ANDREA SPIEGEL: Wir haben gerade viel darüber gesprochen, welche Skills Führungskräfte im digitalen Wandel mitbringen sollten. Wenn ich als Unternehmer entscheide, dass ich genau diese Dinge brauche, von denen Dennis Kuhlmann spricht – weil ich mich digital aufstellen will, innovative Geschäftsmodelle entwickeln und agile Prozesse begleite – und ich habe bisher noch keine passenden Leute oder ich habe Leute, die sich dafür eignen könnten. Aber ich weiß nicht, wie ich die erreichen kann. Wie mache ich aus meinem Team Digital Leader oder Menschen, die bereit sind im digitalen Wandel zu agieren? Wie schaffe ich das vor allem in meiner Führungsebene? Wie bekomme ich diesen Mindset Shift hin?
DENNIS KUHLMANN: Es hilft eine Vision aufzubauen. Eine Vision für das Unternehmen aufzubauen, aber auch gleichzeitig eine folgende Vision mitzudenken: Wie möchten wir im Unternehmen zusammenarbeiten? Wie möchten wir agieren? Welche Ziele setzen wir uns und was brauchen wir, um diese Ziele auch zu erreichen? Da muss man eine klare und gute Vorarbeit machen. Hier ist Top-down definitiv ein sehr guter Prozess dafür, damit es gewinnbringend gelingen kann.
Im nächsten Schritt hat man die Vision, die man nicht allein machen muss, das kann ich mit den vorhandenen Führungskräften machen. Auch Unternehmenswerte spielen da nochmal eine große und wichtige Rolle, die unterstützen können, was die Zusammenarbeit, die Zukunftsfähigkeit und die Produktivität eines Unternehmens angehen. Wir können uns immer wieder über diese Werte committen und auch uns immer wieder hinterfragen, passt das noch? Passt es zu unserem Führungsstil und zu unserem Verhalten?
ANDREA SPIEGEL: Was ist überhaupt unser Führungsstil?
DENNIS KUHLMANN: Das ist eine nachgelagerte Frage, die sich zwangsläufig daraus ergeben wird. Was ist eigentlich unser Führungsstil? Wie wollen wir eigentlich führen? Wie müssen wir führen, um diese Ziele erreichen zu können? Es gibt immer die Möglichkeit, sich Experten auch von außen reinzuholen, die einem ein wenig spiegeln, wie man agiert und handelt und einem Wege aufzeigen können: Das könnten die nächsten Schritte sein, die deine Führungskräfte brauchen.
Es ist wahrscheinlich ein Prozess, indem man Leute verliert, weil sie sich nicht mehr dazu committen können, wie sich das Unternehmen aufstellt. Dessen muss man sich bewusst sein
Gleichzeitig aber macht es den Recruiting-Prozess viel einfacher, weil wir genau wissen, welche Leute wir eigentlich suchen? Welche Leute brauchen wir, um unsere Ziele zu erfüllen? Wer kann uns helfen? Wen brauchen wir nicht? Auch da können eine Vision, eine Mission, eine Zieldefinition und ein Wertekodex uns dabei unterstützen und helfen, das Unternehmen nochmal auf tragfähige Füße zu stellen.
ANDREA SPIEGEL: Du hast angedeutet, dass es um eine Unternehmenskultur geht, die ich schaffen muss. Wahrscheinlich reicht es am Ende nicht, wenn ich fünf Führungskräfte von 20 habe, die ein bisschen agiler unterwegs sind und die ein paar innovative Veränderungsstrategien kennen und ein paar Methoden gelernt haben und die bringen uns alle voran. Es ist wahrscheinlich eher was Grundlegenderes oder bist du der Meinung, dass das doch funktionieren kann?
DENNIS KUHLMANN Aus meiner Erfahrung zahlt sich ein Top-down-Ansatz aus. Denn die Chance erhöht sich maximal, dass es funktioniert und gelebt wird. Führungskräfte, da nehme ich das Management nicht aus, müssen auch in gewisser Art und Weise als Vorbilder agieren. Wir orientieren uns an Vorbildern: Was gefällt uns und was nicht? Es ist wichtig, zu wissen, was man nicht machen möchte. In solchen Unternehmenskulturprozessen muss Führung vorgelebt und in regelmäßigen Gesprächen reflektiert werden. Schnelle Erfolge einzelner Teams können weitere motivieren: Studien zeigen, dass Positive Leadership nicht nur den Gewinn steigert, sondern auch die Mitarbeitergesundheit verbessert, Krankheitstage reduziert und die intrinsische Motivation erhöht.
ANDREA SPIEGEL: Man hat wahrscheinlich auch ein besseres Kundenverhältnis.
DENNIS KUHLMANN: Genau. Wenn erste Teams Erfolge zeigen, ist es nur eine Frage der Zeit bis andere nachziehen und ähnlich führen werden. Neben der Unternehmenskultur bildet sich eine Führungskultur darunter, mit der man sich identifizieren kann und die das Unternehmen am Ende trägt.
ANDREA SPIEGEL: Also ist eine Wasserfallstruktur geeignet: Das Wasser fließt von oben nach unten und ist in diesem Fall nicht schlecht.
DENNIS KUHLMANN: Es ist auf jeden Fall hilfreich.
ANDREA SPIEGEL: Um Veränderungsprozesse sinnvoll zu begleiten, Führungskräfte entsprechend auszubilden und dass das Standing vom Unternehmen funktioniert. Ich glaube, wir könnten stundenlang weiter darüber reden – es gibt noch viele Themen.