viele Technologien, die noch nicht mal annähernd ausgeschöpft sind. Man muss diese einfach smart zur Verfügung stellen für die Leute, die sie dann wirklich nutzen, sei es an der Maschine oder in der Produktionsumgebung. Es muss einen Nutzen stiften und einen Sinn machen. Es darf nicht zu komplex sein. Man muss auf den Punkt kommen: “Alles, was du heute wissen sollst:” und dann steht es da. Nicht tausend Dashboards und super Auswertungen, die kann ich auch haben, aber die Leute haben eine Aufgabe an der Maschine. Sie müssen ihren Arbeitstag bewältigen und haben dementsprechend Druck. Alles, was ihnen hilft, muss leicht verständlich sein. Sie dürfen sich nicht durch drei Seiten einlesen müssen. Man muss sagen: “Das ist ein Thema, schau da hin. Das könnte passieren.” Oder: “Das würde dir an der Anlage helfen.”

ANDREA SPIEGEL: Manchmal ist weniger mehr.

STEPHAN MÜLLER: Genau, man muss es zurückdampfen und alle Technologien nutzen. Ob das jetzt eine Augmented Reality-Umgebung ist oder KI, die richtige Technik für den Nutzen und das Problem.

ANDREA SPIEGEL: Okay, cool. Vielen lieben Dank. Hat Spaß gemacht. Danke, dass du da warst, Stephan.

STEPHAN MÜLLER: Gerne, hat mich auch gefreut.

ANDREA SPIEGEL: Wir haben über alles Mögliche gesprochen, rund um die Digitalisierung im industriellen Anlagenbau, die Herausforderungen betrachtet, über Daten und Datenanalyse gesprochen und neue Geschäftsmodelle diskutiert. Vielleicht hat der ein oder andere eine Inspiration mitgenommen. Wenn euch die Folge gefallen hat, lasst uns gerne einen Daumen nach oben bei YouTube oder eine Bewertung bei Apple Podcast oder Spotify da. Wir würden uns sehr freuen.

Und wenn ihr noch Fragen zum Thema habt oder Ideen für neue Folgen, meldet euch gerne bei uns. Bei Fragen leiten wir diese natürlich weiter und geben euch Antwort. Ansonsten freuen wir uns über euer Feedback, auch generell zum Podcast. Nochmal vielen Dank an dich für deine Zeit. Hat Spaß gemacht. War sehr interessant, auch für mich.

STEPHAN MÜLLER: Ja, war klasse. Vielen Dank für die Einladung.

ANDREA SPIEGEL: Sehr gerne. Vielleicht kommst du ja mal wieder.

STEPHAN MÜLLER: Gerne, schön hier.

ANDREA SPIEGEL: Perfekt. An der Stelle macht’s gut. Bis zum nächsten Mal. Wir sehen uns.

STEPHAN MÜLLER: Tschüss.

Welche Idee steckt hinter der Multikommissionierung in der Lagerlogistik?

„Die Idee bei der Multikommissionierung ist auch da, eben solche Leerfahrten, Leerwege, egal ob jemand läuft oder eben fährt, zu vermeiden.“

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