ANDREA SPIEGEL: Gehen wir mal zurück in diese Arbeitssituation. Du hast gerade gesagt, man soll sich da wohlfühlen, wo man gerade ist. Angenommen, ich bin ein Unternehmer und habe entschieden, aus finanziellen Gründen, Wettbewerbsgründen oder was auch immer, dass ich Teile meines Unternehmens oder vielleicht mein ganzes Unternehmen digitalisieren möchte. Dass ich meine Produktion umstellen will oder mein Service in Zukunft digital ablaufen soll.
Wie wichtig ist es, dass ich die Leute da mit einbinde? Was kann ich als Unternehmer tun, um diese Veränderung richtig rüberzubringen und die Leute richtig abzuholen?
ALEXANDER METZLER: Das A und O ist wirklich offene Kommunikation. Informationsfluss in beide Richtungen. Die Sorgen und Nöten von den Mitarbeitern mitzunehmen und selbst immer offensiv kommunizieren.
Ansonsten hat man immer den Fall, das sehe ich öfters in großen Unternehmen, wenn der sogenannte Flurfunk entsteht, also so halbgare Informationen, die untereinander ausgetauscht werden. Sowas wie „Hast du schon gehört? Da ist Arbeitsplatzabbau und uns trifft es vielleicht auch“. Vielleicht ist da ein Fünkchen Wahrheit dran, aber vielleicht wird es auch wahnsinnig aufgebauscht durch die Angst und die Sorgen die man hat und dadurch, dass man auch was zu erzählen hat. Flurfunk kann wirklich toxisch werden. Das geht vielleicht dann in eine ganz andere Richtung.
Dann denke ich mir immer, hättet ihr mal ein bisschen früher offen und ehrlich kommuniziert und hättet das genauso, mit all seinen Herausforderungen gesagt, dann würden sich die Leute auch viel mehr mitgenommen fühlen.
Ich habe dann auch schon öfter gesehen oder gehört, dass dann größere Beratungsfirmen eingekauft werden. Das muss nicht schlecht sein, da ein professioneller Blick von außen auf jeden Fall eine gute Sache ist. Aber man sollte, aus meiner Perspektive heraus, immer auch die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitbefragen. Ich habe schon so oft den Satz gehört “Naja, hätten Sie mich mal gefragt. Das hätte ich Ihnen auch sagen können.“ Das ist jetzt stark vereinfacht aus der Sicht dargestellt aber ich kann mir schon vorstellen, dass es mich als Arbeitnehmer extrem nerven würde, wenn jemand von außen kommt, mich eine Zeit lang beobachtet, dann irgendwelche Tipps abgibt und ohne mich irgendwie mit einbezogen zu haben, dann mein Arbeitsumfeld verändert.
Da fühle ich mich einfach nicht mitgenommen. Ich fühle mich nicht involviert. Ich fühle mich nicht eingebettet und ich fühle mich nicht wertgeschätzt. Ich muss dann die Kröte schlucken und dann passiert das, was eigentlich kein Arbeitgeber will. Vielleicht blockiert der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin und kommt in so eine “Scheißegal Einstellung”. Das heißt man macht zwar seinen Job, aber man macht ihn nicht mit Freude. Man macht ihn nicht mit Motivation.
ANDREA SPIEGEL: Dadurch entgehen vielleicht auch Potenziale.
ALEXANDER METZLER: Und es entgehen vielleicht auch Potenziale, genau.
ANDREA SPIEGEL: In dem Zusammenhang würde mich noch interessieren, wie viel Verständnis oder Verhaltenskompetenz ich meinen Mitarbeitern denn zugestehen kann? Es bringt mir ja auch nichts, wenn ich sie involviere, und dann gibt es einen Störenfried, der alles immer nur schlecht redet.
Wie viel Kompetenz kann, darf und muss ich meinen Mitarbeitern zugestehen, und wo muss ich vielleicht auch als Unternehmer zum Beispiel einfach handeln? Kannst du da noch eine Empfehlung oder einen Eindruck geben, den du vielleicht auch mal selber irgendwo erlebt hast?
ALEXANDER METZLER: Ja, ich kann das nur aus meiner Sicht sagen, denn für das Thema bin ich kein Experte. Ich erlebe das ja immer selbst, wie es ist in verschiedenen Konstellationen, wenn man mit Teams zusammenarbeitet, es den einen gibt, der immer alles runterzieht. Das hat auch was mit Energie zu tun.
Es gibt Situationen, da ist man in einem Konferenzraum und die Stimmung ist gut und dann geht die Tür auf und die Person X kommt rein und diese Person ist in der Lage, durch die pure Anwesenheit das Energielevel in diesem Raum komplett abzusenken. Das ist ein Phänomen, das ich sehe und immer wieder mitbekomme. Das ist faszinierend, wie so etwas passiert. Was soll ich da jetzt empfehlen?
Wenn man so eine Person hat, also ich versetze mich jetzt mal in die Rolle des Arbeitgebers oder des Teamleader, dann muss man mit so einer Person offen und ehrlich sprechen und der oder diejenige muss das dann erkennen, nachvollziehen und verstehen können woran das wohl liegt. Wenn sich dann über eine Dauer X auch keine Verbesserung einstellt, kann ich auch davon ausgehen, dass der oder diejenige selbst unglücklich ist, in der Position wo er oder sie gerade ist. Ich tue ja auch jemandem nichts Gutes, wenn er oder sie an der Stelle immer unglücklich ist, und vielleicht ist es dann auch wirklich der Zeitpunkt, wo man sich dann im Guten oder weniger Guten trennen muss.
Das ist natürlich immer eine unangenehme Situation für beide Seiten, aber ich kann eine Person auf Dauer nicht mitschleppen, die mir dann das ganze Team runterzieht. Ich weiß nicht, ob das jetzt zu hart klingt aber so würde ich es aus meiner Perspektive sagen.
Trotzdem immer die Chance geben, zu erkennen, sich zu verändern und dem auch genug Zeit einzuräumen. Nicht so etwas sagen wie, „Ja noch einmal und du bist raus“. Das wollen wir alles nicht. Wenn das dann alles nichts nutzt, ist am Ende vielleicht auch dem oder derjenigen geholfen, wenn man sie frei lässt, damit er oder sie sich etwas Anderes sucht, was vielleicht einfach besser zu ihm passt.
Es gibt eine ganz interessante Konstellation. Jemand geht in einen Beruf rein und verdient plötzlich gutes Geld. Das Geld ist plötzlich da, also wird es ausgegeben. Man begibt sich in eine finanzielle Abhängigkeit. Man hat sich jetzt in eine finanzielle Abhängigkeit begeben und ist quasi auf diesen Job angewiesen, obwohl er vielleicht gar nicht so wahnsinnig erfüllend ist oder er vielleicht gar nicht meinem Grundinteresse entspricht. Dennoch bin ich jetzt finanziell abhängig, also bin ich in einer sehr unschönen Situation. Ich habe nach zwei, drei Jahren vielleicht gar keinen Bock mehr auf den Job, aber ich brauch die Kohle. Also mache ich diesen Job immer und immer weiter. Das ist doch kein schönes Verhältnis.
Man hat aber als Arbeitnehmer Angst aus diesem Verhältnis rauszugehen, weil man von der Kohle abhängig ist und man hat, während man in diesem Anstellungsverhältnis ist, vielleicht auch nicht die Energie und die Zeit oder man sagt, das sei alles nicht so schlimm. Man redet sich das dann selbst schön und hält diesen Status aufrecht. Das ist weder befriedigend für den Arbeitgeber, noch für den Arbeitnehmer. In so einer Situation ist vielleicht so ein offenes Gespräch eine gute Sache, und am Ende die Trennung vielleicht auch das Richtige, da der oder diejenige dann durch Druck von außen quasi eigentlich die Chance bekommt, sich was zu suchen, was besser zu der Persönlichkeit passt.