ANDREA SPIEGEL: Ich habe mir jetzt sozusagen als eine der abschließenden Fragen aufgeschrieben, dass das Thema People Business im Vertrieb natürlich wichtig ist. Also, wie du schon sagtest, Vertriebler machen immer noch Geschäfte mit Menschen, egal ob im B2B- oder im B2C-Geschäft. Am Ende finden die Geschäfte immer zwischen Personen statt.
Gibt es eine Möglichkeit, wenn wir jetzt auch mal, wie gesagt, Fachkräftemangel hatten wir heute schon das Thema oder du hast auch schon gesagt, es wird auch durch Studien belegt, es wird einfach immer weniger Menschen geben. Gibt es auch Möglichkeiten im Vertrieb mit weniger Menschen zu arbeiten und ist das sinnvoll?
PATRICK LAUX: Also da habe ich tatsächlich auch nicht allzu viele Studien zu diesem Thema spezifisch im Vertrieb gefunden. Ich versuche mal eine andere Herleitung. Es gibt durchaus auch Untersuchungen, die sich ja damit auseinandersetzen, wie sich die Arbeitswelt in den nächsten 20, 30, 40 Jahren verändert. Und die ein oder andere geht durchaus mal von so einer plakativen Aussage aus, dass wir in etwa 20 Jahren 60 Prozent der Berufe, die wir heute kennen, gar nicht mehr sehen werden, weil die durch Automatisierung, durch Digitalisierung, durch künstliche Intelligenz möglicherweise auch ersetzt worden sind.
Die zugrunde liegende Logik ist, je einfacher etwas ist, desto leichter kann ich es auch ersetzen. Also je geringer die Komplexität, desto leichter ist es abzulösen. Es ist durchaus auch denkbar, das ist vielleicht schwer zu sagen jetzt tatsächlich, aber ich könnte mir schon vorstellen, wenn ich jetzt irgendwie eine Vertriebsstruktur habe, wo es im Prinzip jetzt nicht sehr komplex ist, dass da natürlich die Gefahr, dass irgendwann ein Stück weit digitalisiert, automatisiert oder sonst wie abgelöst zu sehen, höher ist, als jetzt in einem Vertriebskonstrukt, wo ich halt eher komplexere Lösungen verkaufen muss. Wobei ich trotzdem nicht glaube, dass der Mensch da ausstirbt. Also das nochmal nur zur Ableitung.
ANDREA SPIEGEL: Ich glaube, das ist auch tatsächlich eher, wie du sagst, bei simpleren Produkten der Fall. Also man sieht es ja heute schon, wenn man gutes Marketing hat, sage ich mal, die gute Anzeigen auf einen Webshop schalten, wo ich einfach meine Sachen mir kurz in den Warenkorb lege, bestelle, bezahle, fertig. Dann brauche ich da keinen Vertriebler mehr dafür. Ich glaube, die Komplexität im Produkt an sich oder an der Lösung ist, glaube ich, da tatsächlich das Thema.
PATRICK LAUX: Ja, voll. Also klar, im Bereich E-Commerce werden es sicherlich auch nochmal ganz andere Veränderungen wahrscheinlich sein. Die haben schon wahnsinnig viel Digitalisierung und Automatisierung hinter sich. Wenn wir jetzt ja in diesem Kontext über Vertrieb sprechen, dann in der Regel ja da, wo Unternehmen tatsächlich auch einen Vertrieb brauchen, der Dinge erklärt und der Kundenbeziehungen aufbaut. Also wo wir jetzt nicht unbedingt von einer Webshop-Situation leben, wo wir einfach sagen können, komm, wir machen eine coole Website, machen ein bisschen Marketing, da kommt schon Umsatz.
ANDREA SPIEGEL: Ein bisschen Marketing, da werde ich ja direkt hellhörig.
PATRICK LAUX: Und also insofern, wenn wir das vom Kontext her mal darauf einordnen, dann glaube ich nicht, dass der Mensch da so schnell ausstirbt. Ich glaube allerdings schon, dass die Notwendigkeit für die Unternehmen, sich in ihren eigenen Geschäftsstrukturen zu verändern, zu mehr Komplexität führt, die dann wiederum im Endeffekt dann auch dazu führt, dass auch der Vertrieb sich komplexer aufstellt und dann vielleicht auch ein Mensch später mehr Lösungsbereiche repräsentieren muss, als es heute der Fall ist. Und sicherlich auch damit konfrontiert ist, digitale Tools selbst stärker zu nutzen, als wir es vielleicht heute tun.
Wir haben natürlich heute die Situation, dass wir sehr, sehr viel mehr Online-Meetings machen. Das hat ja auch uns Corona ein bisschen gelehrt, neben der Tatsache, dass wir plötzlich auch gelernt haben, wie Homeoffice auch irgendwie funktioniert. Trotzdem gibt es immer noch viele Vor-Ort-Termine. So, jetzt stelle ich mir jemand vor, der fährt drei Stunden auf einen Vor-Ort-Termin, nehme das mal ungefähr an, sitzt dann dort zwei bis drei Stunden mit einem Kunden zusammen, sie bearbeiten was. Und dann steht eine Rückfahrt von drei Stunden an. Dann rede ich da schon über einen relativ umfangreichen Teil von neun oder zehn Stunden. Also da kommen wir auch schon an die Grenze dessen ran, was man ja eigentlich am Tag auch an Arbeitszeit ableisten sollte maximal. Und dann brauche ich irgendwie eine Nachbearbeitung, dann brauche ich irgendwie ein Sammeln der Informationen, wie kriege ich jetzt alles, was ich dort gesprochen habe, nachher in mein CRM zum Beispiel rein. Oder wie plane ich jetzt, was auch immer da gesprochen wurde, Folgeaktivitäten. Das machen wir heute ja auch noch viel, natürlich schon digital. Irgendwie nehme ich mein Handy, nehme vielleicht eine Sprachnachricht auf für mich selbst, eine Notiz oder schreibe es mir irgendwo kurz hin, setze mich mit meinem Laptop auf der Autobahn mit einem Kaffee irgendwo in die Ecke und mache hier so meinen Besuchsbericht und den speichere ich dann irgendwann ab. Lade dann vielleicht in den CRM hoch oder trage den gleichen in den CRM ein.
ANDREA SPIEGEL: Das wäre die schönere Lösung, also quasi Vertrieb 4.0. Ich habe quasi ein Tablet dabei, wo ich direkt mein CRM, meine Kundendaten und alles drauf habe.
PATRICK LAUX: Ja, ja, das ist richtig cool. Stell dir vor, du bist der Kunde und ich sitze bei dir und wir reden über einen Bedarf, den wir irgendwie gefunden haben, wo du gesagt hast, hey, das macht irgendwie Sinn, dass der Patrick jetzt vorbeikommt und dass wir uns mal darüber unterhalten. Und dann sitze ich die ganze Zeit da und trage während wir mitreden meine Daten ins CRM ein.
ANDREA SPIEGEL: Achso, ich meine nicht währenddessen, sondern das könnte ich ja dann quasi in der Pause oder danach gleich kurz machen.
PATRICK LAUX: Wie angesprochen beim Kaffee auf der Autobahn an der Raststätte oder so. Und je einfacher ich das Ganze machen kann, je mehr ich das automatisieren kann, desto leichter ist es natürlich auch erstmal für den Menschen, der den Vertrieb macht. Und je näher das wahrscheinlich auch an den Erfahrungen ist, die die Menschen im Privatbereich auch sammeln. Also wie gehe ich da mit solchen Situationen um? Was mache ich da? Was nutze ich da für Tools, für Technologien? Es gibt zum Beispiel auch schon Lösungen, schon seit längerer Zeit, die dann über Voice Recognition die Besuchsberichte entsprechen, als Fildris-Mitarbeiter einfach ins System und der macht mir dann einen Text raus und speichert es ab. Auch erstmal nicht so schlecht.
ANDREA SPIEGEL: Besser als nix.
PATRICK LAUX: Besser als nix, aber dann muss ich mich trotzdem danach nochmal hinsetzen und das irgendwie abarbeiten. Also das fällt ja nicht weg, die Arbeit fällt nicht weg. Die Frage ist jetzt nur, wie gehen wir dann auch da mit der Technologie um?
ANDREA SPIEGEL: Vielleicht ist es ja auch nachher ein Zusammenspiel aus den anderen Abteilungen. Also gerade wenn wir jetzt Marketing und Vertrieb zufällig auch hier am Tisch sitzen haben, macht ja auch einen Unterschied, ob aus dem Marketing halt einfach mal alle Leads kommen, die halt irgendwie reinkommen, also alle Verkaufschancen irgendwie in den Vertrieb weitergegeben werden oder ob man eben auch da schon mit qualitativ besseren Leads arbeiten kann. Also zum Beispiel qualitativ meine ich in dem Fall, dass Projekte vielleicht schon konkreter sind oder so, dass der Vertrieb quasi auch weniger Zeit mit sowas wie Kaltakquise oder sowas aufwendet, wodurch ich dann auch wieder fehlende Arbeitskräfte oder so abmildern oder das Problem daraus abmildern kann. Also diese Zusammenarbeit mit anderen Bereichen quasi.
PATRICK LAUX: Das ist enorm, das ist ein enorm wichtiger Bestandteil. Weil gerade wenn du jetzt Kaltakquise zum Beispiel ansprichst, also nehme ich jetzt ein Telefonbuch und gehe so Kunden durch und sage, okay das könnte so ein Zielkunde von mir sein, da rufe ich jetzt mal an und versuche mich mal irgendwie durch die Zentrale durchzufragen. Das ist natürlich klassisches Vertriebsgeschäft, das kennen die meisten, die irgendwie im Vertrieb zu tun haben, auch diese Art von Anrufen. Die ist für beide Seite erstmal unangenehm, weil natürlich sitzt man jetzt nicht unbedingt im Unternehmen und hat nichts zu tun und freut sich gerade auf irgendeinen Vertriebler, der einem jetzt gerade irgendeine neue Lösung präsentieren will. Auf der anderen Seite muss ich ja trotzdem irgendwie einen Dialog zum Kunden herstellen. Da hilft dann ganz oft auch ein bisschen einfach Aufrichtigkeit, um auch da relativ schnell an den Punkt zu kommen, um sich gegenseitig zu signalisieren, helfen.
ANDREA SPIEGEL: Gerade passt vielleicht nicht, aber.
PATRICK LAUX: Ich weiß, ich nerv dich, trotzdem habe ich ein berechtigtes Interesse, mit dir sprechen zu wollen und jetzt gucken wir mal, wie wir damit umgehen. Und wenn du jetzt das Marketing ansprichst, das kann dir natürlich unglaublich viel abnehmen. Also gerade so Begriffe wie MQLs sind glaube ich auch in den allermeisten Unternehmen zwischen bekannt. Wenn ich durch gute Arbeit im Marketing, durch gute Repräsentanz des Unternehmens auf verschiedensten Kanälen dafür ja sorgen kann, dass sich Menschen schon aus eigenem Interesse tatsächlich damit auseinandersetzen. Also sage ich, gehe mal auf eine Webseite und fülle ein Kontaktformular aus, weil ich mich da informiert habe und bin da irgendwie drauf gestoßen durch eine Anzeige, als ich recherchiert habe.
ANDREA SPIEGEL: Durch einen Podcast.
PATRICK LAUX: Durch einen Podcast zum Beispiel. Dann gehe ich auf die Webseite und sage, okay cool, klicke mich mal durch und gucke, was die so tun und wenn das gut aufbereitet ist, gut verständlich ist, dann sage ich als Kunde vielleicht, das würde mich mal interessieren. Ich habe da jetzt nicht unbedingt sofort den Drang, was zu kaufen, aber ich möchte mich ganz gerne mal informieren. Dann entsteht da natürlich schon ein Dialog, der nicht mehr ganz so kalt ist und der dann auch ein Interesse zugrunde setzt. Viele Situationen arbeiten ja auch mit Call to Actions, das kennen glaube ich auch viele aus dem Marketing, dass man sagt, ich mache jetzt irgendeine, ich stelle irgendeine Information zur Verfügung, die einen Mehrwert bietet. Dafür möchte ich aber im Gegensatz ganz gerne dann auch, dass du da drauf klickst und sagst, ja, ich darf kontaktiert werden. Dann saß da ja mal ein Mensch, der sich aus einem ganz bestimmten, wahrscheinlich sehr wichtigen Grund, manchmal mehr, manchmal weniger, aber aus Interesse mit einem Thema auseinandergesetzt hat und dann bereit war, diese Hürde zu gehen. Und zu sagen, ich möchte das wissen, weil mich das interessiert. Es ist eine ganz andere Art, mit so einem Menschen in Kontakt zu treten, als wenn dieser Mensch eben dieses Interesse vorher nicht äußern konnte. Und das ist so, wenn das Marketing und gutes Marketing, vor allem hochprofessionelles und digitalisiertes, effizientes Marketing, ein enorm wichtiger Bestandteil.