#50 Veränderung 4.0 mit Alexander Metzler

Podcast Industrie 4.0 | Der Expertentalk für den Mittelstand

Veränderung ist Chance und Sorge zugleich! In Folge #50 unseres Podcast, spricht Andrea Spiegel mit Alexander Metzler, Speaker & Biohacker, über Veränderungsprozesse durch Industrie 4.0.

Wir beleuchten das Thema Industrie 4.0 Mal aus Sicht der Menschen im Unternehmen. Welche Ängste lösen Veränderungsprozesse aus? Wie können wir diesen Ängsten begegnen? Und was hat die Sicht auf unseren Job damit zu tun?

Das Transkript zur Podcast-Folge: Veränderung 4.0

ANDREA SPIEGEL: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge Industrie 4.0 der Experten Talk für den Mittelstand. Wir haben etwas ganz Besonderes für euch vorbereitet, nämlich eine neue Reihe zu einem Thema, das vielleicht im ersten Moment gar nicht in den Podcast reinpasst.

Es geht dieses Mal nicht darum wie man seine Serviceprozesse oder Produktionsprozesse digitalisiert, sondern wir schauen uns heute mal an, wie ihr eure Mitarbeiter in der Digitalisierung richtig mitnehmen könnt und vor allem was die Digitalisierung mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in einem Unternehmen macht und wie man die Digitalisierung erfolgreich im Team verankern kann.

Das schauen wir uns im Rahmen einer kleinen Reihe an. Wir haben uns dazu vier Folgen zu diesem Thema überlegt und besprechen, wie ihr euer Team in dem Thema richtig mitnehmen könnt. Mein Gast ist Alexander Metzler. Er ist Speaker, Bio Hacker und Experte für ein gesundes, glückliches und nachhaltiges Leben im digitalen Zeitalter. Was das genau heißt, darfst du uns gleich erklären.

Hallo Alex, schön, dass du da bist.

ALEXANDER METZLER: Dankeschön für die Einladung. Ich freue mich hier zu sein.

ANDREA SPIEGEL: Sehr gerne. Wie immer an der Stelle kurz der Hinweis. Die Folge gibt es auch bei YouTube als Video zu schauen, also schaut da gerne mal vorbei.

Für Folge eins habe ich mir überlegt, dass wir uns das Thema “Digitalisierung heißt Veränderung” anschauen. Für viele macht Digitalisierung erst mal alles anders. Zuerst muss ich was tun, dann muss ich mich verändern und dann verändert sich auch noch mein Umfeld, wie zum Beispiel mein Arbeitsplatz. Mit Veränderungen tut sich der Mensch bekanntermaßen ein bisschen schwer.

Bevor wir jetzt direkt tief in das Thema einsteigen, erzähl uns doch mal ganz kurz wer du bist, was du machst und warum wir heute über genau dieses Thema sprechen.

ALEXANDER METZLER: Ja, wer bin ich? Das ist immer eine ganz spannende Frage, die man normalerweise beantwortet mit “ich habe die und die Rolle oder den und den Beruf”. Ich sage an der Stelle immer zuerst mal, ich bin in erster Linie Mensch und habe in meiner beruflichen Laufbahn gewisse Fähigkeiten erlernt.

Ich mache so ein kleines berufliches Jonglieren, könnte man sagen. Ich habe eine eigene Medienfirma für Webseiten, Printdesign und Corporate Design. Ich bin fest angestellt bei einem großen, öffentlich-rechtlichen Fernsehsender und halte Vorträge zu verschiedenen Themen. Eines meiner Schwerpunkte ist eben gesundes Leben im digitalen Zeitalter und darüber reden wir jetzt auch. Deswegen bin ich heute hier.

ANDREA SPIEGEL: Sehr gut. Genau das Thema wollen wir uns anschauen. Wie schon gesagt, vor allem mal die menschliche Seite beleuchten. In unserem Podcast geht es sonst sehr viel um Technologien, um Prozesse und um Abläufe. Es ist jetzt mal an der Zeit, dass wir die menschliche Seite anschauen, denn hinter jeder Arbeitskraft oder hinter jedem Kollegen steckt auch ein Mensch, den wir uns heute mal genauer anschauen wollen.

ANDREA SPIEGEL: Gerade bei der Digitalisierung hat man immer wieder den Eindruck, es gibt entweder die Leute, die sehr euphorisch sind, die gerne in die Digitalisierung rein starten wollen, die sagen Cool, da passiert und verändert sich was.

Dann gibt es aber auf der anderen Seite eher die Skeptiker, die sagen, wir haben das jetzt 40 Jahre schon so gemacht. Bis jetzt hat alles super funktioniert. Muss da eine Veränderung wirklich noch sein. Was würdest du sagen woran das liegt?

ALEXANDER METZLER: Die Angst vor Veränderungen ist etwas, was tief in unserer DNA drinsteckt. Das hat evolutionäre Gründe. Wenn wir weit zurückgehen, in die Zeit wo es noch ums pure Überleben ging, war Überleben ein gesicherter Status. Alles, was davon abwich, wenn wir zum Bespiel auf Wanderschaft gehen mussten, um neue Jagdgründe zu erschließen, war das unbekannt. Es war lebensbedrohlich. Da war ja kein Supermarkt, wo man zwischendurch mal anhalten konnte und den Kofferraum vollmacht, sondern da ging es darum, ob man genug Nahrung hat. Das heißt, Veränderung wurde erst mal als etwas Schlechtes angesehen.

Ich glaube, das ist das, was heute auch noch tief in uns drinsteckt. Wenn wir in einem beruflichen Umfeld sind, uns da etabliert haben, begriffen haben, wie es funktioniert und wir da auch gut sind und uns wohlfühlen, und plötzlich kommt irgendwas, was sagt, so wie wir es bisher gemacht haben, können wir es nicht weitermachen. Wenn dann etwas Neues kommt, ist das für uns erstmal etwas Bedrohliches, weil wir bis zu dem Zeitpunkt in unserer Komfortzone sind, in der wir uns Wohlfühlen.

Dieses Modell hat für uns jahrelang funktioniert. Warum sollte man jetzt etwas ändern? Genau das ist dieses große Unbekannte. Dazu gibt es ein bekanntes Sprichwort das sagt, lieber die bekannte Hölle als der unbekannte Himmel. Wir greifen lieber irgendetwas, wo wir wissen, wie es funktioniert, weil es für uns funktioniert, als diesen Schritt ins Unbekannte zu gehen.

Das ist bei der Digitalisierung ein Extremfall, weil sich in so kurzer Zeit wahnsinnig viel verändert und in immer kürzerer Zeit, auch in Zukunft, sich wahnsinnig viel verändern wird. Das habe ich auch extrem an meinem eigenen Beruf als Designer gemerkt. Als es mal losging, haben wir mit Tabellenzeilen ein Layout gebaut. Das sagt jetzt vielleicht nicht jedem was, aber das war wie gutes altes Setzer Handwerk. Als ich früher im Druck bei der Zeitung gearbeitet habe, haben die alten Drucker oft davon gesprochen, dass sie früher die Lettern noch mechanisch gesetzt haben, bevor es dann digitalisiert wurde.

Genauso fühle ich mich heute, wenn ich vor den jungen Designerinnen und Designern vom Tabellenlayout spreche. Die schauen dann, und sagen sowas wie: „Was? Du hast noch Tabellen Layout gemacht? Wie cool.” Ich denke mir dann manchmal so, ob das jetzt so cool war ist die Frage, aber das ist so eine Verklärung der Vergangenheit. Wie oft sich mein Beruf allein in dieser Zeit, in dem ich den begegnet bin, verändert hat. Irgendwann kam CSS dazu, dann kamen die mobilen Endgeräte dazu, dann muss auf einmal alles responsive sein, also auf verschiedenen Bildschirmgrößen sich automatisch anpassen und optimiert werden. Dann kam das Thema Bewegbild, Video und dieses und jenes. Das war ein ständiger Weiterentwicklungsprozess.

Dennoch hatte ich auch manchmal so Gedanken wie „Oh, ich weiß doch eigentlich wie es geht, ich bin doch eigentlich gut in dem, was ich da mache. Ich habe jetzt keine Lust mehr, schon wieder die nächste Software anzuschauen oder die nächsten Tricks mir reinzuziehen. Das geht mir zu schnell und ist mir zu viel.“

Irgendwann habe ich dann für mich einen gesunden Mittelweg gefunden, indem ich mir klargemacht habe, dass es Dinge gibt die wichtig sind und Dinge, die man vielleicht nicht unbedingt wissen muss, um seinen Beruf gut ausüben zu können. Wie zum Beispiel jedem Trend hinterherzurennen. So ist das vielleicht übertragbar auf jeden. Das jeder für sich einen gesunden Mittelweg findet und wenn man gerade Angst hat, sich öffnet und sich das erstmal anschaut und schaut wo es einen hinführt. Möglicherweise brauche ich auch jemanden, der mich dann ein bisschen an der Hand nimmt und ein bisschen führt. Jemand, der mich nicht alleine stehen lässt und ein bisschen zeigt, wo es langgeht.

Die jüngere Generation heutzutage ist sowieso dem Ganzen viel eher aufgeschlossen, da sie die digitalen Apps usw. ja auch aus dem Privatleben kennen und damit aufgewachsen sind. Im Gegensatz zu mir. Ich hatte noch eine analoge Kindheit. Ich hatte noch das Wählscheibentelefon. Das mit dem Kabel. Der ein oder andere wird sich vielleicht noch daran erinnern. Da konnte man dann maximal 5 Meter, an so einem Telefon, laufen und dann war der Kabelweg zu Ende. Die jüngere Generation geht da ja ganz anders um.

Das klingt jetzt wahnsinnig alt, wenn ich das so sage. Von daher gilt es vor allen Dingen die Leute mitzunehmen, die da ein bisschen Berührungsängste und Veränderungsängste haben.

ANDREA SPIEGEL: Das ist auf jeden Fall die große Herausforderung. Wobei ich auch glaube, dass es in jeder Generation auch Menschen gibt, die Spaß daran haben. Jeder kennt das. Die eine Oma hat vielleicht Lust, ein Tablet zu benutzen und ist interessiert daran zu lernen, wie es funktioniert. Die andere sagt, sie braucht sowas nicht mehr in ihrem Leben.

Ich würde das ungern direkt auf Altersgruppen runterbrechen, aber ich weiß, was du meinst. Dieser native Umgang mit digitalen Medien fällt der jüngeren Zielgruppe einfach leichter.

ANDREA SPIEGEL: Du hast jetzt immer wieder schon diesen Aspekt des Jobs mit angesprochen. Eine spannende Frage hier an dich wäre, inwiefern vielleicht auch die Sicht auf unseren Job was damit zu tun hat, wie wir mit der Digitalisierung umgehen?

Sehe ich meinen Job eher als Berufung, also habe ich einfach Spaß daran und bin deswegen auch bereit mich weiter zu entwickeln, weil ich am Puls der Zeit sein möchte und das gefunden habe wo ich eine Passion habe? Oder habe ich, im Vergleich dazu, einen Job der mir einfach mein monatliches Gehalt bringt damit ich das Leben das ich haben möchte, beziehungsweise ein Teil davon, führen kann und bin somit vielleicht auch weniger bereit Veränderungen anzunehmen. Ist das eine These bei der du mit gehst oder sagst du man muss da auch noch andere Aspekte betrachten?

ALEXANDER METZLER: Da sehen wir vielleicht auch ein bisschen zu schwarz-weiß. Vielleicht gibt es auch da Graustufen zwischendurch. Das Wort Beruf kommt von Berufung und wenn ich mich zu etwas berufen fühle, dann habe ich natürlich eine intrinsische Motivation. Dann bin ich ganz anders an meinem Arbeitsplatz und mit meiner Energie unterwegs, als wenn ich nur dafür arbeite, dass der Gehaltszettel am Monatsende stimmt. Ich finde das absolut legitim zu sagen, ich arbeite, damit ich mir meine Freizeit gestalten kann wie ich will und ich bin so ein Nine to five Typ. Warum denn auch nicht? Es gibt ja genug Berufe, die das hergeben.

Ich will das in keiner Weise Vorurteilen. Ich bin so ein Typ, ich muss unbedingt was machen, was mir Spaß macht, sonst fehlt mir die nötige Energie, das zu tun. Wenn man sich also berufen fühlt, dann bringt man wahrscheinlich, wäre jetzt meine These, grundsätzlich eine größere Bereitschaft und mehr Motivation mit, auch Veränderungen mitzugehen, als wenn man es einfach nur so macht um des Tuns willen und um den Gehaltswillen.

Ich glaube, es gibt auch viele Zwischenstufen. Das heißt, mir kann mein Job Spaß machen aber ich kann mich trotzdem aufs Wochenende freuen und kann mich trotzdem für Veränderung motivieren. Ich glaube diese Motivation und wie ich meinen Beruf wahrnehme, spielen auf jeden Fall eine große Rolle. Dennoch glaube ich, dass man auch Leute die einen Nine to Five Job haben, mit Hilfe von Kommunikation, mitnehmen kann. Darüber werden wir bestimmt auch noch sprechen.

ANDREA SPIEGEL: Ich wollte es gerade sagen. Das wird auf jeden Fall auch eine spannende Folge, in der wir uns das Thema Kommunikation in der Digitalisierung anschauen werden. Ich habe mir im Vorfeld mal eine Studie angeschaut, die zeigt, dass Menschen heute immer häufiger den Job wechseln, weil sie nicht mehr bereit sind, sich festzulegen. In der “Alles ist möglich” Gesellschaft, in der wir so ein stückweit leben, kann ich mir ja im Prinzip heute ein Flugticket in die USA buchen und dort mein Glück versuchen. Das ist ja heutzutage gar kein Problem mehr.

Das heißt, ich habe auch irgendwie immer wieder dieses, man nennt es im neudeutschen FOMO, also Fear of missing out. Das heißt ich kann alles machen und alles haben. Gleichzeitig setzt mich das wiederrum auch unter Druck. Das geht auch bestimmt vielen Schulabgängern so, die nach der Schule gar nicht wissen ob sie jetzt eine Ausbildung oder ein Studium machen sollen. Gehe ich erst mal drei Jahre ins Ausland oder was fange ich jetzt mit meinem Leben an?

In dieser Studie wurde dann untersucht, was das ganze Thema Beruf und Digitalisierung auch miteinander zu tun hat. Viele haben den Wunsch, ganz plakativ gesagt, dass die Digitalisierung für ein Leben ohne Drecksarbeit sorgt. Heißt also, dass ich durch die Digitalisierung machen kann, was ich gerne möchte und alles andere übernehmen Roboter oder Maschinen. Die Angst, die auf der anderen Seite entsteht ist eben, dass ich ersetzt werde. Das heißt, ich habe zwar die Möglichkeit alles zu tun aber auf der anderen Seite braucht mich gar keiner mehr, weil das eben auch ein Roboter tun kann. Vor allem bei, zum Beispiel, repetitiven Aufgaben oder auch beim Transport von Waren. Dort ist ja irgendwann wirklich die Frage ob man das mit zum Beispiel Drohnen abbilden kann.

ANDREA SPIEGEL: Die vermeintlichen Strategien, die die Studie auf diese zwei Extremen angewendet hat ist, dass sie entweder mit der Veränderung mitzugehen und ihre komplette Energie da reinstecken oder aber sie ziehen sich zurück und entwickeln diese Bindungsangst, beziehungsweise diese Schwierigkeiten sich auf Dinge festzulegen. Das ist, glaube ich, ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Ist dir das auch schon begegnet, dass die Leute sich ungern, vielleicht auch im Kontext mit Digitalisierung, festlegen wollen?

ALEXANDER METZLER: Ich kann da ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern. Ich war nämlich Experte im “nicht Berufe” finden nach meiner Schulausbildung. Ich habe mit dem Hauptschulabschluss angefangen und dann wusste ich nicht, was ich beruflich machen sollte. Dann habe ich meinen Realschulabschluss nachgemacht. Das hat mir dann noch mal zwei Jahre Zeit zum Überlegen gebracht. Dann waren die zwei Jahre um und ich hatte einen relativ guten Realschulabschluss aber wusste immer noch nicht, was ich beruflich machen sollte.

Dann kam eine Lehrerin zu mir und hat gemeint, ob ich nicht das Abitur nachmachen möchte. Man muss dazu sagen, dass Abitur oder Studieren allgemein für mich als Hauptschüler früher Welten von mir entfernt waren. Ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, mal in solche Sphären zu kommen. Dann habe ich gedacht, dass es mir eigentlich eh egal ist, weil ich noch nicht weiß was ich später mal beruflich machen soll, und habe dann mein Abi nachgemacht. Dann hatte ich drei Jahre mein Abitur und das war im Endeffekt auch ganz gut.

Leider habe ich nach diesen fünf Jahren Realschule und Abitur immer noch dagestanden und immer noch nicht gewusst was ich später machen möchte. Klar hatte ich eine ganze Reihe von Sachen, wo ich wusste, da habe ich nicht so Bock drauf, aber ich wusste nicht, was ich machen sollte. Dann hat man natürlich Eltern, die auch irgendwann mal anklopfen und sagen: “Bub, entscheide dich mal für etwas.”

ANDREA SPIEGEL: Die sagen sowas wie: „Mach mal was Sinnvolles”.

ALEXANDER METZLER: Ja, genau. Mach mal was Gescheites hieß es immer. Mein Papa wollte immer, dass ich Schreiner werde. Eigentlich gar kein schlechter Beruf. Es ist kreativ. Man macht was mit echten Materialien und mittlerweile macht man da natürlich auch viel digital.

ANDREA SPIEGEL: Ja, ich glaube dieser Beruf ist gerade wieder voll im Trend.

ALEXANDER METZLER: Ja, total. Wenn ich das gemacht hätte, hätte ich jetzt wahrscheinlich eine schöne Schreinerei irgendwo auf dem Dorf aber würde wahrscheinlich jetzt nicht hier sitzen.

Dann habe ich tatsächlich studiert, da ich, ganz klassisch, zu einer Berufsberatung gegangen bin und habe da dann mit drei verschiedenen Probevorlesungen angefangen. Das erste war Medientechnik, das zweite Mediendesign und das dritte Medienwirtschaft.

ANDREA SPIEGEL: Also Medien waren schon mal im Trend.

ALEXANDER METZLER: Ja, das mit den Medien hat sich so nach der Berufsberatung herausgestellt. Da war ich der Dame auch sehr dankbar. Dann war ich in diesen zwei Probevorlesungen und die waren katastrophal schlimm. Medienwirtschaft war okay, das war 50 % BWL und das hatte ich schon im Abi, als ich an der Wirtschaftsschule war, und 50 % Gestaltung und Design. Das war das worauf ich eigentlich scharf war und dann stellte sich raus, dass dieser Studiengang einen NC von 1.0 hatte, weil der einfach wahnsinnig überlaufen war. Das heißt, meine Träume sind geplatzt. Ich hatte da eine Warteliste von acht Jahren oder so was gehabt, das heißt, es war einfach nicht machbar.

Bei Medientechnik weiß ich noch genau, da haben acht Jungs in diesem Saal gesessen und kein Mädel war da. Das war schon seltsam, da der Saal bei der Medienwirtschaftsvorlesung so proppenvoll war und in Medientechnik nur acht Jungs, also ich und sieben andere da waren. Der Prof kam dann rein, hat so ein Regiestuhl an die Tafel gemalt, und ihn dick durchgestrichen. Dann hat er gesagt, dass wir das hier nicht machen. Das war also reine Physik und Mathematik und da war ich komplett raus und hatte schon fast kein Bock mehr auf diesen dritten Vorlesungssaal, weil ich schon so frustriert war.

Ich bin dann aber trotzdem hingegangen und da ist mein Herz dann aufgegangen. Da ging es um Typografie, Flächenaufteilung, Animation und Gestaltung. Da war ich Feuer und Flamme. Ich wollte das unbedingt studieren. Long Story short. Ich habe diesen Studienplatz dann irgendwann bekommen und habe das studiert und ein gutes Diplom gemacht und wusste dann, dass das mein beruflicher Weg ist.

Diese Geschichte sagt, dass es okay ist, wenn man noch nicht weiß, was man machen will. Gerade wenn man jung und noch am rumtesten ist. Diese Vorstellung von, du bist irgendwie 15 und weißt genau wie dein Leben aussieht. Da gibt es viele die so etwas behaupten und sowas sagen wie, “hast du ein drei Jahresziel oder ein zehn Jahresziel? Du musst dich darauf fokussieren.” Ich weiß nicht so genau was ich dazu sagen soll. Denn das macht echt viel Druck, wenn man so fixiert ist, weil man das dann erreichen muss, und dann ist man vielleicht enttäuscht, wenn man das nicht erreicht.

Ich plädiere eher ein bisschen, sich dem Fluss des Lebens hinzugeben und so ein tiefes Vertrauen ins Leben zu haben, und dass das Leben schon weiß wo es einen hinführt. Das heißt nicht, dass wir die Hände in den Schoss legen und uns nicht bewerben sollen und sagen: „Hier bin ich“. Man muss natürlich aktiv werden. Aber so ein Grundvertrauen zu haben, dass sich die Dinge schon entwickeln werden, wie sie sollen, hilft, glaube ich, sehr weiter bei diesem Weg und bei dieser Unendlichkeit an Möglichkeiten.

Es ist auf der einen Seite toll, da wir die wahnsinnigen Möglichkeiten auf dieser Welt haben, es aber auf der anderen Seite jedoch diesen Druck gibt. Treffe ich jetzt die richtige Entscheidung? Im Gegensatz zu der Generation meines Vaters, die meistens nur für eine Firma gearbeitet haben, zu der man einmal hingeht und dann für quasi 50 Jahre war. Da hat man sich dann so klassisch seine Karriere aufgebaut und ist an der Leiter immer ein bisschen höher gestiegen. Heute ist es so, dass du dich wirklich nicht mehr binden musst. Du kannst dich natürlich binden, wenn es dir Spaß macht und es dir da gut geht, dann bleibe doch da. Wenn es zwei Jahre lang dauert, ist es gut. Wenn das fünf oder zehn Jahre lang dauert ist das auch gut. Wenn du dich aber nicht wohlfühlst, dann ist das vielleicht nicht das Richtige für dich. Dann schau mal, ob du irgendwann nicht irgendwas verändern, verlassen oder es doch lieben willst.

ANDREA SPIEGEL: Sorgt nicht gerade diese Veränderung, die du vorhin beschrieben hast bei der Digitalisierung für dieses Gefühl von „Mir geht es gut“ oder „Mir gefällt es hier“?

Also wie du sagst, vor zehn Jahren gab es noch gar kein richtiges Smartphone und heute gibt es jedes Jahr ein Neues und man weiß gar nicht, welches man sich jetzt eigentlich kaufen soll und vielleicht kommt nächstes Jahr schon das bessere raus. Ich habe eigentlich alles was ich brauche.

Gleichzeitig gibt es immer dieses Gefühl von, ich könnte ja auch woanders hin, weil es dort vielleicht besser ist als hier. Das ist ja schon so ein Gedanke, der viele beschäftigt. Ist die Digitalisierung da auch ein Treiber dafür oder ist es etwas, was pauschal menschlich ist?

ALEXANDER METZLER: Ich glaube, die Digitalisierung ist insofern ein Antreiber dafür, dass wir durch die digitalen Medien und vor allem auch den sozialen Medien immer perfekte Situation, perfekte Arbeitsplätze, perfekte Erfolgsmenschen an anderen Stellen suggeriert bekommen. Wir haben heute einen Vergleich, den wir in der gesamten Menschheitsgeschichte noch nie hatten.

Früher hat man sich mit den Jungs und Mädels aus dem Dorf verglichen. Darüber hinaus gab es dann irgendwann die Zeitung und das Fernsehen. Dann hat man angefangen, sich mit Figuren im Fernsehen zu vergleichen. Wie erfolgreich sind die? Was haben die für Klamotten an? Was haben die für Möbel? Was fahren die für Autos? Was habe ich? Dann war es plötzlich nicht mehr das Gras des Nachbarn, sondern das Gras des Seriendarstellers.

Heute ist es eben Instagram, Facebook oder TikTok, oder was es auch immer sein mag, wo ich weltweit Leute sehe, die zum Beispiel in Dubai mit dem Boot fahren und ich sitze hier bei L-mobile im Studio.

ANDREA SPIEGEL: Wo es übrigens auch schön ist.

ALEXANDER METZLER: Ich will sagen, wenn ich mich da wohlfühle, wo ich bin, warum sollte ich dann irgendwo anders hin? Das heißt nicht, dass ich das nicht auch ausprobieren kann. Das heißt aber auch, dass ich dieses Gefühl der Wertschätzung kultivieren darf, was ich habe, und das auch wirklich wahrnehme und nicht immer überschattet wird von den so tollen Dingen, die überall woanders passieren.

Auf der einen Seite finde ich es gut, dass wir Wahlmöglichkeiten haben und dass wir beweglich sein können. Auf der anderen Seite denke ich mir auch immer, es ist schlau dahin zu gucken, wo man gerade ist und auch die Dinge wertzuschätzen, die man hat. Habe ich nette Kolleginnen? Habe ich nette Kollegen? Ist ein gutes Arbeitsklima da? Fühle ich mich da wohl? Stimmt der Gehaltszettel am Ende des Monats?

ANDREA SPIEGEL: Auch die Potenziale zu sehen, die man dort vielleicht hat.

ALEXANDER METZLER: Genau. Die Förderung. Werde ich da mitgenommen? Werde ich einbezogen? Werde ich wertgeschätzt? Bekomme ich Wertschätzung für das, was ich auch als Mensch leiste? Vielleicht werde ich auch mal für andere Aufgaben vorgeschlagen. Das ist ja eine Form von Wertschätzung.

Wenn man mich in einem Arbeitsverhältnis fragt was ich denn so privat mache, dann findet man vielleicht Dinge raus, die man vorher gar nicht gewusst hat und kann denjenigen oder diejenige vielleicht auch mal an einer anderen Stelle einsetzen. Einfach, weil man mal das Gespräch gesucht hat, und so über diesen beruflichen Tellerrand hinausgeguckt hat. Das finde ich sehr wichtig und sehr schön. Es gibt einfach ein gutes Gefühl.

Mein Tipp an der Stelle wäre, einfach mal zu schauen, wie es mir hier geht und was ich hier eigentlich alles habe. Das dann eben auch zu sehen, wertzuschätzen und sich nicht überstrahlen zu lassen von all dem anderen Glamour, der überall da draußen ist.

ANDREA SPIEGEL: Gehen wir mal zurück in diese Arbeitssituation. Du hast gerade gesagt, man soll sich da wohlfühlen, wo man gerade ist. Angenommen, ich bin ein Unternehmer und habe entschieden, aus finanziellen Gründen, Wettbewerbsgründen oder was auch immer, dass ich Teile meines Unternehmens oder vielleicht mein ganzes Unternehmen digitalisieren möchte. Dass ich meine Produktion umstellen will oder mein Service in Zukunft digital ablaufen soll.

Wie wichtig ist es, dass ich die Leute da mit einbinde? Was kann ich als Unternehmer tun, um diese Veränderung richtig rüberzubringen und die Leute richtig abzuholen?

ALEXANDER METZLER: Das A und O ist wirklich offene Kommunikation. Informationsfluss in beide Richtungen. Die Sorgen und Nöten von den Mitarbeitern mitzunehmen und selbst immer offensiv kommunizieren.

Ansonsten hat man immer den Fall, das sehe ich öfters in großen Unternehmen, wenn der sogenannte Flurfunk entsteht, also so halbgare Informationen, die untereinander ausgetauscht werden. Sowas wie „Hast du schon gehört? Da ist Arbeitsplatzabbau und uns trifft es vielleicht auch“. Vielleicht ist da ein Fünkchen Wahrheit dran, aber vielleicht wird es auch wahnsinnig aufgebauscht durch die Angst und die Sorgen die man hat und dadurch, dass man auch was zu erzählen hat. Flurfunk kann wirklich toxisch werden. Das geht vielleicht dann in eine ganz andere Richtung.

Dann denke ich mir immer, hättet ihr mal ein bisschen früher offen und ehrlich kommuniziert und hättet das genauso, mit all seinen Herausforderungen gesagt, dann würden sich die Leute auch viel mehr mitgenommen fühlen.

Ich habe dann auch schon öfter gesehen oder gehört, dass dann größere Beratungsfirmen eingekauft werden. Das muss nicht schlecht sein, da ein professioneller Blick von außen auf jeden Fall eine gute Sache ist. Aber man sollte, aus meiner Perspektive heraus, immer auch die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitbefragen. Ich habe schon so oft den Satz gehört “Naja, hätten Sie mich mal gefragt. Das hätte ich Ihnen auch sagen können.“ Das ist jetzt stark vereinfacht aus der Sicht dargestellt aber ich kann mir schon vorstellen, dass es mich als Arbeitnehmer extrem nerven würde, wenn jemand von außen kommt, mich eine Zeit lang beobachtet, dann irgendwelche Tipps abgibt und ohne mich irgendwie mit einbezogen zu haben, dann mein Arbeitsumfeld verändert.

Da fühle ich mich einfach nicht mitgenommen. Ich fühle mich nicht involviert. Ich fühle mich nicht eingebettet und ich fühle mich nicht wertgeschätzt. Ich muss dann die Kröte schlucken und dann passiert das, was eigentlich kein Arbeitgeber will. Vielleicht blockiert der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin und kommt in so eine “Scheißegal Einstellung”. Das heißt man macht zwar seinen Job, aber man macht ihn nicht mit Freude. Man macht ihn nicht mit Motivation.

ANDREA SPIEGEL:  Dadurch entgehen vielleicht auch Potenziale.

ALEXANDER METZLER: Und es entgehen vielleicht auch Potenziale, genau.

ANDREA SPIEGEL: In dem Zusammenhang würde mich noch interessieren, wie viel Verständnis oder Verhaltenskompetenz ich meinen Mitarbeitern denn zugestehen kann? Es bringt mir ja auch nichts, wenn ich sie involviere, und dann gibt es einen Störenfried, der alles immer nur schlecht redet.

Wie viel Kompetenz kann, darf und muss ich meinen Mitarbeitern zugestehen, und wo muss ich vielleicht auch als Unternehmer zum Beispiel einfach handeln? Kannst du da noch eine Empfehlung oder einen Eindruck geben, den du vielleicht auch mal selber irgendwo erlebt hast?

ALEXANDER METZLER: Ja, ich kann das nur aus meiner Sicht sagen, denn für das Thema bin ich kein Experte. Ich erlebe das ja immer selbst, wie es ist in verschiedenen Konstellationen, wenn man mit Teams zusammenarbeitet, es den einen gibt, der immer alles runterzieht. Das hat auch was mit Energie zu tun.

Es gibt Situationen, da ist man in einem Konferenzraum und die Stimmung ist gut und dann geht die Tür auf und die Person X kommt rein und diese Person ist in der Lage, durch die pure Anwesenheit das Energielevel in diesem Raum komplett abzusenken. Das ist ein Phänomen, das ich sehe und immer wieder mitbekomme. Das ist faszinierend, wie so etwas passiert. Was soll ich da jetzt empfehlen?

Wenn man so eine Person hat, also ich versetze mich jetzt mal in die Rolle des Arbeitgebers oder des Teamleader, dann muss man mit so einer Person offen und ehrlich sprechen und der oder diejenige muss das dann erkennen, nachvollziehen und verstehen können woran das wohl liegt. Wenn sich dann über eine Dauer X auch keine Verbesserung einstellt, kann ich auch davon ausgehen, dass der oder diejenige selbst unglücklich ist, in der Position wo er oder sie gerade ist. Ich tue ja auch jemandem nichts Gutes, wenn er oder sie an der Stelle immer unglücklich ist, und vielleicht ist es dann auch wirklich der Zeitpunkt, wo man sich dann im Guten oder weniger Guten trennen muss.

Das ist natürlich immer eine unangenehme Situation für beide Seiten, aber ich kann eine Person auf Dauer nicht mitschleppen, die mir dann das ganze Team runterzieht. Ich weiß nicht, ob das jetzt zu hart klingt aber so würde ich es aus meiner Perspektive sagen.

Trotzdem immer die Chance geben, zu erkennen, sich zu verändern und dem auch genug Zeit einzuräumen. Nicht so etwas sagen wie, „Ja noch einmal und du bist raus“. Das wollen wir alles nicht. Wenn das dann alles nichts nutzt, ist am Ende vielleicht auch dem oder derjenigen geholfen, wenn man sie frei lässt, damit er oder sie sich etwas Anderes sucht, was vielleicht einfach besser zu ihm passt.

Es gibt eine ganz interessante Konstellation. Jemand geht in einen Beruf rein und verdient plötzlich gutes Geld. Das Geld ist plötzlich da, also wird es ausgegeben. Man begibt sich in eine finanzielle Abhängigkeit. Man hat sich jetzt in eine finanzielle Abhängigkeit begeben und ist quasi auf diesen Job angewiesen, obwohl er vielleicht gar nicht so wahnsinnig erfüllend ist oder er vielleicht gar nicht meinem Grundinteresse entspricht. Dennoch bin ich jetzt finanziell abhängig, also bin ich in einer sehr unschönen Situation. Ich habe nach zwei, drei Jahren vielleicht gar keinen Bock mehr auf den Job, aber ich brauch die Kohle. Also mache ich diesen Job immer und immer weiter. Das ist doch kein schönes Verhältnis.

Man hat aber als Arbeitnehmer Angst aus diesem Verhältnis rauszugehen, weil man von der Kohle abhängig ist und man hat, während man in diesem Anstellungsverhältnis ist, vielleicht auch nicht die Energie und die Zeit oder man sagt, das sei alles nicht so schlimm. Man redet sich das dann selbst schön und hält diesen Status aufrecht. Das ist weder befriedigend für den Arbeitgeber, noch für den Arbeitnehmer. In so einer Situation ist vielleicht so ein offenes Gespräch eine gute Sache, und am Ende die Trennung vielleicht auch das Richtige, da der oder diejenige dann durch Druck von außen quasi eigentlich die Chance bekommt, sich was zu suchen, was besser zu der Persönlichkeit passt.

ANDREA SPIEGEL: Du hast gerade und vorhin auch schon den Aspekt Zeit angesprochen. Wir haben schon gesagt, Veränderung macht oft Angst oder löst vielleicht auch manchmal eine Abwehrhaltung aus. Wie gesagt, keine pauschale Aussage, es gibt immer auch Leute, die sagen, Veränderung ist mein Ding.

Wie viel Zeit muss ich meinen Mitarbeitern geben, um sich auf so eine Veränderung einzustellen? Quasi von der ersten Kommunikation, dass wir was verändern und digitalisieren wollen, bis hin zu der Umsetzung. Wie viel Zeit muss ich einräumen, um sich zu überlegen ob man partizipieren möchte oder eher am Ende das Ergebnis sehen möchte. Was ist da deine Empfehlung?

ALEXANDER METZLER: Aus dem Bauch heraus, würde ich sagen, den kompletten Prozess zu begleiten. Das heißt von Anfang an bis zum Ende. Das heißt auch, Einbindung und Meinungen einzuholen, denn niemand kennt seinen Arbeitsplatz besser als der oder diejenige, die an dem Arbeitsplatz sitzt. Das ist nun mal die Informationsquelle Nummer eins. Heißt, aus meiner Sicht, wirklich Prozessbegleitend.

Man sollte sich auch immer wieder Status quo Meldungen einholen, wie zum Beispiel, wo stehen wir jetzt? Wo stehen wir in einem Jahr? Wie ist da unsere Vorgehensweise? Was haben wir vor mit euch und was kommt auf euch zu? Ich sehe da eigentlich keinen Punkt, wo ich sagen würde, da ist jetzt genug Kommunikation oder gar schon zu viel Kommunikation. Ich kann mir fast nicht vorstellen, dass man zu viel kommuniziert oder man genervt ist, dass der Arbeitgeber einen, zum Beispiel, schon wieder informiert.

ANDREA SPIEGEL: Das kommt vielleicht auch auf den Typen des Menschen an. Es gibt ja immer Menschen, die voll dabei sind und loslegen wollen und es gibt halt welche, die sagen, ich brauche noch mehr Informationen, ich muss erst mal mehr Hintergründe darüber erfahren und muss erst mal verstehen, was ihr damit bewirken wollt. Ich glaube das ist die Herausforderung für den Arbeitgeber. Genau diese verschiedenen Persönlichkeiten und Informationslevel zu bedienen und abzuholen.

ALEXANDER METZLER: Total. Da gehört auch viel Fingerspitzengefühl dazu. Da gehört vielleicht auch ein Stück weit Empathie und vielleicht auch die Fähigkeit dazu, mich in die Situation hineinzuversetzen. Der eine kommt damit super klar, der andere ist vielleicht ein bisschen ängstlicher und der dritte hat vielleicht gar keine Lust darauf, wie du schon gesagt hast.

Wie bekomme ich diese verschiedenen Spannungsfelder abgeholt? Das ist ja auch psychologisch gesehen echt eine Herkulesaufgabe für einen Arbeitgeber und da geht es vielleicht dann auch um Teamführung und darum, die richtigen Leute an den richtigen Positionen zu haben. Wenn ich dann Leute habe, die überhaupt nicht kommunizieren können oder überhaupt keine Empathie in der Führungsrolle haben, wird es natürlich schwierig, diese verschiedenen Schattierungen abzuholen. Da muss man vielleicht auch gucken, wem wird welche Rolle dann auch langfristig gerecht.

ANDREA SPIEGEL: Natürlich auch, welche Kompetenzen so ein Digitalisierungsprozess erfordert. Das finde ich jetzt in dem Fall eine ganz schöne Anmerkung, dass man einfach sagt, ich muss mir auch überlegen, welche Kompetenzen brauche ich dann davor, während und nach dem Prozess bei meinem Führungsteam, in der Mannschaft, bei mir selber oder vielleicht auch als Unternehmer.

Je nachdem, ob es ein großes Unternehmen ist, bin ich da dann näher oder eben nicht so nah an den ausführenden Kräften dran, als wenn ich jetzt ein Mittelständler bin und morgens, zum Beispiel, selber durch die Produktion oder das Lager gehe. Das ist auf jeden Fall ein spannender Aspekt.

ALEXANDER METZLER: Vielleicht noch ein Gedanke dazu, denn das klingt ja vielleicht auch ein bisschen nach der guten alten eierlegenden Wollmilchsau. Ich habe einen Teamleiter, der komplett die digitalen Strukturen kennt, der Visionen für die Zukunft hat und gleichzeitig noch empathisch ist und alles im Griff hat.

Das ist natürlich auch so ein bisschen Utopie, aber vielleicht kann man da ja auch die Teamleitung kombinieren, indem die Personen stärkere Kompetenzen in einem bestimmten Bereich haben und man diese Kräfte dann bündelt. Es muss ja nicht immer dieses alte Bild sein von einer Person und dann fünf Personen darunter. Vielleicht kann man das in dem Moment auch so ein bisschen aufweichen.

ANDREA SPIEGEL: Zum Abschluss vielleicht noch von deiner Seite so ein kleiner Appell an alle da draußen, vielleicht gerade an die in der Arbeitswelt, bei denen eine große Veränderung durch Digitalisierung zukommt.

Was würdest du den Kolleginnen und Kollegen da draußen, an einem Gedanken, Impuls oder vielleicht als kleine Hausaufgabe, gerne mitgeben? Wie kann ich mich auf so eine Veränderung einstellen und mich darauf einlassen?

ALEXANDER METZLER: Ich habe ja schon diesen Aspekt des tiefen Vertrauens in das Leben genannt. Das ist nichts Blumiges, was ich in irgendeinem Buch gelesen habe. Das ist meine eigene Erfahrung mit meinem beruflichen Werdegang. Je verbissener und angstvoller, desto weniger Energie haben wir, um mit Veränderung umzugehen.

Das heißt, wenn ich von diesem Vertrauen ins Leben spreche, meine ich, diesen Fluss, der von selbst fließt. So ist es mit der gesamten Menschheit, mit der Digitalisierung und mit der Veränderung, die wir gerade global erleben. Alles ist in Bewegung. Das Leben ist immer Veränderung. Wenn sich das Leben nicht mehr verändert, dann ist man tot. Da verändert sich dann wirklich nichts mehr.

Wir müssen ein Stück weit davon weggehen, dass wir sagen, es muss immer alles so bleiben, wie es ist. Das ist wie ein Sprung ins kalte Wasser. Man muss den Mut sozusagen kultivieren. Das geht bei dem einen oder der anderen vielleicht auch nicht von heute auf morgen, sondern ist etwas, wo man immer wieder selbst dran arbeiten kann. Dieses tiefe Vertrauen, dass man sagt, ich weiß nicht, was da auf mich zukommt, aber es wird schon für irgendwas gut sein. Wer weiß für was es gut war.

Das ist übrigens ein Satz den mein Vater zu mir immer gesagt hat und mein Vater ist jetzt nicht gerade der Weltphilosoph. Das war aber ein Satz, an den denke ich heute gerne noch zurück. Da ist schon viel dran. Man weiß nie, für was es gut ist. Da sind wir wieder bei der Situation, wenn jemand entlassen wird. Vielleicht findet er dann etwas viel Besseres. Wer weiß, für was es gut ist. Es ist erst mal Ablehnung, Angst und „Nein ich möchte das nicht“, und dann entwickelt sich daraus etwas viel Besseres oder vielleicht auch nicht. Dann lernen wir aus der Situation auch wieder. Es ist immer etwas da, um daraus zu lernen. Deswegen wäre mein Plädoyer auf der einen Seite Vertrauen und auf der anderen Seite ein Stück weit Neugierde.

Wenn man im Großen und Ganzen denkt, ich denke da jetzt an Nachhaltigkeit, ist das auch eine große Veränderung in der gesamten Branche quer durch. Vor einigen Jahren hat da noch kein Hahn danach gekräht. Ich war schon immer super umweltbewusst und sehr tiefgrün in meinem Gehirn, heißt nicht politisch, sondern tiefgrün, weil ich auch Bäume und so weiter toll finde.

Denken wir aber mal an die großen Stollen, wo die Braunkohle oder die Steinkohle gefördert wird. Natürlich fallen da Arbeitsplätze weg und es wird Wirtschaftskraft geschmälert. Auf der anderen Seite entsteht ja auch eine neue Industrie mit neuen Arbeitsplätzen, neuen Ideen und Think Tanks. Leute überlegen, neue Technologien zu entwickeln und wie wir unsere Energie besser nutzen können. Das ist ja auch eine Balance. Das eine ist am Alten festhalten und Angst vor Veränderung haben, und das Neue ist, dass sich vieles Neues entwickelt.

Wenn ich da im Kopf einfach ein bisschen freier bleibe und mich nicht so daran klammer, und da sind wir wieder bei diesem Fluss, dann finde ich vielleicht in der neuen Branche auch irgendwas, was mir total Spaß macht und wo ich meine alten Kompetenzen vielleicht auch einbringen kann.

ANDREA SPIEGEL: Oder ich lerne neue Kompetenzen.

ALEXANDER METZLER: Genau. Vielleicht lernt man auch neue Kompetenzen. Wenn das jemand hört der Jahrzehnte lang bei, zum Beispiel, einem Kraftwerk gearbeitet hat, würde sich jetzt denken, was ein Klugscheißer. Das verstehe ich auch.

Man kann das natürlich auch nicht immer total verallgemeinern, aber diese Fähigkeit, frei und vertrauensvoll im Kopf zu bleiben, kann man sich auch bewahren. Ich merke, wenn ich an so jemanden denke, denke ich immer, ich bin gerade auf dünnem Eis. Es passiert aber trotzdem immer eine Veränderung und das bringt auch immer Chancen mit sich. Wenn man es dann schafft, diese Chancen zu ergreifen, geht es auch immer weiter.

ANDREA SPIEGEL: Man sollte einfach offen für neue Möglichkeiten bleiben, die durch die Veränderung entstehen können.

Dann würde ich sagen, an der Stelle machen wir einen Punkt, auch wenn wir mit Sicherheit noch nicht alle Eventualitäten und alle möglichen Cases betrachten konnten. Vielen Dank für die erste Folge zum Thema “Wie kann ich mich und meine Mitarbeiter mit Digitalisierung harmonisieren und wie können wir dann einen Weg finden, um mit dem Thema umzugehen?“ Wir haben natürlich noch eine spannende zweite Folge vorbereitet. Es gibt, wie gesagt, noch ein paar Folgen, auf die ihr euch noch freuen könnt.

In der zweiten Folge schauen wir uns nochmal ein bisschen genauer an wie Biohacks im digitalen Zeitalter helfen können, um diesen persönlichen Umgang mit Digitalisierung entspannter zu machen und vielleicht dann auch diese Offenheit und diesen Fluss des Lebens akzeptieren zu können und damit auch in so eine Situation, wenn sich zum Beispiel etwas im Unternehmen verändert, reingehen zu können. An der Stelle, vielen Dank, dass du da warst. Wir sehen uns dann im neuen Jahr wieder.

ALEXANDER METZLER: Sehr gerne, da freue ich mich schon drauf.

ANDREA SPIEGEL: An euch da draußen, wenn es euch gefallen hat, lasst uns ein Daumen nach oben da. Wenn die Folge mehr Fragen als Antworten aufgeworfen hat, schreibt uns die gerne in die Kommentare. Wir beantworten das oder leiten es auch gerne an den Alexander weiter und kommen da gerne mit euch in den Austausch.

Wenn ihr ansonsten noch Ideen für neue Folgen habt, dann schreibt uns das auch gerne an unsere E-Mail-Adresse oder lasst uns einfach einen Daumen nach oben und eine Bewertung bei Spotify und Co da. Macht es gut. Bis zum nächsten Mal!

ALEXANDER METZLER: Bis zum nächsten Mal.

Welche Idee steckt hinter der Multikommissionierung in der Lagerlogistik?

„Die Idee bei der Multikommissionierung ist auch da, eben solche Leerfahrten, Leerwege, egal ob jemand läuft oder eben fährt, zu vermeiden.“

Noch Fragen zu dieser Folge oder Themenvorschläge für weitere Folgen?

Weitere Folgen unseres Podcast Industrie 4.0 – der Expertentalk für den Mittelstand

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