#81 Service Excellence mit Simon Tonat von der ServiceLobby RT GmbH

Podcast Industrie 4.0 | Der Expertentalk für den Mittelstand

Guten Kundenservice kann jeder – heutzutage braucht es ein exzellentes Kundenerlebnis! Und rein zufällig haben wir in unserer heutigen Podcast-Folge einen echten Experten für dieses Thema…

Simon Tonat, Managing Director Consulting & Advisory bei der ServiceLobby RT GmbH, stellt sich den Fragen von Andrea Spiegel. Allen voran, was man unter Service Excellence überhaupt versteht und was die Ziele dahinter sind. Dass hinter dem Begriff mehr als nur hochtrabender Marketingspruch steckt sollte klar sein – was genau und vor allem WIE das umzusetzen ist erfährst du, wenn du in die Podcast-Folge hineinspringst – also sprungbereit machen und die Podcastapp starten!

Das Transkript zur Podcast-Folge: Service Excellence

ANDREA SPIEGEL: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Industrie 4.0, dem Experten-Talk für den Mittelstand. Wenn ihr schon immer mal wissen wolltet, wie ihr aus einem guten Kundenservice ein exzellentes Kundenerlebnis macht, dann ist die heutige Podcast-Folge genau die richtige für euch. Ihr kennt ihn vielleicht schon, meinen heutigen Gast: Bei mir ist Simon Tonat. Er ist Geschäftsführer und Gründer der Service Lobby GmbH. Schön, dass du heute da bist.
SIMON TONAT: Ja, ich freue mich.
ANDREA SPIEGEL: Wie immer an der Stelle für euch nochmal ganz kurz der Hinweis: Auch die Folge gibt es wieder bei YouTube als Video zu sehen. Schaut da gerne mal vorbei. Simon, es haben vielleicht nicht alle die erste Folge gehört. Falls nicht, gerne nochmal reinschauen. Ansonsten kannst du uns nochmal kurz erzählen: Wer bist du, was machst du bei Service Lobby genau und was macht ihr eigentlich?

SIMON TONAT: Genau, ich bin Gründer und Geschäftsführer der Service Lobby. Wir sind eine Boutique-Beratung, fokussiert auf Service und Aftersales. Dabei decken wir von A bis Z alles ab – von der Strategie-Definition über Digitalisierungs-Initiativen bis hin zur Unterstützung bei den Operations und Prozess-Themen. Ich habe davor zwölf Jahre in der Industrie gearbeitet und bin jetzt mittlerweile seit sechs Jahren in der Beratung – vier Jahre bei Roland Berger und jetzt seit knapp zwei Jahren unter eigener Flagge.
ANDREA SPIEGEL: Unter eigener Führung sozusagen, sehr gut. Du weißt ja schon aus unserer ersten Folge, es gibt immer so eine kleine Frage zum Kennenlernen. Für die Folge habe ich mir natürlich noch etwas anderes überlegt und zwar würde mich interessieren: Wie sieht für dich ein perfekter Tag aus?
SIMON TONAT: Ein perfekter Tag? Okay, da hast du mich jetzt ein bisschen kalt erwischt.
ANDREA SPIEGEL: Dann einfach aus dem Bauch raus.
SIMON TONATPerfekter Tag. Also ich kann auf jeden Fall mal ausschlafen. Das war bei mir früher mal bis 13 Uhr.
ANDREA SPIEGEL: Also eher eine Eule und keine Lerche.
SIMON TONAT: Nee, nee, es hat sich geändert. Wir haben jetzt Kinder, und es hat sich massiv geändert. Ausschlafenist jetzt bei mir tatsächlich bis um neun. Dann würde ich tatsächlich gern ein bisschen rausgehen, ein bisschen an die frische Luft. Ich frühstücke nicht wirklich und dann, wie gesagt, mit meinen Kids und meiner Frau ein bisschen was draußen machen, Ausflug.
ANDREA SPIEGELFamilienzeit quasi oder einfach mal ohne Agenda, einfach, dass du den Tag genießt.
SIMON TONAT: Einfach in den Tag leben.
ANDREA SPIEGEL: Sehr gut, das kann ich gut verstehen. Das würde ich auch so machen.

ANDREA SPIEGEL: Ich habe mir überlegt, dass wir das Thema Service Excellence vielleicht mal ein bisschen anders angehen, also das Pferd heute von hinten aufzäumen. Ich finde, der spannende Punkt am Ende ist die Frage: Was ist eigentlich das Ziel von Service Excellence in der Standarddefinition, sage ich mal? Oder hat es mehrere Ziele? Weiß ich gar nicht.
SIMON TONAT: Genau, also warum man das Thema überhaupt angeht. Da kann ich jetzt wieder mit einer Litaneistarten, die ich dann auch meistens den Vorständen erzählen muss. Aber was den Leuten bewusst sein muss, ist: Die Produkte – also auf der Primärprodukteseite – gleichen sich technologisch immer weiter an. Früher war es so, dass meistens in speziellen Regionen wie dem schwäbischen Raum irgendein Weltmarktführer Maschinen baute, die um Längen besser waren als alles andere, was es auf dem Markt gab. Dann gab es Maschinen aus Fernost, die waren viel, viel günstiger, aber damit konnte man auch keine Produkte derselben Qualität herstellen. Heute ist das anders. Auch die Maschinen aus China oder Indien sind technologisch mittlerweile auf Augenhöhe. Und dann stellt sich die Frage, wie man einen Preisunterschied von 30 Prozent rechtfertigt. Das kann man wirklich nur, indem man in das Lösungsgeschäft geht – also nicht nur eine gute Maschine anbietet, sondern auch Service und Software drumherum.
Man bietet wirklich ein Gesamtpaket an, das der andere nicht bieten kann. Das ist eine Möglichkeit, sich zu differenzieren. Man kann auch Services anbieten, die die Konkurrenz nicht anbieten kann. Und was einem auch bewusst sein muss – was viele nicht auf dem Schirm haben – ist, man muss sich fragen: Wer ist das Gesicht der Firma? Viele sagen, das ist der Vertrieb, weil die rausgehen, die verkaufen und die Gespräche führen. Aber die reden meistens mit anderen Leuten auf der Kundenseite als der Service. Wenn wir nun im Maschinen- und Anlagenbau unterwegs sind, dann hat der Service mit Sicherheit fünfmal mehr Kontaktpunkte zum Kunden als der Vertrieb. Deswegen gibt es diesen abgedroschenen Spruch, den jeder aus der Branche kennt: „Die erste Maschine verkauft der Vertrieb, alle anderen danach der Service.“ Oder eben auch nicht.
Deswegen sollte man eine intrinsische Motivation haben, einen guten Service zu liefern. Erstens verdient man damit sehr gutes Geld, und zweitens kann man sich damit nachhaltig von der Konkurrenz differenzieren und sorgt dafür, dass die nächste Maschine wieder bei der eigenen Firma gekauft wird.
ANDREA SPIEGEL: Also einfach eine langfristige Kundenbindung, sage ich jetzt mal so als Grundidee. Okay, sehr cool.

ANDREA SPIEGEL: Ich glaube, wenn das jemand hört, denkt er sich: Ja, coole Idee, lass uns das machen. Was hindert die Unternehmen heutzutage noch daran, richtig Gas zu geben in diesem Bereich?
SIMON TONAT: Das ist einfach sehr, sehr viel Aufwand. Das ist kein Thema, bei dem man sagt: Okay, wir stecken jetzt hier mal ein Team zusammen – fünf Leute, unsere Redeführer –, die packen wir in den Raum und die sollen sich einen Tag lang Gedanken machen, was die Themen sind. Dann setzen wir das in einem halben Jahr um. Das ist wirklich eine Reise, die man gemeinsam gehen muss.
Die kann man in Teilen auch nicht allein aus dem Service heraus stemmen, weil man auch seine ganzen Schnittstellenbereiche dafür braucht. Es ist wirklich eine gemeinsame Mission, an der man Jahre arbeiten muss, bis man auf diesem Level ist, dass man sagen kann: „Schau mal, hier sind wir gestartet, und jetzt sind wir auf unserem Exzellenz-Treppchen wirklich signifikant zwei, drei Stufen nach oben gewandert.“
Das unterschätzen viele. Sie sind total gefangen im Tagesgeschäft und sagen dann: „Ja, eigentlich wäre es cool, wenn wir ein Ticketsystem hätten.“ Dann kommt die Idee: „Man könnte ja ein Salesforce-Ticketsystem kaufen und einführen, das haben wir doch in drei Monaten gemacht.“ Aber sowas dauert 18 Monate, und dann hat man erstmal den Standard. Danach beginnt die eigentliche Arbeit, das System an die eigenen Prozesse anzupassen. Das ist nur eine Facette davon, und es dauert Jahre, bis man wirklich ein System hat, mit dem man sagt: „Ja, das passt jetzt perfekt zu uns und da können wir perfekt drin arbeiten.“

ANDREA SPIEGEL: Okay, das heißt, das ganze Thema Service-Excellence klingt dann jetzt, wenn du sagst, es dauert Jahre, bis man da auf einem Niveau ist, wo man wirklich von Exzellenz sprechen kann, für mich schon mal nach einem sehr strategischen Thema.
SIMON TONAT: Auf jeden Fall. Also das ist auch etwas, bei dem man den Rückenwind von der Geschäftsführung braucht, weil man eben Geld investieren muss, Ressourcen aufwenden muss, die dann für andere Themen nicht zur Verfügung stehen. Man muss da auch Prioritäten setzen, und das geht nur, wenn man das Top-Management hinter sich hat. Ansonsten wird man auf diesem Weg irgendwann versanden.
ANDREA SPIEGEL: Dann lass uns doch da gerne mal vielleicht tiefer einsteigen. Also, was ist Service-Exzellenz, und wie du gerade schon gesagt hast, von welcher Seite des Unternehmens muss das getrieben und verantwortet werden?
SIMON TONAT: Was ist Service-Exzellenz? Wenn wir uns da über die DIN-Norm nähern, ist das relativ einfach erklärt. Es gibt vier Level. Das erste ist, man hat einfach das Kernversprechen an den Kunden: „Ich bringe dir einen Service, ich repariere deine Maschine, ich warte sie.“ Das ist der Standard. Das ist auch das, was jeder macht, sobald er dem Kunden hilft, ist er schon da.
Die nächste Stufe wäre dann proaktives Beschwerdemanagement, bei dem man mit all den Feedbacks arbeitet, die man jeden Tag bekommt, wie etwa, was an der Maschine nicht funktioniert hat. Man beginnt, dieses Feedback in die Entwicklung zurückzuspielen, sodass bei der nächsten Maschinengeneration diese Themen berücksichtigt werden. Das wäre der zweite Schritt: proaktiv mit diesem Feedback zu arbeiten.
Der dritte Schritt wäre, dass man sich darauf fokussiert, alle Kunden individuell zu betreuen, also dass man bewusst mehr Freiheiten gibt und nicht sagt: „Guck mal, wir haben hier einen Standardprozess, da muss einfach jeder durch, egal wie.“ Das ist auch ein bisschen ein Zwiespalt, wenn man über Exzellenz spricht: Natürlich braucht man irgendwo Standards, damit man alles effizient handeln kann, aber andererseits muss man auch versuchen, die Kunden individuell zu betreuen, sodass sie sich wertgeschätzt und ernst genommen fühlen.
Der wirkliche Schritt zur Exzellenz ist laut dieser Definition dann, wenn man es schafft, die Kunden zu begeistern – wenn man nicht nur ihre Erwartungshaltung trifft, sondern sie übertrifft. Das ist die ganz einfache Definition. Was das nun genau heißt, variiert natürlich, und ich würde sagen, dass es in jeder Branche ein bisschen anders ist. In einem Sondermaschinenanlagenbau kann man nicht dasselbe Service-Exzellenz-Level erwarten, wie es bei einem Mercedes oder Daimler der Fall ist, die einfach jeden Tag tausende Interaktionen haben und sehr, sehr hohe Stückzahlenbewegen.
Es gibt also Unterschiede, auch in Bezug darauf, wie viele Menschen remote arbeiten, wie viele im Feld arbeiten oder wie viele Teile eingeschickt und dann inhouse repariert werden. Es gibt verschiedene Service-Archetypen, und in jedem dieser Archetypen oder Geschäftsmodelle kann Exzellenz etwas anderes bedeuten. Das schwankt auch von Branche zu Branche. In der Pharmaindustrie, wenn das deine Endkunden sind, verlangen diese etwas anderes als die Automotive-Industrie, und die wiederum erwarten etwas anderes als Hersteller von Medizintechnik.
ANDREA SPIEGEL: Okay.

ANDREA SPIEGEL: Findest du die Norm trotzdem hilfreich, um dem Ganzen eine Struktur zu geben und sich bis zu einem gewissen Punkt zertifizieren zu lassen? Oder wer bewertet denn, ob meine Kunden jetzt begeistert sind oder nur zufrieden?
SIMON TONAT: Tatsächlich kann man sich vom TÜV, glaube ich, seit ein paar Jahren zu genau dieser DIN-Spec zur Service-Exzellenz qualifizieren oder auditieren lassen. Ich selbst bin da ehrlich gesagt nicht davon überzeugt. Man muss einfach immer schauen: In meiner Branche, wo stehe ich? Wo habe ich heute meine Schwierigkeiten? Wo stehen auch meine Konkurrenten? Was ist mit unseren Mitteln in dieser Branche überhaupt realistisch realisierbar? Und dann muss man seine eigene Antwort finden.
Ich bin kein großer Fan davon, wenn mir jemand sagt, er sei TÜV Service-Exzellenz-zertifiziert. Dann frage ich mich, was da eigentlich auditiert wird. Dann sagen die halt: „Hast du einen KVP-Prozess?“, den kannst du auf dem Papier haben. Wenn ich dann aber komme und sage, „Wir machen mal ein Service-Reifegrad-Assessment und schauen, wo du gut bist und wo es noch Luft nach oben gibt“, dann sehe ich: Ja, du hast einen KVP-Prozess, aber da gibt es noch einiges zu tun. Nur weil du das institutionalisiert hast, bist du noch nicht auf der Exzellenz-Treppe eine Stufe nach oben. Das ist jedenfalls meine persönliche Meinung.
ANDREA SPIEGEL: Es geht also nicht unbedingt um das Zertifikat, sondern eher darum, wie es in der Realität aussieht.
SIMON TONAT: Genau, es kommt darauf an, was der Kunde am Ende des Tages spürt.

ANDREA SPIEGEL: Was soll er denn spüren? Was wären denn aus deiner Sicht die richtigen Schritte oder Maßnahmen, die man ergreifen könnte, um Service-Exzellenz zu erreichen? Oder würdest du sagen, es ist gar nicht so wichtig, die Exzellenz-Stufe zu erreichen?
SIMON TONAT: Ja, das ist wirklich eine extrem schwierige Frage, wenn man einfach fragt: „Was ist Service-Exzellenz?“
ANDREA SPIEGEL: Ich habe ja nicht gesagt, dass ich es dir einfach mache.
SIMON TONAT: Und auch wenn ich jeden Tag in diesem Bereich unterwegs bin, kann ich es dir nicht so genau beantworten, dass ich sage, der perfekte Service sieht so aus. Das ist sehr, sehr individuell und muss auch individuell beantwortet werden. In der einen Branche heißt es vielleicht, dass deine Ersatzteile innerhalb von 24 Stunden beim Kunden sind, egal wo dieser auf der Welt sitzt. Andere schaffen es in zwei Tagen, aber wenn du der Exzellente sein willst, musst du es in einem Tag schaffen. In anderen Branchen ist der Kunde zufrieden, wenn es bei Sonderfertigungsteilen eine Woche dauert.
ANDREA SPIEGEL: Das heißt also, du würdest sagen, Service-Exzellenz hat auch viel mit dem Status quo innerhalb meiner Branche zu tun?
SIMON TONAT: Absolut.
ANDREA SPIEGEL: Wie definiere ich diesen Status quo? Kennen sich alle so gut, dass sie wissen, was die anderen in ihrem Service machen? Oder hat das viel mit Recherche zu tun? Wie finde ich heraus, was die anderen machen und wo ich besser werden kann? Oder ist das überhaupt der richtige Ansatz?
SIMON TONAT: Aus meiner Sicht muss man das auf jeden Fall wissen. Wir arbeiten ja in Wirtschaftsunternehmen, das heißt, wir machen exzellenten Service nicht als Selbstzweck, weil wir Missionare sind und den besten Service der Welt bieten wollen. Wir machen das, um unser eigenes Geschäft abzusichern. Deshalb ist es schon wichtig zu wissen, was die Konkurrenz macht. Die nächste Aufgabe ist dann, sich zu überlegen, was man tun muss, um der Konkurrenzeinen Schritt voraus zu sein. Das ist eine Hausaufgabe, die man erfüllen sollte: Man muss zumindest wissen, wie die direkten Konkurrenten in der Branche unterwegs sind.
Das kann man oft selber herausfinden, indem man miteinander spricht, etwa auf Kongressen. Auch auf den Homepages sieht man oft, welche Services angeboten werden, und man kann diese mit den eigenen vergleichen. Man weiß dann noch nicht, wie die Erbringungsqualität ist, aber da kommen die Kunden ins Spiel. Es ist ganz selten, dass Kunden nur bei einem selber kaufen und nichts von der Konkurrenz wissen. Sie haben immer so ein DoublesourcingMultisourcing. Man sollte einfach die eigenen Kunden fragen.
Die werden einem immer sagen, dass man zu teuer und zu schlecht ist und eigentlich viel besser werden muss oder den Preis senken sollte. Aber da muss man lernen, zwischen den Zeilen zu lesen, um herauszufinden, wo man wirklich die Nase vorn hat.
ANDREA SPIEGEL: Und wo die Schmerzpunkte liegen.
SIMON TONAT: Genau, wo man hinten dranhängt. Wenn man wirklich die Speerspitze bilden will, muss man auch ein bisschen aus der Eigenperspektive heraus starten. Man muss sagen: Vielleicht sind wir schon die Besten am Markt, aber wir wollen diese Position weiter ausbauen. Dann schaut man sich seine Prozesse an und überlegt: Wo haben wir aus Kundensicht welche Ergebnisse, und was können wir tun, um da signifikant besser zu werden? Dann stellt sich die Frage: Was kostet uns das, und steht es in Relation zu dem Mehrwert, den es dem Kunden bietet? Oder können wir es vielleicht verkaufen, weil wir dann ein Preisprämium verlangen können? Das ist der „Battlefield“, auf dem man sich bewegt. Es gibt keine pauschale Antwort, sondern das muss man individuell beantworten.
ANDREA SPIEGEL: Okay, aber das heißt, es gibt drei Bereiche, in denen man das angehen kann: Wettbewerb analysieren und verstehen, mit den eigenen Kunden sprechen – das ist immer eine gute Idee, besonders in diesem Kontext – und dann, wie du gesagt hast, auch die eigene Motivation hinterfragen. Warum wollen wir das eigentlich erreichen? Was können wir generell tun, um uns in der Organisationsstruktur zu verbessern?
SIMON TONAT: Vielleicht noch ein Punkt: Man sollte auch mal über den Tellerrand hinausschauen. Nur weil ich jetzt Verpackungsmaschinen für die Lebensmittelindustrie mache, heißt das ja nicht, dass ich nicht schauen kann, was im Maschinenbau in anderen Branchen gemacht wird. An welchen Themen arbeiten die? Was für Service-Level bieten die ihren Kunden an? Was sind deren Reaktionszeiten? Welche digitalen Tools haben die implementiert? Und dann bewertet man, ob man das auf den eigenen Fall übertragen kann und ob es Sinn macht.

ANDREA SPIEGEL: Was würdest du denn sagen, ist eine besonders gute Idee, wenn man in Richtung Service-Exzellenz geht? Wo soll man ansetzen? Wir haben diese Bereiche definiert, aber ich sage mal, das ist ja auch relativ groß und relativ viel Arbeit. Wie viel Zeit muss ich dafür vielleicht auch einplanen oder mir nehmen?
SIMON TONAT: Also, wenn du wirklich ein 360-Grad-Assessment machen willst, kommt es immer darauf an, wie man das angeht. Es gibt ja diesen Aspekt der Service-Exzellenz, den der Kunde sieht. Also das ist dein Portfolio. Was für Services biete ich an? In welcher Qualität? Was sind die Service-Levels, die ich bieten kann? Und das Zweite, was der Kunde spürt, ist dann die Erbringungsqualität. Also wie gut ist mein Field-Service? Wie gut sind meine Inhouse-Reparaturen? Wie stark ist meine Hotline? Wie gut ist meine Ersatzteilversorgung?
Das spürt der Kunde im täglichen Geschäft mit dir in der Interaktion. Aus meiner Sicht gibt es aber auch noch eine Innensicht. Also, wie ist zum Beispiel meine Pricing-Exzellenz? Schaffe ich es, marktgerechte Preise zu definieren? Wie sieht mein Vertrieb aus? Wie ist meine gesamte Service-Organisation strukturiert, der gesamte Management-Apparat? Habe ich alle Funktionen, die ich brauche, unter eigener Verantwortung? Habe ich eine klare Strategie, und kennt die jeder? Es geht darum, sicherzustellen, dass alle in die gleiche Richtung arbeiten. Wie sieht mein Service-HR aus? Habe ich Strategien, wie ich Talente für den Service gewinnen und weiterentwickeln kann? Nicht nur fachlich, sondern auch methodisch, etwa in Bezug auf Social Skills und so weiter. Und das ist etwas, das der Kunde überhaupt nicht sieht. Aber aus meiner Sicht gehört das eben auch dazu, weil es das Fundament ist, auf dem man exzellente Prozesse aufbauen kann.
ANDREA SPIEGEL: Und deswegen finde ich das spannend, mit dieser Norm, von der du vorhin gesprochen hast, mit der DIN-Norm. Die berücksichtigt das ja im Prinzip gar nicht. Da geht es ja tatsächlich um das, was der Kunde sieht, was der Kunde bekommt und wie der Kunde sich fühlt.
SIMON TONAT: Genau, die ist aus meiner Sicht ein bisschen eindimensional. Klar, du hast schon das Organisatorische mit dem proaktiven Beschwerdemanagement, bei dem man Feedbacks nutzen muss, um in die Neuentwicklung zu gehen oder die eigenen Prozesse KVP-mäßig zu verbessern. Aber das ist halt nur dieser eine Aspekt.

ANDREA SPIEGEL: Ich wollte gerade sagen, die Service-HR fand ich jetzt zum Beispiel einen ganz, ganz wichtigen Punkt. Das hatten wir ja auch in der letzten Folge schon besprochen, in der wir gesagt haben, dass Fachkräftemangel ein Thema ist. Heute kann sich da auch niemand mehr davor verstecken. Gerade in diesem Zusammenhang ist es natürlich auch wichtig, wie ich langfristig mein Serviceteam aufbauen und halten kann.
SIMON TONAT: Genau. Und das ist für mich eben auch ein Punkt, den diese DIN-Norm nicht berücksichtigt. Sie ist ein bisschen theoretisch. Aber wenn mich jetzt jemand fragt, was er tun muss, um einen exzellenten Service zu bieten: Wir haben bei uns in der Service-Lobby ein Reifegrad-Modell entwickelt. Es hat fünf Dimensionen, und in jeder Dimension gibt es nochmal fünf Unterdimensionen. Dann gibt es einen Fragenkatalog mit 200 Fragen. Macht ihr dies, macht ihr das? Was kommt dabei heraus? Was ist eure Ersatzteilverfügbarkeit?
Und dann kann ich dir sagen: In Dimension fünf bist du in der Champions League, in Dimension eins bist du in der Kreisklasse. Vielleicht bist du bei einer dreivier oder fünf. Dann kann man ganz klar ableiten, wie dein individuelles Setup aussieht. Was haben die Kunden gesagt? Wo sehen sie die Hauptschmerzpunkte? Dann kannst du eine individuelle Strategie ableiten. Was sind die Themen, die wir in diesem Unternehmen angehen müssen, um besser zu werden? Und die Antworten sind ganz unterschiedlich, weil jedes Unternehmen anders aussieht. Du kannst nicht einfach sagen, „Ich habe hier ein Service-Exzellenz-Projekt gemacht, und jetzt gehe ich zum nächsten Kundencopy-paste, bumm, hier sind die 20 Maßnahmen.“ Ich mache noch ein anderes Logo auf die Folie, und fertig ist das Projekt. Du musst dir das wirklich ganz individuell anschauen, weil die Grundvoraussetzungen einfach ganz anders sind.
Auch die Organisationen sind anders strukturiert. Mal gibt es den Service in der eigenen Gesellschaft, mal ist er in der Produktion oder einer Unterabteilung. Dann hast du ganz andere Probleme. Du hast jedes Mal ein anderes IT-Backbone. Mal hast du SAP, mal ein anderes ERP-System, mal ein Ticketing-System oder gar keines, mal ist es voll integriert, mal nicht. Du hast immer andere Themen, wenn du sagst, „Ich will besser werden.“ Deswegen finde ich diese Norm
ANDREA SPIEGEL: Vielleicht ein bisschen begrenzend.
SIMON TONAT: Ja, sie ist halt von der Flughöhe so hoch, fast wie ein Space-Shuttle. Die hilft mir nicht zu wissen, was ich konkret machen muss.
ANDREA SPIEGEL: Okay, dann ist es gut, dass wir heute nicht die DIN-Norm hier haben, sondern dich, der ein bisschen mehr aus der Praxis erzählen kann.

ANDREA SPIEGEL: Du hast jetzt schon mehrfach angedeutet, dass Service-Excellence nicht nur das Serviceteam betrifft. Wenn man sich mit dem Thema nicht beschäftigt hat, würde man wahrscheinlich denken, dass es hauptsächlich das Serviceteam betrifft. Klar, es gibt Schnittstellen zu verschiedenen Bereichen, aber es scheint ein Thema zu sein, bei dem das Serviceteam am Ende verschiedene Aufgaben übernehmen muss. Wir haben ja auch schon das Thema HR als Schnittstelle angesprochen. Und wir haben auch schon gesagt, dass es eigentlich eine Management-Strategie ist, eine langfristige Entscheidung – nichts, was man von heute auf morgen umsetzen kann. Ich finde, das klingt relativ global. Ist es tatsächlich ein Thema für das gesamte Unternehmen?
SIMON TONAT: Ja, absolut. Es ist ein hochgradig funktionales Thema. Und das bringt auch die Komplexität mit sich. Deswegen geht vieles nicht schnell. Es gibt schon Themen, die man im Service angehen kann. Ich würde auch nicht immer sagen, dass sich erst alle anderen Geschäftsbereiche bewegen müssen, bevor ich im Service einen ersten Schritt tun kann. Man kann sehr viel auch innerhalb des Services tun. Aber um die wirklich großen Themen anzugehen, ist es immer ein funktionales Thema.
Wenn du zum Beispiel sagst, „Wir müssen die Maschinen servicefreundlicher designen“ – also „Design for Service“ – dann geht das nur mit der Entwicklung. Und dann bist du in den Maschinenentwicklungsprojekten, was ein riesiges Thema ist. Da musst du dir überlegen, wie du mit deinen Service-Requirements rein kommst, sodass diese berücksichtigt werden. Wenn du sagst, „Ersatzteilverfügbarkeit ist ein Thema, da müssen wir besser werden“, kannst du viel selbst tun, indem du dein Lager optimierst. Aber vielleicht hast du gar kein eigenes Service-Lager, sondern teilst es dir mit der Produktion – dann musst du das mit denen gemeinsam angehen. Oder selbst wenn du ein eigenes Lager hast, und dein größter Schmerzpunkt heute ist zum Beispiel die Altteile, dann brauchst du den Einkauf, um mit den Zulieferern Verhandlungen zu führen. Auch das kannst du nicht alleine lösen.
Eine sehr wichtige Schnittstelle, die oft vernachlässigt wird, ist der Vertrieb. Man kann nicht einfach sagen: „Ja, der Vertrieb verkauft nur die Produkte, und dann übernimmt der Service die nächsten 10–15 Jahre.“ Wenn du wirklich exzellent sein willst, musst du schon von Anfang an geschlossen auftreten. Gerade wenn man auf diese DIN-Normen Bezug nimmt, heißt es am Ende, dass du deine Kunden begeistern musst, um in das Excellence-Level zu kommen. Der Kunde hat eine gewisse Erwartungshaltung. Wenn du diese erfüllst, ist er zufrieden, aber nicht begeistert. Wenn du ihn begeistern willst, musst du darüber hinausgehen.
ANDREA SPIEGEL: Schon besser als unzufrieden.
SIMON TONAT: Wenn du ihn begeistern willst, musst du seine Erwartungen übertreffen. Wenn der Vertrieb und das Marketing sich jedoch schon hinsetzen und sagen, „Keine Sorge, wir im Service sind die absoluten Experten, wir können alles mit einem Fingerschnips, alles wird in drei Stunden geregelt“, dann ist das die Erwartungshaltung. Dagegen wirst du gemessen, und da kannst du nur verlieren.
ANDREA SPIEGEL: Das hat dann mit Exzellenz nichts mehr zu tun.
SIMON TONAT: Genau, dann kommst du nie an den Punkt, an dem du die Erwartungen übertreffen kannst, weil bereits eine unrealistische Erwartungshaltung geschaffen wurde. Deshalb muss man sich auch mit dem Vertrieb zusammenschließen. Nur dann kannst du eine gesunde Erwartungshaltung etablieren, und dann hast du die Chance, punktuell darüber hinauszugehen, indem du die Extrameile gehst. So gewinnst du begeisterte Kunden und gehst einen guten Schritt in Richtung Service-Exzellenz. Aber es geht nur gemeinsam.
ANDREA SPIEGEL: Das heißt, Kommunikation ist in diesem Fall auch sehr wichtig. Wie du sagst, du willst die Kunden ja nicht anlügen. Wenn ich es in drei Stunden schaffe, möchte ich ja nicht sagen, dass es fünf Stunden dauert, damit ich es dann in drei Stunden schaffe. Das ist ja auch nicht der richtige Weg.
SIMON TONAT: Das ist der Spagat. Du kannst nicht sagen, „Wir schaffen es in einer Stunde, dass der Kunde unterschreibt“, und dann jedes Mal versagen. Dann werden sie unzufrieden, weil du etwas versprochen hast, das du nicht leisten kannst. Aber das ist nur ein Beispiel, um den Punkt zu verdeutlichen. Wenn du wirklich in die Champions League kommen willst, geht es nicht mehr nur aus dem Service heraus. Dann ist es ein cross-funktionales Thema. Ohne IT geht es nicht. Wenn du in komplexere Geschäftsmodelle eintrittst, hast du immer auch die rechtlichen Aspekte dabei. Da kannst du nicht einfach sagen, „Wir machen das mal eben.“ Aber das ist auch, was mich am Service begeistert. Wenn du dir ein produzierendes Unternehmen anschaust, ist der Service aus meiner Sicht der spannendste Bereich, weil er am vielschichtigsten ist.
ANDREA SPIEGEL: Deswegen arbeitest du wahrscheinlich auch in diesem Bereich.
SIMON TONAT: Genau. Du hast die Hotline, du hast den Field Service, du hast das ganze Ersatzteil-Universum mit weltweiter LogistikLagernHubs und so weiter. Du hast ein Produktmanagement, du hast einen Servicevertrieb. Und wenn du das dann wirklich auf ein Exzellenzniveau heben willst, musst du ganz viel in deine eigenen Strukturen und Prozesse investieren. Aber in die Champions League kommst du nur, wenn dir die anderen dabei helfen. Sonst stößt du irgendwann an ein Limit und sagst: „Okay, ich habe alles optimiert, was ich im Service-Prozess optimieren kann. Jetzt brauchen wir die anderen.“ Es geht dann wieder um den Schulterschluss. Deshalb brauchst du auch das Top-Management dahinter, weil du dem Einkauf nicht einfach vorschreiben kannst, dass deine Themen jetzt wichtiger sind als die anderen.

ANDREA SPIEGEL: Das wollte ich gerade noch sagen. Das bedeutet also auch, dass ich keine reine Service-Exzellenz-Strategie fahren kann. Service-Exzellenz ist vielmehr das Ergebnis einer globalen Unternehmensstrategie.
SIMON TONAT: Genau. Das ist das, was der Kunde spürt. Im Service bist du dann die Speerspitze. Aber das gesamte Unternehmen braucht eine Service-Kultur und muss sich kundenzentriert aufstellen. Wenn das nicht der Fall ist, wirst du nie in die Champions League kommen können. Das geht einfach nicht. Irgendwann stößt du an Blockaden, die dich daran hindern, weiterzukommen. Und wenn du darüber hinausgehen willst, dann ist es eine gesamtunternehmerische Aufgabe.

ANDREA SPIEGEL: Das heißt aber auch, um es jetzt mal ganz direkt zu sagen: Ich brauche dafür Zeit. Das ist das eine. Ich brauche Geld. Und ich brauche am Ende auch die Ressourcen, also vor allem die Menschen, die das umsetzen. Wie würdest du diese drei Komponenten – ZeitGeldRessourcen – einschätzen? Wo entstehen nachher tatsächlich Kosten, abgesehen von Absprachen, Meetings und so weiter?
SIMON TONATReale Kosten entstehen vor allem, wenn du in Richtung Digitalisierung gehst. Dann wirst du HebelMaßnahmen und Tools einführen, die du vorher nicht hattest. Das sind Mehrkosten, die unterm Strich zu Buche schlagen. Das muss es dir einfach wert sein.
Du brauchst auf jeden Fall zwei, drei Ressourcen im Service, die das Projekt vorantreiben. Du brauchst quasi einen „Wasserkopf“ an Projektleitern, die diese Themen treiben. Das können nicht die normalen Führungskräfte im Tagesgeschäft oder die operativen Leute aus dem Service übernehmen. Dafür ist es einfach zu komplex.
Die anderen Kosten, die entstehen – wie zum Beispiel die Investition in ein Lager, um eine bessere Ersatzteilverfügbarkeit zu gewährleisten – werden letztlich vom Kunden getragen. Es sieht auf dem Papier aus, als würdest du etwas investieren, aber du wirst das letztlich über das Pricing wieder einholen. Oder durch die höhere Verfügbarkeit wird mehr gekauft. Also die Kosten fallen faktisch nicht an oder werden zumindest kompensiert. Aber die tatsächlichen Mehrkosten wirst du vor allem in den Bereichen IT und Personal sehen.

ANDREA SPIEGEL: Du hast vorhin schon das Thema angesprochen, dass zufriedene Kunden schön sind, begeisterte Kunden aber noch besser. Kannst du vielleicht ein, zwei konkrete Beispiele nennen, an welchen Punkten man Kunden wirklich begeistern kann? Hast du da vielleicht mit einem Kunden von euch etwas ausgearbeitet, wo deren Kunden danach gesagt haben: “Ja, genau so und nicht anders”?
SIMON TONAT: Ja, also es kommt, wie gesagt, sehr auf die Branche an. Was in der einen Branche absolut gängig ist, kann in einer anderen Branche für einen Wow-Moment sorgen. Was wir zum Beispiel mal gemacht haben, ist, dass wir einen Experten-Wartungsservice aufgesetzt haben. Davor hatten die Kunden einfach normale Wartungsdienstleistungen. Wir waren im Bereich Automotive unterwegs, und da haben die Kunden immer gesagt: “Ja, wir haben selbst 50 Instandhalter, was haben wir jetzt mit Wartung?” Da müssten wir unsere Leute freistellen, weil wir die ja nicht brauchen, das ist ja euer Geschäft. Und dann haben wir wirklich an der Maschine entlang punktuell herausgearbeitet, welche technischen Herausforderungen die Kunden haben, bei denen sie nicht so gut sind wie wir. Daraus haben wir einen Experten-Service entwickelt und das dann mit den Kunden besprochen. Und das fanden sie extrem gut, weil sie gesagt haben: “So haben wir euch gar nicht wahrgenommen. Wir haben euch eigentlich als Konkurrenten zu unserer eigenen Instandhaltung gesehen.” Dann ging es um die Make-or-Buy-Entscheidung, und Betriebsrat etc. – das wollten sie gar nicht machen. Aber das Thema war sensationell gut, weil es die Lebensdauer verlängerte, die Präzision der Maschinen verbesserte und es intern keine Diskussionen mehr gab: “Warum beauftragen wir jetzt den Service, können wir das nicht selber machen?” Das war also ein Beispiel, das die Kunden begeistert hat. Es war nicht die Leistung an sich, dass sie sagten: “Wow, wie er das jetzt repariert hat”, aber es war Service Excellence im Service-Portfolio, weil sie wirklich sagten: “Das ist etwas, das die anderen nicht bieten, super cool, darauf haben wir gewartet.”
ANDREA SPIEGEL: Und vielleicht auch genau dieser Punkt, den du gerade angesprochen hast: Was sie selbst abdecken konnten, wurde dadurch nicht gefährdet, sondern eher durch einen Mehrwert ergänzt.
SIMON TONAT: Ja, genau. Aber, wie gesagt, das ist sehr individuell. Das war eine Innovation auf der Portfolio-Ebene, die den Kunden begeistert hat. Bei anderen Kunden könnte es sein, dass sie jahrelang in China sitzen, und du hast dort deine Hotline-Rufbereitschaft von 7 bis 16 Uhr deutscher Zeit. Und dann sagst du plötzlich: “Wir haben in Indien und Amerika auch Mitarbeiter, also lass uns doch mal 24/7 anbieten.” Die Anrufe werden dann weitergeleitet, und die Hotline funktioniert in der Triade. Das war relativ einfach umzusetzen, weil die Leute ja da waren. Aber vorher hatte jeder seinen eigenen Markt und dann hieß es: “Jetzt ist Feierabend, jetzt kann niemand mehr erreicht werden.” Wir haben es dann so organisiert, dass die Anrufe durchgeroutet werden, was die Kunden sensationell fanden. Es war einfach umzusetzen, und das ist auch wichtig zu wissen. Nicht alles, was man macht, kostet Unmengen an Geld. Viele Dinge lassen sich organisatorisch anders abbilden, und das bringt aus Kundensicht einen riesigen Schritt nach vorne. In der Branche war es so, dass sie der “Platzfisch” waren und die anderen ein bisschen kleiner. Die hatten alles aus der Zentrale gemacht, aber sie konnten keinen Dreischichtbetrieb in der Hotline aufbauen. Es lohnte sich finanziell nicht. Jetzt sind sie in diesem Aspekt um Jahre besser als alle anderen.
ANDREA SPIEGEL: Schon mal richtig gut aufgestellt. Ja, cool. Sehr schön, vielen Dank für die Beispiele.

ANDREA SPIEGEL: Ich habe mich auch ein bisschen auf eurer Website umgeschaut, um das Thema besser zu verstehen. Ein spannender Aspekt, der mir aufgefallen ist, ist, dass sich der Prozess eher zyklisch gestaltet. Es ist nicht so, dass man 15 oder 20 Schritte macht und dann fertig ist, sondern es ist ein iterativer Prozess, bei dem man immer wieder an den Punkt kommt, etwas zu analysieren, zu machen und dann erneut umzusetzen. Kannst du das vielleicht noch mal konkreter ausführen? Ist es eher eine Never-Ending-Story oder steckt da Potenzial drin?
SIMON TONAT: Tatsächlich, in letzter Konsequenz ist es eine Never-Ending-Story, weil sich alles weiterentwickelt, auch die technischen Möglichkeiten. Was heute reicht, um in der absoluten Champions League zu spielen, ist in 10 Jahren vielleicht Standard, und dann muss man schon wieder einen Schritt weitergegangen sein. Auch im Service geht es darum, Exzellenz zu erreichen – exzellente Prozesseexzellente Strukturenexzellente Produkte. Das ist in anderen Bereichen genauso. Du hast den typischen Deming-ZyklusPlan, Do, Check, Act. Also, wo sind wir gut? Was müssen wir tun, um besser zu werden? Dann wird es umgesetzt, kontrolliert und der nächste Zyklus beginnt. Deshalb bin ich kein Fan davon zu sagen: “Wir machen jetzt ein Service-Excellence-Projekt. Wir haben uns 46 Maßnahmen überlegt, und jetzt sind wir 10 Jahre beschäftigt.” Ein solcher Plan ist oft zum Scheitern verurteilt, weil sich auf dem Weg dorthin schon so viel verändert. Ich würde es mir eher in Jahresscheiben vornehmen: Was nehme ich mir für die nächsten 12 Monate vor? Und wenn es nur zwei oder drei Maßnahmen sind, dann sind es nur zwei oder drei, aber die ziehe ich dann durch. Danach kommt der nächste Zyklus. Das ist viel erfolgsversprechender als ein Big Bang, bei dem du eine Organisation hast, die im Tagesgeschäft ertrinkt, und dann einen Plan auf den Tisch bekommst: “Hier sind 46 Maßnahmen, die wir in den nächsten zwei Jahren umsetzen müssen.”
ANDREA SPIEGEL: Und jetzt noch zehn Neuerungen ab diesem Monat oder so?
SIMON TONAT: Genau, das ist schwierig. Manchmal braucht es das, um festgefahrene Strukturen und die Mannschaft aufzurütteln und ein Momentum zu schaffen. Aber diesen Stressfaktor kannst du nicht 10, 15 oder 20 Jahre lang aufrechterhalten. Deswegen würde ich es immer in Jahresscheiben unterteilen und lieber weniger machen, aber das dann durchziehen – maßvoll, aber regelmäßig.
ANDREA SPIEGEL: Sehr gut.

ANDREA SPIEGEL: Wie komme ich denn von der ganzen Planung, von der Vorbereitung, von den Ideen, von meinem vielleicht auch dann Jahresplan, nachher tatsächlich konkret in die Umsetzung? Also wie kriege ich diesen Schritt hin? Man sagt ja immer so, dieses „einfach mal machen“, das ist ja schön und das wünscht sich, glaube ich, auch jeder. Aber wie kriege ich das dann nachher hin? Oder ist das gar nicht mehr so das Problem, wenn die Ideen erstmal da sind?
SIMON TONAT: Du hast immer diese Konkurrenzsituation zum Tagesgeschäft. Und natürlich ist der Kunde, der jetzt anruft, weil seine Maschine steht, halt auch wichtiger als irgendwie, weiß ich nicht, einen neuen Service zu entwickeln. Denn dem musst du jetzt helfen, dafür bezahlt er dich. Das ist auch seine Erwartungshaltung an den Service und an das Unternehmen.
ANDREA SPIEGEL: Wie komme ich aus dem Spannungsfeld raus?
SIMON TONAT: Ich glaube, du brauchst tatsächlich, auch wenn es blöd klingt und nach so Beratergeschwätz klingt, eine richtige Projektstruktur. Du brauchst einen Lenkungskreis, dann brauchst du verschiedene Personen, die für Maßnahmen verantwortlich sind, nicht nur eine Person, die alles machen soll. Und dann musst du alle zwei oder vier Wochen über dieses Thema sprechen. Dann kann man mal sagen: „Entschuldigung, ich konnte vier Wochen nichts machen wegen XY.“ Aber das kann niemand sechs Monate durchziehen. So schaffst du es, dass das Momentum bleibt. Am besten gibt es auch einen Lenkungskreis, bei dem dann auch die Geschäftsführung einmal im Quartal draufschaut. Auch da kannst du mal sagen: „Wir hatten ein Problem XY, deshalb konnten wir nicht weitermachen.“ Aber das kannst du nicht ein Jahr lang durchziehen. Also ohne jetzt jemanden in die Pfanne hauen zu wollen, sorgt das für eine gewisse Stringenz und Commitment. Weil sonst konkurriert es immer gegen das Tagesgeschäft und verliert.
ANDREA SPIEGEL: Würdest du sagen, wenn man nicht in der Lage ist oder nicht bereit ist, so einen Lenkungskreis oder auch diese Ressourcen auf personeller Seite zur Verfügung zu stellen, dass man dann lieber gar nicht damit anfangen sollte? Oder sagst du, wenn man wirklich diesen, wie soll ich sagen, du hast ja immer von der Champions League gesprochen?
SIMON TONAT: Wenn jetzt alle total intrinsisch motiviert sind und sagen „Jawohl, wir gehen voran und ich gehe da jeden Tag noch die Extrameile“, dann bräuchtest du das auch nicht. Dann werden ja alle motiviert. Wenn ihr euch dann auf den gemeinsamen Weg verständigt habt, dann rennen alle in die richtige Richtung. Das gibt es aber in der Realität nicht. Also deswegen würde ich schon sagen: Wenn du da kein vernünftiges Projekt aufsetzt und wenn es dir von der Geschäftsführung nicht wert ist, sich alle drei Monate mal zu dem Thema zusammenzusetzen oder dann auch mal Entscheidungen zu treffen – das ist ja auch so ein Punkt. Man kann ja immer die Leute beschäftigt halten, aber irgendwann muss man entscheiden: Machen wir das oder machen wir das nicht? Wenn sich das Management dann nicht entscheiden will, hinterlässt man irgendwann verbrannte Erde, und dann haben die Leute keine Lust mehr, mitzumachen. Wenn einem das die Zeit nicht wert ist, dann wäre ich tatsächlich geneigt zu sagen: Fang erst gar nicht an, weil dann kommt eh nichts raus. Es wird irgendwann im Sande verlaufen. Dann schau einfach, dass du in deinem Tagesgeschäft, so gut es geht, dein Geschäft machst.
ANDREA SPIEGEL: Gibt es noch andere Faktoren, die da Einfluss drauf haben, dass es sich eben nicht im Sande verläuft? Klar, eine Mannschaft, die sich aktiv darum kümmert, ist mit Sicherheit schon mal ein wichtiger Punkt. Das Management, das am Ball bleibt und vielleicht auch mal aktiv nachfragt: „Wie sieht es aus, wo sind wir gerade, was sind die nächsten Schritte?“ Gibt es noch andere Faktoren, die du sagst, die müssen auch gegeben sein, damit das Ding sich nicht verliert?
SIMON TONAT: Also, wenn wir wieder so ein Beispiel nehmen: Servicebereich mit 100 Leuten. Ich glaube, ich hatte es auch in der letzten Folge schon mal gesagt, du brauchst Mitarbeitende, die sich auf so ein Thema konzentrieren können. Wenn das alle immer neben dem Tagesgeschäft machen müssen, ist das halt schwierig, weil sie dann immer noch jemand anderen dazu brauchen und der hat keine Zeit. Du musst dann wirklich auch so einen Projektleiter haben. Wenn du wirklich sagst, „Wir haben jetzt so eine Exzellenzinitiative über zwei, drei Jahre“, dann brauchen die einen Projektleiter, und das ist ein Fulltime-Job. Das ist nicht so etwas wie: „Ja, ich bin Hotliner und nebenher innoviere ich jetzt noch den kompletten Service.“ Das ist ein Fulltime-Job. Da musst du bereit sein, das auch zu investieren, sonst wird es halt schwierig. Wenn es jetzt eine ganz kleine Einheit ist und nur zehn Leute im Service sind, dann kann ich mir schon vorstellen, dass es jemand nebenher macht. Aber dann muss der halt auch zu 30 Prozent freigestellt werden für dieses Thema. Sonst wird es einfach untergehen.
ANDREA SPIEGEL: Okay. Gibt es rund um das Thema Service Excellence noch einen Punkt, den du sagst, den haben wir noch gar nicht angesprochen, der aber besonders wichtig ist oder aus deiner Erfahrung heraus ein Punkt, an dem man nicht vorbeikommt? Oder sagst du, wir haben jetzt die Basics ganz gut abgedeckt?
SIMON TONAT: Nein, ich glaube, wir haben uns ganz gut durch das Feld gearbeitet. Ich habe, glaube ich, jetzt schon zwei, drei Mal gesagt, also rein von dieser Norm oder der Idee, sich ein Zertifikat vom TÜV zu holen, würde ich Abstand nehmen. Das ist wirklich etwas, das muss man sich individuell für seine Firma überlegen. Das braucht Zeit, das braucht Ressourcen und das braucht Wille. Und ich glaube, es ist auch eine Aufgabe, bei der du alle mitnehmen musst. Du hast auch wieder dieses Change-Thema. Was hilft, ist, dass du möglichst viele Leute einbindest. Also angenommen, du hast zehn, zwanzig Maßnahmen, die sollten nicht alle bei einem sein, sondern möglichst auch bei fünf oder zehn verschiedenen. Einfach, dass du ein Team hast, das sich gegenseitig auch mal hochziehen kann. Es wird immer Täler der Tränen geben, durch die man sich irgendwie durchkämpfen muss. Und wenn der Serviceleiter mit einem freien Radikal alles zu zweit machen will, dann gibt es Frustmomente. Wenn man es aber schafft, mehr Leute einzubinden, auch wieder so ein Projektmanagementspruch, „aus Betroffenen Beteiligte machen“, dann hat man die Chance, dass dieses geteilte Leid wirklich nur das halbe Leid ist und dass man gemeinsam marschieren kann. Denn am Ende des Tages, nochmal, wenn du wirklich in diese Champions League gehen willst, dann sind es nicht nur Prozessthemen, dann sind es nicht nur Strukturthemen, sondern es ist auch ein Mindset-Thema. Wie jeder jeden Tag mit den Kunden interagiert – und dann musst du die ganze Mannschaft mitnehmen. Das wird manchmal ein bisschen vernachlässigt. Du hast mir schon im Briefing vor dem Podcast gesagt, dass du das Thema mit sehr, sehr vielen immer durchsprichst. Deswegen will ich das jetzt gar nicht so sehr stressen. Aber nur inhaltliche und fachliche Maßnahmen zu setzen, ist ein bisschen zu kurz gesprungen. Wenn du wirklich diesen Weg Richtung Service Excellence gehen willst, dann musst du es schaffen, dass das in den Köpfen von allen Mitarbeitenden passiert. Und da musst du dir einfach auch Gedanken machen, wie sieht die Lösung für uns aus? Brauchen wir Team-Events? Ist das eine Führungsaufgabe? Muss das in die jährlichen Beurteilungen rein? Müssen sich vielleicht die Führungskräfte mal mit ins Feld bewegen oder an die Hotline setzen, um zu sehen, wie die Leute wirklich jeden Tag interagieren? Es gibt unterschiedlichste Möglichkeiten. Aber du musst dir Gedanken machen, wie sieht die Lösung für uns aus, damit wir die ganze Mannschaft mitnehmen und ein gemeinsames Mindset entwickeln, das uns sagt: „Ich komme täglich zur Arbeit, mache mein Tagesgeschäft, aber ich tue das alles, um dahin zu kommen.“
ANDREA SPIEGEL: Super.

ANDREA SPIEGEL: Das war eigentlich schon die perfekte Zusammenfassung unserer Folge. Vielen Dank, dass du da warst und dir die Zeit genommen hast. Wir haben über Service Excellence gesprochen, was das eigentlich ist, was die Ziele davon sind und wie man das nachher auch im Außen, aber auch im Innen – also innerhalb des eigenen Unternehmens – wirklich erreichen kann, was dazu gehört und was es dafür braucht. Wenn euch die Folge gefallen hat, lasst uns gerne einen Daumen nach oben bei YouTube oder eine Bewertung bei Apple Podcast oder Spotify da. Wenn ihr noch Fragen zum Thema habt, dürft ihr die natürlich auch gerne an uns weiterleiten. Schickt uns eine Nachricht, eine E-Mail oder hinterlasst uns einen Kommentar. Dann geben wir das auch gerne an Simon weiter, und er kann es vielleicht noch für euch beantworten. Wenn ihr sonst noch Ideen für neue Folgen habt oder Themen, die euch rund um das Thema Service interessieren, lasst es uns gerne wissen. Dann können wir daraus vielleicht eine neue Folge für euch gestalten. Ansonsten vielen Dank nochmal für deine Zeit, hat Spaß gemacht.
SIMON TONAT: Ja, mir hat’s auch sehr viel Spaß gemacht.
ANDREA SPIEGEL: Und dann macht’s gut, bis zum nächsten Mal.

Welche Idee steckt hinter der Multikommissionierung in der Lagerlogistik?

„Die Idee bei der Multikommissionierung ist auch da, eben solche Leerfahrten, Leerwege, egal ob jemand läuft oder eben fährt, zu vermeiden.“

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