ANDREA SPIEGEL: Wie ist aktuell der Stand bei euch? Wo würdest du sagen, steht ihr momentan im globalen Kontext der Digitalisierung? Du hast bereits viele verschiedene Systeme erwähnt. Vielleicht ist es interessant zu erfahren, wie gut sie alle zusammenpassen und ob sie reibungslos miteinander funktionieren. Vielleicht könnten wir damit kurz beginnen, das würde mich interessieren. Also, wenn ihr da Software habt und dort etwas anderes, wie schafft ihr es, dass alles miteinander funktioniert?
MATTHIAS WAGNER: Also, wir haben eigentlich das Grundprinzip nie verlassen, dass ALPHAPLAN unser Hauptsystem ist und dass wir dort möglichst alle Daten, die für alle anderen Produkte wichtig sind, speichern und halten. Wir wollen vermeiden, verschiedene Datenbanken zu haben und dort noch einmal etwas pflegen zu müssen. Stattdessen möchten wir alles in einer Basis haben, ohne dass die Datenflut außer Kontrolle gerät und Inkonsistenzen entstehen.
ANDREA SPIEGEL: Also, alles zentral bleibt.
MATTHIAS WAGNER: Genau, das ist das Hauptprinzip, das schon mal funktioniert. Wir haben über die Jahre sicherlich rund 20 Projekte gehabt, manche waren klein, andere intensiver. Als Beispiel für ein kleineres Projekt: Vor einigen Jahren haben wir eine e-Post-Box eingeführt, eine kleine Box, in die man Rechnungen elektronisch senden kann. Die Deutsche Post druckt dann die Rechnung aus, verpackt sie und verschickt sie, ohne dass wir uns darum kümmern müssen. Es mag eine Kleinigkeit sein, aber es ist sehr hilfreich und ermöglicht es uns, bestimmte Aufgaben auszulagern.
Ein größeres Projekt, das wir durchgeführt haben, ist zum Beispiel die Anbindung des Außendienstes. Wir haben eine App entwickelt, auf der der Außendienst alle Informationen zu seinen Kunden hat, unabhängig davon, wie der Auftrag zustande kam. Die Belege sind vorhanden, ebenso wie die aktuellen Angebote. Der Außendienst kann sich Statistiken ansehen, Touren planen und die App ist komplett mit dem ERP-System integriert. Selbst die Aufgaben zwischen Innendienst und Außendienst werden synchronisiert. Ein Beispiel: Ein Angebot wird erstellt, dann erhält der Außendienst die Aufgabe, in einer Woche nach dem Stand zu fragen. Er kann dann seine Rückmeldung geben, und der Innendienstpartner sieht, dass die Aufgabe bearbeitet wird.
Ein weiteres Beispiel ist die Anbindung in der Logistik. Über die Jahre hatten wir sogar zwei Anbindungen. Ursprünglich hatten wir ein Shuttle-System, aber später, als wir den Neubau machten, entschieden wir uns für eine mobile Lösung – in dem Fall von L-mobile. Dadurch können alle Buchungen unterwegs vorgenommen werden, ohne an eine Station zurückkehren zu müssen, um etwas manuell zu buchen oder auf einen Zettel zu schreiben.
ANDREA SPIEGEL: Damit der andere das nicht wieder nicht lesen kann.
MATTHIAS WAGNER: Genau, zum Beispiel, oder dann vertippt man sich oder passiert sonst etwas, das dann eben durch Barcodes entsprechend gelöst wird, damit es möglichst fehlerfrei abläuft.
ANDREA SPIEGEL: Wo sehr wenige Fehler auftreten.
MATTHIAS WAGNER: Das ist auch meiner Ansicht nach ein wichtiges Grundprinzip bei der Digitalisierung. Man versucht nicht nur, den bestehenden Prozess anders abzubilden und digital zu machen, sondern dabei findet auch eine Prozessoptimierung statt. Und das hat jedes Mal tatsächlich stattgefunden. Man hat immer geschaut, wo können wir den Ablauf verbessern und wie machen wir das Ganze noch smarter, damit es einfacher läuft.
ANDREA SPIEGEL: Das es am Ende des Tages auch einen Mehrwert bietet.
MATTHIAS WAGNER: Genau, weil sonst macht es meiner Meinung nach keinen Sinn, eine Digitalisierung vorzunehmen. Man könnte zwar vieles digitalisieren, aber vielleicht ergibt nicht alles Sinn.
ANDREA SPIEGEL: Wie sieht es denn aktuell bei euch aus? Wo steht ihr gerade in Sachen Digitalisierung? Was läuft schon digital ab und wo würdest du sagen, gibt es noch Verbesserungspotenzial?
MATTHIAS WAGNER: Also, es läuft schon recht viel digital. Zuletzt, vor der großen Bremsung durch Corona, haben wir als letztes oder vorletztes Thema die Prozesse im Takt behandelt. Es ist ein System, das wir in der Produktion eingeführt haben, wo es ja Plansysteme gibt, die vorgeben, dass ein Mitarbeiter heute diese 20 Aufträge erledigen muss. Die Startzeit ist um 8:22 Uhr, und dann hat er 17 Minuten Zeit, um das und das zu erledigen. Das war uns viel zu genau. Diesen Anspruch hatten wir gar nicht an uns selbst, deshalb haben wir ein System gefunden, bei dem man in Tagesblöcken arbeitet. Ein Tagesblock entspricht einem Tag. Deshalb nimmt bei uns der Begriff “Tagfertigkeit” immer mehr Raum ein. Wir sind noch nicht dort, wo ich gerne sein würde, aber es hat begonnen. Das bedeutet, man gibt den Mitarbeitenden einfach vor, heute müssen sie diese 20 Aufträge schaffen. Wann sie das machen, ist eigentlich egal, aber das ist das Tagesziel. Und wenn sie es früher schaffen, ist das super, dann können sie etwas anderes machen oder andere bei ihren Tagesaufgaben unterstützen. Und wenn sie es nicht schaffen, dann sollen sie sich rechtzeitig Unterstützung holen und die Information weitergeben, damit wir dieses Tagesziel erreichen können.
ANDREA SPIEGEL: Eine Art Outsourcing.
MATTHIAS WAGNER: Der Oberbegriff ist dann im Prinzip Liefertreue. Und Liefertreue betrifft ja dann nicht nur die Produktion. Wir haben das dann weiter in die Logistik überführt, indem wir die Auftragsbestätigung vom Lieferanten quasi als Vorlauf schon im System integriert haben. Die Ware müsste heute oder morgen ankommen. Das bedeutet, es kommt ein bestimmtes Arbeitsvolumen auf den Wareneingang zu. Genauso haben wir unsere bestätigenden Aufträge an die Kunden angepasst. Eine bestimmte Menge an Ware muss bis zu einem bestimmten Zeitpunkt das Haus verlassen. Und dann können wir genau feststellen, um die Tagfertigkeit zu erreichen, muss heute eine bestimmte Menge an Stunden abgearbeitet werden.
ANDREA SPIEGEL: Aber ist die Ware, die wir dafür brauchen, überhaupt schon da?
MATTHIAS WAGNER: Genau, das System prüft quasi nach, ob die Ware bereits in der Produktion vorhanden ist. Wenn nicht, wird die Wiederbeschaffung berücksichtigt, die auch im System festgelegt sein muss. Also wird sich der Termin verschieben. Unser Ziel war es, und das haben wir auch erreicht, dass die Sachbearbeitung im Verkauf sagen kann, klappt dieser Termin oder nicht. Jetzt arbeiten wir daran, die Liefertreue zu verbessern. Wenn wir das geschafft haben, wollen wir die Durchlaufzeit verkürzen, damit wir noch schneller liefern können, trotz der Tatsache, dass es sich um Sonderanfertigungen handelt.
ANDREA SPIEGEL: Schnelle Lieferung in kurzer Zeit.
MATTHIAS WAGNER: Genau, das ist unser aktuelles Ziel, und jeder fühlt sich für seinen Bereich verantwortlich, um die Tagfertigkeit zu erreichen, damit unser großes Ziel, die Liefertreue unternehmensweit zu verbessern, gesichert ist.