#53 Extended Reality mit Christian Klerner

Podcast Industrie 4.0 | Der Expertentalk für den Mittelstand

Augmented Reality, Mixed Reality, Virtual Reality oder doch Extended Reality?

In Folge #53 unseres Podcasts spricht Andrea Spiegel mit Christian Klerner, Innovation Coach im Bereich Extended Reality bei der Inclusify AG, über den Einsatz von Extended Reality entlang der Wertschöpfungskette.

Christian klärt auf über die Unterschiede von AR, VR, MR und ER, zeigt uns Einsatzmöglichkeiten der Technologien innerhalb mittelständischer Unternehmen und entlang der gesamten Supply Chain.

Wann lohnt sich der Einsatz von Extended Reality Anwendungen? Was sind die größten Mehrwerte von Augmented und Mixed Reality? Wie viele Usecases kann bzw. sollte ich mit AR/VR abbilden? Und was hat das alles mit dem Metaverse zu tun?

Das Transkript zur Podcast-Folge: Extended Reality

ANDREA SPIEGEL: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Industrie 4.0, der Experten-Talk für den Mittelstand. Wir haben in Folge 17 schon einmal mit einer Kollegin über das Thema Augmented Reality im Field Service Management gesprochen und wollen uns heute noch einmal anschauen, welche weiteren Use Cases es für Augmented RealityVirtual Reality und Mixed Reality geben kann. Dazu habe ich mir einen spannenden Gast eingeladen, der heute mit mir auf diese Reise geht und zeigt, was alles im Unternehmen und entlang der Supply Chain möglich ist. Bei mir ist Christian Klerner, er ist Innovation Coach für Extended Reality bei der Inclusify AG. Schön, dass du da bist.

CHRISTIAN KLERNER: Ja, danke für die Einladung.

ANDREA SPIEGEL: Sehr gern. An dieser Stelle wie immer kurz der Hinweis an euch: Auch diese Folge gibt es wieder als Video bei YouTube zu sehen, also schaut da gerne mal vorbei.

ANDREA SPIEGEL: Christian, bevor wir ins Thema einsteigen und vielleicht einmal die Begrifflichkeiten klären, erzähl uns doch kurz, was man als Innovation Coach für Extended Reality macht und was die Inclusify AG tut.

CHRISTIAN KLERNER: Die Frage ist berechtigt, weil bei Innovation Coach zwei Wörter aufeinanderprallen, die kursieren und ein Stück weit polarisieren: Innovation und Coaching. Ich würde mit der Inclusify beginnen und dann den Innovation Coach ableiten, weil es nur so Sinn ergibt. Wir als Inclusify tragen nicht ohne Grund Inklusion im Namen. Wir sagen, Inklusion darf ruhig breiter gedacht werden. Inklusion heißt Teilhabe an Information für alle Menschen. Wenn ich in einem Industrieunternehmen Informationen nicht konsumieren kann, weil ich die Sprache nicht verstehe, dann fehlt da etwas. Dann ist Inklusion durchaus hilfreich. Das ermöglichen wir erst mit Technologien, wie zum Beispiel auch die von dir genannten, die wir noch auflösen werden. Ich als Innovation Coach bin dafür da, dass wir nicht nur mit Features um uns werfen oder Technologien einfach nur für das loben, was sie theoretisch könnten und dann unter Umständen als Spielerei abgestempelt werden, weil man nur auf Features schaut. Ich bin der Mensch mit der Fahne, auf der wortwörtlich “Mensch” steht, und der dann mit den Unternehmen herausarbeitet, welche Anwendungsfälle es gibt, bei denen die Technologie tatsächlich unternehmerischen Schmerz lindern kann. Das bedeutet, Anwendungsfälle ausarbeiten und dann auch umsetzen. Nur zu wissen, was gehen könnte, ist das eine. Zu wissen, wie es gehen kann und Menschen mitzunehmen, ist das andere. Man könnte auch sagen, es ist eine Change-Begleitung, diese Use Cases wirklich in die Tat umzusetzen.

ANDREA SPIEGEL: Sehr spannend auf jeden Fall. Ich glaube, das ist ein abwechslungsreicher Job.

CHRISTIAN KLERNER: Das ist er definitiv.

ANDREA SPIEGEL: Sehr spannend. Ich habe es jetzt gerade schon angekündigt. Ich habe die Worte Augmented RealityVirtual RealityMixed Reality erwähnt. Du bist Coach für Extended Reality. Da ist irgendwie von allem etwas dabei. Was ist das alles, was ist der Unterschied und worüber sprechen wir heute?

CHRISTIAN KLERNER: Das ist wichtig, weil die Technologien bekannter sind, als man glaubt, aber viele nicht genau wissen, wann sie sie schon einmal verwendet haben. XR ist der Dachbegriff für all diese TechnologienVR kennen die meisten von Computerspiele-Messen. Man bekommt eine Brille aufgesetzt und taucht in die virtuelle Welt ab, fährt vielleicht eine Achterbahn, steht aber währenddessen im realen Raum. Das kann unter Umständen auch mit unangenehmen Gefühlen wie Schwindel verbunden sein. Schwindel ist dabei das geringste Problem, es gibt auch andere unangenehme Effekte, aber das ist VR: Man ist wirklich abgeschottet in einer Parallelwelt.

Augmented RealityAR, ist auch schon bekannt, vielleicht ohne dass man es bewusst wahrnimmt. Pokémon Go hat es populär gemacht. Man hat sein Smartphone in der Hand, läuft durch den Park, sieht durch das Handy-Display die reale Umgebung und bekommt Informationen eingeblendet, in diesem Fall Pokémon. Also erweiterte Realität. Man kann mit den Pokémon aber nur begrenzt interagieren, sieht sie auf dem Display, aber mehr ist nicht möglich.

Mixed RealityMR, könnte man als die Königsdisziplin bezeichnen, weil man dort auch mit den Objekten interagieren kann. Man sieht nicht nur die Objekte auf dem Display, sondern kann mit einer MR-Brille auch mit den Händen in diese Welt eintauchen, die Objekte greifen, größer ziehen, drehen, um sie herumgehen. Man kann diese Objekte also mehr oder weniger als physikalische Objekte betrachten und damit arbeiten.

ANDREA SPIEGEL: Auch fühlen.

CHRISTIAN KLERNER: Fühlen, ja. Es gibt auch Möglichkeiten, aber das ist dann schon wieder eine andere Technologie.

ANDREA SPIEGEL: Okay, aber das heißt, wenn ich Extended Reality sage, dann bin ich auf jeden Fall auf der sicheren Seite, sozusagen.

CHRISTIAN KLERNER: Genau, wenn du sagst, Innovation Coach bei der Inclusify, ist alles abgedeckt und XR ist die Technologie, die uns antreibt. Natürlich ausgelöst durch Impulse, die vielleicht aus dem Bereich der KI kommen, wie etwa eine Bilderkennung, die dann sagt, jetzt bitte folgende Information über Augmented Reality einspielen, als Ausgabetechnologie, als Visualisierungstechnologie.

ANDREA SPIEGEL: Das wäre jetzt tatsächlich noch eine Frage gewesen: Inwiefern ist KI relevant für diese Technologien? Geht es auch ohne oder ist es ein Muss?

CHRISTIAN KLERNER: Es ist ein, sagen wir mal, häufiger Trigger in diesem Zusammenhang. Ich habe es gerade erwähnt: Irgendwo muss mein Smartphone zum Beispiel wissen, wann es mir eine digitale Information einblenden soll. Es gibt ja oft die Verbindung, dass Printmedien um digitale Informationen angereichert sind, die dann eingeblendet werden. Irgendwo muss mein Smartphone wissen, woher die Information kommt und wohin sie dargestellt werden soll. Das geht klassisch über QR-Codes, aber auch über eine Bilderkennung. Hier spielt KI eine Rolle, weil die KI abgleicht, ob sie das Bild schon kennt, und wenn ja, woher, und welche Information dann ausgespielt werden soll.

ANDREA SPIEGEL: Okay, jetzt geht es in unserem Podcast um Industrie 4.0 und Digitalisierung auf allen Ebenen von Industrieunternehmen. Inwiefern kann ich in meinem eigenen Unternehmen, also unternehmensintern, mit diesen Technologien meine Prozesse verändern und verbessern? An welchen Stellen gibt es da Ansatzpunkte? Geht das vom Wareneingang bis zum Versand oder gibt es da Beschränkungen?

CHRISTIAN KLERNER: Es ist vielleicht rhetorisch nicht ganz korrekt von mir zu sagen, was man nicht tun sollte zu Beginn, aber was wir feststellen und was mir auch konkret begegnet, ist, dass uns zum Beispiel IT-Leiter anrufen und sagen: “Ich habe jetzt so eine Datenbrille kaufen sollen, ich glaube, das ist eine Mixed Reality-Brille von Microsoft. Die habe ich jetzt hier liegen, ich habe ein bisschen rumgespielt, das ist ganz witzig, aber könnt ihr mir sagen, wie ich dem Fachbereich damit helfen kann?” Das ist die Reihenfolge, die uns begegnet. Das Ding kostet über 3.000 Euro.

ANDREA SPIEGEL: Erst mal haben.

CHRISTIAN KLERNER: Erst mal haben wollen, erst mal rumspielen und dann das Problem suchen, das ich mit der Lösung, die ich jetzt hier habe, lösen kann. Die Lösung habe ich schon, das Problem suche ich noch – so ungefähr. Diese Reihenfolge macht nur bedingt Sinn. Wo die Technologie

im eigenen Haus, gerade auch VR-Technologie, sehr stark zum Einsatz kommt, ist zum Beispiel im Training, in Trainingsszenarien und Weiterbildungsszenarien. Warum soll man am ersten Arbeitstag gleich mit der Kreissägearbeiten? Vielleicht sollte man sie erst mal in einer virtuellen Welt, in einer VR-Umgebung, vorfühlen können – also auch ein Sicherheitsaspekt unterm Strich.

ANDREA SPIEGEL: Wie realistisch ist das? Also, wenn ich mir jetzt vorstelle, ich habe so eine Brille auf, und ich weiß ja, ich habe das Ding nicht wirklich in der Hand, vielleicht einen Dummy oder so was, wie realistisch lässt sich das darstellen? Hast du das schon mal ausprobiert?

CHRISTIAN KLERNER: Ich durfte, ich musste beruflich. Es fühlt sich in Anführungsstrichen erschreckend realistisch an. Also, zum Teil vergisst du förmlich, dass du in der virtuellen Realität bist. Das ist ein klassisches Thema. Im Trainingsbereich kommt VR sehr stark zum Einsatz, intern. Ich muss ehrlich gestehen, dass wir es gar nicht so stark differenzieren, ob es im eigenen Haus oder im externen Bereich zum Einsatz kommt, weil es sehr häufig verschmilzt. Wie würdest du es sagen, wenn ein Servicetechniker beim Kunden steht, ein Problem hat und sich mit einer zum Beispiel Augmented Reality-Brille Unterstützung von einem Kollegen holt? Ist das jetzt ein interner Einsatz, weil der Kollege ihm sagt, wie es geht und ihn instruiert? Oder ist es ein Kundeneinsatz, weil er dem Kunden gerade hilft? Das ist ein schmaler Grat.

ANDREA SPIEGEL: Spannend wird es wahrscheinlich, wenn man irgendwann sagt, ich liefere meinem Kunden Datenbrillen aus und helfe ihm dann quasi nur noch über ein Gespräch per Video oder wie auch immer.

CHRISTIAN KLERNER: Genau, das ist die nächste Ausbaustufe, dass ich sage, muss ich denn wirklich, um den berühmten roten Knopf zu drücken, nach Indien fliegen, um dort vor Ort den Einsatz selbst durchzuführen? Oder kann ich vielleicht meinen Kunden befähigen? Das ist ja in mehrfacher Hinsicht für beide irgendwo hilfreich. Da kommt dann auch wirklich die Brille auf Kundenseite zum Einsatz.

Würde mit Smartphone oder Tablet auch funktionieren, um einfach vom Gleichen zu sprechen, das Gleiche zu sehen und in dieses Bild, das durch Augmented Reality erzeugt wird, Informationen einzublenden, etwas einzuzeichnen. Eben nicht nur an meinem Laptop-Bildschirm sichtbar, sondern immer in Verbindung mit dem realen Objekt, um das zu visualisieren.

ANDREA SPIEGEL: Jetzt hatten wir den Fall quasi Service und wir hatten das Thema Schulungen oder erstmal Testen usw. Was gibt es noch für Anwendungsfälle in der Industrie?

CHRISTIAN KLERNER: Ich würde mal aus dem Nähkästchen plaudern. Ein Beispiel aus dem Sales, also Vertriebsaußendienst: Ein Ausstatter von Hautscreening-Geräten. Diese Geräte wiegen 80, 100 Kilo oder sogar mehr. Der Vertrieb packt sie zum Teil in den Kofferraum und lässt sie über Landesgrenzen fliegen, um sie bei einem Arzt in die Praxis zu bringen, oft in Altbauten im dritten oder vierten Stock. Das Ziel ist, zu zeigen, wie dieses Gerät im Raum des Arztes wirkt. Ist das zeitgemäß? Wahrscheinlich nicht.

Da stellt sich die Frage: Wie können wir das ändern? Wie schaffen wir es, dass wir nicht 14, 15 Demogeräte um die Welt schicken müssen? Und wie entlasten wir den Vertriebler ergonomisch?

Da arbeitet man jetzt mit digitalen Abbildern. Das kennt man vielleicht aus dem privaten Umfeld, etwa von einem großen Möbelhersteller. Da kann man Möbelstücke mithilfe von Augmented Reality exemplarisch in sein Wohnzimmer stellen. Man sieht also am Handy das Wohnzimmer und das Möbelstück wird eingeblendet. Genauso arbeitet dieser Gerätehersteller zukünftig. Das nennt sich Digital Mockup. Der Vertriebsmitarbeiter wird nicht nach der Technologie fragen, sondern nach einer konkreten Lösung für seine tägliche Herausforderung. Dann kann ich als Lösung die Technologie einsetzen. Das ist besser, als wie der IT-Leiter, der erst kauft, guckt und danach sagt: Wo passt es jetzt?

ANDREA SPIEGEL: Wofür könnte ich es jetzt benutzen?

CHRISTIAN KLERNER: Genau, wofür könnte ich es benutzen? Einer der Tipps, die ich mitgebe, ist, sich mit den täglichen Herausforderungen intensiv zu beschäftigen und dann abzugleichen. Es gibt schon einige Use Cases, wie zum Beispiel mit dem Digital Mockup, wo ich dann wirklich mit der Technologie unternehmerischen Schmerz löse und nicht nur eine Spielerei habe.

ANDREA SPIEGEL: Aber wie finde ich heraus, dass das eine mögliche Lösung ist? Der Vertriebler fragt vielleicht nicht aktiv danach, oder in der Produktion gibt es vielleicht eine Gefahrenstelle, wo man ein Training machen sollte. Wie komme ich auf die Idee, dass das ein Use Case für so eine Technologie ist? Gibt es da Merkmale, an denen ich mich orientieren kann?

CHRISTIAN KLERNER: Das geht auch durch Botschafter wie uns. Deswegen predigen wir und werden nicht müde zu sagen, dass es keine Zukunftstechnologie ist. Weder Augmented noch Mixed Reality und auch nicht VR, die gibt es schon Jahre. Durch diese Botschafter wird das Thema präsenter. Wir sind im Verband für Maschinen- und Anlagenbau unterwegs und halten dort Vorträge, um das Thema präsenter zu machen und die Technologie überhaupt zu sensibilisieren. Wenn die Technologien alltagstauglicher werden und häufiger positioniert werden, wird das Thema interessant. In Workshops analysieren wir erst unternehmerische Herausforderungen im Fachbereich und gleichen sie dann mit den Potenzialen der Technologie ab.

Es braucht vorher ein Bewusstsein, dass es die Technologien überhaupt gibt. Viele sagen, das wird mal kommen, aber es ist schon da. Es zusammenzubringen und diese Reihenfolge einzuhalten, ist nicht leicht. Ein Problem genau zu beschreiben, ist nicht so einfach. Meckern ist einfacher, aber das konkret zu beschreiben, was die Herausforderung ist, ist schwieriger, als man glaubt.

ANDREA SPIEGEL: Da muss man wahrscheinlich auch die richtigen Leute am Tisch haben, die das überhaupt beschreiben können.

CHRISTIAN KLERNER: Genau, da braucht es die Leute aus dem operativen Geschäft. Keiner kann es besser beschreiben als der, der es in der Praxis tut. Die werden nicht sagen: Wir brauchen Augmented Reality im Service. Aber jemand könnte sagen: Ich bin immer wieder bereit gewesen, am Montag früh spontan irgendwo hinzufliegen zum Kundeneinsatz. Ich brauche das nicht mehr. Ich weiß, wie es geht, aber ich brauche diese Kurzfristigkeit nicht mehr. Es wird die Jungen geben, die sagen: Es wäre spannend für mich, mal beim Kunden in Spanien zu sein. Aber ich weiß nicht, wie es geht. Das sind die Punkte, wo wir hellhörig werden und sagen: Das passt ja zusammen. Der eine weiß, wie es geht, will nicht mehr hin. Der andere will hin, weiß aber nicht, wie es geht. Da kann ich ansetzen und sagen: Es gibt eine Technologie, die ermöglicht es durch Augmented RealitySmartphoneTabletDatenbrille – großer Vorteil, händefrei – aus der Ferne zu assistieren. Weil wir beide das Gleiche sehen und ich ihm in seinem Sichtfeld, bestenfalls mit der Brille, etwas einzeichne und Informationen mitgeben kann.

Die Probleme und Lösungen fallen oft an der Kaffeemaschine auf. Ich muss zuhören und bereit sein zu verstehen, dass man da mit Technologie helfen kann. Es ist trotzdem eine herausfordernde Geschichte, eine Form von Change.

ANDREA SPIEGEL: Ja, man muss, wie du sagst, auch bereit sein, die Technologien anzunehmen und zu sagen, wir brauchen eben keine Zukunftsmusik mehr. Ich hatte auch mal ein Gespräch mit einem Partner von uns, der auch gesagt hat, er kriegt ganz oft die Aussage, ja, das ist ja noch Star Wars-mäßig, also das brauchen wir noch gar nicht, wir haben ganz andere Probleme.

Aber es ist spannend, dass du sagst, eigentlich sind wir schon lange da, wir müssen bloß mal hinterherkommen.

CHRISTIAN KLERNER: Aber auch dieser Star-Wars-Effekt trifft durchaus zu. Also, wenn du da bei einem Workshop einen Azubi im Termin hast, dann wissen innerhalb von fünf Minuten alle Azubis, was da unten abgeht im Raum und belagern den Vorraum. Und das kann ich ja auch nutzen. Ich meine, das ist eine Form von modernem Arbeitsplatz. Und wer schreit danach? Die, die jetzt kommen, sagen, ich möchte zum Beispiel remote arbeiten. Das wäre vor Jahren im Service nicht wirklich denkbar gewesen. Wie soll ich denn remote arbeiten? Du musst ja anpacken, kannst ja nicht von zu Hause die Hand steuern. Aber das ist auch eine Form von Möglichkeit, remote zu arbeiten, wenn ich unter Umständen im Einsatz unterstützt werde und plötzlich ganz andere Vertretungsmöglichkeiten habe, weil ich eine Form von Befähigung über die Distanz hinbekomme.

ANDREA SPIEGEL: Wenn ich jetzt nochmal in mein Unternehmen schaue, angenommen, ich bin zum Beispiel Maschinen- und Anlagenbauer, dann habe ich ja tendenziell auch ein Lager, vielleicht sogar ein großes Lager, in dem meine Teile und Werkzeuge und so weiter aufbewahrt werden. Was kann ich denn da mit Augmented Reality oder Virtual Reality machen?

CHRISTIAN KLERNER: Ganz klassisch vermeintlich natürlich das Thema Leitsystem. Also, sobald ich irgendwo in meine reale Umgebung Informationen einbinden und sichtbar machen kann, ist das Thema Leitsystem recht vorne mit dabei. Also, ein In-House-Leitsystem, um mich im Lager, jetzt nicht zwingend im Lager der Inclusify, das sind vier Quadratmeter, aber in einem größeren Lager zurechtzufinden. Dann gibt es natürlich auch die Möglichkeit, dass ich durch diese Visualisierungsoptionen relativ schnell sehen kann, was an Bestand da ist. Vielleicht könnte man unter Umständen auch visualisieren, was fehlt, was hier eigentlich stehen müsste. Wie groß ist das, was hier steht? Ich muss aber zugeben, dass ich im Lager persönlich bisher relativ wenig Erfahrung hatte, aber das sind die klassischen Anwendungsfälle.

ANDREA SPIEGEL: Jetzt haben wir vorhin schon angekündigt, dass wir uns auch mal das Thema entlang der Supply Chain anschauen wollen, also der Wertschöpfungskette generell. Inwiefern lassen sich diese internen Use Cases auf die gesamte Kette übertragen? Wenn ich jetzt zum Beispiel an Lieferanten denke, was sollte sie dazu bewegen, da mitzumachen?

CHRISTIAN KLERNER: Also ein Punkt, der uns immer wieder begegnet, ist das Thema Prototypenbau. Da stellt sich die Frage, muss ich denn wirklich, aus Ressourcensicht und im Sinne der Nachhaltigkeit, sofort mit dem Bau beginnen? Muss ich direkt Material einsetzen, oder gibt es eine Möglichkeit, mit digitalen Informationen zu arbeiten? Häufig ist das Modell in der Entwicklung, bestenfalls bei neuen Produkten, schon im Computer vorhanden. Wie kann ich diese Information vielleicht noch besser visualisieren, noch authentischer und greifbarer machen? Ein Beispiel: Ein Hersteller von Wohnmobilen überlegt, nur noch den Grundkörper zu produzieren und alles Weitere im Fahrzeug oder Anhänger digital zu visualisieren. So kann man besser einschätzen, wie es aussehen würde und was noch verbessert werden muss.

Ein weiteres Beispiel sind Messeveranstaltungen. Da stellt sich die Frage, brauche ich wirklich eine eigene Halle, um drei LKWs oder Baufahrzeuge zu präsentieren? Könnte man den Messestand durch digitale Objekte vergrößern und den Raum ausdehnen?

Im Kontext von Lieferanten: Wenn du die Frage konkretisieren könntest, hast du vielleicht eine Idee aus dem Gespräch, wo ein Ansatzpunkt wäre? Geht es um die visuelle Erweiterung oder die Darstellung von Informationen oder Objekten?

ANDREA SPIEGEL: Also ich habe mir jetzt noch nichts Konkretes überlegt, weil ich dachte, du hast bestimmt schon viel erlebt. Ich könnte mir vorstellen, dass es zum Beispiel bei der Anlieferung ein Thema sein könnte. Die Lieferzeitfenster können sich ja mal verschieben, man kann im Stau stehen oder so. Ich weiß nicht, ob man da irgendwie Daten aktuell übertragen kann, ob da überhaupt Virtual Reality zum Beispiel sinnvoll wäre oder ob das dann nicht schon zu viel ist. In dem Bereich könnte ich es mir vorstellen. Oder wenn es um Teile geht, dass der Lieferant eben Bescheid bekommt, dass Teile nachgeliefert werden müssen. Aber da ist die Frage, brauche ich dafür schon Extended Reality in irgendeiner Form oder reicht da vielleicht auch einfach eine normale Datenmeldung?

CHRISTIAN KLERNER: Das ist genau der Punkt, auf den ich ein bisschen abzielen wollte. Entschuldige das Herumdrehen des Spießes.

ANDREA SPIEGEL: Alles gut, nein, das ist gut.

CHRISTIAN KLERNER: Mir ist dabei bewusst geworden, dass in manchen Fachbereichen die Use Cases noch nicht so stark auf der Hand liegen und man verführt sein könnte, Technologien zweckzuentfremden oder einzuführen, die dann doch eher ein Nice-to-have sind. Visualisierungsthemen sind uns ganz stark im Sales– und Produktbereich sowie im Service begegnet, weil ich eben Wissen über die Distanz transferiere. Im Trainingsbereich ist es ähnlich. Dort müssen vielleicht nicht mehr 40 Leute aus der ganzen Welt eingeflogen werden, um zu zeigen, welcher Knopf gedrückt werden muss. Das war jetzt überspitzt formuliert. Aber es geht darum, Trainingsszenarien zu vereinfachen, Menschen aus der Ferne über die Schulter schauen zu lassen, wenn dort geschult wird. Im Lieferantenverhältnis sind die Themen meiner Meinung nach noch nicht so eindeutig. Zumindest schreit der Maschinen- und Anlagenbauer, den du angesprochen hast, noch nicht direkt danach.

ANDREA SPIEGEL: Das ist ja auch eine spannende Aussage. Es ist vielleicht auch beruhigend zu wissen, dass man nicht alles sofort in einen Use Case einbeziehen muss. Wir haben jetzt schon über das Thema gesprochen, die Mitarbeiter und vielleicht auch die Kunden einzubinden. Hast du da noch Tipps? Für manche ist es vielleicht eine befremdliche Technologie oder man fragt sich, was man mit so einer Brille im Gesicht soll. Wie gewöhne ich meine Leute daran, wie nehme ich sie mit und wie lasse ich sie das dann auch erleben und umsetzen?

CHRISTIAN KLERNER: Grundsätzlich schließt sich der Kreis und wir knüpfen an den Punkt von vorhin an, dass man möglichst früh das operative Geschäft einbezieht. Das sind dann oft Interviews oder Gespräche über den Alltag der Mitarbeiter. Was treibt einen Mitarbeiter, eine Mitarbeiterin im Alltag um? Wo liegen tatsächlich die Herausforderungen, bevor man mit Technologie-Features kommt und um sich wirft? Das ist der erste Punkt. Ich stelle immer wieder fest, dass wenn man mit Technologie kommt und jemandem zum Beispiel so eine Brille auf den Kopf setzt und sagt, probiere mal aus, dann kommt die Reaktion: Ja, das ist ganz nett, aber wie soll man das jetzt verwenden?

ANDREA SPIEGEL: Geht auch ohne, ja.

CHRISTIAN KLERNER: Genau, geht ja bisher auch ohne, aber wie soll das jetzt helfen? Wenn du vorher in Gesprächen sensibilisiert hast und mit den Mitarbeitern gemeinsam die Herausforderungen aufgedeckt hast. Man kann es auch als Problemlösung direkt angehen. Dann führst du danach andere Gespräche über die Technologie, weil die Bereitschaft, sich zu verändern, größer ist, wenn ich weiß, es dient mir. Es dient nicht nur meinem Arbeitgeber, weil irgendwas vielleicht günstiger oder schneller geht.

ANDREA SPIEGEL: Zeit und Geld sparen, ja.

CHRISTIAN KLERNER: Genau, sondern es dient mir tatsächlich als Mensch in meinem Tun heute. Wenn ich Wissen teile, weiß eine andere Person mehr als vorher und ruft mich vielleicht nicht immer im Urlaub an, weil nur ich es bisher wusste. Auf diese vermeintlich zwischenmenschlichen, vielleicht auch weichen Faktoren aufzusetzen, ist einfacher als zwingend zu sagen, es geht danach schneller und ist für uns günstiger oder der Kunde zahlt dann mehr. Wenn der Kundefür den neuen Service Geld zahlt, ist das gut, aber das ist noch ein weiterer Weg, bis es mich als Mitarbeiter wirklich auch einen Vorteil bringt. Wenn es mich aber entlastet, dass ich nicht mehr kurzfristig weit weg fliegen muss für einen Serviceeinsatz und eine andere Person freut sich darüber, ist das das Naheliegendste.

Ein weiterer Punkt, der sich vielleicht ein bisschen mit dem schneidet, was ich vorhin gesagt habe, ist das Thema, dass Mitarbeiter die neue Hardware, zum Beispiel eine Brille, auch mal mit nach Hause nehmen und damit spielen. Tatsächlich zu spielen. Wenn ich mit einer Datenbrille zu Hause ein Spiel spiele oder mein Kind spielen lasse, wird es für mich normaler und intuitiver. Die Gesten, die ich in die Luft mache, weil ich einen Button durch die Brille sehe, den sonst niemand sieht, werden intuitiver, wenn ich damit auch spiele und mich in der Freizeit damit beschäftige, und nicht nur, weil ich es muss und ausschließlich auf den Job bezogen.

Das wird meist unterschätzt: Wann soll ich meinen Mitarbeitern so ein Werkzeug mit nach Hause geben? Es ist ja erstmal ein Werkzeug. Ein weiterer, etwas strategischer Tipp ist, nicht nur an einen einzigen Use Case zu denken und zu sagen, das ist der Use Case und davon machen wir abhängig, ob wir in die Technologie investieren. Es ist sinnvoll, breiter zu denken und zu schauen, wo es Überschneidungen zwischen dem Tagesgeschäft, dem Service operativ und dem Trainingsszenario gibt. Dann wird auch der Preis relativiert. Es wird oft gesagt, eine Datenbrille kostet 3000 Euro, das ist teuer. Wenn jemand weiß, was ein iPhone ohne Vertrag kostet, ist das relativ schnell ein anderer Preis, den man privat schon zahlt. Und wenn man sich nach Geschäftsreisepreisen erkundigt, wenn

jemand kurzfristig zum Serviceeinsatz muss, ist der Preis kein Vergleich.

ANDREA SPIEGEL: Vielleicht schon nach einem Einsatz wieder drin.

CHRISTIAN KLERNER: So ist es. Das ist aber eher ein Tipp für die Führungsriege, das Thema breiter anzugehen und sich eine Roadmap zu entwickeln. Das ist meine Daseinsberechtigung, eine Roadmap zu entwickeln, wo man die Abhängigkeit von Use Cases festhält und einen Plan entwickelt, der übermorgen hinausgeht.

ANDREA SPIEGEL: Das heißt aber auch nicht, dass ich sofort alles abdecken muss. Angenommen, ich finde fünf Use Cases, in denen ich das sinnvoll einsetzen kann, muss ich ja trotzdem nicht gleich alle fünf angehen.

CHRISTIAN KLERNER: Richtig. Ich starte mit dem naheliegendsten Use Case. Das ist im Maschinenanlagenbau ganz eindeutig die Remote-Unterstützung im Service mit Augmented Reality. Das ist der naheliegendste Punkt, weil er die offensichtlichsten Schmerzpunkte abdeckt. In Pandemiezeiten durfte ich oft nicht mehr zum Kunden ins Haus. Ich musste überlegen, wie ich mein Wissen transferiere, damit eine andere Person die Maschine in Betrieb nehmen kann. Oft müssen deutsche Firmen gezwungen werden, solche Innovationen anzunehmen.

Ein weiterer Punkt ist, dass mir Leute ausgefallen sind. Ich konnte vielleicht nicht mehr mit 15, 20, 30 Personen im Service planen, sondern hatte nur noch 10 da. Ich musste also schauen, wie ich Wissen bereitstelle, sodass jemand etwas tun kann, der in gewissen Bereichen noch nicht die Erfahrung hat. Und es gibt noch viele weitere Punkte. Junge Leute kommen nach und sagen, ich bin nicht mehr bereit für eine Fernbeziehung. Ich kann Dienstag arbeiten bis Donnerstag, Freitag fahre ich mittags schon weg und am Montag komme ich erst mittags zurück. Wenn das für dich passt, fange ich bei dir an.

Das ist die Erwartungshaltung zum Teil. Ich muss mir also überlegen, weil diese Schmerzpunkte so offensichtlich sind, ist der Bereich ganz vorne mit dabei. Man könnte auch sagen, es ist ein bisschen gezwungen, aber es tut dem Maschinenanlagenbau sehr gut, dazu bewegt worden zu sein.

ANDREA SPIEGEL: Wie ist es denn bei meinem Kunden? Du hast jetzt vorhin schon gesagt, dass der Kunde im Zweifel ein bisschen mehr bezahlen muss, weil sich so ein Projekt erst amortisieren muss und es sich einfach auch lohnt. Oder man bietet ein neues Modell an und sagt, hey, da hast du auch was davon. Muss ich die vorher informieren? Stelle ich sie lieber vor vollendete Tatsachen, um zu vermeiden, dass zu viel Gegenwind kommt? Oder finden die das alle automatisch gut, weil sie ja was davon haben? Wie ist da deine Erfahrung?

CHRISTIAN KLERNER: Ich glaube nicht, dass es für den Kunden zwingend teurer sein muss. Das geht schon ganz vorne in der Kette los. Zum Beispiel bei der Inbetriebnahme, die wir gerade hatten, oder vor der Inbetriebnahme. Ich habe eine Maschine gebaut, die bei mir noch in der Produktion steht. Da möchte ich es meinem Kunden mal zeigen, den Arbeitszwischenstand unter Umständen. Und ich sage zum Kunden, du musst nicht mehr zu mir fliegen, um das zu sehen, sondern ich kann dich mitnehmen. Ich zeige dir das im Prinzip live. Du kannst dich zuschalten und mir per Augmented Reality bestimmte Bereiche markieren, wo ich näher hingehen soll.

Wir können ganz anders interagieren. Das spart meinem Kunden direkt Geld. Also ist es für den Kunden nicht teurer, sondern sogar günstiger, dort teilhaben zu können. Dann schließt sich der Kreis zu meinem ersten Satz. Und im Service ist es ähnlich. Wenn mein Kunde das Gefühl hat, er muss nicht auf den Servicetechniker warten, der erst vorbeikommt, sondern wird direkt unterstützt oder ein anderer Servicetechniker, der normalerweise nicht aus dem Fachbereich ist, aber unterstützt werden kann und das Problem beheben kann, hat der Kunde einen direkten Vorteil. Das muss der Kunde auch spüren. Er muss ein Verständnis entwickeln, dass es ihm dient. Dass es nicht nur ein Vorteil für den Maschinenanlagenbauer ist, das wäre ihm erstmal egal. Also der Kunde des Maschinenanlagenbauers sagt erstmal, wo ist mein Vorteil.

ANDREA SPIEGEL: Ja, so wie der Mitarbeiter eben vielleicht auch.

CHRISTIAN KLERNER: Ganz genau, richtig. Jeder schaut erstmal auf sich. Es ist auch urmenschlich, glaube ich. Und das muss eben durchkommen. Dann wird auch eine ganz andere Offenheit da sein. Das ist, glaube ich, auch so ein bisschen deutsch in Workshops. Super Begeisterung für die Technologie beim Maschinenanlagenbau. Aber ich bin doch immer offline. Der Kunde lässt mich nie ins WLAN.

Wie soll ich denn mit so einer Technologie arbeiten, die auf Internet basiert? Nehmen wir das mal eins zu eins in der Unterstützung. Dann ist alles, was du vorher mit dem Kunden an wunderbaren Erlebnissen hattest, zur Technologie erstmal wieder beiseitegeschoben, weil er ist ja offline beim Kunden. Und wie sagt ein Kollege: Wenn die Maschine steht und der Kunde weiß, ihm kann jetzt geholfen werden, indem er sein WLAN öffnet für den Dienstleister, den er kennt, macht er das auf. Also, in den meisten Fällen macht er das auf.

ANDREA SPIEGEL: Wenn nicht, selber schuld.

CHRISTIAN KLERNER: Und wenn nicht, dauert es eben länger. Und das ist dann das Thema der Mathematik. Also länger warten, das heißt meist länger stehen, das bedeutet mehr Geld verbrennen oder eben kein Geld verdienen, je nachdem.

ANDREA SPIEGEL: Ja, okay. Wir haben jetzt ganz viel über Datenbrillen gesprochen. Ich kenne aus meiner persönlichen Erfahrung auch noch eine virtuelle Montagelinie, die ich mal erlebt habe. Es war auch ganz interessant, wo dann quasi der Boden und zwei Seitenwände die Montagelinie abbildeten und man dort drin stand und sehen konnte, wie man sowas montiert. Welche Technologien gibt es denn generell? Also, es gibt ja wahrscheinlich nicht nur die Brille, oder ist die Brille schon das Maßgebliche? Du hattest doch gesagt, TabletSmartphone. Wie würdest du das so einstufen? Wann brauche ich was? Was ist vielleicht auch mal zu viel des Guten? Kannst du da vielleicht mal in die Hardware einen kurzen Einblick geben?

CHRISTIAN KLERNER: Also menschlich naheliegend ist bestenfalls das, was der Mensch schon kennt. Und das ist ein Smartphone. Oma in der WhatsApp-Gruppe ist normal. Das Handy ist da. Deswegen ist das Handy schon auch im Service durchaus ein Thema oder auch im Sales nur naheliegend. Der Vertriebsmitarbeiter hat schon ein Tablet unter Umständen dabei, um dem Kunden mal die Maschine zu positionieren oder eben dieses besagte Screening-Gerät von vorhin. Da sind Smartphone und Tablet durchaus üblich, weil ich im Verkaufsgespräch nicht zwingend meine Hände frei haben muss. Ganz im Gegenteil, vielleicht ist es sogar für manchen angenehmer, wenn er etwas in der Hand hat.

Da macht es auch nur Sinn, sobald ich in den Bereich komme, wo ich während der Informationseinblendung weiterarbeiten möchte. Wenn ich einen Arbeitsschritt direkt ausführen will, wird es mit Smartphone und Tablet interessant. Jeder kennt das irgendwie, wenn man vielleicht links gerade eine Anleitung am Smartphone hat und rechts einen Schrank aufbauen möchte. Mit einer Hand ist das nicht ganz so einfach. Sobald ich praktisch während der Informationskonsumption schon anpacken möchte, eignet sich die Datenbrille, weil die Hände frei sind. Das ist naheliegend. Und das ist im Service sehr oft so. Definitiv auch im Trainingsbereich. Ich will ja den Schritt einsparen, dass ich links auf meine Anleitung schaue, dann verstehe, was ich tun soll, und dann einen Meter nach rechts gehe, um diesen Schritt auszuführen.

ANDREA SPIEGEL: Um mich dann nicht mehr zu erinnern, was dastand.

CHRISTIAN KLERNER: Ganz genau. Das bin ich. Willkommen in meinem Leben. Einen Meter, alles vergessen. Und das möchte ich ja einsparen. Das ist ja der große Mehrwert dieser Technologien, dass ich die digitalen Informationen so nah wie möglich an dem Ort habe, wo ich sie brauche, wo ich den Arbeitsschritt ausführen möchte. Um das zu vermeiden, ist die Brille vorne mit dabei. Ich kann direkt anpacken, während ich die Informationen sehe. Deswegen ist dann in den Bereichen, wo ich handwerklich unterwegs bin, das Smartphone oder Tablet auch möglich. Es kommt auch zum Einsatz. Es ist in manchen Szenarien sogar kurzfristig hilfreich, weil es schon dabei ist. Aber eins ist auch klar, die Brille muss ich haben. Ich muss sie bei mir haben…

ANDREA SPIEGEL: … und aufsetzen.

CHRISTIAN KLERNER: Richtig. Das ist die ganz grobe Differenzierung. Der entscheidende Punkt ist, ob ich meine Hände brauche oder nicht. Und das ist im Sales zum Beispiel nicht zwingend notwendig.

ANDREA SPIEGEL: Okay. In Anbetracht der Zeit hätte ich jetzt, ich habe nämlich noch zwei spannende Ausblicksfragen, die mich interessieren würden, die würde ich jetzt gerne ein bisschen vorziehen. Und zwar neben dem Thema KI, was ja auch schon so langsam in aller Munde ist, wo man schon fast nicht mehr von Zukunftsmusik sprechen kann, zumindest nicht von den Basisanwendungen, sage ich mal, ist ja auch so ein nächster logischer Schritt in der Entwicklung unserer Industrie in Richtung Metaverse. Das hört man jetzt immer öfter mal. Kannst du uns einmal kurz abholen, was das ist und was es mit dem zu tun hat, worüber wir heute geredet haben?

CHRISTIAN KLERNER: Also ich habe, glaube ich, inzwischen fünf Vorträge über das Metaverse gehört und alle fünf waren anders, weil jeder der Referenten das Metaverse so erklärt, wie er es eben wahrnimmt. Jetzt haben wir die sechste Variante, nämlich meine gleich wahrscheinlich. Also grundsätzlich ist für mich ein Teil des Metaverse schon da. Das ist das, was wir mit Pokémon GoAugmented Reality, erlebt haben. Das ist das, was wir mit VR auf Spielemessen erlebt haben. Das ist schon viel näher, meine ich, als mancher glaubt. Für mich ist das im Prinzip Metaverse, dass die Welten noch mehr zusammenwachsen, dass du im Prinzip gar nicht mehr zwingend darüber nachdenken musst, ob du jetzt gerade in der realen Welt oder in einer abgeschirmten Digitalwelt bist. Sondern dass das im Prinzip noch mehr zusammenrückt. Das wird passieren.

Diese besagten Datenbrillen werden alltagstauglicher. Es gibt zum Beispiel Produktplatzierungen, wie bei Nreal, kein Partner von uns, aber bei Nreal gibt es eine Brille, die sieht aus wie eine Sonnenbrille. Da kann ich mir auch geschliffene Brillengläser einsetzen lassen.

ANDREA SPIEGEL: Für mich als Brillenträger wichtige Info.

CHRISTIAN KLERNER: Das sieht aus wie eine klassische handelsübliche Brille. Und wenn ich mit der Brille durch den Alltag laufe und es wäre jetzt im Schaufenster eine Schaufensterpuppe um Augmented Reality-Informationen angereichert, was alles technologisch möglich ist, dann unterscheide ich nicht mehr groß, ob ich jetzt gerade in der realen Welt bin oder in der digitalen Welt. Dann ist das ein Teil des Ganzen. Also es ist ein Teil der realen Welt mehr oder weniger. Und das wird für mich noch mehr zusammenrücken. Das ist so mein persönliches Verständnis vom Metaverse. Dass das dann zum Teil am Rechner stattfindet, vor einem Bildschirm, ob das vor dem Schaufenster stattfindet, das ist dann erstmal eine Umgebungsgeschichte. Aber dieses noch mehr Verschmelzen und nicht mehr wirklich differenzieren müssen zwischen den Welten, in diese Richtung wird es aus meiner Sicht noch viel, viel stärker gehen. Ob ich mir dann im Metaverse ein Grundstück kaufen muss, ich weiß es nicht genau. Wobei, wenn es in der analogen Welt nicht mehr geht, dann vielleicht doch im Metaverse.

ANDREA SPIEGEL: Dann vielleicht wenigstens da. Wie sieht es denn aus für Industrieunternehmen, jetzt nochmal betrachtet, was haben die davon? Also klar, ich kann irgendwie Preise im Schaufenster kriegen lassen über eine Brille oder so, aber was bringt mir das nachher in meinem Unternehmen bei der Produktion von Maschinen oder so?

CHRISTIAN KLERNER: Ich glaube, dass Veranstaltungen zum Beispiel im Metaverse anders möglich sind, als es bisher läuft. Wir hatten vorhin im Vorgespräch darüber geredet, dass es nicht mehr sein kann, dass ich von München nach Hamburg fliege, um mir eine PowerPoint anzuschauen.

ANDREA SPIEGEL: Da brauche ich nicht nach Hamburg dafür.

CHRISTIAN KLERNERHamburg ist auch so schön, aber die PowerPoint macht es jetzt nicht zwingend, unbedingt schöner. Und Veranstaltungen im Metaverse heißt für mich, dass ich praktisch in noch eine digitalere Welt eintauchen kann, die sich aber echt anfühlt. Also wo vielleicht noch viel mehr Interaktion möglich ist. Wo ich auch Produkte ausstellen kann. Wo ich zu Hause im Wohnzimmer sitze, oder bestenfalls im ArbeitszimmerHomeoffice, seriös, nicht im Wohnzimmer, sondern im Arbeitszimmer sitze und unter Umständen mir Produkte wie auf einer Messe anschauen kann, die auch greifen kann, vielleicht sogar ein Auto einsteigen kann im Arbeitszimmer. Dass also dieses noch mehr verschmilzt und ich noch mehr Erlebnis habe. Als bisher, wenn jemand eine PowerPoint auf einem Bildschirm teilt. Also ich glaube, diese produktplatzierungs-, sales-seitig erst mal angehauchte Komponente ist eine ganz starke. Deswegen sind auch einige der Vorträge, die ich gesehen habe, sehr marketinglastig. Was ist marketingseitig im Metaverse möglich? Aber natürlich auch ZusammenarbeitKollaborationMicrosoft Teams von heute ist ja auch erst mal Webcam und Bildschirm teilen. Punkt. Aber es gibt ja auch von Microsoft Mesh zum Beispiel schon. Das ist schon wirklich Kollaborieren am 3D-Objekt. Da sitzt du, beide haben eine Brille am Kopf vom Schreibtisch im Prinzip und du interagierst an dem Bauteil gemeinsam und markierst und konstruierst vielleicht auch zusammen. Also eine ganz andere Form der Kollaboration wird dort auch möglich sein. Dann sind wir bei dem Kollaborieren wie vorhin wieder intern, aber auch extern. Ich kann mit dem Kunden ja auch anders zusammenarbeiten.

ANDREA SPIEGEL: Super spannend. Also da bin ich mal gespannt, was da noch auf uns zukommt in den nächsten Jahren. Mich würde jetzt zum Abschluss von deiner Seite noch eine Einschätzung interessieren zum Bereich, wie disruptiv solche Technologien, egal ob jetzt im Metaverse, vielleicht schon noch einen Schritt zu weit, bleiben wir mal bei unseren Extended Reality-Versionen, also Augmented RealityVirtual RealityMixed Reality, inwiefern wirken die sich disruptiv auf die Geschäftsmodelle aus? Also hast du da schon was erlebt, dass jemand quasi im Prinzip durch den Einsatz von so einer Technologie das Geschäftsmodell komplett verändert hat oder sich das im Laufe des Einsatzes verändert hat? Oder passiert das gar nicht, hat das nichts miteinander zu tun?

CHRISTIAN KLERNER: Ich meine, dass das schon im Gang ist, praktisch Stichwort Equipment as a Service, dass ich praktisch als Maschinenanlagenbauer nicht mehr nur ausschließlich meine Maschine produziere und verkaufe für einen Verkaufspreis, sondern dass es auch im Prinzip Möglichkeiten gibt, Maschinen zu leihen oder am Ergebnis gemessen zu bezahlen als Kunde des Maschinenanlagenbauers. Und nach einer Laufzeit gebe ich die Maschine ab und bekomme ein neueres Modell unter Umständen, kennt man ja aus dem privaten Umfeld praktisch. Und in diesen Geschäftsmodellen ist es sehr stark spürbar, da geht es eben nicht nur darum, dass die Maschine ein anderes Kaufvertragsverhältnis bekommt, sondern dass eben auch andere Services dranhängen. Dass unter Umständen dann auch Service anders wortwörtlich gedacht werden muss. Dass ich als Maschinenanlagenbauer vielleicht noch zügiger sein muss, weil das Ergebnis entscheidend ist. Und wenn die Maschine des Kunden länger läuft, bestenfalls durch Predictive Maintenance, ich kann es nicht mehr hören, aber es ist trotzdem noch ein Thema, ich also frühzeitig eingreifen kann oder wenn ich eben Service tue, dann auch schneller zu sein unter Umständen, da bin ich vielleicht nochmal auf ganz andere Dinge angewiesen. Und deswegen gehen die digitalen Services Hand in Hand mit der Veränderung auch dieses neuen Verkaufens, in dem Fall vielleicht aus Leihen oder ergebnisgemessen. Also Equipment as a Service ist für mich ein Stichwort in die Richtung.

ANDREA SPIEGEL: Okay, dann lassen wir das jetzt einfach so stehen. Vielen, vielen Dank für deine Einschätzung. Wir haben gesprochen über Extended Reality entlang der Supply Chain, also wie kann man Virtual RealityMixed Realityoder auch Augmented Reality entlang der Supply Chain sinnvoll einsetzen. Wie kann ich das in meinem Unternehmen implementieren? Haben da vor allem den Bereich Service und Vertrieb auch angeschaut. Aber auch den Bereich Schulung, der in jedem Fall spannend sein könnte.

Schaut da also auf jeden Fall mal vielleicht näher rein. Schaut auch gerne mal bei der Inclusify AG vorbei oder natürlich auch bei uns bei der L-mobile. Wir hoffen, euch hat die Folge gefallen. Wenn ihr noch Fragen zu dem Thema habt, auch direkt an den Christian, dann schreibt uns das gerne in die Kommentare oder schickt uns eine Nachricht, dann leiten wir das weiter. Und wenn ihr ansonsten noch Vorschläge für neue Folgen habt, Ideen habt, worüber wir noch sprechen sollen im Podcast, schreibt uns da auch gerne eine Nachricht oder einen Kommentar. Ansonsten lasst uns einen Daumen nach oben da oder eine Bewertung bei Apple PodcastsSpotify und Co. Wir freuen uns auf eure Rückmeldung. Vielen Dank nochmal an dich, dass du heute da warst.

CHRISTIAN KLERNER: Dankeschön.

ANDREA SPIEGEL: Und dann bis zum nächsten Mal.

CHRISTIAN KLERNER: Ciao.

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„Die Idee bei der Multikommissionierung ist auch da, eben solche Leerfahrten, Leerwege, egal ob jemand läuft oder eben fährt, zu vermeiden.“

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