ANDREA SPIEGEL: Lukas, du hast gerade einen wichtigen Punkt angesprochen, der meiner Meinung nach von großer Bedeutung ist. Es geht um die Mitarbeiter in einem Unternehmen und wie man sie in den Prozess der Einführung von KI-Technologien einbezieht. Dies ist oft ein kontroverses Thema, insbesondere wenn die Einführung von KI zu Arbeitsplatzverlusten führen könnte. Wie sollte ein Unternehmer in diesem Fall vorgehen, um seine Mitarbeiter richtig in das Projekt einzubeziehen? Sollte er sie mitnehmen oder kann er einfach davon ausgehen, dass sie damit klarkommen?
LUKAS SCHLEICHER: Das ist eine grundlegende Frage, die in Transformationsprozessen immer mitschwingt. Es ist eine gesellschaftliche Aufgabe, die uns alle betrifft. Ein interessantes Beispiel, das mir einfällt, betrifft die Automatisierung der Arbeit eines Radiologen und einer Reinigungskraft. Inwieweit können KI und Digitalisierung ihre Arbeit übernehmen? Die Ergebnisse sind faszinierend. Bei einem Radiologen, der sich Röntgenbilder ansieht, lassen sich Teile seiner Arbeit durch KI automatisieren. Etwa 30 Prozent der Aufgaben eines Radiologen könnten stark vereinfacht oder beschleunigt werden.
Bei der Bilderkennung, wie sie bei Röntgenbildern benötigt wird, kann KI Zeit einsparen und die Arbeit erleichtern. Jetzt denken wir an eine Reinigungskraft, die diesen Raum putzt. Es ist schwieriger, ihre Arbeit zu automatisieren. Sie muss jede Ecke reinigen und Gegenstände herumschieben, und möglicherweise gibt es Flecken, die zusätzliche Reinigung erfordern.
ANDREA SPIEGEL: Das klingt komplex und schwierig zu automatisieren.
LUKAS SCHLEICHER: Genau. Selbst mit KI ist es schwer, diese Art von Aufgaben zu automatisieren. Dies verdeutlicht, dass es bei der Einführung von KI-Technologien oft nicht darum geht, Arbeitsplätze vollständig zu ersetzen, sondern vielmehr darum, die Arbeit zu erleichtern. Es kann dazu führen, dass bestimmte Aufgaben einfacher werden und Ressourcen frei werden. Wenn wir an die Vergangenheit denken, als viele Aufgaben noch nicht automatisiert waren, haben wir es heute trotzdem einfacher.
ANDREA SPIEGEL: Oder wir erschweren es uns vielleicht wieder, weil wir neue Herausforderungen schaffen.
LUKAS SCHLEICHER: Ja, oder wir verbessern es auf andere Weisen. Es gibt oft Kritik an der genauen Überwachung, insbesondere im Hinblick auf Datenschutz oder ähnliche Themen. Aber ich denke, es ist eine Errungenschaft, die wir uns leisten können und die interessant ist. Aber um auf die Frage der Mitarbeiter zurückzukommen, denke ich, es ist wichtig, transparent zu kommunizieren, was passiert. Die Mitarbeiter sollten unbedingt in das Projekt einbezogen werden, damit sie verstehen, wie die Technologie funktioniert.
Es ist besonders wichtig, dass Mitarbeiter, insbesondere diejenigen, die mit der Technologie direkt arbeiten werden, wissen, wie sie sie effektiv nutzen können. Es bringt nichts, eine hochmoderne KI-Lösung zu haben, wenn die Mitarbeiter nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen. Auf höheren Hierarchieebenen muss die Kommunikation ebenfalls transparent sein. Wenn beispielsweise der IT-Leiter eine innovative KI-Idee hat, muss er diese Idee dem CEO erklären, der möglicherweise Experte in einer anderen Branche ist. Es ist wichtig, den Entscheidungsträgern klarzumachen, warum die KI-Lösung relevant ist.
Wir müssen uns auch fragen, welche Kompetenzen in dieser transformierten Welt erforderlich sind. Dies ist ein großes Thema, an dem die Allianz Industrie 4.0 derzeit arbeitet. Wir entwickeln Kompetenzprofile, um zu verstehen, welche Fähigkeiten und Kenntnisse benötigt werden. Dies betrifft nicht nur technische Fähigkeiten, sondern auch soziale Kompetenzen im Umgang mit Veränderungen. Die Fähigkeit, in einer sich wandelnden Umgebung sicher und ohne Angst zu arbeiten, ist von großer Bedeutung.
Dieses Projekt zur Entwicklung von Kompetenzprofilen wird hoffentlich dazu beitragen, die Anforderungen an Wissen und Fähigkeiten in dieser neuen Ära besser zu verstehen.