#84 Immersive Technologien mit Prof. Dr.-Ing. Voigt-Antons

Podcast Industrie 4.0 | Der Expertentalk für den Mittelstand

Du möchtest mehr über Augmented Reality im Field Service erfahren? Dann schau gleich hier vorbei.

War dieser eine Sommer, in dem jeder Pokémon Go gespielt hat, nicht fabelhaft? Näher am Weltfrieden waren wir nie. Warum wir so in einen Beitrag einsteigen? Weil die Technologie dahinter unser heutiges Thema ist!

Zumindest ein Aspekt. Denn in der zweiten Episode unserer Reihe Industrie meets Wirtschaft sprechen wir mit Dr.-Ing. Jan-Niklas Voigt-Antons, Professor für Angewandte Informatik mit dem Schwerpunkt immersive Medien an der Hochschule Hamm-Lippstadt, über den gewinnbringenden Einsatz von XR, AR oder VR für den Mittelstand.

Bieten diese Technologien die Antwort auf den Fachkräftemangel? Gibt es bereits existierende Anwendungsbeispiele in der Industrie oder ist das alles nur Theorie? Und welche Kombinationsmöglichkeiten von Hardware und Software sind sinnvoll? Diese Folge kannst du übrigens auch ganz ohne VR-Brille genießen – wir wünschen dir viel Spaß!

Das Transkript zur Podcast-Folge: Immersive Technologien

ANDREA SPIEGEL: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Industrie 4.0, der Experten-Talk für den Mittelstand. Wir sind heute schon bei Folge 2 unserer Reihe Industrie meets Wissenschaft hier im Lab on Tour an der Hochschule Hamm-Lippstadt und ich freue mich schon auf meinen heutigen Gast. Einer seiner Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind immersive Medien. Ich habe selbst Medien studiert, daher sage ich immer: Irgendwas mit Medien ist immer gut. Heute schauen wir uns an, was das eigentlich mit Industrie 4.0 zu tun hat, welche Auswirkungen es auf den Mittelstand hat, wie man es dort einsetzen kann und worum es bei immersiven Medien eigentlich genau geht. Was sind immersive Medien? Das schauen wir uns heute alles mal genauer an.
Mein Gast heute ist Dr. Jan-Niklas Voigt-Antons. Er ist Professor für Angewandte Informatik mit dem Schwerpunkt immersive Medien an der Hochschule Hamm-Lippstadt. Einmal ganz, ganz kompliziert und ausführlich. Schön, dass du heute da bist.
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Ja, vielen Dank für die Einladung. Ich freue mich, dass wir heute ein bisschen über immersive Medien, den Mittelstand und vielleicht auch über Technologie im Allgemeinen diskutieren können.
ANDREA SPIEGEL: Alles, was uns so einfällt. Wie immer an der Stelle nochmal kurz der Hinweis an euch: Auch diese Folge gibt es wieder bei YouTube als Video. Schaut also gerne mal vorbei, wenn ihr wissen wollt, wie es hier in diesem tollen Lab on Tour aussieht.

ANDREA SPIEGEL: Genau, Niklas, ich habe das jetzt schon – ich sage immer Niklas – Jan, ganz, ganz ausführlich erklärt, was du machst. Ich glaube, die wenigsten können sich wirklich viel darunter vorstellen. Vielleicht magst du uns einmal mitnehmen. Was genau macht ihr mit immersiven Medien und was ist deine Rolle hier an der Hochschule?
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Na klar, also insgesamt bin ich Professor an der Hochschule. Das bedeutet, ich mache einen Mix aus Forschung, das heißt, ich beschäftige mich mit verschiedenen Technologien und damit, wie sie in der Gesellschaft eingesetzt werden können. Und ich versuche, das Ganze auch in der Lehre an Studierende zu vermitteln, damit sie diese Technologien später in Unternehmen anwenden können.
Das heißt, wir versuchen, Studierende in die Lage zu versetzen, diese Technologien später im Beruf nutzen zu können. Ich beschäftige mich mit immersiven Medien, das heißt, allem, was einen in den Bann zieht, was einen über einen längeren Zeitraum beschäftigt und die Aufmerksamkeit bindet. Ganz einfach gesagt: Viele kennen das, Handy-Games sind ein gutes Beispiel für ein immersives Medium, das jeder tatsächlich in der Hosentasche hat. Und das geht bis hin zu Head-Mounted Displays, also Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR).
Ich beschäftige mich damit, wie solche Technologien gestaltet werden müssen, damit Anwenderinnen und Anwender sie auch nutzen können. In industriellen Kontexten muss dabei auch eine besondere Performance erzielt werden oder ein besonderer Nutzen für den Nutzer herauskommen. Auf der einen Seite arbeiten wir sehr theoretisch, das heißt, wir schauen uns an, welche Faktoren oder Technologien verwendet werden können, um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Auf der anderen Seite aber auch sehr praxisbezogen: Wir gehen in Unternehmen und fragen, welche Use Cases tatsächlich sinnvoll wären. Wie könnten sie diese Technologien nutzen und welchen Nutzen könnten sie daraus ziehen? In Projekten entwickeln wir dann auch zusammen Prototypen, die später in Lösungen überführt werden können, die dann tatsächlich verwendet werden.
ANDREA SPIEGEL: Also quasi spürbar und umsetzbar zu machen.
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Genau, im Idealfall schon, ja.
ANDREA SPIEGEL: Das klingt sehr spannend. Ich glaube, viele der Fragen, die du gerade schon angesprochen hast, werden heute noch im Gespräch aufkommen. Da freue ich mich drauf.

ANDREA SPIEGEL: Unsere Zuhörerinnen und Zuhörer wissen ja schon, dass wir immer eine kleine Frage zum Kennenlernen stellen, die jetzt erstmal nichts mit dem Thema zu tun hat. Für dich habe ich mir überlegt: Wenn du ein großes gesellschaftliches Problem, das wir heute haben, in unserer Gesellschaft lösen könntest und du wüsstest, es gelingt dir auf jeden Fall, welches würdest du angehen und warum?
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Ja, also ich denke, da ist ganz klar, dass ich natürlich etwas technologiebezogenes nehme. Ich finde es sehr schön, dass mit Technologie Inklusion geschaffen werden kann. Wir können mit adaptierbaren Technologien tatsächlich ermöglichen, dass Menschen am Leben und auch an politischen Entscheidungen teilhaben können. Und ich glaube, diese Inklusion und das gemeinsame Schaffen von Dingen mit Technologie, das wäre tatsächlich etwas, das ich gerne umsetzen würde. So könnte man einen einheitlichen Wissensstand schaffen und gemeinsam Entscheidungen treffen, ohne Menschen auszugrenzen.
ANDREA SPIEGELBarrieren reduzieren sozusagen.
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Ja, zum einen geht es darum, Informationen zu erhalten, was tatsächlich ein großes Thema ist. Aber es geht auch darum, mitwirken zu können. Für viele Menschen ist es problematisch, Informationen zu bekommen oder tatsächlich an einem Ort zu sein, an dem Entscheidungen getroffen werden. Der Alltag schränkt sie oft ein. Gerade immersive Technologien können dabei helfen, sich an andere Orte zu versetzen oder neue Dinge zu erleben. Das schafft besonderen Zugang und ermöglicht es, eine inklusivere Gesellschaft zu schaffen.
ANDREA SPIEGEL: Ja, cool. Das finde ich einen tollen Ansatz. Das gefällt mir gut. Vielleicht können wir darüber irgendwann nochmal ausführlicher nachdenken, wie das konkret aussehen könnte.

ANDREA SPIEGEL: Du hast gerade schon in deinem Teaser so ein bisschen darauf hingewiesen: Es gibt ja die Kreativindustrie, die sich viel mit ARVR und diesen ganzen immersiven Technologien beschäftigt. Ich glaube, Pokémon Go ist auch ein Spiel, das lange Zeit sehr gehypt wurde und das viele ausprobiert haben. Jetzt geht es in diesem Podcast leider nicht nur um die spaßigen Sachen, die man privat zu Hause nutzen kann, sondern wir wollen uns das Ganze eher im industriellen Kontext anschauen. Wie würdest du sagen, wie weit sind diese Technologien in diesem industriellen Kontext schon angekommen und wo werden sie da eingesetzt?
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Also grundsätzlich sind immersive Technologien, gerade wenn es um Projektionsverfahren geht, aber auch Augmented und Virtual Reality, in den größeren Industriebereichen schon relativ gut angekommen. Wenn man zum Beispiel an die Autoindustrie denkt, da gibt es schon relativ viele Anwendungen im Design und im Engineering. Aber auch im Mittelstand gibt es viele Unternehmen, die anfangen, immersive Technologien zu nutzen.
Allerdings war es bisher so, dass die Setups relativ teuer waren. Eine 3D-Cave kostet zum Beispiel eher eine Million oder zwei Millionen Euro, was man als Mindestbudget mitbringen muss, um damit zu starten. Im Vergleich dazu sind die bekannten Headsets mittlerweile schon für 300 bis 400 Euro erhältlich. Durch die sinkenden Preise und die Möglichkeit, auch einfach Anwendungen für diese Geräte zu programmieren, können immer mehr kleinere Firmen tatsächlich davon profitieren. Deswegen würde ich sagen: Ja, das Potenzial ist definitiv vorhanden, und im Mittelstand besonders hoch, weil dort bisher vor allem Hemmnisse wie der Preis die Nutzung eher gebremst haben.

ANDREA SPIEGEL: Ja, aber das heißt quasi, es geht einmal um die Technologie, also sagen wir mal die Hardware, die man dafür braucht und die erstmal Geld kostet. Aber man muss natürlich auch die Fähigkeiten haben, die Technologie richtig zu nutzen. Sind das die zwei Schwerpunktthemen, bei denen du sagst, daran hängt es am häufigsten, oder gibt es noch andere Hindernisse, warum das vielleicht noch nicht überall Standard ist?
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Ja, tatsächlich. Also ich glaube, die Hardware war bisher die erste Initialhürde, und auch die Softwareentwicklung war oft mit einem größeren Aufwand verbunden. Softwareentwicklung ist jedoch im Mittelstand mittlerweile gut angekommen. Viele Softwarelösungen werden im Mittelstand selber entwickelt, oder es gibt viele Softwareprodukte, die als Service genutzt werden können. Das heißt, es gibt immer mehr Bausteine, mit denen tatsächlich gute Software entwickelt werden kann. Mit den fallenden Preisen für Hardware denke ich, dass die Barrieren nun relativ niedrig sind, sodass ich hoffe und auch schon sehe, dass in den nächsten Jahren immer mehr immersive Medienanwendungen genutzt werden. Augmented RealityVirtual Reality – das wird ein spannendes Feld.
ANDREA SPIEGEL: Ich wollte gerade sagen, auf diesen Ausblick gehen wir am Ende nochmal ein, den schauen wir uns dann nochmal an.

ANDREA SPIEGEL: Wie würdest du sagen, in welchen Kontexten oder mit welchen Inhalten werden diese Technologien nachher tatsächlich genutzt? Du hast jetzt gerade schon diese 3D-Cave genannt, oder es gibt ja auch so, ich kenne das zum Beispiel noch aus der Zeit, als ich lange bei einem großen Automobilhersteller als Werkstudentin gearbeitet habe. Damals hatten sie eine virtuelle Montagelinie, bei der man mit einer Virtual-Reality-Brille üben konnte, wie das so funktioniert. Sind das die Standardanwendungen oder sagst du, nein, es gibt noch ein paar andere coole Use Cases, die man sich da anschauen kann?
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Also ich glaube, dass gerade in Produktionen oder Anlagen, wo Dinge hergestellt werden, ganz klassische Anwendungsfelder für Augmented Reality oder Virtual Reality bestehen. Zum Beispiel Qualitätskontrollen über Augmented Reality. Das heißt, Fehler können angezeigt oder Hinweise zur Qualitätskontrolle eingeblendet werden.
ANDREA SPIEGEL: Also so eine erweiterte Realität, sozusagen.
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Genau. Man hat eine Brille auf, hält ein Teil vor die Kamera der Brille, und die zeigt einem dann zum Beispiel an, wie man das Teil halten muss oder wo Fehler sichtbar sind. So hilft man, effizienter in Qualitätsprozessen zu arbeiten. Schulungsprozesse sind ein weiteres großes Thema – wie bringe ich Leuten tatsächlich Dinge bei? Große Firmen haben natürlich die Möglichkeit, große Trainingsabteilungen zu unterhalten. Klassischerweise im Mittelstand oder in kleineren Unternehmen gibt es solche Abteilungen nicht. Klar, die können extern Trainings einkaufen, aber hier bietet sich natürlich die Möglichkeit, eine Trainingsumgebung in der Hosentasche oder im Headset zu haben, sodass ich meine Mitarbeiter schnell einarbeiten kann. Gerade in Berufszweigen mit hoher Fluktuation, wo man schnell Mitarbeiter einarbeiten muss, ist das natürlich von großer Relevanz.
ANDREA SPIEGEL: Oder Fachkräftemangel, sage ich mal, das ist ja auch ein Thema.
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Genau, Fachkräftemangel. Wenn wir als Arbeitgeber moderne Technologien wie TabletsARVRHeadsets bieten, ist das natürlich auch für Mitarbeiter attraktiv, in solchen Unternehmen zu arbeiten.
ANDREA SPIEGEL: Und man kann es halt auch schneller lernen, wenn man dann eben, wie du sagst, assistiert wird und weiß, wie man das Teil richtig hält.
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Was ich auch ganz spannend finde, ist, dass man potenziellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den Arbeitsplatz vielleicht schon vorher zeigen kann. Wir haben jetzt mehrere Projekte, bei denen es darum geht, wie sich Mitarbeiter an einem neuen Arbeitsplatz fühlen könnten. Eine Gemeinde zieht um von Einzelbüros in Großraumbüros. Kann ich diese Atmosphäre schon vorher virtuell darstellen, um Ängste der Mitarbeiter zu lindern? Ganz spannend finde ich auch solche Fernwartungsszenarien. Für den privaten Bereich: Wenn ich irgendwo auf der Autobahn stehe, könnte ich mit meinem Handy in AR visualisieren, wo ich im Motorraum einen Schalter umlegen muss oder eine kleine Reparatur selbst durchführen kann. Das sind ganz spannende Anwendungsfelder. Und auch die Visualisierung von Daten kann ein Thema sein. Wir haben einige Projekte, bei denen es darum geht, Wartungsintervalle zu bestimmen und diese in einer virtuellen Umgebung zu visualisieren. Es gibt also einen ganzen Blumenstrauß an Themen. Ich denke, durch die Technologie und die Möglichkeit, zusätzlich Informationen anzubieten, wird es immer mehr Bereiche geben, in denen diese Technologien eine immer wichtigere Rolle spielen werden. Ich würde das gar nicht als Nischenthema sehen – ich arbeite in dem Bereich, daher finde ich es gut.
ANDREA SPIEGEL: Du möchtest eine Lanze brechen.
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Ja, genau. Ich finde das gut. Es ist ein bisschen wie früher, als man immer ein Telefon in der Tasche hatte. Die Brillen sind momentan noch etwas sperrig, aber wenn man es irgendwann schafft, diese Technologie in eine normale Brille zu integrieren und Zusatzinformationen einblenden zu können – das könnte dann in vielen Bereichen nützlich sein. Ein Kundengespräch oder Interview, bei dem ich mir Redepunkte einblenden lassen könnte, wäre ein Beispiel.
ANDREA SPIEGEL: Ich wollte gerade sagen, aber Daniel ist noch nicht dabei. Ich schaue schon die ganze Zeit, aber noch nicht.
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Nein, genau. Oder im Kundengespräch könnte es für Industrien, die Kundenkontakt haben, wirklich relevant sein. Es gibt also viele weitere Bereiche, in denen diese Technologien denkbar sind.

ANDREA SPIEGEL: Würdest du sagen, das ist etwas, das Unternehmen, wenn wir wieder auf die Industriezurückkommen, für ihre Fabriken der Zukunft auf jeden Fall brauchen? Oder sagst du, das ist eher ein „nice to have“, das kommt auf den Anwendungsfall an, oder siehst du eigentlich kein Unternehmen mehr ohne?
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Nein, ohne wird es nicht mehr gehen. Ich glaube, es gibt einige Themen, die jetzt auf breiter Front vorhanden sind, und wir kommen nicht mehr darum herum. Künstliche Intelligenz und immersive Medien – das geht Hand in Hand. Und wie wir schon gesagt haben, der Fachkräftemangel ist ein großes Thema. Wir müssen Menschen schnell in die Lage versetzen, bestimmte Aufgaben durchzuführen. Das können wir mit dieser Technologie erreichen. Wir können mit wenigen Mitarbeitenden auch Remote-Services anbieten. Das heißt, wir können mit weniger Personen mehr Dienstleistungen anbieten und eine höhere Qualität der Dienstleistungen erreichen.
ANDREA SPIEGEL: Ganze Geschäftsmodelle entwickeln, ja.
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Genau, man kann ganze Geschäftsmodelle neu entwickeln, aber auch die bestehenden Geschäftsmodelle unterstützen. Mit der sinkenden Hemmschwelle und der Möglichkeit, diese Technologien in viele Bereiche zu integrieren, sehe ich keinen Grund, warum das nicht passieren sollte. Die Vorteileüberwiegen definitiv den Aufwand, den es erfordert, solche Technologien in bestehende Prozesse zu integrieren.

ANDREA SPIEGEL: Wie ist deine Erfahrung? Du hast ja auch schon Prozesse begleitet und Unternehmen vielleicht auch ein Stück weit unterstützt und interviewt. Wie sieht es mit der Akzeptanz der Mitarbeitenden aus? Sind die zunächst alle neugierig und sagen „Ja, passt!“, oder gibt es auch eine klassische Schere – die Jüngeren vielleicht eher, die Älteren weniger? Oder sagst du, dass man das eigentlich nicht pauschal sagen kann und es eher ein Persönlichkeitsding ist?
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Ja, man muss schon sagen, grundsätzlich ist es so, dass bestimmte Personengruppen eher aufgeschlossen gegenüber neuen Technologien sind. Meistens sind es tatsächlich die jüngeren Personen, die offener sind, sich umzustellen. Das liegt aber nicht unbedingt an der Technologie an sich, sondern eher daran, dass man, wenn man Abläufe über längere Zeit hinweg häufig wiederholt, eine höhere Hemmschwelle hat, etwas anders zu machen. Was ich auch grundsätzlich als okay empfinde.
Ich persönlich denke, dass es besonders wichtig ist, alle Mitarbeitenden auf die Reise mitzunehmen. Es gibt gewisse Schwellen, die man erstmal durchbrechen oder überschreiten muss. Aber es ist sehr wichtig, die Leute von Anfang an einzubeziehen und ihnen frühzeitig die Möglichkeit zu geben, solche Technologien kennenzulernen. Ich habe so den Eindruck, dass in Projekten, bei denen das nicht zusätzlich gemacht wird, das ein entscheidender Faktor ist.
Man muss sich wirklich entscheiden, solche Technologien in ersten Probeprojekten mit Mitarbeitenden auszuprobieren, damit sie merken, dass es für sie eine Erleichterung schafft. Wir haben oft Projekte, bei denen wir zusätzlich zum täglichen Geschäft eine neue Technologie ausprobieren müssen.
ANDREA SPIEGEL: Wir bleiben noch eine Stunde länger und machen noch…
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Genau, gerade auch im Pflegebereich, wo es um Dokumentation und Visualisierung geht. Der Pflegebereich ist ohnehin schon stark belastet. Wenn man dann sagt: „Jetzt probieren wir noch eine AR-Brille aus“, dann fördert das natürlich nicht unbedingt die Akzeptanz. Wenn man jedoch direkt zeigt, dass die Technologie die Arbeit erleichtert oder verbessert, steigt die Akzeptanz bei den Mitarbeitenden deutlich.

ANDREA SPIEGEL: Wir haben jetzt ja schon über einige Use Cases im Bereich AR oder auch Virtual Reality in der Industrie gesprochen. Können wir uns vielleicht noch ein oder zwei davon etwas tiefer anschauen, um zu sehen, welchen Mehrwert sie tatsächlich bieten und wie ich diese möglicherweise auch in meinem Unternehmen implementieren kann? Was muss ich vorbereiten? Welches Wissen muss ich vielleicht aufbauen? Muss ich alles Wissen selbst aufbauen, oder würdest du eher empfehlen, mit Experten von außen zu arbeiten? Wie gehe ich an so ein Thema ran?
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Ja, genau. Also ich würde sagen, das kommt ganz auf die Zielsetzung an. Wenn man noch nie damit in Kontakt war, bietet es sich natürlich an, eine Technologie erstmal ganz niederschwellig zu beschaffen und auszuprobieren. Man könnte sie auch den Mitarbeitenden im Pausenraum zur Verfügung stellen, um zu sehen, welche Ideen daraus entstehen. Damit wird auch vermieden, dass diese Entscheidung einfach von oben getroffen wird. Für Projekte, die dann durchgeführt werden, ist es besonders zu Beginn hilfreich, wenn die Technologie nicht schon intern verfügbar ist, diese mit Partnern umzusetzen.
Es gibt viele Agenturen, die sich darauf spezialisiert haben, solche Anwendungen gegen Bezahlung zu entwickeln, und natürlich auch Hochschulen. Ich selbst bin ja Wissenschaftler, und wir versuchen, mit Unternehmen aus der Großindustrie sowie dem Mittelstand zusammenzuarbeiten. Man kann gemeinsam auch Forschungsmittel beantragen, sodass die Investitionen nicht nur vom Unternehmen getragen werden müssen, sondern auch von Innovationsprogrammen, die solche Projekte fördern. Ein typisches Vorgehen wäre zum Beispiel, am Anfang eine Aufgabenanalyse durchzuführen, um zu schauen, wie bestimmte Prozesse funktionieren.
Man erhebt also zunächst den Status Quo, um danach zu analysieren, wo man mit der Technologie und den Stakeholdern, die im Technologiebereich tätig sind, sowie den Expertinnen und Experten aus den Unternehmen, gemeinsam spezifische FunktionalitätenDemonstratoren und Prototypen entwickeln kann.
ANDREA SPIEGEL: Kann man so Mehrwerte schaffen.
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Genau. Der nächste Schritt wäre dann, diese Prototypen umzusetzen und zu testen. Wir sind immer datengetrieben. Das bedeutet, wir setzen eine Technologie nicht einfach ein, weil sie neu und spannend ist, sondern wir implementieren bestimmte Versionen und testen dann, ob sie einen tatsächlichen Nutzen bringt. Führe ich damit zu einem Performance-Output? Das ist gut für das Unternehmen, aber gleichzeitig muss auch die User Experience stimmen.
ANDREA SPIEGELErgonomie vielleicht.
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Genau, Ergonomie und Benutzerfreundlichkeit. Das bedeutet, dass man eine hohe Performance von der Software oder Anwendung hat, während gleichzeitig die benutzende Person eine positive Erfahrung macht.
Und dann hat man erste Daten. Man kann dann zum Beispiel sagen, dass ein bestimmtes Training besser funktioniert, die Mitarbeitenden schneller lernen als auf Papier. Für mich ist es immer wichtig zu betonen, dass eine Technologie nur dann verwendet werden sollte, wenn sie einen echten Nutzen bietet. Wenn die Technologie nur „da ist“, ohne dass sie einen Mehrwert liefert, macht der Einsatz keinen Sinn. Erst wenn man in einer Probephase merkt, dass die Technologie tatsächlich einen Nutzen bringt, sollte man überlegen, wie man weiter verfahren kann.
Man kann dann entscheiden, ob man den Prototyp intern weiterentwickelt, wenn man über die entsprechenden Ressourcen verfügt, oder ob man mit einer externen Programmieragentur zusammenarbeitet, um die Technologie als Produkt weiterzuentwickeln. Für mich ist der partizipative Ansatz, bei dem man mit verschiedenen Stakeholdern zusammenarbeitet, immer der richtige Weg. So kommt die Entscheidung nicht von oben, von unten oder von außen, sondern wird gemeinsam erarbeitet.
Das ist insbesondere im Schulungsbereich sehr wichtig. Ein anderes Beispiel, das mittlerweile oft als Schlagwort verwendet wird, sind digitale Zwillinge. Dabei kommt es darauf an, wie man diese definiert. Ein digitaler Zwilling kann ein einfaches Modell sein, aber auch eine komplexe 3D-Visualisierung. Wir arbeiten in verschiedenen Projekten, von der Visualisierung von freien Parkplätzen bis hin zu Zustandsüberwachungen von Robotern in automatisierten Fabrikhallen, die den Transport von Waren übernehmen. In solchen Projekten müssen wir in Echtzeit bestimmte Zustände in diesen Modellen anpassen.
Es ist spannend, zu sehen, wie wir Daten in Echtzeit erfassen können und wie diese 3D-Modelle, die in Brillen oder auf Displays angezeigt werden, angepasst werden können. Bei digitalen Zwillingen geht es oft darum, wie wir diese Modelle in Echtzeit anpassen können. Man kann die Daten nutzen, um beispielsweise zu überprüfen, ob ein Parkplatz frei oder belegt ist, oder um andere Vorgänge in Echtzeit darzustellen.
ANDREA SPIEGEL: Man möchte ja nicht einfach nur den bestehenden Prozess digital abbilden, wie du vorhin gesagt hast, sondern wir wollen Mehrwert schaffen und etwas Neues kreieren – es besser machen als vorher. Und dafür ist die Technologie dann perfekt. Du hast schon ein paar spannende Beispiele erwähnt, wie zum Beispiel mit den Roboterarmen. Was würdest du sagen, ist das spannendste Projekt, das du bisher in der Industrie begleiten durftest, und warum war das so besonders? Was habt ihr genau gemacht?
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Das ist natürlich eine gute Frage. Aber ich glaube, das spannendste Projekt, das wir gerade haben, ist das Didi Maus Projekt. Das ist ein EU-Projekt, bei dem Partner aus ganz Europa, sowohl aus der Industrie als auch viele Forschungseinrichtungen, beteiligt sind. Wir beschäftigen uns dort mit verschiedenen Use Cases für digitale Zwillinge und immersive Medien.
Ein interessanter Aspekt dieses Projekts ist, dass wir uns fragen, wie die Automatisierung in diesen Bereichen voranschreiten kann. Welche Anforderungen gibt es an bestimmte Use Cases? Und auch, wie wir über Industrien hinweg eine gewisse Normung entwickeln können. Denn in einem größeren Projekt mit einem Unternehmen ist es relativ schnell klar, welchen Standard man verwendet, welche Software und Schnittstellen genutzt werden.
Aber wenn man ein Konsortium hat, in dem zum Beispiel zehn Unternehmen zusammenarbeiten, dann muss man sicherstellen, dass die unterschiedlichen Datenströme miteinander kommunizieren können. Ein großer Teil dieses Projekts ist es daher, eine breite Grundlage zu schaffen, die dann auch für den Mittelstand genutzt werden kann. Viele Unternehmen werden sich keine eigenen Standards ausdenken, also ist es wichtig, ein gemeinsames Fundament zu entwickeln. Kommunikationsstandards und standardisierte Darstellungsformen für 3D-Modelle gibt es schon, aber wir arbeiten weiter daran, diese Ansätze zu erweitern.

ANDREA SPIEGEL: Ich finde, das klingt alles relativ komplex, und ich könnte mir vorstellen, dass das viele Unternehmen, gerade im Mittelstand und auch kleinere Unternehmen, überfordert. Diese könnten deshalb eher sagen: „Ach komm, wir machen weiter wie bisher, digitalisieren ein paar Prozesse, machen einige Dinge papierfrei.“ Standardaufgaben, sage ich mal.
Auf der anderen Seite ist es ja, wie du sagst, eine Technologie, an der irgendwann wahrscheinlich niemand mehr vorbeikommt, wenn man Schritt halten möchte. Wie würdest du die Komplexität der Umsetzung einschätzen? Vielleicht ist es ja auch eher eine Kopfsache – dass man sich das so schwierig vorstellt, wie du vorhin gesagt hast, mit den Datenströmen. Es geht ja nicht nur darum, Daten zu sammeln, sondern sie auch sinnvoll zu nutzen, Verbindungen zu schaffen, eine Plattform zu finden. Ich finde, das klingt alles sehr umfassend. Wie würdest du die Komplexität bewerten? Ist es wirklich so kompliziert oder sollte man einfach mal anfangen?
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Ich glaube, es ist nicht so kompliziert. Es ist wie mit jeder neuen Technologie: Wenn ich eine Firma habe und noch nie eine Webseite erstellt habe und auch nicht in der Branche tätig bin, ist das eine große Hürde. Aber auch das ist mittlerweile ganz normal. Man holt sich Hilfe und kann sich dann mit den Themenbeschäftigen.
Die Use Cases und Anwendungsmöglichkeiten sind natürlich sehr vielfältig. Es gibt noch keine fertige „Out-of-the-Box-Lösung“, die man einfach kaufen kann. Aber es gibt viele Agenturen, die auch für größere Projekte zur Verfügung stehen. Wir als Hochschule sind auch ein erster Anlaufpunkt und bieten niedrigschwellige Angebote, bei denen wir zum Beispiel mit Studierenden zusammenarbeiten.
Wichtig ist, einfach den ersten Schritt zu machen, mit dem Thema in Kontakt zu treten und etwas auszuprobieren. Wenn man einmal in die richtige Richtung geht, wird sich der Prozess von selbst erschließen.
ANDREA SPIEGEL: Auch bei der Einführung großer Software-Systeme in Unternehmen – das ist ebenfalls immer ein großer Schritt.
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Genau. Wenn man immer nur das Endprodukt betrachtet, erscheint es sehr kompliziert. Aber der erste Schritt ist, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, Kontakt aufzunehmen und vielleicht mit kleineren Projekten zu beginnen. Und wenn Interesse besteht, kann man dann auch Personal im Unternehmen aufbauen, um solche Technologien intern weiterzuführen.

ANDREA SPIEGEL: Was ist denn ein cooles, kleines Startprojekt für die Industrie, um in das Thema immersive MedienVRAR einzutauchen? Was würdest du sagen, ist ein cooler, kleiner erster Schritt, den man mal gehen kann, um so ein bisschen reinzufühlen in den Bereich?
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Also, was zum Beispiel super wäre, also was ich jetzt cool fände, wäre, wenn ich Mitarbeitende rekrutieren möchte und die zum Beispiel einfach mal in ihren neuen Arbeitsplatz in 3D durchlaufen könnten, um zu sehen, wie das aussieht. Wie ist die Umgebung? Wo wird Pause gemacht? Einfach mal ein bisschen Atmosphäre einfangen. Ich finde, das wäre ein Mini-Projekt, das extrem einfach ist.
Man könnte zum Beispiel ganz einfach mit einer 360-Grad-Kamera Videos oder Aufnahmen machen und diese dann in einer App anzeigen, sodass man selbst sehen kann, wie die Räume aussehen, wie die Fabrikhallen aussehen. Und das Ganze könnte man als Projekt nutzen, um zu sehen, wie das funktioniert. Gleichzeitig macht man sich als Arbeitgeberin damit attraktiv.
Ein anderes Projekt, das ich immer ganz cool fände, wäre die 3D-Visualisierung von Produkten. Man könnte im ersten Schritt mit einem Handscanner, vielleicht sogar mit dem Smartphone, die Produkte scannen, um diese dann als 3D-Modelle zu haben. Wenn man Produkte herstellt, die man scannen kann, wäre das eine tolle Möglichkeit, diese als digitale Varianten zu haben. Solche Modelle kann man tatsächlich auch auf einem Tablet oder Smartphone anzeigen, man braucht also nicht unbedingt eine Brille oder ein Headset.
Ich denke, solche Projekte sind wirklich gut geeignet. Man kann sie über das Web durchführen, auf Tablets oder Telefonen starten, oder später auch auf einem 3D-Headset erweitern. Ich glaube, das sind gute, niederschwellige Projekte, die man ausprobieren kann. Sie sind nicht nur nett, sondern man kommt so gut in die Technologie rein und kann sie auf normalen Endgeräten ausprobieren. Das ist, glaube ich, sehr schön.
ANDREA SPIEGEL: Das ist sehr cool.

ANDREA SPIEGEL: Welche Hardware würdest du empfehlen? Oder was kann man sich überhaupt an Hardwarevorstellen? Du sagst, das meiste, was man kennt, sind diese VR-Brillen, die man sich irgendwie aufsetzt. Gibt es noch andere Geräte, die vielleicht noch nicht so bekannt sind? Oder Smartglasses ist, glaube ich, auch noch so ein Thema?
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Ja, genau. Also die Frage ist immer, wie marktreif das Ganze ist. Es gibt immer wieder neue Ideen
ANDREA SPIEGEL: Wir sind heute einfach mal ein bisschen der Zeit voraus.
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Das ist okay.
Also, es ist tatsächlich so, dass es immer wieder Verfahren gibt, die weiterentwickelt werden. Das Ziel ist, die Gläser kleiner zu machen, was aktuell im Fokus steht. Zum Beispiel könnte man Brillen gestalten, die dennoch Informationen anzeigen können, ohne dass das Gegenüber diese Informationen sieht. Ein weiterer Ansatz ist, mit Kontaktlinsen zu arbeiten.
Es gibt auch Verfahren, bei denen versucht wird, Informationen direkt auf die Retina zu projizieren. So könnte man die Informationen sogar ohne Brille direkt ins Auge projizieren.
ANDREA SPIEGEL: Dann muss ich auch in die richtige Richtung schauen, oder?
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Genau, dafür bräuchte man dann ein extrem gutes Headtracking. Man müsste mehrere Quellen im Raum verteilen, um das Bild exakt ins Auge zu projizieren.
ANDREA SPIEGEL: Was ist der Mehrwert gegenüber einer Brille? Nur, dass ich nichts im Gesicht habe, oder?
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Genau. Der Vorteil wäre, dass man sich frei im Raum bewegen könnte, ohne eine Brille zu tragen. Wenn diese Technologie richtig gut funktioniert, könnte man viele Quellen im Raum verteilen, sodass das Bild überall korrekt ins Auge projiziert wird, egal wie man sich bewegt. Aber das ist noch Zukunftsmusik.
Wenn wir heute über Technologien sprechen, dann würde ich sagen, dass wir lange Zeit eine strikte Trennung zwischen Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) hatten. Zum einen gab es Glasbrillen, mit denen ich Informationen semi-transparent in meinem natürlichen Umfeld sehen konnte.
ANDREA SPIEGEL: In meinem natürlichen Umfeld quasi.
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Genau, im natürlichen Umfeld konnte man diese Informationen sehen. Auf der anderen Seite hatte man abgeschottete Displays, bei denen man nichts von seiner Realität wahrnehmen konnte. Heute ist es jedoch so, dass die Kameras, die an den VR-Headsets angebracht sind, eine so gute Qualität haben, dass man ein Kamerabild von außen nach innen übertragen kann. Dadurch kann man je nach Anwendungsfall zwischen AR und VR wechseln.
ANDREA SPIEGELMixed Reality, oder ist das noch etwas anderes?
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Genau, das ist Mixed Reality. Mit den großen Herstellern kann man eine App erstellen, bei der man zum Beispiel ein virtuelles Objekt auf den Tisch zwischen uns ablegt. Wir können uns trotzdem sehen, während wir die Brillen tragen. Aber ich könnte auch sagen, „Jetzt möchte ich mich komplett in eine virtuelle Umgebung begeben“, und der Tisch wird rot, und ich sehe vielleicht niemanden mehr um mich herum. Das bedeutet, es gibt sehr flexible Anwendungsmöglichkeiten.
Das ist gerade spannend, weil wir mit den aktuellen Headsets der großen Hersteller einen Punkt erreicht haben, an dem es wirklich gut funktioniert. Wenn wir die nächsten ein bis zwei Generationen Hardware bekommen, wird es möglich sein, die Geräte multifunktional zu nutzen, ohne eine strikte Trennung zwischen AR und VR in der Hardware zu haben.
ANDREA SPIEGEL: Für Interviewsituationen vielleicht auch ganz gut, wenn man die Außenwelt ausblenden kann. Genau, das kommt ganz darauf an.
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Ja, das ist ein spannender Punkt. Wenn man dann wirklich die Außenweltausblenden kann, ist das sehr hilfreich. Ich muss sagen, das ist für mich besonders interessant, weil wir gerade mit den Headsets der großen Firmen eine gute Lösung haben. Wenn die nächsten Generationen kommen, wird das Ganze noch vielseitiger und flexibler.
Andere Technologien sind, glaube ich, noch ein bisschen weiter entfernt oder wurden sogar eingestellt. Die HoloLens von Microsoft war lange Zeit eine prominente AR-Lösung, die aber mittlerweile eingestellt wurde. Das Video-Pass-Through über die Kameras bietet meiner Meinung nach eine sehr gute Alternative.
Neben den Headsets gibt es noch umgebende Hardware. Denn für mich ist das Ganze kein Thema, das nur mit dem Headset funktioniert. Wenn wir über digitale Zwillinge sprechen, möchte ich vielleicht auch Daten von Wettersensoren oder Bewegungssensoren einbeziehen. Möglicherweise habe ich einen Laser-Grid, um zu wissen, wer noch im Raum ist.
ANDREA SPIEGEL: Es geht also auch um all die Daten, die da noch mit reinspielen, ja.
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Genau, es geht um die Integration dieser Daten. Früher sprach man von Ambient Assisted Living, also von einer Technologie, die um uns herum arbeitet und interagiert. Ich glaube, aus dieser Integration entsteht ein Mixed Reality Space. Man kann Informationen visualisieren und sie in Lösungen nutzen, bei denen auch das Internet of Things (IoT) und Sensorik eine Rolle spielen. Das ist ein spannendes Feld.

ANDREA SPIEGEL: Es gibt tatsächlich noch eine Sache, die mich noch interessieren würde, zum Abschluss. Du hast jetzt gerade schon gesagt, dass es in der Industrie viel Sensorik gibt. Die Maschinen werden immer intelligenter und vom Hersteller mit entsprechenden IoT-Anwendungen und Co. geliefert. Das heißt, ich habe super viele Daten, die ich brauche, um dann, wie du sagst, gewisse Dinge damit anstellen zu können. Immer wenn es um große Datenmengen geht, wird ja auch immer mehr das Thema KI interessant. Inwiefern ist das schon ein Thema bei den immersiven Technologien in der Industrie oder wo siehst du das eher noch als ein Trendthema, das jetzt immer mehr aufkommt? Wie kann KI da genutzt werden?
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Ja, also ich denke, dass zum einen ganz klassisch Dinge wie Sortieralgorithmen oder Algorithmen zur Aufbereitung von Informationen schon relativ gut verwendet werden. Alles, was die automatische Generierung von 3D-Objekten oder auch 3D-Welten betrifft, ist gerade noch ein Trendthema. Das finde ich auch ganz spannend.
Wir haben zum Beispiel einige Prototypen gesehen, bei denen aus einem bestimmten Preset an 3D-Objekten eines ausgewählt wird. Aber wir haben auch schon erste Untersuchungen an der Hochschule gemacht, bei denen KI-generierte Bilder genommen werden, um daraus automatisiert 360-Grad-Szenen zu erstellen. Das heißt, man könnte dann zum Beispiel sagen: „Hey, ich möchte gerne am Strand sein und fliegende, pinke Elefanten sehen“, und dann wird das in Echtzeit generiert und als 3D-Szene angezeigt. Das ist derzeit eher ein spaßiges Anwendungsszenario, das aus der Kreativwirtschaft kommt. Genau, wir haben das erst mal als funktionalen Prototypen umgesetzt, aber solche Anwendungen werden sicherlich mehr kommen.
Je intensiver das Ganze wird, desto niedriger wird auch die Barriere für den Zugang. Wenn ich zum Beispiel sagen könnte: „Kreiere mir bitte ein Trainingsszenario, ich brauche einen Tisch, darauf muss ein Werkzeugkasten mit den und den Werkzeugen sein, und wir hätten gerne das 3D-Modell eines Motors, und dann lad mir bitte die Bedienungsanleitung herunter und zeig sie mir groß über dem Motor an.“ Solche Szenarien würde man dann relativ schnell erstellen können.
Und ich persönlich glaube, dass dort spannende Fragen entstehen werden, ebenso wie im KI-Bereich generell. Wenn ich 3D-Welten um mich herum aufbauen kann, müssen diese natürlich auch ethisch korrekt sein.
ANDREA SPIEGEL: Ich wollte gerade sagen, da denke ich direkt an, wie hieß dieser Film mit Leonardo DiCaprio? Die haben doch auch immer so Welten gebaut, wie hieß der? Inception.
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONSInception, genau.
ANDREA SPIEGEL: Das hört sich für mich jetzt so ein bisschen an, wie wenn ich Architekt einer Welt bin und sie mir so bauen kann, wie es mir gefällt.
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Ja, man muss natürlich gucken, wie valide sind die Informationen? Wie immer bei KI: Sind sie verlässlich? Habe ich eine ethische Verantwortung? Wenn ich mir Horrorszenen bauen kann, gibt es dann Altersbeschränkungen? Wie schränke ich das ein? Aber ich denke, da ist gerade noch viel Raum
ANDREA SPIEGEL: In der Industrie ist das ja eher weniger ein Problem mit Horrorszenen.
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Genau, das ist so. Aber im Grunde genommen, wenn man der KI grundsätzlich die Möglichkeit gibt, 3D-Welten zu schaffen, dann hat die Anwenderin natürlich die Freiheit, Dinge einfach zu sagen, wie sie es möchte.
ANDREA SPIEGEL: Es wäre vielleicht auch cool, wenn man neue Standorte entwickelt, zum Beispiel für Produktionsstätten, und diese dann einmal in einer virtuellen Realität zusammenbauen kann. Man könnte durch die Räume gehen und prüfen, ob alles so funktioniert, wie man es sich überlegt hat. Sehr cool.
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONSSprachbasiertautomatisiert – das wird kommen. Und ja, ich glaube, die Anwendungsfälle werden immer breiter. Je verlässlicher und verfügbarer die Informationen sind, desto besser.
ANDREA SPIEGELDatenqualität ist entscheidend.
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Genau, das ist ein ganz wichtiger Punkt. Heute kann ich zum Beispiel sagen: „Ich hätte gerne das Modell XYZ.“ Es gibt im Asset Store, also da, wo man 3D-Objekte kaufen kann, um sie in Szenen zu integrieren, eine riesige Auswahl. Aber das sind natürlich meistens Objekte aus dem künstlerischen Bereich – 3D-Modelle von MotorenFrüchtenMenschenTieren, alles, was man sich vorstellen kann. Aber diese Objekte basieren oft auf kunstbasierten Zeichnungen. Die technischen Zeichnungen, die für eine realistische Visualisierung notwendig wären, fehlen oft noch.
ANDREA SPIEGEL: Da ist also noch einiges an Platz für Forschung.
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Da ist viel Platz für Forschung, viel Platz für die Industrie. Und ich glaube, es ist wichtig, dass wir gut zusammenarbeiten, um viele Effizienzen zu erzielen und Unternehmen zu unterstützen. Meine Hoffnung ist, dass wir zwar Performance schaffen, aber den Nutzenden dabei auch viel Spaß ermöglichen.
ANDREA SPIEGEL: Das ist doch ein schönes Schlusswort für diese Folge. Vielen, vielen Dank für deine Zeit, es hat mir sehr viel Spaß gemacht. Ich glaube, man könnte noch ewig über das Thema weiterphilosophieren.
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Auf jeden Fall.
ANDREA SPIEGEL: Wir haben heute über immersive Technologien in der Industrie gesprochen und wie sie eingesetzt werden können – auch in der Mitarbeiterbildung und bei der Qualitätssicherung. Wir haben uns die verschiedenen Anwendungsbereiche genauer angeschaut. Wir hoffen, euch hat die Folge gefallen. Wenn dem so ist, lasst uns gerne einen Daumen nach oben bei YouTube oder eine Bewertung bei Apple Podcasts oder Spotify da. Vielen Dank nochmal für deine Zeit.
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Sehr gerne.
ANDREA SPIEGEL: Und ja, wie gesagt, bis zum nächsten Mal. Macht’s gut.
PROF. DR.-ING. VOIGT-ANTONS: Tschüss.

Welche Idee steckt hinter der Multikommissionierung in der Lagerlogistik?

„Die Idee bei der Multikommissionierung ist auch da, eben solche Leerfahrten, Leerwege, egal ob jemand läuft oder eben fährt, zu vermeiden.“

Noch Fragen zu dieser Folge oder Themenvorschläge für weitere Folgen?

Nutze ganz einfach und unverbindlich unser Kontaktformular. Wir beantworten gerne deine Fragen und gehen auf individuelle Anfragen oder auch Themenvorschläge ein.

Weitere Folgen unseres Podcast Industrie 4.0 – der Expertentalk für den Mittelstand

17-podcast-AR
79-podcast-service-trends
84-podcast-immersive-technologien
© Copyright 2025 - L-mobile | mobile Softwarelösungen