ANDREA SPIEGEL: Du hast vorhin schon ein bisschen verraten, also vor der Einführung von so einem Projekt, von so einer Lösung. Wenn ich mir jetzt sage, okay, ich bin vielleicht in der Situation, dass ich eine neue Lösung brauche und Digitalisierung scheint mir der richtige Weg. Du hast gesagt, es geht so ein bisschen darum, was mein Use Case ist oder mein Ziel ist, was möchte ich verbessern. Worauf kann ich noch achten, wenn ich mir so etwas überlege? Also was muss ich nachher haben, damit ich so eine Lösung, eine digitale Softwarelösung oder wie auch immer, einführen kann und sie dann auch richtig nutzen kann?
MARC RUPPERT: Ich brauche einfach die entsprechenden Voraussetzungen, sprich, ich brauche Prozesse, und die können alle noch auf Papier sein. Es geht gar nicht darum, dass ich schon zehn verschiedene Vorstufen der Digitalisierung haben muss.
ANDREA SPIEGEL: Am besten zehn Insellösungen, alles eins in der Software, die irgendwie miteinander…
MARC RUPPERT: Genau. Also wie gesagt, ich brauche ein klares Bild, wohin ich möchte. Das ist definitiv für jedes Projekt, denke ich, das Wichtigste. Sobald ich das weiß, kann ich mir überlegen, wie komme ich dorthin, welche Schritte sind notwendig, und dann habe ich eben die Möglichkeit zu sagen, ich fange jetzt einfach mal an, ich hole die Leute ab, ich mache die entsprechenden Workshops intern, um die Anforderungen auch sauber und klar zu definieren. Dann kann ich mich auf dem Markt umschauen, kann sagen, was könnte denn da passen, und dann würde ich sagen, mit anderen reden hilft da am meisten. Also wirklich, früher waren es die Messen, heute ist es das Internet.
ANDREA SPIEGEL: Heute ist das Internet.
MARC RUPPERT: Aber wie gesagt, auch die Messen, die Vor-Ort-Messen, haben ihren Zweck. Und ich vermisse das manchmal auch, wenn ich mich informieren möchte, weil man geht auf die Messe und dann hört man die Hersteller, die einem natürlich unglaublich tolle Sachen erzählen, wie man das machen kann und warum es immer funktioniert. Aber es ist eben nicht so, dass jede Software für jedes Unternehmen, für jedes Problem funktioniert.
Und da waren die Messen für mich immer ein großes Hilfsmittel, weil dort habe ich Leute getroffen, die die gleichen Anforderungen hatten. Mit denen konnte man mal sprechen, eventuell hat man sich abends im Hotel getroffen, auf ein Bier und hat dann seine Erfahrungen teilen können.
ANDREA SPIEGEL: Eine gemütliche Runde.
MARC RUPPERT: Genau. Und das wäre der Ausgangspunkt, um wirklich herauszufinden, was brauche ich, was gibt es, um dann bewusst klein anzufangen. Eben nicht die eierlegende Wollmilchsau und wir fangen jetzt an und es wird vom ERP-System mit allen Daten direkt in das System reingeblasen, dann sind die Techniker völlig überrumpelt mit einer neuen Software.
Das macht keinen Sinn, sondern wirklich die Leute von Anfang an abzuholen, auch die Techniker mit einzubeziehen, ihre Anforderungen aufzunehmen, zu zeigen, warum so eine Lösung einen Mehrwert bietet. Denn die Leute, die damit arbeiten, diese Stakeholder, entscheiden über den Erfolg des Projekts und nicht irgendwelche Funktionen, die eine Software verspricht.
ANDREA SPIEGEL: Die auf dem Papier gut vorgerechnet wurden.
MARC RUPPERT: Ja, genau. Oder auch manche Funktionalitäten, die auf den ersten Blick unglaublich wichtig erscheinen, weil die Prozesse schon immer so gemacht wurden. Aber nur, weil es schon immer so gemacht wurde, heißt das nicht, dass es auch wirklich das Allerbeste ist. Wenn ich mit einem tollen Prozess, den ich seit zehn Jahren lebe, bei dem meine Techniker vielleicht auch unzufrieden sind, eine Software einführe, die das dann einfach nur nochmal digital abbildet, dann habe ich keinen Mehrwert geschaffen. Wenn ich aber überlege, ich führe so ein System ein und verstehe als Entscheider, wo eigentlich die Probleme der Disponenten, der Techniker usw. liegen, dann kann ich den richtigen Weg gehen. Dann macht es wirklich Sinn.
ANDREA SPIEGEL: Also nichts ohne mein Team, sozusagen.
MARC RUPPERT: Definitiv. Also ich verändere die Arbeit meines Teams, und dann muss ich sie mitnehmen. Ich kann nicht einfach von oben herab sagen, “Wir machen das ab jetzt so.” Die Zeiten sind vorbei, die Leute haben keine Lust mehr dazu, und der Arbeitsmarkt gibt das nicht mehr her. Wenn ich sie so überrumple und das mehrfach passiert, dann muss ich auch damit rechnen, dass der eine oder andere sagt, “Es gibt auch noch andere Firmen, die mich auch ordentlich bezahlen, und da gibt es vielleicht bessere Prozesse.” Und dann muss man auch mit solchen Wechseln leben und rechnen. Und das möchte man ja gerade vermeiden.