ANDREA SPIEGEL: Wie komme ich denn von der ganzen Planung, von der Vorbereitung, von den Ideen, von meinem vielleicht auch dann Jahresplan, nachher tatsächlich konkret in die Umsetzung? Also wie kriege ich diesen Schritt hin? Man sagt ja immer so, dieses „einfach mal machen“, das ist ja schön und das wünscht sich, glaube ich, auch jeder. Aber wie kriege ich das dann nachher hin? Oder ist das gar nicht mehr so das Problem, wenn die Ideen erstmal da sind?
SIMON TONAT: Du hast immer diese Konkurrenzsituation zum Tagesgeschäft. Und natürlich ist der Kunde, der jetzt anruft, weil seine Maschine steht, halt auch wichtiger als irgendwie, weiß ich nicht, einen neuen Service zu entwickeln. Denn dem musst du jetzt helfen, dafür bezahlt er dich. Das ist auch seine Erwartungshaltung an den Service und an das Unternehmen.
ANDREA SPIEGEL: Wie komme ich aus dem Spannungsfeld raus?
SIMON TONAT: Ich glaube, du brauchst tatsächlich, auch wenn es blöd klingt und nach so Beratergeschwätz klingt, eine richtige Projektstruktur. Du brauchst einen Lenkungskreis, dann brauchst du verschiedene Personen, die für Maßnahmen verantwortlich sind, nicht nur eine Person, die alles machen soll. Und dann musst du alle zwei oder vier Wochen über dieses Thema sprechen. Dann kann man mal sagen: „Entschuldigung, ich konnte vier Wochen nichts machen wegen XY.“ Aber das kann niemand sechs Monate durchziehen. So schaffst du es, dass das Momentum bleibt. Am besten gibt es auch einen Lenkungskreis, bei dem dann auch die Geschäftsführung einmal im Quartal draufschaut. Auch da kannst du mal sagen: „Wir hatten ein Problem XY, deshalb konnten wir nicht weitermachen.“ Aber das kannst du nicht ein Jahr lang durchziehen. Also ohne jetzt jemanden in die Pfanne hauen zu wollen, sorgt das für eine gewisse Stringenz und Commitment. Weil sonst konkurriert es immer gegen das Tagesgeschäft und verliert.
ANDREA SPIEGEL: Würdest du sagen, wenn man nicht in der Lage ist oder nicht bereit ist, so einen Lenkungskreis oder auch diese Ressourcen auf personeller Seite zur Verfügung zu stellen, dass man dann lieber gar nicht damit anfangen sollte? Oder sagst du, wenn man wirklich diesen, wie soll ich sagen, du hast ja immer von der Champions League gesprochen?
SIMON TONAT: Wenn jetzt alle total intrinsisch motiviert sind und sagen „Jawohl, wir gehen voran und ich gehe da jeden Tag noch die Extrameile“, dann bräuchtest du das auch nicht. Dann werden ja alle motiviert. Wenn ihr euch dann auf den gemeinsamen Weg verständigt habt, dann rennen alle in die richtige Richtung. Das gibt es aber in der Realität nicht. Also deswegen würde ich schon sagen: Wenn du da kein vernünftiges Projekt aufsetzt und wenn es dir von der Geschäftsführung nicht wert ist, sich alle drei Monate mal zu dem Thema zusammenzusetzen oder dann auch mal Entscheidungen zu treffen – das ist ja auch so ein Punkt. Man kann ja immer die Leute beschäftigt halten, aber irgendwann muss man entscheiden: Machen wir das oder machen wir das nicht? Wenn sich das Management dann nicht entscheiden will, hinterlässt man irgendwann verbrannte Erde, und dann haben die Leute keine Lust mehr, mitzumachen. Wenn einem das die Zeit nicht wert ist, dann wäre ich tatsächlich geneigt zu sagen: Fang erst gar nicht an, weil dann kommt eh nichts raus. Es wird irgendwann im Sande verlaufen. Dann schau einfach, dass du in deinem Tagesgeschäft, so gut es geht, dein Geschäft machst.
ANDREA SPIEGEL: Gibt es noch andere Faktoren, die da Einfluss drauf haben, dass es sich eben nicht im Sande verläuft? Klar, eine Mannschaft, die sich aktiv darum kümmert, ist mit Sicherheit schon mal ein wichtiger Punkt. Das Management, das am Ball bleibt und vielleicht auch mal aktiv nachfragt: „Wie sieht es aus, wo sind wir gerade, was sind die nächsten Schritte?“ Gibt es noch andere Faktoren, die du sagst, die müssen auch gegeben sein, damit das Ding sich nicht verliert?
SIMON TONAT: Also, wenn wir wieder so ein Beispiel nehmen: Servicebereich mit 100 Leuten. Ich glaube, ich hatte es auch in der letzten Folge schon mal gesagt, du brauchst Mitarbeitende, die sich auf so ein Thema konzentrieren können. Wenn das alle immer neben dem Tagesgeschäft machen müssen, ist das halt schwierig, weil sie dann immer noch jemand anderen dazu brauchen und der hat keine Zeit. Du musst dann wirklich auch so einen Projektleiter haben. Wenn du wirklich sagst, „Wir haben jetzt so eine Exzellenzinitiative über zwei, drei Jahre“, dann brauchen die einen Projektleiter, und das ist ein Fulltime-Job. Das ist nicht so etwas wie: „Ja, ich bin Hotliner und nebenher innoviere ich jetzt noch den kompletten Service.“ Das ist ein Fulltime-Job. Da musst du bereit sein, das auch zu investieren, sonst wird es halt schwierig. Wenn es jetzt eine ganz kleine Einheit ist und nur zehn Leute im Service sind, dann kann ich mir schon vorstellen, dass es jemand nebenher macht. Aber dann muss der halt auch zu 30 Prozent freigestellt werden für dieses Thema. Sonst wird es einfach untergehen.
ANDREA SPIEGEL: Okay. Gibt es rund um das Thema Service Excellence noch einen Punkt, den du sagst, den haben wir noch gar nicht angesprochen, der aber besonders wichtig ist oder aus deiner Erfahrung heraus ein Punkt, an dem man nicht vorbeikommt? Oder sagst du, wir haben jetzt die Basics ganz gut abgedeckt?
SIMON TONAT: Nein, ich glaube, wir haben uns ganz gut durch das Feld gearbeitet. Ich habe, glaube ich, jetzt schon zwei, drei Mal gesagt, also rein von dieser Norm oder der Idee, sich ein Zertifikat vom TÜV zu holen, würde ich Abstand nehmen. Das ist wirklich etwas, das muss man sich individuell für seine Firma überlegen. Das braucht Zeit, das braucht Ressourcen und das braucht Wille. Und ich glaube, es ist auch eine Aufgabe, bei der du alle mitnehmen musst. Du hast auch wieder dieses Change-Thema. Was hilft, ist, dass du möglichst viele Leute einbindest. Also angenommen, du hast zehn, zwanzig Maßnahmen, die sollten nicht alle bei einem sein, sondern möglichst auch bei fünf oder zehn verschiedenen. Einfach, dass du ein Team hast, das sich gegenseitig auch mal hochziehen kann. Es wird immer Täler der Tränen geben, durch die man sich irgendwie durchkämpfen muss. Und wenn der Serviceleiter mit einem freien Radikal alles zu zweit machen will, dann gibt es Frustmomente. Wenn man es aber schafft, mehr Leute einzubinden, auch wieder so ein Projektmanagementspruch, „aus Betroffenen Beteiligte machen“, dann hat man die Chance, dass dieses geteilte Leid wirklich nur das halbe Leid ist und dass man gemeinsam marschieren kann. Denn am Ende des Tages, nochmal, wenn du wirklich in diese Champions League gehen willst, dann sind es nicht nur Prozessthemen, dann sind es nicht nur Strukturthemen, sondern es ist auch ein Mindset-Thema. Wie jeder jeden Tag mit den Kunden interagiert – und dann musst du die ganze Mannschaft mitnehmen. Das wird manchmal ein bisschen vernachlässigt. Du hast mir schon im Briefing vor dem Podcast gesagt, dass du das Thema mit sehr, sehr vielen immer durchsprichst. Deswegen will ich das jetzt gar nicht so sehr stressen. Aber nur inhaltliche und fachliche Maßnahmen zu setzen, ist ein bisschen zu kurz gesprungen. Wenn du wirklich diesen Weg Richtung Service Excellence gehen willst, dann musst du es schaffen, dass das in den Köpfen von allen Mitarbeitenden passiert. Und da musst du dir einfach auch Gedanken machen, wie sieht die Lösung für uns aus? Brauchen wir Team-Events? Ist das eine Führungsaufgabe? Muss das in die jährlichen Beurteilungen rein? Müssen sich vielleicht die Führungskräfte mal mit ins Feld bewegen oder an die Hotline setzen, um zu sehen, wie die Leute wirklich jeden Tag interagieren? Es gibt unterschiedlichste Möglichkeiten. Aber du musst dir Gedanken machen, wie sieht die Lösung für uns aus, damit wir die ganze Mannschaft mitnehmen und ein gemeinsames Mindset entwickeln, das uns sagt: „Ich komme täglich zur Arbeit, mache mein Tagesgeschäft, aber ich tue das alles, um dahin zu kommen.“
ANDREA SPIEGEL: Super.