#96 Digitales Leadership mit Dennis Kuhlmann

Podcast Industrie 4.0 | Der Expertentalk für den Mittelstand

Die Arbeitswelt verlagert sich in vielen Bereichen mehr und mehr ins Netz. Home-Office, Remote-Work und Hybride Arbeitsmodelle sind inzwischen längst nicht mehr wegzudenken. All das ist aber auch eine ganz neue Herausforderung für Führungskräfte.

In der heutigen Folge sprechen Andrea und Dennis, unser Learning & Development Mastermind, über digital Leadership.

Auf dem Programm steht unter anderem:

– Was ist damit eigentlich gemeint?

– Brauchen wir noch einen neuen Führungsbegriff?

– Was unterscheidet digital Leaders von normalen Führungskräften?

Besonders spannend also für die Führungskräfte der Führungskräfte – wie macht man aus einer Führungskraft einen „digital Leader“? Und welche Arten von Führungsstilen gibt es überhaupt?

Auch über Strategien und nützliche Tools wird eingegangen, um digitale Teams effektiv zu führen und zu managen.

Nachdem nun ganze sieben Mal das Wort „Führung“ in diesem Text vorkam, würden wir euch direkt zur Folge führen – viel Spaß!

Das Transkript zur Podcast-Folge: Digitales Leadership

ANDREA SPIEGEL: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Industrie 4.0, der Experten-Talk für den Mittelstand. Ihr wisst: Wir sprechen hier im Podcast oft darüber, dass Digitalisierung und digitale Transformation bestimmte Kompetenzen erfordern – insbesondere bei den Führungskräften, die ihre Teams und damit das gesamte Unternehmen in die Digitalisierung und in die Zukunft führen. Deswegen nehmen wir uns heute das Thema „Digital Leadership“ genauer vor und klären Fragen wie: Was ist eigentlich genau damit gemeint? Brauchen wir einen anderen Titel für Führung oder einen neuen Begriff dafür? Und was unterscheidet Digital Leader von herkömmlichen Führungskräften?

Für diese Fragen haben wir einen Gast bei uns, den der eine oder die andere vielleicht schon wiedererkennt, falls ihr diese Folge auf YouTube anschaut: Dennis Kuhlmann. Er ist bei uns Learning and Development Manager. Schön, dass du da bist!

DENNIS KUHLMANN: Hallo Andrea, vielen Dank für die Einladung. Inzwischen bin ich zum dritten Mal bei dir im Podcast.

ANDREA SPIEGEL: Ja, das sieht man – das ist einfach Qualitäts-Content, den wir mit dir produzieren.

DENNIS KUHLMANN: I hope so.

ANDREA SPIEGEL: Wie immer an dieser Stelle noch ein kurzer Hinweis: Auch diese Folge gibt es wieder als Video auf YouTube zu sehen. Schaut also gerne mal vorbei, falls ihr wissen wollt, wie wir es uns hier gemütlich gemacht haben.

ANDREA SPIEGEL: Obwohl du schon zum dritten Mal bei uns bist und viele dich sicher schon kennen – schließlich haben alle, vor allem die Folgen mit dir, gehört – möchten wir für alle, die heute neu dazukommen, weil sie sich für Digital Leadership interessieren, kurz vorstellen: Wer bist du, was machst du bei L-mobile als Learning and Development Manager und was sollte man über dich wissen?

DENNIS KUHLMANN: Vielen Dank noch einmal für die Einladung. Ich bin seit inzwischen fünf Jahren bei L-mobile und kann daher auf umfangreiche Erfahrungen zurückblicken. Mein Aufgabenbereich hat sich im Laufe der Zeit verändert: Angefangen habe ich im Bereich digitales Lernen, das in meiner Haupttätigkeit ein Stück in den Hintergrund gerutscht ist. Es ist dennoch immer noch wichtig und vorhanden. Jetzt stehen aber Themen wie Führung stärker im Fokus – besonders die Entwicklung unserer Expertenlaufbahn bei L-mobile. Unsere Führungsthemen gehen uns auch nie aus.

Ich begleite nun zum dritten Mal eine Gruppe von Führungskräften durch den zweijährigen Entwicklungsprozess bei L-mobile. Darüber hinaus bin ich in vielen Change Projekten aktiv und steige selbst regelmäßig als Trainer ein. Ganz frisch haben mein Kollege Peter Oechsle und ich den „Kompetenz-Campus“ gegründet: Ein Angebot, das neben den Führungskräften nun allen Mitarbeitenden der L-mobile Trainings zu vielen verschiedenen Themen bietet.

ANDREA SPIEGEL: Da ist auf jeden Fall ganz viel Spannendes dabei – für jeden ist sicher etwas dabei, um sich persönlich weiterzuentwickeln. Ein sehr schönes Projekt, das ich als Mitarbeiterin der L-mobile gerne unterstütze.

ANDREA SPIEGEL: Du weißt, dass wir zu Beginn jeder Folge eine kleine Frage stellen, die nichts direkt mit unserem Thema – in diesem Fall Digital Leadership – zu tun hat, sondern dazu dient, dich besser kennenzulernen. Für dich habe ich heute überlegt: Wenn es in deinem Haus eine geheime Tür gäbe, die du entdecken könntest, wo würde sie hinführen und warum?

DENNIS KUHLMANN: Boah, jetzt hast du mich. Ich glaube, die Tür wäre im Keller und würde noch weiter nach unten führen. Wir haben zwar schon ein großes Spielzimmer für die Kinder, das eigentlich ausreichend groß ist, aber so eine Art Hobbykeller zu haben. So etwas hatten wir früher mal. Dann vielleicht eine kaum erkennbare, geheime Tür, hinter der ein Billardtisch, ein Tischkicker, eine Dartscheibe und vielleicht sogar ein kleiner Kinosaal stehen, wenn ich mal völlig übertreiben darf.

ANDREA SPIEGEL: Auf jeden Fall!

DENNIS KUHLMANN: So etwas in die Richtung.

ANDREA SPIEGEL: Darum geht es bei unseren Fragen: herauszufinden, was die Leute sich vorstellen, wenn sie völlig frei entscheiden dürfen. Cool, klingt super. Ich komme vorbei, sobald es den Keller gibt!

ANDREA SPIEGEL: Dann lass uns mit unserem heutigen Thema beginnen: Digital Leadership. Als ich zum ersten Mal davon hörte, fragte ich mich: Was genau ist Digital Leadership? Wir kennen verschiedene Arten von Führung wie zum Beispiel laterale Führung, direktive Führung oder den partizipativen Führungsstil. Es gibt so viele Begriffe und jetzt kommt noch Digital Leadership hinzu. Ich glaube, der Begriff ist nicht so neu, sondern schon einige Jahre alt. Wie unterscheiden sich diese Arten von Führung überhaupt? Welche gibt es und was hat Digital Leadership damit zu tun?

DENNIS KUHLMANN: Tatsächlich habe ich mich dieselbe Frage gestellt: Ist das wirklich etwas Neues oder nur ein neuer Titel oder Begriff für etwas Bestehendes? Wahrscheinlich ist es von allem ein bisschen etwas. In den letzten fünf Jahren hat die Digitalisierung enorme Fortschritte gemacht. Seit ein oder zwei Jahren kommt das Thema KI hinzu mit dieser Schnelllebigkeit und Informationsflut. Mit all diesen Themen müssen Mitarbeitende und Führungskräfte lernen damit umzugehen.

Das stellt Führungskräfte vor Herausforderungen: Wo stehe ich selbst gerade in meiner Führungslaufbahn? Bin ich noch frisch in der Rolle oder schon lang erfahren? Kann ich auf viel Erfahrung zurückblicken? Kenne ich viele Führungssituationen und weiß, wie ich handeln kann? Gleichzeitig stellt sich die Frage: Welche Erwartungen hat das Unternehmen an mich als Führungskraft?

Daher würde ich dahingehend unterscheiden: Wo stehen die Führungskräfte? Wo steht das Unternehmen? Wo liegen die konkreten Herausforderungen? Diese können im Unternehmen komplett unterschiedlich sein. Ein Team hat vielleicht die Herausforderung erst zusammenwachsen und Performance zu generieren. Andere Teams sind da schon viel weiter, weil die Performance schon da ist und sie sich gleichzeitig auf neue Wege begeben können. Das bedeutet, dass ich als Führungskraft ganz anders auftreten muss, um mein Team auf bestimmten Wegen mitzunehmen.

ANDREA SPIEGEL: Du würdest also empfehlen, folgendes zu betrachten: Wo befinde ich mich als Führungskraft? Wo starte ich, wo stehe ich aktuell und was liegt noch vor mir also welche Herausforderungen habe ich? Um somit die Art bei einer Führung ein Stück weit zu definieren. Korrekt?

DENNIS KUHLMANN: Ja.

ANDREA SPIEGEL: Wo würdest du sagen, lässt sich der Begriff „Digital Leadership“ verorten? Schließt das aus, dass ich gerade am Anfang meiner Führungskarriere stehen kann? Oder würdest du sagen, Einsteiger sind tendenziell keine Digital Leader? Im Endeffekt frage ich nach einer Definition dieses Begriffs oder zumindest nach einer Einordnung.

DENNIS KUHLMANN: Ehrlich gesagt fällt es mir schwer, „Digital Leadership“ zu definieren. Im Internet findest du viele verschiedene Definitionen. Grundsätzlich geht es doch um Führung, nur dass sich die Herangehensweise in unserer digitalen Ära, in der wir leben stark verändert hat. Diese Ära schreitet immer weiter voran und bringt neue Herausforderungen mit sich. Gleichzeitig geht es aber immer um die Menschen, mit denen ich in Projekten zusammenarbeite. Diese Projekte sind auch meistens für die Menschen. Das heißt, ich muss herausfinden, wo die Menschen stehen, wie ich sie abhole und motiviere. Digitale Tools können das unterstützen.

Ein weiteres Thema ist Remote-Führung – seit Corona ein alter Hut, theoretisch weiß heute jeder, wie es geht. Trotzdem sehe ich immer noch viele offene Fragen: Wie gelingt Remote-Führen? Warum klappt es bei manchen gut und bei anderen nicht? Was macht den Unterschied?

Letztlich geht es meiner Meinung darum: Wer möchte ich als Führungskraft sein? Wie definiere ich mich als Führungskraft und warum ist es mir wichtig die Menschen voranzubringen? Wenn man das klärt, kann man das Digitale eigentlich beiseiteschieben: Es geht einfach um die Führung von Menschen.

ANDREA SPIEGEL: Vielleicht kann man das Digitale insofern berücksichtigen, als wir nicht Remote-Führung bespreche, was ein separates Thema ist. Heute geht es darum, wie ich ein Team – in Zeiten der digitalen Transformation – in den digitalen Wandel hineinleite. Wie du richtig sagst, gibt es nicht nur unterschiedliche Positionen von Führungskräften, sondern auch verschiedene Status, in denen sich ein Unternehmen befindet.

Die einen stehen ganz am Anfang, haben noch nicht digitalisiert und überlegen, wie sie Papierprozesse verändern können. Andere haben schon das erste Projekt umgesetzt, zum Beispiel Handscanner im Lager. Dann gibt es wieder andere, die super weiter vorne sind: Geprägt von digitalen Prozessen, vielleicht sich schon mit KI beschäftigen und schon die ersten Implementierungen haben. Ich würde unterstellen, dass gerade diese Unternehmen eher mehr „Digital Leader“ haben, die das Mindset mitbringen, Menschen im digitalen Wandel zu führen.

DENNIS KUHLMANN: Da stimme ich dir vollkommen zu. Nehmen wir zum Beispiel L-mobile: Wir sind hier – nicht komplett – aber da schon sehr weit fortgeschritten sind. Wir wissen wie Digitalisierung funktioniert, wir leben das intern und extern. Wir schaffen Digitalisierungsprozesse für unsere Kunden, das sind neue Prozesse und Change Prozesse. Wir verändern deren Strukturen.

Das heißt, wir müssen über den Tellerrand hinausschauen, um zu sagen, ich führe hier mein Team, aber gleichzeitig führe ich auch den Kunden in seinen Prozessen. Das ist auch eine Führungsrolle, die unsere Führungskräfte und Projektleiter teilweise ausführen müssen oder dürfen. Hoffentlich ist es auch für die meisten ein Privileg, das zu machen.

Man darf auch unterscheiden: Ist mein Unternehmen noch traditionell-hierarchisch organisiert? Oder bin ich schon in dieser digitalen Ära angekommen und arbeite schon mit selbstorganisierten Teams, in denen der Output zählt – nicht die abgesessene Zeit? Das verlangt ein anderes Mindset: Es verlangt viel Vertrauen, hohe Eigenmotivation und Selbstmanagement-Kompetenzen, die die Führungskräfte sowohl vermitteln als auch vorleben müssen, damit die einzelnen Mitarbeitenden der Teams dem auch folgen können.

ANDREA SPIEGEL: Du hast gerade eine schöne Überleitung zum nächsten Punkt geschaffen, der mir wichtig ist: Wenn ich mich selbst als Digital Leader oder als zukunftsorientierte Führungskraft sehe – wir können es gerne so formulieren –, welche Skills und Kompetenzen muss ich mitbringen? Du hast bereits einige genannt, etwa hohe Eigenverantwortung. Welche weiteren sind entscheidend? Klar, wir können nicht alle besprechen. Wie erarbeite ich mir diese Fähigkeiten? Wie schaffe ich es dieses Skill-Level zu erreichen?

DENNIS KUHLMANN: Ich würde sagen, es gibt Naturtalente, die von Haus aus schon ein gewisses Maß an Autorität, Klarheit und Kommunikationsfähigkeit mitbringen. Aber Führung ist auch erlernbar: Wir haben Tools und Methoden, die uns helfen, besser zu führen. Dabei ist es entscheidend, die Wirkung meiner Führung auf die Mitarbeitenden zu reflektieren. Kann ich Mitarbeiter eher motivieren oder sind sie eher traditionalistischer.

ANDREA SPIEGEL: Eher ein autoritärer Stil.

DENNIS KUHLMANN: Genau. Eher autoritär geprägt und die Motivation meiner Mitarbeiter ist damit geprägt, dass sie ihr Gehalt bekommen. Darüber müssen sie motiviert sein. Aber es gibt auch noch die intrinsische Motivation und wie kann ich darauf als Führungskraft einwirken? Solche Sachen sind sehr wichtig. Dafür muss ich mich selbst kennen und verstehen.

ANDREA SPIEGEL: Vielleicht auch hin und wieder zu reflektieren.

DENNIS KUHLMANN: Reflektieren ist sehr wichtig. Ich muss mir klarmachen, welche Art von Führungskraft ich sein möchte, was mein Unternehmen von mir erwartet, wo finde ich mich da wieder und welche Rolle möchte ich ausüben. Welche Vorbildrolle möchte ich für meine Mitarbeitenden ausfüllen? Selbstkompetenz ist die Grundlage aller Führungsthemen. Wenn ich mich selbst führen kann – das ist die schwierigste Person, die ich führen kann –, bin ich bereit, auch andere Menschen zu führen und in die richtige Richtung zu lenken.

Gerade in der heutigen Zeit sind Weiterentwicklung und intrinsische Motivation zentral: Wir müssen kontinuierlich lernen, Neues ausprobieren und prüfen, ob es zu meinem Führungsstil und meiner Arbeitsweise passt – und ob es für mein Team funktioniert. Da sind wir wieder bei der Selbstreflexion.

Resilienz ist heutzutage auch ein sehr großes Thema: Wir werden mit einer noch nie dagewesenen Informationsflut konfrontiert, privat wie beruflich, wie noch nie zuvor in der Menschheitsgeschichte. Das heißt wir müssen lernen, damit umzugehen und eine gewisse Widerstandskraft entwickeln, damit ich darunter nicht zerbreche – neben den ganzen Aufgaben und Erwartungen, die an mich gestellt werden.

Für mich gibt es keine strikte Work-Life-Balance, sondern eine Life-Balance, denn unsere Arbeit gehört zu unserem Leben dazu und wir können diese nicht aussparen.

ANDREA SPIEGEL: Das führt zu einer Polarität, die man vielleicht nicht möchte.

DENNIS KUHLMANN: Genau. Resilienz ist ein großer wesentlicher Faktor in der Führungsarbeit. Außerdem ist es essenziell, die Bedürfnisse meiner Mitarbeitenden verstehen zu wollen: Was bewegt sie? Was wollen sie und wo wollen sie sich hin entwickeln? Wenn ich meine Mitarbeitenden kenne, kann ich Aufgaben und Erwartungen besser verteilen, Rollenbilder auf einer vertrauensvollen Ebene komplett verändern. So kann ich sehr transparent arbeiten und schaffe die Möglichkeit, schneller zu Ergebnissen zu gelangen: Die Mitarbeitenden erhalten Autonomie, entwickeln ihre Stärken weiter und schaffen dadurch Mehrwert für das Team, das Unternehmen und die Kunden.

Als Führungskraft sollte ich daher nah an meinen Mitarbeitenden sein. Obwohl mir das Digitale vorhin schwerfiel, passt gerade diese Zeit perfekt.

ANDREA SPIEGEL: Was du beschreibst, klingt zunächst naheliegend: Die Schlüsselqualifikationen für Leadership in der digitalen Transformation sind in erster Linie persönliche Soft Skills. Hard Skills sind zwar relevant, aber sie machen mich nicht automatisch zu einer guten Führungskraft. Das ist nichts neues aber in diesem Kontext ist das sehr spannend, weil alle von dir beschriebenen Fähigkeiten, sind Fähigkeiten, die ich mir selbst aneignen kann. Dafür muss ich noch nicht mal eine Führungskraft sein.

ANDREA SPIEGEL: Verstehe ich das richtig, dass es im ganzen Change-Management und in Veränderungsprozessen vor allem darauf ankommt, als Führungskraft – aber generell auch für jeden – an den persönlichen Skills zu arbeiten? Oder gibt es deiner Ansicht nach auch Hard Skills, die man auch braucht?

DENNIS KUHLMANN: Nehmen wir als Beispiel die Produktion: Jemand ist der Beste in seinem Gebiet und wird häufig Führungskraft. Das bedeutet jedoch nicht automatisch, dass derjenige eine gute Führungskraft ist oder die Rolle überhaupt annehmen möchte und ausfüllen kann. Aber es schafft Reputation. Hier ist es wichtig von diesem Gedanken wegzukommen: Führungskräfte haben eine hohe Reputation und hier kannst du Karriere machen. Deshalb ist unsere Expertenlaufbahn bei der L-mobile so gestaltet, dass unsere Experten auf einer ähnlichen Stufe wie unsere Führungskräfte sind und wir können auch auf dieser Ebene Karriere machen. Ein Punkt: Wir müssen anders denken lernen. Wie du schon sagst, eigentlich wissen wir das schon alle. Wenn jemand das möchte und Interesse daran hat, dann muss er diese fachlichen KompetenzenHard Skills – nicht mitbringen. Das macht es dennoch wiederum einfacher, um vor und im Team auf mehr Resonanz zu stoßen, wenn man in die Themen zusammen reinschaut.

Doch wenn eine Führungskraft Unternehmensseite die Möglichkeit hat, sich auf die Führungsaufgaben zu konzentrieren und weniger operativ zu arbeiten, sind ausschließlich Führungsthemen im Vordergrund.

Bei der L-mobile begleiten wir unsere Führungskräfte zum Beispiel in Roundtables. Das heißt wir bieten klassische Trainings zum fachlichen Führungsverständnis, in denen man sich austauschen kann und wir geben nötige Methoden mit an die Hand. Diese kann man dann in einem geschützten Rahmen ausprobieren. Um diesen Nachhaltigkeitsprozess zu unterstützen, mache ich folgendes: Jeden Monat besprechen wir in einem dreistündigen Roundtable Führungsthemen. Eine Art Peer-to-Peer-Coaching, damit die Führungskräfte merken, dass sie nicht allein mit einer Führungsherausforderung sind. Zum Beispiel wenn ein Mitarbeiter nicht performt oder ich nicht den Draht zu einem Mitarbeiter finde und ich nicht weiß, wie ich damit umgehen kann. Hier schaffen wir einen Rahmen, in der wir in absoluter Vertrautheit sind und können darüber sprechen. Bis jetzt ist noch nie jemand rausgegangen und war der Meinung, dass es demjenigen nichts gebracht hat. Viele konnten für sich etwas mitnehmen und etwas lernen. So lernen wir alle gemeinsam an bestimmten Situationen und schaffen eine Nachhaltigkeit, die langfristig die Anwendung der Methoden im Arbeitsalltag stärkt.

ANDREA SPIEGEL: Ich weiß, was ich tun muss.

DENNIS KUHLMANN: Ich weiß auch, was ich tun muss, wenn ich in ähnliche Situationen komme. Wir lernen ständig aus unserem Erfahrungswissen und vertiefen das.

ANDREA SPIEGEL: Bei der digitalen Transformation – Digitalisierung, Industrie 4.0, um ein paar Buzzwords zu nennen – geht es am Ende immer um den Veränderungsprozess. Wie würdest du sagen, begeistere ich Menschen? Ich verstehe darin die Aufgabe einer Führungskraft in der digitalen Transformation oder in dem Veränderungsprozess eines Unternehmens: Wie begeistere ich Menschen für Veränderung? Wie hole ich sie ab? Welche Aspekte muss ich berücksichtigen? Ist das eher emotional oder rational? Muss ich das Herz oder den Kopf ansprechen? Brauche ich eine bestimmte methodische Vorgehensweise? Oder siehst du Menschen grundsätzlich als eher zurückhaltend gegenüber Veränderungen?

DENNIS KUHLMANN: Ich glaube: Jeder will Veränderung, aber niemand will sich selbst verändern. Klassiker – fünf Euro ins Phrasenschwein!

Veränderungsprozesse lassen sich besonders gut anstoßen und haben eine höhere Chance auf Erfolg, wenn wir die Gefühle der Menschen erreichen. Denn Veränderung heißt: Etwas ist jetzt anders. Als Mitarbeiter habe ich vielleicht nicht einmal eine Chance, selbst darauf zu reagieren. Gleichzeitig ändert sich aber irgendetwas: Was passiert mit meiner Arbeit und meinem täglichen Ablauf? Ich muss meine Komfortzone verlassen, wodurch Ängste und Unsicherheiten entstehen können. Vielleicht fürchte ich sogar um meinen Arbeitsplatz – gerade in der Digitalisierung kann es passieren, dass Stellen wegrationalisiert werden.

ANDREA SPIEGEL: Oder dass man sich in seinem Job verändern müssen.

DENNIS KUHLMANN: Genau. Deshalb haben wir großes Potenzial, Menschen am Anfang abzuholen. Ein schönes Beispiel einer Trainerkollegin: Sie vergleicht das Auftreten eines Leaders mit einer Zitrone. Wir stellen uns vor, wir nehmen eine Zitrone in die Hand, spüren ihre raue Schale, schneiden sie auf, riechen an ihr und beißen hinein. Es kommt direkt eine Reaktion. Sofort reagieren wir mit Speichelfluss oder einem Gesichtsausdruck des Ekels durch diese Säure. Wir schaffen mit dem Bild der Zitrone eine Emotion, die in uns stattfindet. Man hat sofort ein Gefühl und eine körperliche Reaktion.

Wenn ich dir jetzt von einer bengalischen Nuss erzähle.

ANDREA SPIEGEL: Was ist eine bengalische Nuss?

DENNIS KUHLMANN: Weiß ich nicht, ich glaube es gibt keine bengalische Nuss. Es ist Unverständnis da und eher eine Abwehrhaltung.

ANDREA SPIEGEL: Ich kann damit nicht in Resonanz auf einer emotionalen Ebene gehen.

DENNIS KUHLMANN: Genau du kannst keine Reaktion darauf geben. Sie hat das so schön beschrieben: Die Zitrone ist das, wie ein Leader agieren kann, um seine Leute abzuholen und um bestimmte Ängste zu artikulieren, wahrzunehmen und ernst zu nehmen. Diese Ängste kann ein Leader dann mit rüber nehmen, um positiv in den Change Prozess zu starten.

Die bengalische Nuss symbolisiert die Management-Vorgabe: „Wir müssen jetzt etwas verändern, um mehr Umsatz zu machen und damit unsere Kunden davon profitieren“ Fragen danach: „Wie? Was? Warum?“ bleibt offen und spielen keine Rolle.

ANDREA SPIEGEL: Was heißt das für mich?

DENNIS KUHLMANN: Dann fühlt sich keiner abgeholt. Das ist wiederum eine Herausforderung für unsere Leader, die sich trotzdem abgeholt fühlen müssen, die den Mehrwert erkennen und das auf andere Art und Weise mit den Menschen auf Fahrt bringen müssen.

ANDREA SPIEGEL: Also eine Vereinheitlichung von der rationalen Vorgabe – die Zahlen fokussiert und sinnhaft ist – und gleichzeitig den Menschen auf der emotionalen Ebene abholen muss. Die Vereinheitlichung dieser zwei vermeintlichen Gegensätze, die am Ende aber zusammenspielen, ist dann die Aufgabe.

DENNIS KUHLMANN: Genau. Es ist auch nicht unbedingt die Aufgabe des Managements in erster Linie auf dieser emotionalen Ebene zu handeln und zu agieren. Später im Prozess wäre das aber sehr wünschenswert. Da haben wir dann mehr Geschwindigkeit drauf, um solch einen Prozess erfolgreich umsetzen zu können. Das ist auch eine Hauptaufgabe des Leadership.

ANDREA SPIEGEL: Wir haben gerade viel darüber gesprochen, welche Skills Führungskräfte im digitalen Wandel mitbringen sollten. Wenn ich als Unternehmer entscheide, dass ich genau diese Dinge brauche, von denen Dennis Kuhlmann spricht – weil ich mich digital aufstellen will, innovative Geschäftsmodelle entwickeln und agile Prozesse begleite – und ich habe bisher noch keine passenden Leute oder ich habe Leute, die sich dafür eignen könnten. Aber ich weiß nicht, wie ich die erreichen kann. Wie mache ich aus meinem Team Digital Leader oder Menschen, die bereit sind im digitalen Wandel zu agieren? Wie schaffe ich das vor allem in meiner Führungsebene? Wie bekomme ich diesen Mindset Shift hin?

DENNIS KUHLMANN: Es hilft eine Vision aufzubauen. Eine Vision für das Unternehmen aufzubauen, aber auch gleichzeitig eine folgende Vision mitzudenken: Wie möchten wir im Unternehmen zusammenarbeiten? Wie möchten wir agieren? Welche Ziele setzen wir uns und was brauchen wir, um diese Ziele auch zu erreichen? Da muss man eine klare und gute Vorarbeit machen. Hier ist Top-down definitiv ein sehr guter Prozess dafür, damit es gewinnbringend gelingen kann.

Im nächsten Schritt hat man die Vision, die man nicht allein machen muss, das kann ich mit den vorhandenen Führungskräften machen. Auch Unternehmenswerte spielen da nochmal eine große und wichtige Rolle, die unterstützen können, was die Zusammenarbeit, die Zukunftsfähigkeit und die Produktivität eines Unternehmens angehen. Wir können uns immer wieder über diese Werte committen und auch uns immer wieder hinterfragen, passt das noch? Passt es zu unserem Führungsstil und zu unserem Verhalten?

ANDREA SPIEGEL: Was ist überhaupt unser Führungsstil?

DENNIS KUHLMANN: Das ist eine nachgelagerte Frage, die sich zwangsläufig daraus ergeben wird. Was ist eigentlich unser Führungsstil? Wie wollen wir eigentlich führen? Wie müssen wir führen, um diese Ziele erreichen zu können? Es gibt immer die Möglichkeit, sich Experten auch von außen reinzuholen, die einem ein wenig spiegeln, wie man agiert und handelt und einem Wege aufzeigen können: Das könnten die nächsten Schritte sein, die deine Führungskräfte brauchen.

Es ist wahrscheinlich ein Prozess, indem man Leute verliert, weil sie sich nicht mehr dazu committen können, wie sich das Unternehmen aufstellt. Dessen muss man sich bewusst sein

Gleichzeitig aber macht es den Recruiting-Prozess viel einfacher, weil wir genau wissen, welche Leute wir eigentlich suchen? Welche Leute brauchen wir, um unsere Ziele zu erfüllen? Wer kann uns helfen? Wen brauchen wir nicht? Auch da können eine Vision, eine Mission, eine Zieldefinition und ein Wertekodex uns dabei unterstützen und helfen, das Unternehmen nochmal auf tragfähige Füße zu stellen.

ANDREA SPIEGEL: Du hast angedeutet, dass es um eine Unternehmenskultur geht, die ich schaffen muss. Wahrscheinlich reicht es am Ende nicht, wenn ich fünf Führungskräfte von 20 habe, die ein bisschen agiler unterwegs sind und die ein paar innovative Veränderungsstrategien kennen und ein paar Methoden gelernt haben und die bringen uns alle voran. Es ist wahrscheinlich eher was Grundlegenderes oder bist du der Meinung, dass das doch funktionieren kann?

DENNIS KUHLMANN Aus meiner Erfahrung zahlt sich ein Top-down-Ansatz aus.  Denn die Chance erhöht sich maximal, dass es funktioniert und gelebt wird. Führungskräfte, da nehme ich das Management nicht aus, müssen auch in gewisser Art und Weise als Vorbilder agieren. Wir orientieren uns an Vorbildern: Was gefällt uns und was nicht? Es ist wichtig, zu wissen, was man nicht machen möchte. In solchen Unternehmenskulturprozessen muss Führung vorgelebt und in regelmäßigen Gesprächen reflektiert werden. Schnelle Erfolge einzelner Teams können weitere motivieren: Studien zeigen, dass Positive Leadership nicht nur den Gewinn steigert, sondern auch die Mitarbeitergesundheit verbessert, Krankheitstage reduziert und die intrinsische Motivation erhöht.

ANDREA SPIEGEL: Man hat wahrscheinlich auch ein besseres Kundenverhältnis.

DENNIS KUHLMANN: Genau. Wenn erste Teams Erfolge zeigen, ist es nur eine Frage der Zeit bis andere nachziehen und ähnlich führen werden. Neben der Unternehmenskultur bildet sich eine Führungskultur darunter, mit der man sich identifizieren kann und die das Unternehmen am Ende trägt.

ANDREA SPIEGEL: Also ist eine Wasserfallstruktur geeignet: Das Wasser fließt von oben nach unten und ist in diesem Fall nicht schlecht.

DENNIS KUHLMANN: Es ist auf jeden Fall hilfreich.

ANDREA SPIEGEL: Um Veränderungsprozesse sinnvoll zu begleiten, Führungskräfte entsprechend auszubilden und dass das Standing vom Unternehmen funktioniert. Ich glaube, wir könnten stundenlang weiter darüber reden – es gibt noch viele Themen.

ANDREA SPIEGEL: In Anbetracht der Zeit habe ich noch eine abschließende Frage: Was sind für dich aktuelle Trends in der Führung? Du hast bereits Positive Leadership und Permalead erwähnt – sind das noch Trends oder sollten sie längst Standard sein? Oder siehst du neue Entwicklungen, auf die wir uns gerade in der digitalen Transformation konzentrieren sollten?

DENNIS KUHLMANN: Ich bin ein großer Freund des Positive Leadership Ansatzes: Wissenschaftlich belegt ist, dass er wirkt, und er setzt sich damit von vielen anderen Führungsstilen ab. Gleichzeitig bleibt er dynamisch und entwickelt sich ständig weiter. Positive Leadership heißt für mich, einen positiven Blickohne mir etwas schön zu reden – auf die Menschen und Unternehmensentwicklungen zu richten und daraus Neues anzustoßen. Dabei lassen wir das Negative und das, was nicht funktioniert nicht unbeobachtet, sondern sehen es als Herausforderung, um die dahinterliegenden Chancen zu erkennen.

ANDREA SPIEGEL: Die Chancen dahinter sehen.

DENNIS KUHLMANN: Zugleich brauchen wir klare Strukturen und eine präzise Kommunikation, die sehr hilfreich sind. Positive Leadership ist für mich ein Führungsstil, der sich immer weiterentwickelt und sich konsequent am Menschen orientiert. Das bringt uns wieder zum Anfang, was auch essenziell ist. Wenn ich als Führungskraft eine gewisse innere Haltung habe, führt das auch zur Wirkung – bei den Mitarbeitenden, bei mir, beim Management, beim Unternehmen, aber auch beim Kunden. Wenn das beim Kunden ankommt und zu guten Kundenbeziehungen führt, dann sind wir auch erfolgreich als Unternehmen. Ich spreche hier jetzt nicht nur für die L-mobile, sondern auch für andere Unternehmen. Dann können wir die Digitalisierung mit all ihren einhergehenden Herausforderungen immer wieder gut bewältigen zu können.

ANDREA SPIEGEL: Und nachhaltig am Ende zu begleiten.

ANDREA SPIEGEL: Vielen Dank! Hast du noch etwas hinzuzufügen? Irgendetwas, das ich vergessen habe zu fragen und das dir beim Thema Führung besonders wichtig ist?

DENNIS KUHLMANN: Spontan fällt mir nichts ein. Ich würde einfach dazu raten, aktiv zu werden und Dinge auszuprobieren: Ein Buch zur Hand nehmen, Methoden bewusst testen und, wenn möglich, den Austausch mit anderen Führungskräften suchen. Frage zum Beispiel: „Ich habe dieses konkrete Thema – wie geht ihr damit um?“ Denn oft fühlt man sich als Führungskraft mit den Herausforderungen isoliert oder allein, obwohl es vielen so geht.

ANDREA SPIEGEL: Ihr seid also nicht allein.

DENNIS KUHLMANN: Genau, ihr seid nicht allein.

ANDREA SPIEGEL: Ein schöner Appell zum Abschluss. Vielen Dank für deine Zeit!

DENNIS KUHLMANN: Sehr gerne.

ANDREA SPIEGEL: Wir haben über verschiedene Führungsstile gesprochen, insbesondere über Digital Leadership – oder besser: Darüber, wie man Führung im digitalen Zeitalter gestalten und Mitarbeitende im Wandel begleiten kann. Wir haben wichtige Schlüsselkompetenzen und Herausforderungen beleuchtet, die im digitalen Wandel auf Führungskräfte zukommen. Außerdem haben wir den Einfluss der Unternehmenskultur auf Führung und umgekehrt diskutiert.

Wir hoffen, dass euch diese Folge gefallen hat! Wenn dem so ist, gebt uns gern einen Daumen hoch auf YouTube oder eine Bewertung bei Apple Podcasts oder Spotify. Habt ihr Fragen rund um das Thema Führung an Dennis? Dann schreibt uns – per Nachricht, E-Mail oder Kommentar. Wir beantworten sie sehr gerne. Wenn ihr Ideen für neue Folgen habt, lasst es uns ebenfalls wissen – wir freuen uns auf eure Wünsche!

Habt noch einen schönen Tag und bis zum nächsten Mal.

Welche Idee steckt hinter der Multikommissionierung in der Lagerlogistik?

„Die Idee bei der Multikommissionierung ist auch da, eben solche Leerfahrten, Leerwege, egal ob jemand läuft oder eben fährt, zu vermeiden.“

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