#22 Künstliche Intelligenz (KI) mit Lukas Schleicher

Podcast Industrie 4.0 | Der Expertentalk für den Mittelstand

In Folge #22 unserer Videoshow sprechen wir mit Lukas Schleicher, Projektmanager Künstliche Intelligenz und Cybersecurity bei der Allianz Industrie 4.0 Baden-Württemberg (VDMA), über künstliche Intelligenz bzw. Maschine Learning und den Einsatz in KMU.

Ist das negative Image künstlicher Intelligenz berechtigt? Welche Formen von KI sind bereits Alltag? Und was genau ist künstliche Intelligenz bzw. Maschine Learning überhaupt?

Lukas Schleicher erklärt uns, wie KI/AI arbeitet, wo ich diese sinnvoll in meinem Unternehmen einsetzen kann und welche Nutzen daraus generiert werden können. Aber auch die Frage nach der Einführung von artificial intelligence in KMU und deren Sicherheit besprechen wir in dieser Folge.

Das Transkript zur Podcast-Folge: Künstliche Intelligenz (KI)

ANDREA SPIEGEL: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge Industrie 4.0, der Experten-Talk für den Mittelstand. Algorithmen, Roboter und selbstlernende Maschinen klingen für die meisten von uns immer noch ein wenig nach Science Fiction. Dennoch ist das Thema künstliche Intelligenz bereits in unseren Alltag integriert oder zumindest auf dem Vormarsch. Warum das so ist, was KI genau kann und wie sie in KMUs eingesetzt werden kann, darüber spreche ich heute mit Lukas Schleicher, Projektmanager für Künstliche Intelligenz und Cyber Security bei der Allianz Industrie 4.0 Baden-Württemberg, die dem VDMA angehört. Hallo Lukas, schön, dass du heute hier bist.

LUKAS SCHLEICHER: Danke für die Einladung.

ANDREA SPIEGEL: Sehr gerne. Wie immer an der Stelle nochmal kurz der Hinweis, auch die Folge gibt es wieder bei Spotify, iTunes und Co. zu hören als Podcast, also hört da gerne mal rein. Bevor wir starten, kennen dich vielleicht noch nicht alle. Wer bist du und was genau machst du?

LUKAS SCHLEICHER: Das Wichtigste hast du bereits gesagt. Ich arbeite bei der Allianz Industrie 4.0, einer Initiative des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg. Wir setzen uns seit einigen Jahren dafür ein, Industrie 4.0 voranzutreiben, insbesondere bei mittelständischen Unternehmen, den KMUs in der Industrie. Wie du bereits erwähnt hast, sind wir dem VDMA angeschlossen, dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer. Dieser Unternehmensverband ermöglicht den Mitgliedsunternehmen den Austausch von Wissen und Erfahrungen auf technischer Ebene, insbesondere bei Themen wie Industrie 4.0, die nicht unbedingt zur Kernkompetenz der Maschinenbauer gehören, die oft über 30 Jahre Erfahrung in der Maschinenentwicklung verfügen. Sie können voneinander lernen, Erfahrungen austauschen und gemeinsam Projekte initiieren. Wir bei der Allianz Industrie 4.0 konzentrieren uns auf die Transformation. Speziell bin ich für Künstliche Intelligenz verantwortlich.

Ich möchte mich auch kurz vorstellen. Ich bin Lukas, von Beruf Physiker. Man könnte sich fragen, wie die Physik mit Maschinenbau zusammenhängt, aber es gibt durchaus Berührungspunkte. Ein interessantes Detail ist, dass die Anfänge der Anwendung neuronaler Netze, die heute für künstliche Intelligenz standardmäßig genutzt werden, auf das CERN in Genf zurückgehen, den großen Teilchenbeschleuniger, den man aus Filmen wie “Da Vinci Code” kennt. In den 90er Jahren haben sie dort grundlegende Grundlagen für das heutige Internet entwickelt. Bei den großen Datenmengen, die dort erzeugt wurden, stieß man an die Grenzen der herkömmlichen Verarbeitungsmethoden. Dies führte zur Anwendung neuronaler Netze, die nun in der KI weit verbreitet sind. Physiker waren also die Vorreiter, die KI in großem Maßstab anwandten. Es gibt auch Parallelen zur aktuellen Entwicklung des Quantencomputings, bei dem Physiker wieder an vorderster Front stehen.

ANDREA SPIEGEL: Die meisten kennen diese Themen vielleicht aus TV-Serien wie “The Big Bang Theory” oder Ähnlichem. Es ist auf jeden Fall spannend.

ANDREA SPIEGEL: Ja, dann würde ich sagen, lassen wir uns direkt in das Thema eintauchen. Meine erste Frage, oder zumindest mein Eindruck, ist, dass KI in der Gesellschaft oft ein eher schlechtes Image hat oder oft negativ betrachtet wird. Ist das gerechtfertigt?

LUKAS SCHLEICHER: Das ist eine interessante Frage. Oft hat etwas ein schlechtes Image, wenn es unbekannt ist oder nicht verstanden wird, wenn es gewissermaßen eine “Blackbox” darstellt, wie es oft bei KI der Fall ist. Man kann das in gewisser Weise mit einem Beipackzettel für ein Medikament vergleichen, auf dem eine lange Liste von möglichen Nebenwirkungen steht, die abschreckend wirken können. Doch wenn man plötzlich krank im Bett liegt, ist man dankbar für das Medikament und nimmt die Nebenwirkungen in Kauf. Ich möchte nicht behaupten, dass KI ein Medikament ist, aber man muss sie in einen Kontext setzen. Man sollte sich fragen, welchen Nutzen sie bietet und welche Risiken damit verbunden sind, und vor allem, wann diese Risiken auftreten. KI ist im Wesentlichen ein Werkzeug, das korrekt oder inkorrekt verwendet werden kann, ähnlich wie andere Werkzeuge. Jeder Facharbeiter weiß, dass man Werkzeuge auch zweckentfremden kann. Im Falle von KI stellt sich die Frage, wofür man sie einsetzt. Wenn sie für unbedenkliche Anwendungen verwendet wird, wie beispielsweise Sprachsteuerung in Handys oder Spamfilter in E-Mails, gibt es in der Regel keine großen Probleme.

ANDREA SPIEGEL: Es geht eher unter, es sei denn, es handelt sich um eine einzige E-Mail.

LUKAS SCHLEICHER: Genau. Die erste Frage, die wir uns stellen müssen, ist also, wofür setzen wir KI ein? Derzeit sind selbstfahrende Autos noch nicht weit verbreitet, und das aus gutem Grund. Es gibt noch offene Fragen in Bezug auf diese Technologie. Durch die Begrenzung des Anwendungsbereichs können viele Bedenken im Zusammenhang mit dieser Technologie bereits ausgeräumt werden. Die offenen Fragen werden nach und nach beantwortet, und dann liegt es an uns, wie wir KI einsetzen wollen, welchen Mehrwert sie für uns bietet und welche Risiken es dabei gibt. Im Leben begegnen uns immer Risiken.

ANDREA SPIEGEL: Das bedeutet also im Grunde genommen, dass das schlechte Image von KI größtenteils auf Unwissenheit und Unsicherheit zurückzuführen ist, weil die Leute oft nicht genau wissen, was KI ist und wie sie funktioniert.

ANDREA SPIEGEL: Du hast bereits Spamfilter erwähnt. Gibt es noch andere Anwendungsbereiche für künstliche Intelligenz, die vielleicht schon fest in unseren Alltag integriert sind, aber die wir möglicherweise nicht einmal bewusst wahrnehmen? Kannst du uns einige Beispiele nennen?

LUKAS SCHLEICHER: Ja, sicher. Neben Spamfiltern sind Sprachassistenten ein gutes Beispiel. Sie sind weit verbreitet und äußerst praktisch. Interessant ist, dass Sprachassistenten bereits vorher existierten, aber erst durch den Einsatz von neuronalen Netzen wurden sie wirklich effizient und nützlich. Das ist genau der Mehrwert, den KI bietet. Es sind nicht nur kleine Verbesserungen, sondern in einigen Bereichen hat KI eine enorme Weiterentwicklung ermöglicht, wie bei den Sprachassistenten. Ein weiteres breites Anwendungsgebiet ist die Bilderkennung. KI-Algorithmen zur Bilderkennung wurden durch neuronale Netze extrem effizient und für den breiten Einsatz geeignet. In der Industrie kann dies beispielsweise für die Qualitätskontrolle verwendet werden, indem man Bilderkennungssoftware trainiert, um festzustellen, ob ein Bauteil in Ordnung ist oder nicht.

Das ist äußerst effizient und mit wenig Risiko verbunden. Es gibt immer einen gewissen Ausschuss, aber das gilt auch für manuelle Prüfungen. Ein erfahrener Arbeiter kann ebenfalls falsch positive oder negative Entscheidungen treffen. Bei der Bilderkennung geht es oft darum, was effizienter ist. Ein neuronales Netzwerk kann für diese Aufgabe verwendet werden, ohne größere Probleme zu verursachen. Es gibt jedoch auch weitere Anwendungen für die Bilderkennung, wie die Überwachung von Werksgeländen oder die Gesichtserkennung zur Sicherheitsauthentifizierung. Hier wird es komplexer.

Beispielsweise kann die Gesichtserkennung nicht nur an Orten mit geringer Sensibilität eingesetzt werden, sondern auch in kritischen Umgebungen. Ein Beispiel wäre die Verwendung von Gesichtserkennung in U-Bahn-Stationen, um zu verfolgen, wer die U-Bahn nutzt.

ANDREA SPIEGEL: Das kennen wir bereits aus China und anderen Ländern.

LUKAS SCHLEICHER: Genau. Wie ich bereits erwähnte, hängt es davon ab, wo wir diese Technologie einsetzen möchten und ob es unbedenklich oder kritisch ist. In einigen Anwendungsfällen gibt es berechtigte Bedenken, aber diese richten sich nicht gegen die Technologie selbst, denn die Technologie an sich ist neutral und lediglich ein leistungsfähiges Werkzeug.

ANDREA SPIEGEL: Wir haben bereits mehrmals den Begriff “KI” oder “künstliche Intelligenz” verwendet. Ich möchte versuchen, das Konzept etwas verständlicher zu machen, damit unsere Zuhörer besser verstehen, wie es funktioniert. Dies ist oft das Problem, wie genau funktioniert KI? Gibt es eine klare Abgrenzung zu anderen Technologien?

LUKAS SCHLEICHER: Ja, im Deutschen kann es manchmal verwirrend sein, da der Begriff “künstliche Intelligenz” ziemlich vage ist. Im Englischen ist es klarer mit “Artificial Intelligence”, da der Begriff “Intelligence” eine andere Bedeutung hat als “Intelligenz” im Deutschen. Daher ist es manchmal einfacher, im Deutschen den Begriff “Machine Learning” zu verwenden. Der Begriff “Machine Learning” gibt bereits den entscheidenden Unterschied preis – das Lernen. Bei herkömmlichen Algorithmen schreibt der Programmierer den Code einmal und legt explizit fest, was passieren soll. Bei Machine Learning hingegen lernt der Algorithmus, was passieren soll.

Stellen Sie sich vor, Sie möchten eine Bilderkennung erstellen, die Bananen erkennt. Sie zeigen dem Computer viele Bilder von Bananen und geben ihm die Information, ob es sich um eine Banane oder nicht handelt. Der Computer lernt aus diesen Bildern, wie eine Banane aussieht. Der Programmierer hat dem Computer niemals gesagt, dass eine Banane gelb, krumm oder von bestimmter Größe ist. Der Computer hat dies selbstständig aus den gezeigten Bildern gelernt.

ANDREA SPIEGEL: Der Computer erkennt die Eigenschaften praktisch von selbst.

LUKAS SCHLEICHER: Genau, das ist der wesentliche Unterschied.

ANDREA SPIEGEL: Aber ist das nicht auch der Punkt, an dem es kompliziert wird? Je nachdem, mit welchen Daten ich den Algorithmus füttere, so handelt er auch oder erkennt er. Wenn ich zum Beispiel so tue, als ob Bananen blau wären und die Maschine ständig mit Bildern von blauen Bananen füttere, wird sie wahrscheinlich denken, dass Bananen blau sind, obwohl sie es eigentlich nicht sind. Gibt es da Fehleranfälligkeiten, oder ist das wieder ein von Menschen gemachter Fehler? Wie funktioniert das genau?

LUKAS SCHLEICHER: Ja, wenn du sagst, du fütterst den Algorithmus, dann kann man auch sagen, du bist, was du isst. Wenn du schlechte Daten fütterst, erhältst du tendenziell ein schlechtes Modell. Man nennt es ein Modell. Um das weiter zu erklären: Bei der Bilderkennung baut der Computer sozusagen Filter. Du kennst es vielleicht von Instagram oder anderen Bildbearbeitungssoftware, wo du Kantenfilter verwenden kannst. Dadurch wird das Bild schwarz, und du siehst weiße Striche, die die Kanten anzeigen. Wenn du ein Foto machst, siehst du diese weißen Striche als Kanten. Dieser Prozess ist mathematisch ziemlich einfach. Du könntest einen vertikalen Filter und einen horizontalen Filter anwenden, um einen Eckfilter zu erstellen. Wenn du drei Eckfilter nimmst, hast du drei Eckfilter, und so weiter. Dieser Prozess kann ziemlich komplex werden, bis du schließlich nicht nur Eck- oder Dreiecksfilter, sondern Bananenfilter hast.

Das Interessante ist, dass es extrem kompliziert ist, einen Filter zu erstellen, der eine Banane erkennt. Hier kommen künstliche Intelligenz und neuronale Netzwerke ins Spiel, da sie diese Filter selbstständig erstellen. Sie nehmen ein Modell, das zeigt, wie die Filter zusammengesetzt sind, und wenden es auf Trainingsdaten an, die Bananenbilder sind.

ANDREA SPIEGEL: Die Bananendaten.

LUKAS SCHLEICHER: Genau. Der Computer geht durch das erste Bananenbild und erkennt erfolgreich oder nicht erfolgreich. Dann kommt das nächste Bild, wieder erfolgreich oder nicht. Der Programmierer legt eine sogenannte Kostenfunktion fest. Diese Funktion zeigt, wie weit das Modell, das Bananen erkennen soll, von der Realität entfernt ist. Der Computer durchläuft die Testdaten und bewertet, ob das Modell gut oder schlecht ist, je nachdem, wie die Kostenfunktion ausfällt. Dann passt er die Parameter des Modells an, ändert die Filter und durchläuft erneut die Trainingsdaten, um zu prüfen, ob es sich verbessert hat. Dieser Vorgang wiederholt sich, bis das Modell ausreichend gut ist. Das ist genau das, was ein Data Scientist tut. Sie müssen entscheiden, wie gut das Modell sein soll. Wenn es um etwas Sicherheitskritisches oder Wertvolles geht, muss es natürlich sehr gut sein. Bei groben Schätzungen ist das vielleicht weniger wichtig. Hier spielen jedoch auch andere Faktoren eine Rolle, wie beispielsweise die Datenqualität und die Möglichkeiten zur Datenerhebung. All diese Aspekte sind relevant.

ANDREA SPIEGEL: Und wenn die KI jetzt gelernt hat, Bananen zu erkennen, und weiß, wie eine Banane aussieht und wie das Modell angewendet werden soll, wie funktioniert sie dann?

LUKAS SCHLEICHER: Grundsätzlich habe ich bereits erwähnt, dass es diese Filter gibt. Nachdem die KI diese Filter erstellt hat, werden sie auf die Bilder angewendet. Um dies verständlicher zu erklären, stell es dir vielleicht wie einen Rotfilter vor, den du auf ein Bild legst, auf dem Rot und Weiß vorkommen. Dann siehst du nur noch eine Farbe. In gewisser Weise ist das, was die KI tut, ähnlich. Technisch betrachtet ist es jedoch viel komplexer und abstrakter, da diese Filter in Wirklichkeit neuronale Netzwerke sind. Diese neuronalen Netzwerke ähneln in gewisser Weise den Neuronen im Gehirn. Es gibt verschiedene Ebenen, und du führst deine Eingangsdaten in die erste Ebene ein, die normalerweise aus Pixeln besteht. Dann gibt es die nächste Ebene, die aus weiteren Neuronen besteht. Je nach Modell kann es viele solcher Ebenen geben. Das Training des Modells besteht darin, wie diese Neuronen miteinander verbunden sind. Dieses Konzept ist vergleichbar mit den Verbindungen im Gehirn, die sich ändern, wenn wir etwas Neues lernen.

ANDREA SPIEGEL: Wenn wir lernen, entstehen neue Verbindungen sozusagen.

LUKAS SCHLEICHER: Genau. Das Training des Modells besteht darin, wie diese Neuronen miteinander verschaltet werden. Am Ende dieses Prozesses, wenn du die Eingangsdaten und die Ausgangsdaten hast, entsteht der Filter. Das genaue Verständnis der Details, warum die Neuronen auf eine bestimmte Weise miteinander verbunden sind und welche Größe sie haben sollten, ist äußerst abstrakt und ziemlich komplex. Ehrlich gesagt gibt es viele Aspekte, die selbst Experten nicht erklären können. Das ist auch eine der faszinierenden Eigenschaften der KI.

Aufgrund der Tiefe dieser neuronalen Netzwerke, die viele Ebenen haben, kann man nicht einfach sagen, wenn ich bestimmte Eingangsdaten gebe, wird auf jeden Fall ein bestimmtes Ergebnis erzielt. Das liegt daran, dass es unmöglich ist, alle möglichen Parameterkombinationen auszuprobieren, die das Ergebnis beeinflussen könnten. Dies führt zu den offenen Fragen, die ich zuvor erwähnt habe, und erfordert Überlegungen darüber, für welche Anwendungen diese Technologie geeignet ist. Bei Bildfiltern sind Fehler normalerweise unproblematisch, beispielsweise wenn dein Telefon das Gerät nicht richtig entsperrt oder wenn bei der Qualitätskontrolle ein Teil fälschlicherweise ausgesondert wird. Bei Anwendungen wie der Mensch-Roboter-Kontrolle oder autonomem Fahren wird es jedoch erheblich sicherheitskritischer.

ANDREA SPIEGEL: Genau, das macht es dann schon interessanter.

ANDREA SPIEGEL: Ein Argument, das oft vorgebracht wird, wenn jemand sagt, dass KI gefährlich ist und so weiter, ist, dass viele Leute sagen: “Ja, aber zum Beispiel ein Schachroboter kann eben nur Schach spielen, er kann keine Bilderkennung durchführen oder andere Dinge tun.” Doch aus Hollywoodfilmen kennen wir KIs, die scheinbar alles Mögliche können und irgendwann vielleicht sogar selbst entscheiden, dass sie nicht mehr tun möchten, was die Menschen von ihnen erwarten. Wie unterscheidet man diese beiden Arten von KI? Gibt es bereits Modelle für diese fortschrittliche KI, die vollständig selbständig entscheiden kann? Oder ist das noch Science-Fiction oder wird es vielleicht nie so weit kommen?

LUKAS SCHLEICHER: Du sprichst hier von der Unterscheidung zwischen schwacher und starker KI. Zunächst einmal ist alles, was heute existiert und im Maschinenbau relevant ist, schwache KI. Wie du bereits erwähnt hast, sind das sehr spezielle Anwendungsbereiche. Ein Schachroboter oder AlphaGo sind gute Beispiele. Schwache KI bedeutet jedoch nicht, dass die KI dumm ist. In ihren spezifischen Anwendungsfeldern kann sie sogar besser sein als ein Mensch. Aber sie kann eben nur in diesem spezifischen Bereich agieren. Zum Beispiel kann eine Bilderkennung sehr schnell Objekte identifizieren, während ein Mensch andere Faktoren wie ungewöhnliche Lichtverhältnisse berücksichtigen kann. Die Qualität der Daten spielt hierbei eine große Rolle. Wenn eine KI auf bestimmte Lichtverhältnisse trainiert ist und diese sich ändern, kann sie versagen. Ein Mensch kann sich anpassen, weil er ein breiteres Verständnis hat.

Was du als starke KI angesprochen hast, ist die Idee, eine KI zu schaffen, die verschiedene Themenbereiche miteinander verknüpfen und Wissen transferieren kann. Dies führt zu philosophischen Fragen, wie zum Beispiel, ob diese KI wirklich Verständnis hat oder ob sie nur so tut. Und das bringt auch die Frage nach dem Bewusstsein mit sich. Das sind jedoch noch weitreichende technologische Entwicklungen, über die wir wenig wissen. Es ist unklar, ob es überhaupt möglich ist, und selbst wenn es möglich wäre, könnte es unüberwindbare Hindernisse geben.

Die Entwicklung hin zu einer starken KI wird wahrscheinlich noch viele Jahre dauern. Es ist schwer vorherzusagen, wie lange genau. Vergleicht man es mit der Einführung von Transistoren in den 1950er und 1960er Jahren, konnte damals niemand voraussagen, wann Smartwatches existieren würden, ob sie in den 1990er Jahren oder erst 2010 auf den Markt kommen würden. Es war zu weit entfernt und nicht absehbar.

ANDREA SPIEGEL: Es war damals noch nicht absehbar.

LUKAS SCHLEICHER: Genau. Ähnlich ist es bei der starken KI. Wir sind noch weit entfernt, und es gibt viele ungeklärte Fragen zur Entwicklung. Eine interessante Frage betrifft die Szenarien aus Science-Fiction-Filmen, in denen KIs die Menschheit übernehmen.

ANDREA SPIEGEL: Ja, diese Filme können manchmal beängstigend sein.

LUKAS SCHLEICHER: Genau. Unsere Aufgabe besteht darin, zu Beginn dieser Technologie die Rahmenbedingungen festzulegen. Wir müssen sicherstellen, dass die KI unter bestimmten Bedingungen arbeitet und dass wir sie verstehen, um sie zu kontrollieren. Wir können nichts kontrollieren, was wir nicht verstehen. Wir müssen wissen, auf welche Ressourcen diese Software zugreift, sei es das Mikrofon, die Kamera oder das Internet. Dies ist eine wichtige Aufgabe, um sicherzustellen, dass wir die Technologie im Griff haben.

ANDREA SPIEGEL: Wir haben uns jetzt intensiv mit dem übergeordneten Thema KI auseinandergesetzt und darüber gesprochen, wie es funktioniert und wie KI lernt. Jetzt interessiert mich, wo konkret in einem Unternehmen, insbesondere in einem mittelständischen Unternehmen, KI eingesetzt werden kann, wenn wir uns beispielsweise den produzierenden Bereich anschauen?

LUKAS SCHLEICHER: Wir haben bereits einige Anwendungsfälle besprochen. Bilderkennung ist eine grundlegende Technologie, die in verschiedenen Bereichen eingesetzt werden kann. Ich habe bereits die Qualitätskontrolle erwähnt, aber auch Sicherheitsmechanismen wie die Gesichtserkennung zur Authentifizierung oder den Werkschutz. Dann gibt es die Maschinensteuerung, bei der auch wieder die Bilderkennung ins Spiel kommt. Beispielsweise bei der Gestensteuerung, bei der eine Maschine durch Gesten gesteuert wird, anstatt eine Fernbedienung zu verwenden oder physisch zu einem Bedienfeld zu gehen.

ANDREA SPIEGEL: Das spart Zeit und Aufwand.

LUKAS SCHLEICHER: Genau, das sind konkrete Anwendungsfälle. Darüber hinaus ermöglicht KI die Analyse großer Datenmengen, was wiederum Prozessoptimierung und andere Vorteile ermöglicht. Wenn wir zum Beispiel die Prozessoptimierung betrachten und ERP-Daten verwenden, können wir mit KI bestimmte Parameter optimieren, die zuvor aufgrund der enormen Datenmenge und Komplexität nicht optimiert werden konnten. Ein Mensch könnte nicht einfach sagen, “Montags um 9 Uhr sollten wir etwas anders machen”. KI kann dies jedoch effizient bewältigen. Ein weiteres Beispiel sind Lagerhaltung und die Vorhersage von Bestellungen. Dies kann ebenfalls teilweise effektiv mit KI durchgeführt werden.

Es gibt auch spezielle Prozesse, die nicht nach einem festen Schema ablaufen können. Es gibt keine klaren Anweisungen, nach denen man vorgehen kann. Es gibt zu viele Einflussfaktoren. Manche Prozesse sind sogar vom Wetter abhängig. Hier kann KI sehr nützlich sein, da sie alle verfügbaren Daten sammeln kann, einschließlich Wetterdaten oder anderen relevanten Informationen.

ANDREA SPIEGEL: Sie lernt also, wenn jemand sagt, dass etwas gut ist.

LUKAS SCHLEICHER: Genau, wenn jemand sagt, dass etwas gut ist, kann man analysieren, wie die Daten aussahen, als etwas als gut befunden wurde. Auf diese Weise kann man ein Modell erstellen, das Auffälligkeiten erkennt. So etwas wie “Predictive Maintenance” ist ein gutes Beispiel. Man betrachtet alle verfügbaren Daten und kann erkennen, wann in der Vergangenheit Bauteile ausfielen. Durch die Analyse dieser Daten können Auffälligkeiten erkannt und Probleme frühzeitig behoben werden, bevor es zu Ausfällen kommt.

ANDREA SPIEGEL: Das ermöglicht eine vorausschauende Wartung. “Predictive Maintenance” ist ein wichtiger Punkt. Aber wo siehst du den Unterschied zwischen einem komplexen digitalen Prozess und KI?

LUKAS SCHLEICHER: Genau, das haben wir vorhin diskutiert. Der Unterschied besteht darin, dass bei einem komplexen digitalen Prozess ein Programmierer festlegt, was passiert, wenn bestimmte Ereignisse eintreten. Es gibt eine klare Ursache-Wirkungs-Beziehung, und diese kann im Programmcode dokumentiert werden. Es gibt eine kausale Kette, die befolgt werden muss, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen.

Dies kann jedoch extrem komplex sein und von den meisten Anwendern möglicherweise nicht vollständig verstanden werden. Bei KI ist es jedoch anders. Man gibt der KI Daten und sie erstellt ein Modell. Dann wendet man das Modell an, um zu sehen, ob es funktioniert oder nicht. Hier gibt es keine klare Ursache-Wirkungs-Beziehung im herkömmlichen Sinne.

ANDREA SPIEGEL: Wenn ich mich jetzt für eine KI-Lösung interessiere und denke, dass es für einen Prozess, wie du das Beispiel mit dem Bohrer erwähnt hast, geeignet ist, suche ich dann nach einem Anbieter oder sollte ich versuchen, die KI-Lösung selbst zu entwickeln? Gibt es hier vielleicht Tipps, die du teilen könntest?

LUKAS SCHLEICHER: Ja, es gibt tatsächlich verschiedene Möglichkeiten, insbesondere in Baden-Württemberg, wo es Förderprogramme sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene gibt. Ein Beispiel ist das Industrie 4.0 Scouting-Programm, das von Baden-Württemberg gefördert wird. Hier kommt ein sogenannter “Scout” für mehrere Tage ins Unternehmen und diskutiert mit dem Unternehmen, was genau sie erreichen möchten. Welche Schritte müssen unternommen werden? Wie können alle Mitarbeiter in das Projekt einbezogen werden? Am Ende erhält man einen ersten Ansatz für das Projekt und eine Roadmap für die nächsten Schritte. Die Förderung beträgt 50% der Kosten, wenn das Unternehmen mehr als 2.500 Mitarbeiter hat und in Baden-Württemberg ansässig ist. Für Unternehmen, die diese Bedingungen nicht erfüllen, gibt es den Scout trotzdem, jedoch zu einem Kostenbeitrag von 3.000 Euro für sechs Beratertage.

Wir von der Allianz Industrie 4.0 bieten auch Erfahrungsaustausche und Informationsveranstaltungen an, bei denen Unternehmen Einblicke in verschiedene KI-Anwendungen erhalten können. Zum Beispiel organisieren wir in einigen Wochen eine Veranstaltung zur Bilderkennung mit KI, insbesondere im Kontext der Qualitätskontrolle. Hier können Unternehmen sehen, wie ein mittelständisches Unternehmen vorgegangen ist, um das KI-Projekt einzuführen. Wie wurde die Kommunikation mit dem Management und den Mitarbeitern gehandhabt? Denn KI-Projekte unterscheiden sich in einigen Aspekten von herkömmlichen Projekten. Diese Veranstaltungen bieten auch die Möglichkeit, Fragen zu stellen und sich auszutauschen.

Kürzlich hatten wir auch einen Workshop, bei dem es darum ging, ein ganzheitliches Projekt zu betrachten. Wir haben ein didaktisches Beispiel mit einem Fahrradverleih verwendet. Durch die Installation eines Sensors am Fahrrad konnten wir Vibrationen messen und so herausfinden, welche Wege besonders geeignet sind. Dieses Beispiel zeigt, wie ähnlich das Vorgehen bei verschiedenen Projekten ist. Der Sensor, den wir verwendet haben, ist ein Standard-Sensor, der auch in der Fabrik eingesetzt werden kann. Wir haben diskutiert, wie sich das Geschäftsmodell ändert, wie Datenschutzfragen behandelt werden und welche Abteilungen im Unternehmen einbezogen werden müssen. Es geht nicht nur um die Technikabteilung, sondern auch um die verschiedenen Querverbindungen, die durch die Daten und möglichen Geschäftsmodelländerungen entstehen. Diese Diskussionen sind sehr aufschlussreich, und wir planen, solche Workshops in Zukunft weiter anzubieten.

Eine wichtige Sache, die ich noch erwähnen möchte, ist, dass bei den meisten KI-Projekten externe Partner beteiligt sind. Selbst große Unternehmen tun dies oft. Forschungsinstitute und Start-ups können wertvolle Unterstützung bieten, da sie unterschiedliche Lösungsansätze und Herangehensweisen haben. Es gibt auch Forschungsgruppen, insbesondere in Baden-Württemberg, die Quick-Checks für Unternehmen durchführen. Diese Quick-Checks kombinieren Forschung mit Wissenstransfer in die Wirtschaft und werden häufig gefördert. Wenn Sie weitere Fragen dazu haben, stehe ich gerne zur Verfügung und kann Kontakte vermitteln. Es ist eine großartige Möglichkeit, die Brücke zwischen Forschung und Wirtschaft zu schlagen.

ANDREA SPIEGEL: Was denkst du, Lukas, kann man als Unternehmer aus der Anwendung von KI wirklich herausholen, abgesehen von der offensichtlichen Möglichkeit, große Datenmengen zu analysieren? Es gibt sicherlich einige Vorteile, aber könntest du das noch einmal zusammenfassend erläutern?

LUKAS SCHLEICHER: Das ist in der Tat eine sehr offene Frage, und es ist schwer, eine pauschale Antwort darauf zu geben. Künstliche Intelligenz ist ein äußerst leistungsstarkes Werkzeug und kann dazu verwendet werden, viele Probleme zu lösen, die zuvor unlösbar schienen.

ANDREA SPIEGEL: Zum Beispiel Zeitersparnis, wenn man die Verarbeitung von Bildern in der halben Zeit schafft?

LUKAS SCHLEICHER: Genau, das ist ein Beispiel. Bei der Bilderkennung kann Zeit gespart werden, insbesondere bei der Qualitätskontrolle. KI ermöglicht auch das Arbeiten rund um die Uhr, ohne dass jemand die ganze Nacht wach sein muss. Ein weiterer interessanter Aspekt ist die Prozessoptimierung, die ich zuvor erwähnt habe, bei der Erfahrungswissen automatisiert wird. Ein mittelständisches Unternehmen in Baden-Württemberg hatte beispielsweise einen Prozess, bei dem nur zwei Mitarbeiter wussten, wie die Parameter eingestellt werden mussten. Wenn diese Mitarbeiter nicht verfügbar waren, konnte das Unternehmen den Prozess nicht durchführen. Durch den Einsatz von KI konnte das Problem gelöst werden. Das bedeutet, die Mitarbeiter konnten gleichzeitig in den Urlaub gehen, und wenn sie in Rente gehen, geht das Wissen nicht verloren.

Dies ist ein spannendes Thema, da oft das Wissen und die Erfahrung verloren gehen, wenn Mitarbeiter in den Ruhestand gehen. Dies bietet die Möglichkeit, dieses Wissen für zukünftige Generationen zu bewahren.

ANDREA SPIEGEL: Es ist also eine Möglichkeit, das Wissensmanagement zu optimieren.

LUKAS SCHLEICHER: Ja, es geht definitiv in Richtung Wissensmanagement. Außerdem werden viele Dinge einfach praktischer. Die Steuerung über Sprach- und Gestensteuerung ist viel bequemer, insbesondere wenn man schmutzige Hände hat oder in hygienischen Umgebungen arbeitet. Die präventive Instandhaltung und die Prognose von Wartungsbedarf können erhebliche Kosteneinsparungen bringen. Es gibt also viel Potenzial zur Optimierung, und es geht auch um Nachhaltigkeit.

ANDREA SPIEGEL: Man kann also kreativ sein und experimentieren.

LUKAS SCHLEICHER: Auf jeden Fall, Kreativität ist entscheidend. Man kann nicht einfach nach einem starren Schema vorgehen und erwarten, dass am Ende das gewünschte Ergebnis erzielt wird. Bei der Arbeit mit KI muss man oft experimentieren, die Parameter anpassen und die Technologie an die eigenen Bedürfnisse anpassen. Aber das Potenzial ist definitiv vorhanden, und es lohnt sich oft, einfach anzufangen und auszuprobieren.

ANDREA SPIEGEL: Lukas, du hast gerade einen wichtigen Punkt angesprochen, der meiner Meinung nach von großer Bedeutung ist. Es geht um die Mitarbeiter in einem Unternehmen und wie man sie in den Prozess der Einführung von KI-Technologien einbezieht. Dies ist oft ein kontroverses Thema, insbesondere wenn die Einführung von KI zu Arbeitsplatzverlusten führen könnte. Wie sollte ein Unternehmer in diesem Fall vorgehen, um seine Mitarbeiter richtig in das Projekt einzubeziehen? Sollte er sie mitnehmen oder kann er einfach davon ausgehen, dass sie damit klarkommen?

LUKAS SCHLEICHER: Das ist eine grundlegende Frage, die in Transformationsprozessen immer mitschwingt. Es ist eine gesellschaftliche Aufgabe, die uns alle betrifft. Ein interessantes Beispiel, das mir einfällt, betrifft die Automatisierung der Arbeit eines Radiologen und einer Reinigungskraft. Inwieweit können KI und Digitalisierung ihre Arbeit übernehmen? Die Ergebnisse sind faszinierend. Bei einem Radiologen, der sich Röntgenbilder ansieht, lassen sich Teile seiner Arbeit durch KI automatisieren. Etwa 30 Prozent der Aufgaben eines Radiologen könnten stark vereinfacht oder beschleunigt werden.

Bei der Bilderkennung, wie sie bei Röntgenbildern benötigt wird, kann KI Zeit einsparen und die Arbeit erleichtern. Jetzt denken wir an eine Reinigungskraft, die diesen Raum putzt. Es ist schwieriger, ihre Arbeit zu automatisieren. Sie muss jede Ecke reinigen und Gegenstände herumschieben, und möglicherweise gibt es Flecken, die zusätzliche Reinigung erfordern.

ANDREA SPIEGEL: Das klingt komplex und schwierig zu automatisieren.

LUKAS SCHLEICHER: Genau. Selbst mit KI ist es schwer, diese Art von Aufgaben zu automatisieren. Dies verdeutlicht, dass es bei der Einführung von KI-Technologien oft nicht darum geht, Arbeitsplätze vollständig zu ersetzen, sondern vielmehr darum, die Arbeit zu erleichtern. Es kann dazu führen, dass bestimmte Aufgaben einfacher werden und Ressourcen frei werden. Wenn wir an die Vergangenheit denken, als viele Aufgaben noch nicht automatisiert waren, haben wir es heute trotzdem einfacher.

ANDREA SPIEGEL: Oder wir erschweren es uns vielleicht wieder, weil wir neue Herausforderungen schaffen.

LUKAS SCHLEICHER: Ja, oder wir verbessern es auf andere Weisen. Es gibt oft Kritik an der genauen Überwachung, insbesondere im Hinblick auf Datenschutz oder ähnliche Themen. Aber ich denke, es ist eine Errungenschaft, die wir uns leisten können und die interessant ist. Aber um auf die Frage der Mitarbeiter zurückzukommen, denke ich, es ist wichtig, transparent zu kommunizieren, was passiert. Die Mitarbeiter sollten unbedingt in das Projekt einbezogen werden, damit sie verstehen, wie die Technologie funktioniert.

Es ist besonders wichtig, dass Mitarbeiter, insbesondere diejenigen, die mit der Technologie direkt arbeiten werden, wissen, wie sie sie effektiv nutzen können. Es bringt nichts, eine hochmoderne KI-Lösung zu haben, wenn die Mitarbeiter nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen. Auf höheren Hierarchieebenen muss die Kommunikation ebenfalls transparent sein. Wenn beispielsweise der IT-Leiter eine innovative KI-Idee hat, muss er diese Idee dem CEO erklären, der möglicherweise Experte in einer anderen Branche ist. Es ist wichtig, den Entscheidungsträgern klarzumachen, warum die KI-Lösung relevant ist.

Wir müssen uns auch fragen, welche Kompetenzen in dieser transformierten Welt erforderlich sind. Dies ist ein großes Thema, an dem die Allianz Industrie 4.0 derzeit arbeitet. Wir entwickeln Kompetenzprofile, um zu verstehen, welche Fähigkeiten und Kenntnisse benötigt werden. Dies betrifft nicht nur technische Fähigkeiten, sondern auch soziale Kompetenzen im Umgang mit Veränderungen. Die Fähigkeit, in einer sich wandelnden Umgebung sicher und ohne Angst zu arbeiten, ist von großer Bedeutung.

Dieses Projekt zur Entwicklung von Kompetenzprofilen wird hoffentlich dazu beitragen, die Anforderungen an Wissen und Fähigkeiten in dieser neuen Ära besser zu verstehen.

ANDREA SPIEGEL: Lukas, du hast vorhin auch das Thema Sicherheit angesprochen. Da du dich mit Cybersecurity beschäftigst, würde ich gerne wissen, ob es berechtigte Bedenken gibt, wenn es um die Sicherheit von KI geht. Oft hört man, dass KI nicht richtig verstanden wird und dass sie anfällig für Hackerangriffe sein könnte. Ist diese Angst gerechtfertigt, oder ist KI im Grunde genommen sicher?

LUKAS SCHLEICHER: Nun, wie bereits erwähnt, gibt es Aspekte von KI, insbesondere bei komplexen neuronalen Netzwerken, die von außen schwer nachvollziehbar sind. Dies führt dazu, dass KI in gewissem Maße immer noch eine “Blackbox” ist. Dies kann ein Problem darstellen, insbesondere in sicherheitskritischen Anwendungen. Bei weniger kritischen Anwendungen wie einem Spamfilter ist dies nicht so problematisch. Im schlimmsten Fall wird eine E-Mail falsch einsortiert oder ein Bauteil wird als Ausschuss erkannt, was zwar ärgerlich, aber kein ernsthaftes Problem ist.

Doch in sicherheitskritischen Szenarien, wie beispielsweise bei der menschlichen Roboterkollaboration, können solche undurchsichtigen Abläufe ernsthafte Konsequenzen haben. Wenn beispielsweise ein Roboter bei einem von tausend Arbeitsschritten den Bediener verletzt, entstehen erhebliche Risiken. Hier stellen sich auch Fragen zur Haftung, da der Programmierer oft nicht explizit den Code verfasst, der bestimmt, wie sich der Roboterarm bewegt.

Es gibt also sowohl technische als auch rechtliche Fragen, die noch nicht abschließend geklärt sind. Dies betrifft jedoch nur bestimmte Anwendungsbereiche. Gegenwärtig können viele dieser Probleme durch eine gezielte Einschränkung der Anwendungsgebiete gelöst werden, was bereits gesetzlich geregelt ist. Beispielsweise gibt es klare Regeln, die verhindern, dass autonome Fahrzeuge auf Autobahnen fahren.

Europa ist auch in Bezug auf erklärbare KI, also KI, deren Funktionsweise nachvollziehbar ist, recht fortschrittlich. Obwohl oft von Silicon Valley und China die Rede ist, wenn es um KI geht, hat Europa in Bezug auf diese offenen Fragen eine führende Rolle. Dies ist ermutigend und zeigt, dass Europa in Bezug auf bestimmte Aspekte der KI gut aufgestellt ist.

Du hast auch gefragt, wie von außen Einfluss genommen werden kann, was ein interessantes Thema ist. Im Bereich des autonomen Fahrens hat man beispielsweise herausgefunden, dass das Platzieren von speziellen Mustern wie Strichcodes oder QR-Codes dazu führen kann, dass das autonome Fahrzeug bestimmte Objekte nicht mehr erkennt. Dies geschieht, weil die Funktionsweise der neuronalen Netze nicht im Detail verstanden wird.

Ein weiteres Problem könnte auftreten, wenn Anwendungen sich selbst trainieren, indem sie fortlaufend Daten verwenden, um sich anzupassen und weiterzuentwickeln. In solchen Fällen könnte jemand die Daten manipulieren, was dazu führen könnte, dass die KI unerwünschtes Verhalten erlernt. Manipulierte Daten könnten auch dazu führen, dass Sicherheitsüberwachungssysteme nicht mehr zuverlässig funktionieren. Daher ist es von großer Bedeutung sicherzustellen, dass die verwendeten Daten authentisch und unverändert sind.

ANDREA SPIEGEL: Oder die KI erkennt, wenn sie manipuliert wird.

LUKAS SCHLEICHER: Das ist allerdings eine Herausforderung. Die KI selbst kann Manipulationen nicht erkennen. Es wäre jedoch möglich, spezielle KI-Systeme zu entwickeln, um die Authentizität von Daten zu überprüfen. Dies ist ein wichtiges Forschungsfeld, insbesondere in Baden-Württemberg, und ein äußerst spannendes Thema.

ANDREA SPIEGEL: Absolut faszinierend.

ANDREA SPIEGEL: Wenn wir einen Blick in die Zukunft werfen, speziell im industriellen Umfeld, was können wir in den nächsten fünf bis zehn Jahren im Bereich KI erwarten?

LUKAS SCHLEICHER: Im industriellen Sektor sehen wir, dass die Prozesse langsam etablierter werden. Es gibt mehr Erfahrung im Umgang mit KI-Projekten, darunter auch, wie man Mitarbeiter einbezieht und die alltäglichen Herausforderungen bewältigt. Zusätzlich wird die Kompetenz im Bereich KI zunehmen, da sich mehr Menschen mit diesem Thema beschäftigen. Dies wird sich mittelfristig auch in Ausbildung und Studiengängen widerspiegeln. Somit wird es einfacher, solche Projekte umzusetzen. Auf technischer Ebene erwarten wir in den nächsten Jahren bedeutende Fortschritte, insbesondere im Bereich Hardware, um neuronale Netze effizienter zu machen. Aktuelle Algorithmen erfordern oft viel Rechenleistung, aber eine Anpassung der Hardware an diese spezielle Art von Software wird die Effizienz erheblich steigern.

ANDREA SPIEGEL: Glaubst du, dass KI mittel- oder langfristig einen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit von deutschen KMU haben wird? Könnte es sein, dass Unternehmen ohne KI im Nachteil sind?

LUKAS SCHLEICHER: Wie bereits erwähnt, ist KI ein äußerst leistungsfähiges Werkzeug, das viele Probleme lösen kann, die ohne KI zu komplex wären. Daher wird die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, die KI nicht nutzen, wahrscheinlich beeinträchtigt sein, wenn Wettbewerber diese leistungsstarke Technologie einsetzen. Die wichtigere Frage ist jedoch, wo es sinnvoll ist, KI einzusetzen. Es ist nicht notwendig, KI in jeden einzelnen Prozess zu integrieren, nur um KI zu verwenden. Man sollte nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen, wie man so sagt.

Die Umsetzung eines KI-Projekts erfordert Ressourcen, sowohl bei der Entwicklung als auch bei der Anwendung. Daher sollte man sorgfältig überlegen, ob der Einsatz von KI sinnvoll ist. Es gibt viele Angebote, um Experten hinzuzuziehen und frühzeitig über den Einsatz von KI nachzudenken. Wenn KI jedoch gezielt und richtig eingesetzt wird, bietet sie ein enormes Potenzial für viele Anwendungen.

ANDREA SPIEGEL: Das ist ein großartiger Abschlussappell, den wir gerne so stehen lassen möchten. Vielen Dank, dass du heute hier warst. Es war äußerst interessant, auch wenn diese Folge etwas länger geworden ist als üblich für uns. Vielen Dank für deine Einblicke.

Ich hoffe, es hat euch Spaß gemacht und war spannend. Wenn ihr Fragen zum Thema oder an Lukas habt, zögert nicht, sie in den Kommentaren zu stellen oder uns eine Nachricht zu schicken. Wir leiten sie gerne weiter und versuchen, sie zu beantworten. Wenn ihr weitere Themenwünsche für zukünftige Folgen habt, lasst es uns ebenfalls in den Kommentaren wissen. Wenn euch die Folge gefallen hat, hinterlasst uns einen Daumen nach oben oder eine Bewertung bei iTunes. Nochmals vielen Dank und bis zum nächsten Mal. Auf Wiedersehen!

Welche Idee steckt hinter der Multikommissionierung in der Lagerlogistik?

„Die Idee bei der Multikommissionierung ist auch da, eben solche Leerfahrten, Leerwege, egal ob jemand läuft oder eben fährt, zu vermeiden.“

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