#34 Mensch und Roboter mit Sven Kaluza

Podcast Industrie 4.0 | Der Expertentalk für den Mittelstand

Nehmen Roboter uns Menschen in Zukunft die Arbeitsplätze weg? Auf diese Frage hat Sven Kaluza, Business Development Manager Central Region bei Omron Industrial Automation Europe, eine überraschend klare Antwort in Folge 34 unserer Videoshow.

Andrea hat Sven außerdem gefragt, welche Spannungsfelder es zwischen Mensch und Maschine gibt, wofür wir Roboter in Zukunft einsetzen werden und welche Aufgaben Menschen zukünftig übernehmen.

Super spannend war unter anderem das Konzept der Harmonie zwischen Mensch und Roboter. Was es damit auf sich hat, verrät Sven ebenfalls im Podcast.

Das Transkript zur Podcast-Folge: Mensch und Roboter

ANDREA SPIEGEL: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge Industrie 4.0, der Experten-Talk für den Mittelstand. Ein großes Thema im Bereich Digitalisierung und Industrie 4.0. Viele Menschen haben bei diesen Themen oft Angst, dass ihre Arbeitsplätze abgeschafft werden und sie nicht mehr gebraucht werden. Wir haben dies bereits in vielen unserer vorherigen Folgen besprochen und versucht, die Ängste der Mitarbeiter abzubauen. Heute wollen wir uns jedoch genauer ansehen, woher diese Ängste eigentlich kommen. Was ist das Spannungsfeld zwischen Mensch und Roboter? Dafür habe ich heute einen äußerst spannenden Gast, nämlich Sven Kaluza. Ist das richtig ausgesprochen?

SVEN KALUZA: Kaluza, du darfst das Z hart aussprechen.

ANDREA SPIEGEL: Okay, perfekt. Also Sven Kaluza, er ist Business Development Manager bei Omron. Vielleicht könntest du uns zunächst selbst erzählen, wer und was Omron ist. Bevor wir jedoch tiefer in dieses Thema eintauchen, möchte ich darauf hinweisen, dass diese Folge auch als Podcast auf allen gängigen Plattformen wie SpotifyiTunes und Co. verfügbar ist. Falls ihr also keine Zeit oder keine Lust auf ein langes Video habt, könnt ihr gerne reinhören. Sven, könntest du dich bitte kurz vorstellen? Wer bist du? Was machst du bei Omron? Was ist euer tägliches Geschäft?

SVEN KALUZA: Alles klar. Ja, liebe Andrea, zunächst einmal vielen Dank für die Einladung und die Gelegenheit, hier teilzunehmen. Ich habe bereits einige eurer Formate gesehen, und ich finde es äußerst spannend, wie ihr das gestaltet. Ich freue mich daher sehr, heute hier zu sein, auch wenn ich ein wenig aufgeregt bin. Aber ich denke, das wird sich mit dem Sprechen geben, bestimmt. Also, mein Name ist Sven Kaluza, und ich bin Business Development Manager bei Omron, zuständig für die mobile Robotik in der DACH-Region. Gemeinsam mit meinem Kollegen Jan Zuse sind wir sozusagen die Business Developer, die sich um die Robotik kümmern. Ich mache das bereits seit dreieinhalb Jahren. Ursprünglich habe ich BWL studiert, das ist schon etwa 4000 Jahre her. Damals lag mein Schwerpunkt auf Marketing. Ich war über 20 Jahre im Vertrieb tätig, hauptsächlich im Außendienst und in verschiedenen Produktbereichen. Dazu gehörte auch die Unternehmensentwicklung und sogar ein Dentallabor. Irgendwann bin ich dann in die Automatisierung gewechselt und habe dabei viele Erfahrungen im Vertrieb gesammelt. Ich habe immer ein Auge auf das Marketing geworfen und versuche nun in meiner aktuellen Rolle die Verbindung zwischen Marketing und Vertrieb zu stärken. Das ist besonders wichtig, da das Thema mobile Robotik, wie du bereits erwähnt hast, viel Fachwissen und Vertrauen erfordert. Wir werden heute darüber sprechen und uns damit befassen. Ich mache diesen Job seit dreieinhalb Jahren und habe im Februar 2018 damit begonnen. Ich muss sagen, es macht mir nach wie vor wahnsinnig viel Spaß. Eine interessante Anekdote dazu: Als mich Dr. Lucian Dolte, der mich eingestellt hat, zum ersten Mal auf Omron und unsere Produkte aufmerksam machte, war ich sofort begeistert. Ich habe mir einige Videos angesehen und mich spontan in das Thema Mobile Robotik verliebt. Ich dachte mir, “Wow, mobile Robotik, welches Potenzial steckt dahinter und was können wir damit alles erreichen?” Diese Begeisterung passte perfekt zu meiner Persönlichkeit, und ich bin dankbar, dass ich die Gelegenheit hatte, dieses großartige Produkt zu entdecken und in meiner aktuellen Rolle zu betreuen. Ich spreche sehr gerne darüber. Das wäre also eine kurze Vorstellung von meiner Person.

ANDREA SPIEGEL: Das ist perfekt für unsere Podcast-Diskussion. Du hast bereits über Mobile Robotik gesprochen. Zunächst wollen wir uns jedoch mit dem Thema Mensch und Roboter befassen. Wie gestaltet sich die Beziehung zwischen ihnen? Vielleicht als kleinen Vorgeschmack haben wir bereits vorbereitet, dass wir uns später in dieser Episode tiefer mit dem Thema mobile Robotik auseinandersetzen werden. Dazu wird es noch eine zweite Episode geben, eine Art kleiner Vorgeschmack, wie bereits erwähnt.

ANDREA SPIEGEL: Auf eurer Website habe ich etwas Interessantes gesehen. Dort gibt es ein Bild mit zwei Robotern und dahinter steht ein Mensch. Darunter steht: “Treffen Sie die Mitarbeiter der nächsten Generation – kollaborative TM-Roboter von Omron.” Das fand ich äußerst spannend. Daher möchte ich direkt mit einer provokanten Frage beginnen: Nehmen uns diese Roboter der nächsten Generation nicht gerade die Arbeitsplätze weg?

SVEN KALUZA: Das ist eine sehr gute Frage und auch ein wichtiges Thema, das wir bereits in einem unserer ersten Webinare behandelt haben. Lass mich etwas weiter ausholen. Vor einigen Tagen, als ich beim Abendessen war – ja, ich koche auch manchmal -, habe ich den Radiosender SWR3 eingeschaltet, der eine Kurzreportage über Robotik ausstrahlte, insbesondere im Bereich Service-Robotik. In dieser Reportage wurde ein Restaurant erwähnt, das Schwierigkeiten hatte, Mitarbeiter für die Arbeit zu finden. Sie entschieden sich schließlich dazu, zwei verschiedene Arten von Robotern einzustellen, um Getränke an die Tische zu bringen. Das fand ich äußerst spannend, und ich unterbrach mein Kochen, um mir anzuhören, wie ein repräsentativer Sender dieses Thema präsentiert. Ich muss sagen, die Berichterstattung war eher verhalten euphorisch, da die Sorge bestand, dass Roboter Arbeitsplätze ersetzen könnten. Dieser Punkt zeigt, dass es noch erheblichen Informationsbedarf gibt.

Wenn wir die verschiedenen Branchen betrachten, stellen wir fest, dass in der Industrie Robotik bereits weit verbreitet ist. Laut aktuellen Daten der International Federation of Robotics stehen wir weltweit an vierter Stelle in Bezug auf die Anzahl von Industrierobotern pro 10.000 Mitarbeiter. Dies entspricht etwa 371 Robotern. Länder wie SüdkoreaSingapur und Japan stehen an erster Stelle. Deutschland folgt jedoch bereits auf dem Fuß. Woran liegt das? Es liegt nicht daran, dass wir nicht mehr arbeiten wollen, sondern daran, dass viele Unternehmen, nicht nur in der Industrie, Schwierigkeiten haben, qualifiziertes Personal zu finden. Interessante Analysen dazu wurden von der Boston Consulting Group durchgeführt. Laut ihren Erhebungen wird es in den nächsten 10 Jahren, bis 2030, eine Lücke von 5,8 bis 7,7 Millionen fehlenden Arbeitskräften geben. Diese Zahl ist alarmierend, denn in meinen Gesprächen mit Kunden sehe ich, dass es nicht darum geht, Arbeitskräfte zu ersetzen. Der Einsatz von Robotik hat viele Motive, darunter die Erhaltung von Arbeitsplätzen und die Sicherung von Standards, besonders in einfachen Tätigkeitsbereichen. Unser Ziel ist es, diese Ängste abzubauen. In dem von mir erwähnten SWR-Artikel wurde am Ende ein Lied ausgewählt, das zum Thema Robotik passt. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, aber sie wählten Kraftwerk mit “Wir sind die Roboter“. Dieses Lied war in seiner Zeit wegweisend, doch heute vermittelt es keinen positiven Spirit. Es vermittelt eher den Eindruck, dass alles automatisiert wird und der Mensch keine Rolle mehr spielt. Das entspricht jedoch nicht der Realität. Meine Erfahrungen vor Ort bei Kunden bestätigen dies definitiv. Die Erfahrungen sind positiv, aber es ist wichtig, die Menschen rechtzeitig mitzunehmen.

ANDREA SPIEGEL: Ich bin gespannt auf unseren vertiefenden Einblick in dieses Thema, den wir in Kürze geben werden. Vielen Dank für diese Anekdote zu Beginn. Du bist sicherlich nicht der Einzige, der solche Berichte gehört hat, und viele Menschen haben am Ende Fragezeichen. Ich hoffe, dass wir heute einige dieser Ängste klären und ernsthaft diskutieren können.

ANDREA SPIEGEL: Ich glaube, wenn man sich mit dem Thema Robotik beschäftigt, neigt man vielleicht dazu zu sagen: “Ach ja, das ist alles gar nicht so schlimm.” Aber man muss vielleicht wirklich vorne ansetzen und sagen: “Okay, ich verstehe Ihre Angst. Lassen Sie uns mal darauf schauen, woher die kommt und wie man da vielleicht rangehen kann.” Ich hatte bereits im Voraus ein spannendes Webinar von dir gesehen und konnte daraus einige wichtige Erkenntnisse ziehen. Du hast drei wesentliche Szenarien genannt, wie Menschen und Roboter miteinander harmonieren können oder vielleicht auch nicht harmonieren oder koexistieren können. Diese hast du als ReplacementCollaboration und Harmony bezeichnet. Vor allem das Harmony-Szenario fand ich sehr spannend, aber ich würde gerne damit beginnen, dass du diese drei Szenarien beschreibst und dann vielleicht auch erklärst, wo wir uns momentan befinden.

SVEN KALUZA: Okay, fangen wir mal an mit der klassischen Industrierobotik. Das ist das, was wir aus Reportagen kennen, insbesondere im Automobilsektor, wo das schon seit langer Zeit eingesetzt wird. Dort sehen wir Schweißroboter, die ineinandergreifen, arbeiten und Gehäuse fertigstellen oder andere Bestandteile vom Auto zusammenfügen, in einer Orchestrierung, die sehr beeindruckend ist. Vor ungefähr drei oder vier Monaten war ich selbst in München bei BMW. Dort gibt es eine Factory-Besichtigungstour, bei der wir wirklich gesehen haben, wie acht dieser gigantischen Roboter in kürzester Zeit bestimmte Aufgaben erledigen. Das ist natürlich für jemanden, der nicht in der Branche ist, erst einmal erschreckend. Wenn wir von der Industrierobotik sprechen, hatte sie zunächst das Ziel, Arbeitsplätze zu eliminieren, da Roboter automatisieren können, nicht krank werden und gewartet werden müssen. Daher rühren auch diese Ängste.

ANDREA SPIEGEL: Man könnte sagen, es war ursprünglich so gedacht.

SVEN KALUZA: Genau, es war bereits früher so konzipiert. Die Automatisierung zielt darauf ab, Arbeitsplätze abzubauen, und das wird heute noch oft in der klassischen ROI-Berechnung betont, was auch sehr interessant ist. Genau darüber hat Dr. Dold, der mich eingestellt hat, seine Doktorarbeit geschrieben, nämlich darüber, dass man ROI-Berechnungen heute auf eine andere Weise angehen sollte. Es geht darum zu erkennen, wie Unternehmen aufgebaut sind, mit verschiedenen Abteilungen wie ControllingEinkauf und Verkauf, die oft isoliert arbeiten oder sich nicht immer einig sind. Dann erkennen wir, dass diese Abteilungen viel stärker miteinander arbeiten müssen. Es geht nicht nur darum, Kostenstellen hin und her zu verschieben und zu sagen: “Wenn wir so rechnen, belastet es euch, das ist mir dann egal.” Das wird heute oft gemacht, und wir benötigen dringend alternative Denkansätze. Die Industrierobotik, wie wir sie kennen, ist natürlich mit Schutzzäunen ausgestattet. Das ist verständlich, denn kein Mensch darf in diesen Bereich gelangen, da es gesundheitliche Risiken birgt.

ANDREA SPIEGEL: Das könnte man als die Replacement-Situation betrachten. Es gibt einen Roboter, der einen Menschen ersetzt.

SVEN KALUZA: Genau, es handelt sich um die Ersetzung des Menschen. Es wurde jedoch auch erkannt, dass es um die Gesundheit der Mitarbeiter geht. Denn wenn jemand ständig repetitive Arbeiten verrichtet, ist er mit 60 Jahren verschlissen. Daher ist die Automatisierung auch ein Schutz für die Mitarbeiter. Schließlich hat man schon damals erkannt, dass der Mensch das wertvollste Gut im Unternehmen ist. Vor ein oder zwei Jahren habe ich einen beeindruckenden Vortrag gehört, in dem der Referent den Menschen als Maschine erklärt hat. Dabei hat er die Augen, die Ohren, den Mund und unsere Greifwerkzeuge betrachtet und definiert. Sein Fazit war, dass es nicht sinnvoll ist, diese High-End-Technologie dafür zu nutzen, Dinge von A nach B zu bewegen. Ich entschuldige mich für den lauten Ton, aber ich wollte es verdeutlichen. Diese Erkenntnisse haben zu einem Umdenken geführt. Heutzutage ist Industrierobotik jedoch unglaublich teuer. Wir benötigen Programmierer, die jedoch in ausreichender Anzahl nicht verfügbar sind und teuer sind. Das bedeutet, dass kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs), die einen wichtigen Sektor für uns darstellen, sich die Industrierobotik zunächst nicht leisten konnten.

ANDREA SPIEGEL: Ja, sie war sozusagen nicht greifbar.

SVEN KALUZA: Heutzutage sprechen wir jedoch von Modellen wie Robotik as a Service oder Production as a Service, die im Kommen sind, wie Sie sicherlich bereits mitbekommen haben. Es wird jedoch noch einige Zeit dauern. Es gibt bereits einige vielversprechende Ansätze, denke ich. Grundsätzlich ging es darum, in der Industrierobotik Fuß zu fassen, Programmierer zu finden und diese Herausforderungen zu bewältigen.

SVEN KALUZA: Also, das hat sehr gut funktioniert. Wir haben Industrieroboter zu Zigtausenden auf der ganzen Welt im Einsatz. Jetzt kommen wir zum Punkt “Kollaborativ“, und hier gibt es bereits das erste Missverständnis. Interessanterweise – und hier zeigt sich wieder der Unterschied zwischen Marketing und der realen Welt – wenn man sich die Definition von “Kollaborativ” in einem Wiki oder im Duden anschaut, ja, dem guten alten Duden, stellt man fest, dass ein kollaborativer Roboter ein Roboter ist, der gleichzeitig mit dem Menschen arbeitet. Wenn ich kollaboriere, tue ich etwas gleichzeitig. Das bedeutet, wenn wir beide jetzt die Aufgabe hätten, diese Tasse von hier nach dort zu transportieren, dann würden wir das gemeinsam tun. Das ist kollaborativ. Allerdings geschieht das nur in drei bis fünf Prozent der Fälle mittlerweile.

ANDREA SPIEGEL: Es stellt sich auch die Frage, ob das wirklich sinnvoll ist.

SVEN KALUZA: Genau, denn ich ziehe gerne das Beispiel heran: Stell dir vor, du ziehst um und musst gemeinsam mit jemand anderem ein Klavier oder eine schwere Kiste drei Stockwerke hinuntertragen. Das haben wir alle schon zigmal gemacht. Es ist immer interessant zu beobachten, wie wir uns als Partner koordinieren. Eine Person oben, die andere unten, dann geht die eine, dann die andere, einer dreht, der andere schaut. Das ist schon mit zwei Menschen eine Herausforderung. Wie soll das dann erst mit einem Roboter funktionieren? Aber das war egal, denn das Wort “kollaborativ” hat sich einfach durchgesetzt. Irgendwann kamen dann die “Cobots“. Alles ist einfacher und kürzer auf Englisch. Ich muss jedoch an dieser Stelle feststellen, dass, obwohl wir im Marketing nicht konsequent sind, wenn es um “Kollaborativrobotik” geht, es eigentlich “Kooperationsrobotik” ist. Das bedeutet, der Roboter unterstützt den Menschen dabei, einfache Aufgaben zu übernehmen, sodass dieser sich auf seine Hauptaufgaben konzentrieren kann. Dadurch steigern wir auch die Arbeitszufriedenheit. Das funktioniert tatsächlich. Ich habe ein anschauliches Beispiel: Stell dir einen Karton vor, einen Karton, der aus zwei Teilen besteht, die miteinander verbunden werden müssen. Normalerweise kann das nur einmal gemacht werden. Aber dann fügt man es erneut zusammen, drückt es zusammen, und es passt nicht mehr richtig. Tatsächlich haben wir eine Anwendung mit einem Cobot entwickelt, wie ich ihn jetzt nenne, es ist auch kürzer. In dieser Anwendung sollte ein Produkt in den unteren Teil des Kartons eingelegt werden. Das Problem war, dass die Mitarbeiter anschließend den oberen Teil aufsetzen mussten, was sehr viel Zeit in Anspruch nahm. Was haben wir getan? Wir haben diesen Cobot hinzugezogen, ihn auf die andere Seite gestellt, ungefähr in der Entfernung, in der wir jetzt stehen. Der Cobot fügt die Teile präzise und millimetergenau zusammen, legt das Produkt hinein und setzt den Deckel auf. Dann fährt er fort. Die Mitarbeiterin platziert die Produkte und der Roboter setzt den Deckel auf. Das war eine unglaubliche Arbeitserleichterung.

Kollaborativ ist jedoch auch aus einem anderen wichtigen Grund relevant, denn Sicherheit hat für uns alle hohe Priorität. Wir müssen die Sicherheit unserer Mitarbeiter gewährleisten. Wie machen wir das? In Deutschland sind wir bekannt für die vielen NormenVorschriften und technischen Richtlinien, die wir haben. Das ist wichtig und wird ständig überarbeitet, wie ein kleiner Ausflug zeigen kann. Ich hatte einmal das Vergnügen, einen Rechtsanwalt zu hören, der sich mit solchen Fällen befasst und das Thema aus rechtlicher Sicht beleuchtet hat. Er betonte klar, dass auch Arbeitnehmer eine gewisse Sorgfaltspflicht haben. Das bedeutet, man kann nicht immer davon ausgehen, dass man sofort eine hohe Entschädigung erhält, wenn man von einem Roboter berührt oder getroffen wird. Es ist eine wechselseitige Verantwortung, die manchmal berücksichtigt werden muss.

Die Idee eines kollaborativen Roboters besteht darin, dass wir auf Schutzzäune verzichten können und sie einfach konfigurieren und programmieren können. Dies können wir mit dem von dir erwähnten OMRON-TM-Cobot hervorragend gewährleisten. Stell dir vor, es gibt bestimmte Organisationen, die Grenzwerte festlegen, wie stark ein Roboter einen Menschen berühren darf, ohne eine Verletzung oder nur eine geringfügige Verletzung zu verursachen. Wir haben bereits in unserer Software ein System entwickelt, das diese Grenzwerte automatisch festlegt. Zum Beispiel, wenn wir wissen, dass in einer Anwendung, in der wir eine Tasse von A nach B bewegen, bestimmte Anforderungen erfüllt werden müssen. Es kann jedoch im gesamten Prozess, weil der Roboter in der Nähe ist, dazu kommen, dass maximal die Hand berührt wird. Für die Hand haben wir bereits einen bestimmten Druck festgelegt, den sie aushalten kann, da sie nachgibt, wenn sie berührt wird. Das ist ähnlich wie bei einer leichten Berührung. Dieser Druck ist bei uns automatisch voreingestellt, sodass die Kunden sich darüber keine Gedanken machen müssen. Auf diese Weise erleichtern wir den Einstieg in das Thema.

Wenn ein kollaborativer Roboter startet, hat er auch eine maximale Höchstgeschwindigkeit. Das bedeutet, wenn wir uns beispielsweise mit 1,1 Metern pro Sekunde bewegen, dürfen wir das tun, vorausgesetzt, alles ist sicher. Wir können auch zusätzliche Sicherheitsfunktionen implementieren, um sicherzustellen, dass der Roboter beispielsweise langsamer wird, wenn ein Mitarbeiter in seinen Arbeitsbereich tritt, aber dennoch weiterarbeitet. Das ist die Grundidee bei kollaborativen Robotern. Allein über dieses Thema könnte man stundenlang sprechen.

SVEN KALUZA: Jetzt machen wir einen Schwenk zu Harmony. Lassen Sie uns in das Herz dieses Themas eintauchen, denn ich glaube, auf unserer Präsentationsfolie sehen Sie sogar ein Herzsymbol. Was bedeutet Harmony? Für mich ist Harmony auch eine Art Inspiration. Das bedeutet, wie kann ein Roboter mich inspirieren? Natürlich sehen wir heutzutage viel von Virtual Reality (VR), wo wir durch virtuelle Realität in völlig neue Welten eintauchen können, was zweifellos inspirierend ist. Aber wenn wir diese Inspiration auf etwas Mechanisches wie einen Roboter übertragen möchten, hat OMRON tatsächlich ein Produkt entwickelt, das wir nicht verkaufen, aber gerne auf Messen vorstellen, wie beispielsweise auf der Hannover Messe, die für uns immer noch eine Leitmesse ist.

Dieses Produkt trägt den klangvollen Namen “Forfois“. Klingt ein wenig nach griechischer Mythologie, nicht wahr? Es ist tatsächlich ein sehr mysteriöses Gerät, aber äußerst faszinierend. Forfois ist ein Tischtennisroboter, der seit über zehn Jahren existiert und kontinuierlich weiterentwickelt wird. Ich selbst hatte vor drei Jahren auf der letzten Hannover Messe die Gelegenheit, nicht gegen ihn, sondern mit ihm zu spielen. Und hier liegt der Schlüssel: Forfois ist sozusagen unsere Vision davon, wie Robotik inspirieren kann.

Was Forfois tatsächlich tut, ist, dass er uns dabei hilft, besser zu werden. Und hier beginnt die InspirationForfois ist ein komplexer Roboter, der aus einem Delta-Roboter mit vielen Armen und umfangreicher Sensorik und Kameratechnik besteht. Wenn wir gegen Forfois spielen, motiviert er uns dazu, besser zu spielen. Das bedeutet, in Forfois steckt nicht nur Technologie, sondern auch Visualisierung und Motivation. Auf dem Netz, ähnlich wie bei dieser Glasscheibe hier, befindet sich ein kompletter Bildschirm. Jedes Mal, wenn du einen guten Schlag machst oder geschickt spielst, erscheint eine motivierende Nachricht wie “Toll gespielt” oder “Deine Fähigkeiten verbessern sich”, die auf dem Bildschirm angezeigt wird.

ANDREA SPIEGEL: Wie reagiert er, wenn man einen kräftigen Schmetterball spielt?

SVEN KALUZA: Er gibt Vollgas, er nimmt die Herausforderung an. Es ist wirklich erstaunlich. Zwei Beispiele: Wir hatten Dimitri Ovcharov, einen bekannten Tischtennisspieler, der sogar schon die Weltrangliste angeführt hat. Wir haben ihn eingeladen und gesagt: “Komm zu uns, Dimitri, du musst gegen Forfois spielen.” Er war begeistert und hat sich der Herausforderung gestellt. Es gibt sogar ein großartiges YouTube-Video, in dem er gegen Forfois spielt und beeindruckt ist. Ein weiteres Beispiel war “Table Tennis Dan“, ein YouTuber, der sich ausschließlich mit Tischtennis beschäftigt und selbst ziemlich gut spielt. Auch er hat gegen Forfois gespielt und war beeindruckt.

Was wir damit zeigen wollen, ist, dass OMRON einen visionären Blick in die Zukunft hat. Wir sind Pioniere auf diesem Gebiet und es ist ähnlich wie in der Formel 1, wo gewisse Technologien später in Serienprodukte integriert werden. Ein Beispiel dafür ist das Schlagwort “Künstliche Intelligenz” (KI), das bei Forfois natürlich eine Rolle spielt. Forfois lernt dazu. Ich habe selbst drei Spiele gegen ihn gemacht, nicht in Form eines Matches, sondern zum Lernen. Dabei habe ich bemerkt, wie er sich von Mal zu Mal anpasst und sich die gesammelten Daten merkt, da er Gesichter erkennt und beim nächsten Mal weiß, wer vor ihm steht.

ANDREA SPIEGEL: Er erinnert sich also daran, wie du gespielt hast.

SVEN KALUZA: Genau, er erinnert sich. Das ist wirklich beeindruckend. Wir haben ein Team von zehn Kollegen aus Japan, die sich ausschließlich damit beschäftigen, Forfois durch die Welt zu begleiten und ihn weiterzuentwickeln. Das ist momentan aufgrund der Reisebeschränkungen etwas schwierig, aber eigentlich war die sechste Generation bereits in Vorbereitung, und wir alle haben uns darauf gefreut. Forfois ist definitiv ein Publikumsmagnet, denn jeder möchte einmal gegen ihn spielen. Das sind also die drei Bereiche, die du angesprochen hast. In diesen Bereichen wird Robotik schließlich zur Harmonie, und ich denke, dass wir erst am Anfang dieses spannenden Weges stehen. Wenn wir die Furcht vor Robotik und vor dem Unbekannten verlieren – etwas, das menschlich ist – dann eröffnen sich uns großartige Möglichkeiten. Definitiv.

ANDREA SPIEGEL: Du hast bereits zuvor immer wieder dieses Spannungsfeld angesprochen. Es ist klar, dass wir bestimmte Arbeitskräfte benötigen, die möglicherweise derzeit nicht verfügbar sind oder in Zukunft noch knapper werden. Die Kluft zwischen dem Bedarf und den verfügbaren Arbeitskräften wird also immer größer, was zu Herausforderungen führen wird. Ein weiteres Learning, das ich hier gewinne, ist die Erkenntnis, dass Roboter nicht nur für Tischtennis oder die Zusammenarbeit in Harmonie geeignet sind, sondern schlichtweg unverzichtbar werden. Kann ich das so sagen?

SVEN KALUZA: Absolut.

ANDREA SPIEGEL: Es gibt auch andere Faktoren, die in diese Entwicklung hineinspielen, wie beispielsweise Umwelteinflüsse, die die Industrie in gewisser Weise unter Druck setzen und verhindern, dass wir bestimmte Dinge so weitermachen können wie in den letzten Jahren. Neue Technologien wie KI, von denen du bereits gesprochen hast, spielen nicht nur in der Robotik, sondern auch im Bereich Software und Lernen eine wichtige Rolle.

Kannst du bitte noch einmal zusammenfassen, was du bereits erwähnt hast? Wo siehst du heute schon den Bedarf an Robotern und wo werden wir in Zukunft noch mehr auf sie angewiesen sein?

SVEN KALUZA: Lass es mich so ausdrücken: Roboter sind bereits weit verbreitet in der Industrie, wie wir wissen. Der Mangel an Arbeitskräften nimmt zu, und wir können sicher sagen, dass dies so bleiben wird. Wenn wir nun sehen, dass Unternehmen in diesem Spannungsfeld agieren, das du angesprochen hast – also die Schnittstelle zwischen ÖkologieÖkonomieNachhaltigkeitUmwelt und Gesellschaft sowie den technologischen Fortschritten wie IoTkünstliche IntelligenzRobotik usw. – dann wird deutlich, dass es für Hersteller eine aufregende Herausforderung ist. Das Drehen an einem Rädchen beeinflusst alle anderen Rädchen. Wir als Verbraucher entwickeln uns ebenfalls weiter.

Beispielsweise haben wir heute vielfältigere Einkaufsgewohnheiten. Ich selbst habe vor kurzem eine neue Sichtweise auf das Einkaufen entwickelt. Lebensmitteleinkäufe, die früher von über 90 Prozent der Gesellschaft auf die herkömmliche Art getätigt wurden – also Auto packen, Kinder einladen, Kisten kaufen – haben sich geändert. Dank unseres Thermomix mit einer Cookie-Do-App bestellen wir nun Lebensmittel über das Internet. Wir haben Zugang zu Rezepten und erstellen im Voraus eine Einkaufsliste, die automatisch in die REWE-App importiert wird. Dann ergänzen wir sie um fehlende Artikel, und der Lieferdienst bringt alles direkt zu uns nach Hause. Das ist nachhaltig, reduziert Autofahrten und ermöglicht individuelle Auswahl. Es spart außerdem eine Menge Zeit. Wir Menschen ändern unser Verhalten, weil wir ungeduldiger werden und höhere Ansprüche haben. Wir wollen individualisiert werden.

Ein weiteres Beispiel: Viele Kinder haben heute ihre Namen auf ihren Turnschuhen eingestickt. Dies können wir bei Nike bestellen, und sogar die Farben können wir wählen. Es ist ähnlich bei Apple Store-Warteschlangen oder dem Kauf des neuesten Handy-Modells – wir möchten immer die neueste Technologie haben. Die jüngere Generation fordert sich ständig heraus. In der Industrie benötigen Unternehmen Lösungen für diese Anforderungen.

ANDREA SPIEGEL: Sie müssen darauf reagieren.

SVEN KALUZA: Früher konnte ich eine komplette Fertigungszelle haben, in die ich Rohstoffe einsetzte und am Ende kam ein fertiges Produkt heraus, das verkauft wurde. Das funktioniert heute nicht mehr. Nehmen wir zum Beispiel die Eisproduktion. Früher gab es Standardprodukte, die in Großpackungen verkauft wurden. Heute möchten Kunden jedoch individuellere Optionen. Sie möchten nicht acht Packungen mit Knoblauch-Nuss-Eis, sondern vier davon und dazu zwei Packungen Vanille-Senf-Eis. Dies stellt die Produktion vor Herausforderungen.

In der heutigen Produktionswelt ist es schwierig, damit umzugehen. Hier kann Robotik eine wichtige Rolle spielen. Heutzutage werden solche Produkte oft in ein anderes Land verschifft, wo sie aus den Großpackungen genommen, einzeln verpackt und dann erneut verschickt werden. Das ist weder nachhaltig noch umweltfreundlichProduktionensuchen ständig nach Lösungen, wie sie mit dieser wachsenden Nachfrage nach Individualität umgehen können. Und das Ganze muss auch wirtschaftlich sein. Das sind alles Beispiele aus meiner eigenen Erfahrung, bei denen ich denke, dass wir dranbleiben müssen. Hier kann Robotik und Automatisierung eine große Rolle spielen.

Ein weiteres Beispiel ist die Maschinenbedienung, bei der Roboter eingesetzt werden können. Stellen Sie sich vor, es gibt viele Unternehmen, die Bauteile herstellen, unabhängig von der Branche. Diese Bauteile werden geschnittengestanzt und bearbeitet. Dies wird als “Machine Tending” bezeichnet. In vielen Fällen arbeitet ein Mitarbeiter mit einer Maschine, möglicherweise an einem abgelegenen Ort. Hier kommen kollaborative Roboter ins Spiel, die die Maschine bedienen und die Arbeit erleichtern können. Früher war dies nicht möglich, aber heute können Robotik und Automatisierung dazu beitragen, die Produktion effizienter und flexibler zu gestalten. Dies sichert Arbeitsplätze und ermöglicht eine bessere Work-Life-Balance für die Mitarbeiter in der Produktion.

ANDREA SPIEGEL: Eine großartige Ergänzung zur menschlichen Arbeit.

SVEN KALUZA: Genau, und die Zusammenarbeit ist entscheidend.

ANDREA SPIEGEL: In unserem Podcast geht es unter anderem auch um Industrie 4.0. Oft dreht sich das Thema um Digitalisierung, wie du bereits erwähnt hast. Durch diese Digitalisierung können wir Menschen von nicht wertschöpfenden Tätigkeiten, wie beispielsweise das Verschieben einer Tasse von A nach B, hin zu wertschöpfenden Tätigkeiten umschulen oder umwandeln. Die Frage, die sich viele stellen, ist, welche neuen wertschöpfenden Tätigkeiten entstehen, wenn mein bisheriger Job, nämlich das Verschieben von Tassen, nun von einem Roboter erledigt wird?

SVEN KALUZA: Das ist eine ausgezeichnete Frage. Einer der Hauptaspekte, der dabei ins Spiel kommt, ist die Verwendung der freigesetzten Arbeitskraft. Es gibt verschiedene Antworten auf diese Frage. Betrachten wir beispielsweise die Industrierobotik, von der ich zuvor gesprochen habe. Es ist klar, dass nicht jeder, der zuvor Aufgaben von A nach B erledigt hat, plötzlich in der Lage ist, diese Arbeit zu übernehmen. Wir wissen alle, dass dies nicht funktioniert. Die Technologien, insbesondere in der kollaborativen, schutzzaunfreien Robotik, werden immer benutzerfreundlicher.

So, wie ich zuvor beschrieben habe, wie einfach es ist, einem Cobot über eine grafische Benutzeroberfläche beizubringen, was er tun soll. Oder vielleicht erinnerst du dich an das Gespräch, das wir vor der Aufnahme geführt haben. Eine Firma hat eine VR-basierte Lösung entwickelt, um repetitive Aufgaben zu automatisieren. Zum Beispiel das Auftragen eines Kleberandes oben auf einer Tasse. Früher musste ein Mitarbeiter dies neun Stunden lang manuell erledigen, was zu gesundheitlichen Problemen führen konnte.

Nun suchen wir nach Möglichkeiten, diese Aufgabe zu automatisieren. Ich bin sicher, dass die meisten Mitarbeiter, die zuvor diese Aufgabe erledigt haben, in der Lage sind, sie mit einem VR-System zu simulieren. Dabei werden Sensoren verwendet, um eine Referenzbewegung durchzuführen. Diese Bewegung wird in die Software übertragen, an den Roboter gesendet, und dann wird der Roboter programmiert, die Aufgabe zu erledigen. Die Mitarbeiter können dies problemlos selbst tun. Viele Mitarbeiter, die anfangs skeptisch waren, haben festgestellt, wie einfach es ist, Roboter zu konfigurieren, und sind stolz darauf, mit Robotern zu arbeiten.

Diese freigesetzten Arbeitskräfte können daher für die Konfiguration von Robotern, insbesondere bei Cobots, eingesetzt werden. Dies kann ihnen Spaß machen. Ein weiteres Beispiel ist die Mobilrobotik, auf die wir noch eingehen werden. In einer Werkzeugmaschinenfabrik gab es Mitarbeiter, deren Hauptaufgabe darin bestand, Dinge von A nach B an einem bestimmten Arbeitsplatz zu transportieren und zu stapeln. Der Chef bemerkte, dass dieser Mitarbeiter oft abwesend war und im Lager arbeitete. Als wir einen mobilen Roboter einführten, um diese Aufgabe zu übernehmen, verbesserte sich die Effizienz erheblich. Der Mitarbeiter war erleichtert, nicht mehr ständig ins Lager gehen zu müssen.

ANDREA SPIEGEL: Endlich nicht mehr ins Lager laufen.

SVEN KALUZA: Ganz ehrlich, wer macht das schon gerne? Wenn ich verantwortlich dafür bin, dass der Roboter seine Arbeit erledigt und Anpassungen vornehmen kann, wenn nötig, dann ist das eine enorme Erleichterung. Es erfordert kein IT-Studium, das versichere ich. Daher denke ich, je einfacher die Systeme werden, desto eher sind die Mitarbeiter bereit, sie zu nutzen. Wir haben genügend Beispiele von Kolleginnen vor Ort, die dies bestätigen. Es war wirklich eine Erleichterung. Es passt.

ANDREA SPIEGEL: Jetzt sagen sie das natürlich im Nachhinein. Wenn sie bereits mit Robotern arbeiten, können sie das jetzt nachvollziehen. Ich möchte noch einmal auf die anfängliche Angst eingehen, die wir hatten, als der Chef oder das Unternehmen ein Digitalisierungsprojekt starten wollte und ankündigte, dass eine Menge Roboter angeschafft werden sollten, um Lager- oder Materialbewegungen zu automatisieren. Die Mitarbeiter sollten dann andere Aufgaben übernehmen. Es gibt Unsicherheiten darüber, wie man die Mitarbeiter in diesen Prozess einbinden kann. In den vorherigen Folgen haben wir betont, wie wichtig es ist, die Mitarbeiter von Anfang an einzubeziehen. Ich stelle mir vor, dass dies im Bereich der Robotik noch wichtiger ist, da die Technologie das Gefühl der Ersetzbarkeit hervorrufen kann. Mitarbeiter könnten sich fragen, ob sie ihren Job verlieren werden oder ob sie sich umorientieren müssen. Wie geht man damit um?

SVEN KALUZA: Das wichtigste Wort, das du bereits genannt hast, ist “einbeziehen”. Wir erleben oft, dass solche Projekte, im schlimmsten Fall, von oben nach unten entschieden werden. Dies wird oft als “Top-Down” bezeichnet. Das Management entscheidet, dass Roboter benötigt werden, um die Digitalisierung voranzutreiben. Dies kann großartig klingen, da es zur Digitalisierung beiträgt und einen positiven ROI verspricht.

Jedoch beginnen die Schwierigkeiten oft, wenn diese Entscheidung auf die Mitarbeiter heruntergebrochen wird. Wir haben bereits Fälle erlebt, in denen Mitarbeiter absichtlich Störungen in Roboterprozessen verursacht haben, beispielsweise indem sie Werkzeuge in die Roboter steckten. Deshalb betonen wir bei Gesprächen mit Kunden und Partnern, dass es entscheidend ist, die Mitarbeiter frühzeitig einzubeziehen. Das “Onboarding” der Mitarbeiter ist von großer Bedeutung.

ANDREA SPIEGEL: Wie kann man das verkaufen?

SVEN KALUZA: Genau. Ein entscheidender Schritt besteht darin, frühzeitig praktische Erfahrungen zu ermöglichen. Zum Beispiel hatten wir einen Kunden, der 12 bis 13 Roboter in seiner Endausbaustufe einsetzen wollte. Wir haben gefragt, wie viele Mitarbeiter er hat und ob sie eine Kantine haben. Die Lösung bestand darin, einen Roboter in die Kantine zu stellen. Dadurch wurden die Mitarbeiter mit der Technologie vertraut. Jeder hatte die Gelegenheit, den Roboter zu sehen und darüber zu sprechen. Es ist wichtig sicherzustellen, dass die Mitarbeiter die Technologie nicht nur zufällig kennenlernen, sondern dass dies gezielt und geplant geschieht.

Die Mitarbeiter sind klug. Wir sollten nicht davon ausgehen, dass sie nur an ihrem Gehalt interessiert sind und faul sind. Menschen möchten sich weiterentwickeln. Es ist stolz darauf, wenn sie ihren Freunden und Familie erzählen können, dass sie mit Robotern arbeiten. Bei größeren Unternehmen ist die Einbindung des Betriebsrats entscheidend. Betriebsräte haben oft Bedenken, aber sie handeln im Interesse der Mitarbeiter. Daher ist es wichtig, sie einzubeziehen und ihnen zu zeigen, wie diese Technologie den Standort sichern kann. Ein guter Ansatz ist die Verwendung des MRK-Leitfadens (Mensch-Roboter-Kollaboration) für Betriebsräte, der von der Universität Bochum entwickelt wurde. Dieser Leitfaden kann dabei helfen, den Betriebsrat an der richtigen Stelle abzuholen und die Akzeptanz für die Technologie zu fördern.

SVEN KALUZA: Und ich möchte gerne noch etwas zur Sicherheit der Mitarbeiter hinzufügen. Schauen wir uns an, was derzeit passiert. Wir möchten nicht mehr über Corona sprechen, da es sehr frustrierend ist. Ich habe ein klassisches und beeindruckendes Beispiel für eine neue Produktentwicklung, die gerade Fahrt aufnimmt. Es handelt sich um Desinfektionsroboter. Basierend auf unserer Mobilroboter-Plattform haben wir in Zusammenarbeit mit einem Partner einen UVC-basierten Desinfektionsroboter entwickelt, der jetzt auf dem Markt ist. Stellen Sie sich vor, wenn dieser Roboter einen Raum betritt, kann er diesen innerhalb von 10 bis 20 Minuten, abhängig von der Raumgröße, zu 99,9% von VirenBakterien und multiresistenten Keimen befreien. Dies ist ein drängendes Problem, das nicht nur durch Corona verursacht wird, sondern schon lange besteht.

ANDREA SPIEGEL: Besonders in Krankenhäusern.

SVEN KALUZA: Ja, vor allem in Krankenhäusern. Viele von uns kennen Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, sei es als Krankenschwestern oder Pfleger. Was müssen sie tun, um sicherzustellen, dass die Umgebung sauber ist? Aktuell verwenden sie alkoholbasierte Lösungen für die Wischdesinfektion. Aber oft fehlt die Zeit und die richtige Schutzausrüstung, was ernsthafte gesundheitliche Risiken mit sich bringt. Das ist ein Problem, das mich persönlich betrifft.

Wir sind in einer Branche, die sich um die Gesundheit von Menschen kümmert, und es ist frustrierend zu sehen, dass die Mitarbeiter sich gesundheitlichen Risiken aussetzen müssen, obwohl es eine bessere Lösung gibt. Der Desinfektionsroboter erledigt diese Aufgabe automatisch und effizient. Meine Herausforderung besteht darin, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass wir die Pflegekräfte von solchen Aufgaben entlasten sollten.

ANDREA SPIEGEL: Damit sie sich auf die Betreuung der Patienten konzentrieren können.

SVEN KALUZA: Genau. Es geht darum, die richtige Balance zwischen Mensch und Maschine zu finden und eine harmonische Zusammenarbeit zu ermöglichen. Der Roboter kann Aufgaben erledigen, die erheblich effizienter sind. Das sind Momente, in denen der Erfindergeist und innovative Produkte wirklich wichtig sind. Wenn wir zeigen, wie diese Technologie helfen kann, erhalten wir eine positive Resonanz.

Es wird natürlich eine gewisse Zeit dauern, bis dies in Deutschland akzeptiert wird, insbesondere in Krankenhäusern, wo es viele Herausforderungen gibt. Aber wenn wir das Richtige tun, können wir einen bedeutenden Fortschritt erzielen und die Arbeitsbedingungen verbessern. Ein sehr schönes Beispiel.

ANDREA SPIEGEL: Sehr interessant, auf jeden Fall. Sie haben bereits viele überzeugende Argumente genannt, die zeigen, dass wir keine Angst vor Robotik haben müssen. Es ist vielmehr notwendig, sie zu verstehen und einzusetzen, um die Effizienz zu steigern und mehr Zeit für Patienten zu haben. Derzeit gibt es viele Schwierigkeiten und Herausforderungen. Als abschließende Frage möchte ich Ihnen die Möglichkeit geben, eine Botschaft an diejenigen zu richten, die immer noch zögern und sagen, “Ja, aber…”. Was möchten Sie ihnen sagen?

SVEN KALUZA: Ja, es wird immer Menschen geben, die Bedenken haben, das ist normal. Wenn jemand “Ja, aber…” sagt, müssen wir ihn an einer bestimmten Stelle abholen. Wenn Sie mich konkret danach fragen, würde ich einfach sagen: Bleiben Sie neugierig und offen. Wir befinden uns noch in einem ständigen Lernprozess. Ich habe es genossen, in diese Branche zu wechseln und Neues zu entdecken. Es hält den Geist lebendig. Bleiben Sie neugierig und offen. Je mehr Sie sich diesen Themen öffnen, desto weniger werden Sie das Gefühl haben, dass Sie ein “Virus” im System sind. Das ist meiner Meinung nach äußerst wichtig.

Wenn Sie sich informieren, mit Experten sprechen und Ihr eigenes Verständnis entwickeln, wird die Robotik weniger beängstigend. Wir können uns in drei Jahren wieder treffen und sagen: “Erinnerst du dich noch, damals?” Und dann werden wir vielleicht sehen, wie sich die Dinge entwickelt haben.

ANDREA SPIEGEL: Als wir versuchten, die Menschen zu überzeugen.

SVEN KALUZA: Genau, so würde ich es angehen. Dann können wir im Dialog sehen, wie die Reaktionen sind. Wir werden nie jeden überzeugen können, aber wir müssen die Befürworter und Unterstützer der Robotik finden, denn sie können dazu beitragen, Zweifel auszuräumen und die Akzeptanz zu fördern.

ANDREA SPIEGEL: Wir hoffen, dass wir mit dieser Podcast-Folge einen Schritt in die richtige Richtung gemacht haben und vielen Menschen Einblick in das Thema Robotik gegeben haben. Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Vielen Dank, Sven, dass du deine Zeit mit uns geteilt hast.

SVEN KALUZA: Sehr gerne, hat mir viel Spaß gemacht. Hoffentlich konnten wir inspirieren.

ANDREA SPIEGEL: Das hoffen wir auch. Wir haben bereits zu Beginn erwähnt, dass wir direkt im Anschluss eine zweite Folge für Sie aufnehmen werden, die Sie in Kürze hören und sehen können. Wenn Sie weitere Fragen zu diesem Thema haben, stehen wir euch gerne zur Verfügung. Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast. Bis zum nächsten Mal. Machts gut.

Welche Idee steckt hinter der Multikommissionierung in der Lagerlogistik?

„Die Idee bei der Multikommissionierung ist auch da, eben solche Leerfahrten, Leerwege, egal ob jemand läuft oder eben fährt, zu vermeiden.“

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