#98 Maschinendaten per KI erfassen mit Dimitrij Lewin von Novo AI

Podcast Industrie 4.0 | Der Expertentalk für den Mittelstand

Trendthema KI. Ja, es wird momentan überall davon berichtet – aber in der heutigen Folge stellen wir eine Technologie vor, die wirklich zum Gamechanger werden kann!

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Andrea spricht mit Dimitrij Lewin, Mitgründer und CEO von Novo AI, über eine Technologie, welche die Maschinendatenerfassung komplett neu denkt. Denn ohne Daten keine Digitalisierung.

Dabei wird über die Einsatzmöglichkeiten in der Produktion ausgetauscht, welche Herausforderungen und Hindernisse existieren und die beiden wagen einen Blick in die Zukunft: Wohin entwickelt sich KI in der MDE in den nächsten Jahren?

Wenn du jetzt also mehr zur Zukunft der Maschinendatenerfassung wissen willst, wie das funktioniert und ob das auch etwas für deine Produktion wäre – viel Spaß mit dieser Folge!

Das Transkript zur Podcast-Folge: Maschinendaten per KI erfassen

ANDREA SPIEGEL: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge Industrie 4.0, der Experten-Talk für den Mittelstand. Ihr wisst ja: Das Thema Daten, vor allem Datenerfassung, ist im Zusammenhang mit Digitalisierung und Industrie 4.0 eines der zentralen Themen, um das man nicht herumkommt. Doch Daten nur zu erfassen und zu haben, reicht nicht aus. Man muss sich auch damit auseinandersetzen, wie man sie nutzt, welche Maßnahmen sich daraus ableiten lassen und welche Schlüsse man ziehen kann. Deshalb betrachten wir heute das Thema „Maschinendaten erfassen“ ganz genau und insbesondere, wie man sie mithilfe von KI intelligent nutzbar macht.
Dafür haben wir einen spannenden Gast bei uns: Dimitrij Lewin, Mitgründer und CEO von NOVO AI.
DIMITRIJ LEWIN: Wunderbar, vielen Dank.
ANDREA SPIEGEL: Wie immer an dieser Stelle noch der Hinweis: Die Folge gibt es auch als Video auf YouTube – schaut gern vorbei, wenn ihr sehen wollt, wie Dimitri aussieht. Mich kennt ihr schon.

ANDREA SPIEGEL: Ich habe gerade genannt, wer du bist und den Namen deiner Firma fallenlassen – NOVO AI. Erzähl doch bitte etwas über dich und das Unternehmen.
DIMITRIJ LEWIN: Gerne! Ich heiße Dimitrij Lewin und danke dir für die Einladung.
Ich habe einen betriebswirtschaftlichen Hintergrund. Zusammen mit meinen Mitgründern Hemanth und Maninul habe ich NOVO AI ins Leben gerufen, weil wir festgestellt haben, dass es in der Industrie keinen einheitlichen Standard dafür gibt, wie Daten erfasst und genutzt werden. Dadurch entstehen in der Produktion zahlreiche Ineffizienzen, weil Echtzeitdaten ungenutzt bleiben. Das wollten wir ändern. Mittlerweile gibt es uns seit fünf Jahren. Aktuell konzentrieren wir uns darauf, unser Angebot weiter auszubauen und zu skalieren, weil unsere Kunden begeistert sind von dem, was wir bieten.
ANDREA SPIEGEL: Könntest du kurz erklären, wie eure Maschinendatenerfassung funktioniert?
DIMITRIJ LEWIN: Wir haben einen komplett standardisierten, nicht-invasiven Sensor entwickelt, den wir an unterschiedlichsten Produktionsmaschinen anbringen können. So entfällt der Aufwand, einzelne Schaltschänke zu öffnen und komplizierte Zugänge freischalten zu müssen – ein Problem vor allem bei älteren Anlagen. Unser Sensor ist mit KI ausgestattet: Er erfasst Signaldaten wie Akustik, Vibration und Temperatur und wandelt sie in verwertbare, interpretierbare Produktionsdaten um. Damit können wir beispielsweise automatisch erkennen, wann eine Maschine gelaufen, im Stillstand oder ausgeschaltet ist und teilweise sogar den Stillstandsgrund automatisch bestimmen. Das ist heutzutage so wichtig, weil man diese Daten mit den Auftragsdaten verknüpfen möchte, um einen echten Mehrwert zu schaffen.
ANDREA SPIEGEL: Das klingt spannend! Genau darauf wollen wir heute noch genauer eingehen: Warum überhaupt Maschinendaten erfassen und welchen Nutzen das bringt.

ANDREA SPIEGEL: Bevor wir dazu kommen, habe ich dich schon vorgewarnt: Eine Einstiegsfrage, um dich noch besser kennenzulernen. Welche Eigenschaft oder Angewohnheit hat dich in deinem Leben bisher am meisten weitergebracht?
DIMITRIJ LEWIN: Niemals aufzugeben. Wenn man ein Unternehmen gründet und mit KI arbeitet, gibt es nicht den einen Weg – vieles muss erst erforscht werden. Wir haben unseren Sensor, also die Hardware, mit einer intelligenten Software verbunden. Das war alles andere als einfach. Deshalb war und ist Durchhaltevermögen unsere wichtigste Eigenschaft.

ANDREA SPIEGEL: Du hast vorhin erzählt, dass ihr erkannt habt, wie gut Maschinendaten und KI zusammenpassen und euch überlegt, wie das funktionieren kann. Warum hat gerade das Thema Maschinendatenerfassung dein Interesse geweckt? Was ist passiert und warum ist das spannend?
DIMITRIJ LEWIN: Allein mit reiner Maschinendatenerfassung kommt man nicht weit. Aber ohne diese Basisdaten geht nichts. Erst wenn man weiß, ob man Daten hat oder nicht, kann man damit arbeiten. Mit einer soliden Datengrundlage lässt sich enorm viel erreichen: Verknüpft man die Maschinendaten mit dem ERP-System, sieht man im Soll-Ist-Vergleich sofort, ob ein Auftrag wie geplant 120 Stunden Produktionszeit benötigte oder in Echtzeit tatsächlich 200 Stunden. Diese Transparenz verhindert Ineffizienzen und klärt, wo Kosten entstehen. Deshalb erfassen wir Maschinendaten: Um darauf aufzubauen und echten Mehrwert zu generieren. Dabei arbeiten wir mit Partnern wie L-mobile zusammen, um Daten zu fusionieren und in einen höheren Wert zu verwandeln.

ANDREA SPIEGEL: Wenn wir das Thema Maschinendaten ganz allgemein betrachten – losgelöst von einer konkreten Lösung – warum ist das gerade für KMU relevant? Du hast schon Effizienz und Kosten genannt, aber worin liegt der Kernnutzen von Maschinendatenerfassung und -nutzung für kleine und mittlere Unternehmen?
DIMITRIJ LEWIN: Letztlich geht es immer darum, Zeit und Geld zu sparen. Nur wer objektiv Daten aus der Produktion erfasst, also wie sie tatsächlich gelaufen ist, kann sie mit dem Soll-Plan vergleichen und fundierte Entscheidungen treffen: Lohnt sich ein Produkt noch? Müssen wir den Preis anpassen? Gerade Bauteile, die seit Jahrzehnten produziert werden, können so nachgeladen bewertet werden. Auch Lohnfertiger sehen im Nachhinein sofort, ob sie Gewinn gemacht haben oder nicht.
Unter dem Druck internationaler Konkurrenz sind Bauchgefühls-Entscheidungen nicht mehr zeitgemäß. Maschinendaten und KI vereinfachen Entscheidungen: Ein Produktionsleiter, der vielleicht 20 bis 30 Maschinen überwachen muss, kann unmöglich alles manuell verfolgen. Mit Echtzeitdaten und KI-gestützten Tools wird er schließlich in die Lage versetzt, nur noch auf relevante Entscheidungen zu reagieren. So entsteht ein enormer Mehrwert für KMU.

ANDREA SPIEGEL: Nicht nur, Entscheidungen zu treffen, sondern entscheidungsfähig zu sein – auf Datenbasis. Würdest du sagen, das ist der größte Vorteil?
DIMITRIJ LEWIN: Absolut. In vielen Betrieben arbeitet man heute noch mit Excel-Listen und Ergebnisse kommen mit ein- bis zweiwöchiger Verzögerung. Lösungen zur Maschinendatenerfassung und -analyse ermöglichen dagegen Echtzeitkommunikation. Läuft ein Auftrag nicht wie geplant, kann man sofort in Echtzeit eingreifen. Das ist sehr wichtig.

ANDREA SPIEGEL: Es ist immer gut, im Hier und Jetzt zu sein, statt in der Vergangenheit festzuhängen.

ANDREA SPIEGEL: Gibt es KPIs oder Daten, die besonders relevant und spannend sind, sie zu erfassen?
DIMITRIJ LEWIN: Ja. Ganz zentral ist der standardisierte Wert OEE – Overall Equipment Efficiency, auf Deutsch Gesamtanlageneffektivität. Damit sieht man, wie effektiv eine Maschine tatsächlich arbeitet. Häufig arbeiten wir auch mit Leistungsparametern: Wir definieren zum Beispiel ein Maschinen-Rating, bei dem eine Maschine 80 Prozent der Zeit produktiv laufen muss und 20 Prozent als Rüstzeit eingeplant sind. Diese Ziele geben uns Transparenz und eine gemeinsame Gesprächsgrundlage.
ANDREA SPIEGEL: Also eine klare Zielvorgabe.
DIMITRIJ LEWIN: Genau. Ohne solche Kennzahlen bleibt es stets beim Bauchgefühl: „Alles läuft“, während am Ende der Woche vielleicht 30–40 Prozent Stillstand anfallen, ohne dass jemand die Ursachen kennt. Weitere wichtige Messgrößen sind Stillstandszeiten im Detail und Energieeffizienzwerte: Wie viel Stromverbrauch hat eine Maschine?
ANDREA SPIEGEL: Aber ist das für Betreiber großer Anlagen wirklich so relevant?
DIMITRIJ LEWIN: Absolut – nicht nur mit Blick auf Kosteneinsparungen, sondern auch wegen Nachhaltigkeit. Wir können Stromverbrauch und CO₂-Emissionen pro Maschine oder Auftrag messen und so CO₂-Bilanzen erstellen. Große Konzerne in Deutschland und der EU sind verpflichtet, solche Daten offenzulegen, und leiten die Anforderungen an ihre Zulieferer weiter. KMU werden in den kommenden Jahren ebenfalls CO₂- und Energiekennzahlen liefern müssen.

ANDREA SPIEGEL: Wenn wir einen Schritt zurückgehen und sagen: Wir haben noch keine ausgefeilten Technologien, nichts – aber es existiert doch in den meisten Unternehmen bereits irgendeine Form der Datenerfassung. Gibt es da manuelle Möglichkeiten? Oder erfassen viele heute überhaupt keine Daten? Oder ist das nur Bauchgefühl? Wenn du mit Blick auf händische Excel-Tabellen oder Shopfloor-Boards schaust: Wie wird das aktuell gelöst?
DIMITRIJ LEWIN: Aktuell leider nicht. Wenn ich mit Kunden spreche, haben sie keine automatisierte Maschinendatenerfassung über PLC- oder OPC-UA-Schnittstellen – also keine der vergleichsweise teuren Standardlösungen. Dabei stellt sich immer die Frage, ob sich mehrere Tausend Euro Investition überhaupt lohnen. Übrig bleiben zwei Wege: Entweder eine PLC/OPC-UA-Anbindung, die schnell 10.000 € pro Maschine kostet, oder manuelles Erfassen durch Mitarbeitende. Letzteres ist jedoch sehr unzuverlässig, weil die Maschinenbedienenden selbst angeben müssen, wie lange sie gearbeitet haben. Das ist sehr ungenau. Ein Sensor dagegen liefert genaue, sekundenpräzise Daten zu Laufzeiten, Stillständen oder Pausen. Nur mit solchen verlässlichen Daten kann man objektiv arbeiten. Bei manueller Erfassung lautet das Fazit oft: Es lohnt sich nicht. Im Data Science gilt eben „Garbage in, garbage out“ – schlechte Daten führen zu schlechten Analysen. Das ist derzeit der Status quo.

ANDREA SPIEGEL: Abgesehen davon, dass viel Wissen in den Köpfen der Menschen steckt: Welche Herausforderungen gibt es beim Anbinden unterschiedlicher Maschinentypen? Nicht jeder Betrieb hat die neuesten Anlagen und die Maschinen verschiedenster Hersteller bringen unterschiedliche Anforderungen mit – oder sie sind sogar Sonderanfertigungen, zum Beispiel bei hochspezialisierten Werkzeugbauern. Ich könnte mir vorstellen, dass die Vielfalt der Maschinen ein Thema ist. Gibt es noch weitere Hürden, bevor man mit der Maschinendatenerfassung starten kann?
DIMITRIJ LEWIN: Wenn wir Maschinen vernetzen, prüfen wir zunächst jede Anlage im Detail. Bisher haben wir schon Hersteller wie DMG Mori, Index, Hermle, Engel und viele andere angebunden und hatten dabei keine Probleme. Wir erfassen Daten über akustische und Vibrationssignale und analysieren und interpretieren sie mit unserem KI-Algorithmus. Jede Maschine ist anders, aber unser Algorithmus lernt, die Signalmuster entsprechend zu interpretieren.
Einzig große Heizöfen zum Beispiel für das Gießen von Stahl sind wegen der extrem hohen Temperaturen eine Herausforderung. Herkömmliche Werkzeugmaschinen – Fräs-, Schleif- oder Drehmaschinen ebenso wie Spritzgussanlagen – lassen sich dagegen problemlos anbinden und auswerten.
ANDREA SPIEGEL: Weil diese Maschinen typische Muster erzeugen, die ihr erkennen könnt?
DIMITRIJ LEWIN: Genau. Aus den Mustern lassen sich Produktionsaufträge identifizieren – vor allem bei wiederkehrenden Aufträgen. Wir können dann automatisierte Vorschläge zur Fehlererkennung oder Prozessoptimierung senden. Unser Ziel ist, manuelle Arbeitsschritte zu reduzieren, Abläufe zu automatisieren und den Mitarbeitenden so Raum für wirklich komplexe Fragestellungen zu geben: Wie steigern wir die Effizienz der Produktion, statt uns mit standardisierbaren Aufgaben aufzuhalten?

ANDREA SPIEGEL: Wir sind jetzt schon ein Stück ins KI-Eck abgerutscht. Lass uns das noch einmal sauber aufbauen: In der Maschinendatenerfassung kann KI unterstützend eingesetzt werden. In welcher Konstellation funktioniert das? Ihr habt diesen Sensor – man bringt ihn an und alles ist bereit. Was genau übernimmt die KI?
DIMITRIJ LEWIN: Die KI interpretiert die Daten. Wir erfassen Schwingungen im sehr hohen Frequenzbereich – von null bis teilweise 81 kHz. Diese Signale wandelt die KI selbst in Produktionsdaten um. Dabei setzen wir unter anderem auf Unsupervised Learning: Wir lassen den Algorithmus zunächst selbstständig erkennen, welche Muster einem aktiven Produktionszustand und welche einem Stillstand entsprechen. Erkennt er unbekannte Muster, markiert er sie mit einem Fragezeichen. Beobachten wir bestimmte Muster mehrfach, können wir sie nachträglich labeln – zum Beispiel als „Rüsten“ oder als „bestimmte Rüstart“. Die KI erkennt diese Muster dann künftig automatisiert und speist sie direkt in die Datenauswertung ein.

ANDREA SPIEGEL: Okay, jetzt hast du gerade Unsupervised Learning genannt. Das ist einer der Wege, wie KI trainiert werden kann. Wie funktioniert das genau? Kannst du das bitte noch einmal für Noobs wie mich aufschlüsseln?
DIMITRIJ LEWIN: Genau. Beim Unsupervised Learning geben wir unsere Daten in eine Art Blackbox – den Algorithmus – und lassen ihn selbstständig Muster erkennen und klassifizieren. Wir sagen nicht vorher, was er suchen soll, sondern fragen: „Was siehst du?“
ANDREA SPIEGEL: Also: Wir verraten der KI nicht, was sie da findet, sondern lassen sie selbst herausfinden, was vorhanden ist?
DIMITRIJ LEWIN: Genau. Parallel nutzen wir aber auch Supervised Learning: Wir geben der KI Feedback und korrigieren sie, wenn sie etwas falsch erkannt hat. Nehmen wir zum Beispiel einen speziellen Rüstvorgang: Wenn der Kunde uns sagt, „Das ist genau dieser Rüsttyp“, labeln wir diese Daten mehrmals – vielleicht 20-mal. Dann „weiß“ die KI künftig für diese Maschine: „Aha, das ist Rüsten Typ X.“ Und erkennt diesen Vorgang automatisch in Zukunft.
ANDREA SPIEGEL: Kann man diese Ergebnisse – die Muster, die der Algorithmus findet – auch für Predictive Maintenance nutzen? Oder ist das wieder ein anderes Thema?
DIMITRIJ LEWIN: Predictive Maintenance gibt es schon länger, aber man sollte sie gezielt einsetzen, nicht pauschal überall. Hier gilt „Garbage in, garbage out“: Wenn die Daten keine eindeutigen Vorboten von Ausfällen zeigen, fällt Predictive Maintenance aus. Unsere Sensorik kann das, aber nur für bestimmte Prozesse.
Bei einer CNC-Maschine zum Beispiel lassen sich mit unserem Sensor durchaus Bereiche für Predictive Maintenance abdecken. Allerdings ist in der CNC-Fertigung oft eher Predictive Maintenance üblich – also planmäßiger Austausch von Verschleißteilen, bevor sie ausfallen. Denn wenn eine Maschine plötzlich zwei Wochen stillsteht, weil Predictive Maintenance versagt hat, ist das ein Desaster für die meisten Produktionsunternehmen.
ANDREA SPIEGEL: Kann man langfristig nicht doch erkennen, dass bestimmte Schwingungs- oder Geräuschmuster auf Verschleiß hindeuten, etwa auf Werkzeugbruch?
DIMITRIJ LEWIN: Theoretisch ja. Es gibt Unternehmen, die sich genau darauf spezialisiert haben. Aber es stellt sich immer die Frage: Lohnt sich das? Wenn ein Fräswerkzeug 80 Euro kostet, rechnet sich der Aufwand für ein Tool-Predictive-Maintenance-System kaum. Alles ist möglich, aber wir müssen wirtschaftlich denken: Welcher Return on Investment ist realistisch? In der Forschung mag vieles spannend sein, aber in der Praxis zählt Effizienz und Wirtschaftlichkeit.

ANDREA SPIEGEL: Für wen lohnt sich Maschinendatenerfassung? Gibt es Unternehmenstypen, bei denen ihr sagt: „Macht’s ruhig, ihr seid schon Weltmarktführer“? Oder ist das grundsätzlich für alle spannend?
DIMITRIJ LEWIN: Ich würde eher fragen: Wo seht ihr euch in der Zukunft? Wollt ihr digitaler, effizienter und zukunftsorientierter arbeiten und dabei intern auch transparenter werden? Für mich hat das Thema Zukunft einen ganz hohen Stellenwert, denn in Deutschland gibt es nach wie vor Firmen, die immer noch mit Prozessen von vor 20 oder 30 Jahren arbeiten. Manche nutzen im besten Fall Excel-Listen – immerhin, aber auf Dauer nicht ausreichend.
Bei unseren Kunden haben wir in vier Jahren über 200.000 Stunden zusätzlicher Maschinenproduktivität erzielt – im Schnitt 30.000 bis 40.000 Stunden pro Unternehmen. Das geht nicht mit Excel, es sei denn, man investiert enorme Manpower, die permanent Daten zusammenführt. Rechnet man diesen Aufwand dagegen ab, lohnt sich die Investition in automatisierte Datenerfassung klar.
Solche Lösungen sind also besonders geeignet für Unternehmen, die zukunftsorientiert denken und nicht weiterhin Daten per Excel und Papier erfassen wollen. Wenn ein Unternehmen ohnehin plant, bald zu schließen, ist das natürlich eine andere Geschichte. Aber wer bestehen will, kommt an digitaler Maschinendatenerfassung aktuell nicht vorbei.

ANDREA SPIEGEL: KI ist ja gerade überall – privat und beruflich – ein Thema, dem man kaum entkommt. Vor welchen Herausforderungen steht KI im Kontext von Maschinendatenerfassung und -analyse? Gibt es Grenzen, wo es schwierig wird oder wo man genau hinschauen muss? Kann man der KI wirklich zuverlässig überlassen, Daten auszuwerten?
DIMITRIJ LEWIN: Wir sind noch nicht bei dem Thema AGI angekommen
ANDREA SPIEGEL: Was heißt das genau?
DIMITRIJ LEWIN: AGI ist Artificial General Intelligence. Mit AGI könnte man der KI in Zukunft vielleicht weitreichendere Aufgaben und sogar Entscheidungsbefugnis übergeben. Aktuell können KI-Systeme jedoch noch keine eigenständigen Entscheidungen treffen.
ANDREA SPIEGEL: Also ableiten, Maßnahmen ergreifen und so weiter?
DIMITRIJ LEWIN: Nein, momentan erstellen wir mit KI-Analysen und stellen sie den Mitarbeitenden zur Verfügung. Produktionsleiter oder Geschäftsführer treffen dann selbst die Entscheidungen. Wir aggregieren die Daten – ganz einfach „Spoon-Feeding“ – und liefern sie so aufbereitet, dass Menschen schnell handeln können.
ANDREA SPIEGEL: Also eine Entscheidungshilfe.
DIMITRIJ LEWIN: Genau. KI ist kein allwissendes System und ersetzt den Menschen nicht. Wir sollten KI als Tool begreifen – ähnlich wie ein Smartphone – das uns unterstützt. Besonders in der Produktion, wo viele komplexe Effizienzpotenziale liegen, erleichtert es den Alltag und beschleunigt Prozesse.

ANDREA SPIEGEL: Wir haben gerade schon darüber gesprochen, du hast AGI und solche Themen angesprochen. Das mag noch in weiter Ferne liegen. Siehst du aber in der Maschinendatenerfassung – vielleicht in Kombination mit KITrends, die uns in den nächsten fünf bis zehn Jahren erwarten?
DIMITRIJ LEWIN: Auf jeden Fall wird es immer wichtiger, Maschinendaten mit ERP-Systemen zu verbinden und Transparenz herzustellen. Nur so kann man die Daten weiter nutzen. In großen Konzernen ist das bereits Standard.
ANDREA SPIEGEL: Die haben aber meist auch andere finanzielle Mittel.
DIMITRIJ LEWIN: Genau. Und hier liegt der Knackpunkt: KMU haben nicht die Ressourcen, um eigene KI- und Data-Science-Teams aufzubauen – ganz abgesehen vom Fachkräftemangel. Selbst wenn man Geld dafür hätte, dauert es Jahre, ein solches Team aufzubauen. KMU müssen das Rad nicht neu erfinden. Warum nicht bereits vorhandene Lösungen nutzen? Das ist einer der großen Vorteile unserer Plug-and-Play-Systeme.

ANDREA SPIEGEL: Gibt es sonst noch einen Tipp oder Ratschlag, den du vor allem KMUs bei der Maschinendatenerfassung mitgeben würdest? Wie fange ich am besten an?
DIMITRIJ LEWIN: Auf jeden Fall die Mitarbeiter von Anfang an mitnehmen. Es gibt nichts Schlimmeres, als ein MDE-Projekt heimlich zu starten. Der Produktionsleiter und der Geschäftsführer wissen Bescheid – doch die Maschinenbedienenden bleiben außen vor. Dabei ist es so wichtig, alle abzuholen und ihnen zu erklären, was passiert. Viele fürchten, überwacht zu werden. Dabei geht es nicht um Kontrolle der Person, sondern um die Überwachung des Produktionsprozesses: Wie effektiv arbeiten wir gerade? Die Bedienenden geben immer ihr Bestes, aber der Prozess ist nicht immer perfekt geplant. Mit verlässlichen Daten können wir besser planen und auf Unvorhergesehenes reagieren. Unser Learning war daher: Die Menschen aktiv ins Projekt einbinden und regelmäßig Feedback einholen.
ANDREA SPIEGEL: Hat das immer funktioniert oder gab es auch Kritiker?
DIMITRIJ LEWIN: Kritiker gibt es immer, auch unter den Produktionsleitenden. Viele glauben zunächst, so ein Sensor könne gar nicht so einfach funktionieren. Aber das zerstreuen wir schnell mit Pilotprojekten: Wir zeigen den Mehrwert live. Die echten Skeptiker sind meistens diejenigen, die gar nichts mit KI oder Digitalisierung zu tun haben wollen und sich in ihr Schneckenhaus zurückziehen. Klar, das ist eine Strategie – aber keine zukunftsfähige.
Wichtig ist, dass das Management als Pionier voranschreitet und sagt: „Leute, wir müssen das tun, um zukunftsfähig zu bleiben – sei es mit uns, NOVO AI, oder mit anderen Partnern.“ Meine Vision ist, Deutschland digitaler und autonomer zu machen und viele Prozesse zu automatisieren. Nur so bleiben wir international wettbewerbsfähig. Qualität können wir – jetzt müssen wir nur noch effizienter arbeiten.
ANDREA SPIEGEL: Made in Germany ist immer noch etwas wert.
DIMITRIJ LEWIN: Ganz genau.

ANDREA SPIEGEL: Sehr schön. Vielen Dank, Dimitrij. Ich glaube, dein Schlussplädoyer richtet sich an alle produzierenden Unternehmen da draußen: Steckt nicht den Kopf in den Sand, sondern holt euch Hilfe von den richtigen Leuten.
Wir haben heute das Thema Maschinendatenerfassung und den Einsatz von KI zur Effizienzsteigerung behandelt. Dabei haben wir geklärt, warum MDE gerade für KMU interessant und relevant ist, wie der Status quo aussieht und welche Herausforderungen es gibt. Außerdem haben wir besprochen, wie KI im Bereich der Maschinendatenerfassung eingesetzt werden kann und einen Ausblick auf künftige Entwicklungen sowie einige Praxistipps gegeben.
Vielen Dank für deine Zeit, Dimitrij!
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Bis zum nächsten Mal!

Welche Idee steckt hinter der Multikommissionierung in der Lagerlogistik?

„Die Idee bei der Multikommissionierung ist auch da, eben solche Leerfahrten, Leerwege, egal ob jemand läuft oder eben fährt, zu vermeiden.“

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