ANDREA SPIEGEL: Was genau habt ihr denn dann jetzt verändert in der Digitalisierung? Also, wir haben jetzt die Herausforderungen gehört, die Ziele haben wir uns daraus abgeleitet, sage ich mal. Was genau habt ihr jetzt gemacht? Was waren eure ersten Schritte? Wie seid ihr vorgegangen?
KIRILL ROMANENKO: Ja, ganz kurz vielleicht noch ein wichtiger Punkt. Wir hatten einige Mitarbeiter, die noch nie ein Smartphone benutzt hatten. Da haben wir uns auch Gedanken gemacht, wie das funktionieren soll, wenn wir jetzt digitalisieren und die Mitarbeiter irgendwelche Buchungen durchführen müssen, Stapler-Terminals buchen, mit dem Scanner arbeiten und so weiter. Da hatten wir natürlich Bedenken, aber auch die Mitarbeiter, auch ältere, die vielleicht nicht so IT-affin sind und noch nie ein Smartphone benutzt haben, haben das super gemeistert. Die Mitarbeiter wurden von mir auch geschult. Bei den Schulungen denke ich immer an meinen Sohn, der 15 Jahre alt ist, Robin. Ich stelle mir vor, ich muss die Schulung so vorbereiten und die Anleitung so gestalten, dass mein Sohn, der 15 ist, es versteht. Und wenn er das versteht, dann weiß ich, dass ich alles richtig gemacht habe und die Mitarbeiter es ebenfalls schaffen.
ANDREA SPIEGEL: Du hast zu Hause quasi ein Versuchskaninchen für deine Schulungen.
KIRILL ROMANENKO: Genau, das hat gut funktioniert. Zu deiner Frage, was wir genau verändert haben: Eine Voraussetzung, damit es überhaupt funktioniert mit dem LVS und SLS, war, dass unser gesamtes Gelände ausgeleuchtet werden musste.
ANDREA SPIEGEL: Was heißt das?
KIRILL ROMANENKO: Das bedeutet WLAN in allen Bereichen. Und wir haben ja, wie ich schon erwähnt habe, Platten und Pflastersteine, und da sind wirklich Palettenreihen, die wahnsinnig hoch sind. Wenn ein Stapler zwischen zwei Palettenreihen fährt, muss es auch funktionieren. Der Stapler muss Empfang haben und die Möglichkeit, eine Buchung durchzuführen. Mit der WLAN-Ausleuchtung war es am Anfang also ziemlich schwierig, aber auch das haben wir hinbekommen. Das war der erste Schritt im Projekt.
Dann mussten natürlich alle Stapler mit Terminals, Scannern, WLAN-Antennen und GPS-Antennen ausgestattet werden. Warum GPS? Wir wollten keine Markierungen, also Lagerplatzmarkierungen, bei uns. Unser Gelände ist groß, wir haben viele schwere Paletten, und überall sind Staplerfahrer unterwegs. Das war schwierig. Mit Markierungen oder Bodenmarkierungen kam also nicht infrage. Daher haben wir uns für eine GPS-Lösung entschieden.
ANDREA SPIEGEL: Also mit Ortung sozusagen zu arbeiten.
KIRILL ROMANENKO: Genau, dazu sage ich gleich noch mehr. Der dritte Schritt: Wir hatten vor der Digitalisierung keine Lagerplätze, sondern nur Lagerorte. Und diese Lagerorte waren riesig, also hatten wir vier Lagerorte.
ANDREA SPIEGEL: Auf der kompletten Fläche?
KIRILL ROMANENKO: Genau. Und jetzt versuch mal, eine Palette zu finden, auch wenn ich der Hofmeister bin und einen Anruf bekomme, dass ich einen Artikel suche. Dann sage ich: “Ja, irgendwie auf Fläche 1.” Aber Fläche 1 ist riesig. Man kann sich das so vorstellen: 20 Fußballfelder, also 20 durch 4.
ANDREA SPIEGEL: Fünf.
KIRILL ROMANENKO: Genau, riesig. Das war schwer. Wir haben daher Lagerplätze definiert. Mittlerweile haben wir über 100 Lagerplätze, und jeder Lagerplatz hat im System GPS-Koordinaten, und zwar GPS-Koordinaten von allen vier Punkten eines Lagerplatzes. Wofür brauchen wir das? Zum Beispiel bei der Einlagerung: Die Ware kommt aus der Produktion, eine Palette wird abgefertigt, ein Etikett wird draufgeklebt und dann fährt der Staplerfahrer oder der Absetzer mit der Palette auf einen Lagerplatz, sagen wir A60.
Er fährt auf diesen Lagerplatz, und das System erkennt, dass er nun auf A60 angekommen ist. Dafür gibt es die GPS-Antenne am Stapler. Der Absetzer lädt die Palette ab und muss nur auf dem Terminal bestätigen: „Ich bin angekommen, die Palette wurde eingelagert.“ Ein Klick. Der Staplerfahrer scannt die Palette, wenn er sie abholt. Wenn er am Lagerplatz ankommt und sie ablädt, muss er nur bestätigen, dass die Palette jetzt eingelagert ist. Das System erkennt anhand der GPS-Koordinaten, dass die Palette auf diesem Lagerplatz steht.
ANDREA SPIEGEL: Und woher weiß der Absetzer, dass er die Palette genau dort abstellen soll?
KIRILL ROMANENKO: Die wissen, wo welche Produkte eingelagert werden müssen. Der Absetzer wird nicht zu einem bestimmten Lagerplatz geführt. Die wissen einfach, wo bestimmte Produkte hingehören.
ANDREA SPIEGEL: Also, die wissen, welche Produkte auf welchem Lagerplatz stehen sollen.
KIRILL ROMANENKO: Genau. Bei der Einlagerung der Ware sorgt die GPS-Antenne dafür, dass das System weiß, dass die Palette auf diesem Lagerplatz eingelagert wurde. Jede Palette hat nach der LVS-Einführung eine PID.
ANDREA SPIEGEL: Was ist eine PID?
KIRILL ROMANENKO: Eine PID ist eine Paletten-ID oder Paletten-Identifikationsnummer. Jede PID ist eindeutig. Wenn eine Palette jetzt eingelagert wird, erhält sie ganz genaue GPS-Koordinaten, die im System hinterlegt sind. Die Palette wird nicht einfach auf einem Lagerplatz abgelegt, sondern sie erhält präzise Koordinaten.
ANDREA SPIEGEL: Ah, okay. Also nicht nur auf diesem Lagerplatz, sondern auch, wo genau auf diesem Lagerplatz.
KIRILL ROMANENKO: Ganz genau. Wir arbeiten auch mit verschiedenen Chargen, wie ich schon erwähnt habe. Das bedeutet, unterschiedliche Produktionen aus unterschiedlichen Tagen.
ANDREA SPIEGEL: Von verschiedenen Tagen oder sowas?
KIRILL ROMANENKO: Genau, von verschiedenen Tagen.
ANDREA SPIEGEL: Okay, aber die sind trotzdem vielleicht auf dem gleichen Lagerplatz.
KIRILL ROMANENKO: Genau. Sie stehen oft zusammen auf einem Lagerplatz. GPS nochmal: Beim Verladen, wenn ein LKW kommt, wird der Staplerfahrer zu der Palette geführt, die er verladen soll. Auf dem Stapler-Terminal wird dann der genaue Ort der Palette angezeigt. Er wird zur Ware geführt, die er verladen soll, und auf dem Terminal erscheint ein Punkt auf einer digitalen Karte, der die älteste Charge mit ausreichendem Bestand zeigt. Das System ist so clever, dass es im Hintergrund prüft, welche Charge die älteste ist und noch genug Bestand für diesen Auftrag hat.
ANDREA SPIEGEL: Es könnte ja auch sein, dass die Palette schon für eine Vorkommissionierung verwendet wurde und deswegen vielleicht die älteste Palette nicht mehr reicht.
KIRILL ROMANENKO: Die Vorkommissionierungspaletten stehen auf einem Vorkommissionierungsplatz. Auf den A-Lagerplätzen stehen wirklich nur volle Paletten. Aber es kann sein, dass ein Artikel nicht nur auf einem Lagerplatz, sondern auf mehreren Lagerplätzen steht. Eine chaotische Lagerhaltung also.
ANDREA SPIEGEL: Macht ja nichts, wenn man ein System hat, das weiß, wo alles ist.
KIRILL ROMANENKO: Genau. Mit dem System ist das egal, es funktioniert trotzdem. Es wird immer die älteste Charge auf der digitalen Karte angezeigt, die noch ausreichend Bestand für den Auftrag hat. Der Staplerfahrer wird dann geführt – das ist das Staplerleitsystem, das SLS. Er kommt an, scannt die Palette oder eine andere Charge. Sollte es sich um eine falsche Charge handeln, erscheint eine Meldung. Der Staplerfahrer wird darauf hingewiesen und gefragt, ob er die Charge trotzdem annehmen möchte. Wenn der Staplerfahrer jetzt einen falschen Artikel scannt, wird er blockiert, und eine Fehlermeldung erscheint.
ANDREA SPIEGEL: Und das ist ja eines der großen Ziele gewesen, das du am Anfang genannt hast.
KIRILL ROMANENKO: Das Wichtigste für uns, ja.
ANDREA SPIEGEL: Okay, das heißt, es gibt quasi einmal das Einlagern und einmal das Verladen. Das sind quasi die zwei wichtigsten Prozesse, die ihr euch im Rahmen des Digitalisierungsprojekts angeschaut habt?
KIRILL ROMANENKO: Ganz genau.
ANDREA SPIEGEL: Sehr gut.