ANDREA SPIEGEL: Aber wenn wir uns vielleicht wieder in Richtung Content orientieren, was kann ich denn meinen Interessenten, die sich vielleicht schon tendenziell für meine Produkte, Dienstleistung oder Lösungen interessieren, an Content, an Formaten bieten, um eben bei der Meinungsbildung in meinem Sinne zu unterstützen, ohne ihnen meine persönliche Meinung unterschieben zu wollen?
CHRISTIAN GMEHLING: Es ist eine Gratwanderung, muss man klar sagen. Wir haben ein paar unterschiedliche Formate etabliert bei uns, die ein bisschen in die Richtung gehen. Nehmen wir mal zum Beispiel den Expert Day. Das ist ein Format, das wir ursprünglich mal als Präsenzveranstaltung definiert haben. Gerade findet es nur online statt. Wie das zukünftig ist, kann ich noch gar nicht so richtig vorhersagen. Ich bin auch noch ein Stück weit offen. Ich kann mir auch Mischformate vorstellen. Das weiß ich noch nicht genau. Da geht es eben genau darum.
Ich mache das natürlich, um zu verkaufen. Das ist der Sinn der Unternehmung, dass wir verkaufen. Auf der anderen Seite sind die Menschen, die zu uns kommen, egal ob virtuell, online oder präsent, erstmal nur da, um zu lernen, wie Digitalisierung aussehen könnte. Wie muss mein Unternehmen sich verändern, um in der Digitalisierung voranzukommen. Da laden wir zum Beispiel Kunden von uns ein, die dann als Referenten dienen und die erzählen, wie sie sich verändert haben. Also immer dieses, was haben andere gemacht? Wie kann ich davon lernen?
Das muss gar nicht mal unbedingt direkt was mit L-mobile zu tun haben. Da sind viele andere Dinge, die auch eine Rolle spielen. Ich denke, dass wir als L-mobile, die das Ganze anbieten, immer eine Rolle spielen werden. Also seitens Marketing und Verkaufsförderung denkt man da auch an uns. Natürlich gibt es das Risiko, dass er auch mal zu einem Wettbewerber geht. Aber das Risiko bin ich bereit einzugehen, weil ich sage, wenn ich überzeugend bin, dann wird das langanhaltend vorteilhaft sein.
ANDREA SPIEGEL: Wir wissen das schon aus unserer Praxis. Ich glaube, wenn man schon ein paar Folgen unseres Podcast gehört hat, dann weiß man das auch, dass beim ganzen Thema Digitalisierung immer auch eine Menge Daten anfallen. Ich habe vorhin auch mal das Stichwort Big Data erwähnt. Aber das ist gar nicht das, worauf ich hinauswill.
Ich kann im Online-Marketing Daten sammeln, die ich von allen möglichen Seiten, wie Google Analytics und wie sie alle heißen, ziehen kann. Was mache ich jetzt damit? Die zu haben ist schön, aber was sagen mir die Daten und was mache ich am besten damit, damit ich für mich am meisten rausholen kann?
CHRISTIAN GMEHLING: Das ist natürlich eine herausfordernde Frage. KPIs sind erstmal lebensentscheidend. Das Risiko, dass ich mich verzettle mit dem, was ich alles versuche zu tun im Marketing, ist groß. Allein wenn ich mal sehe, wie viele Menschen mich täglich anschreiben, die mir irgendwas verkaufen wollen, was ganz viele Leads generiert. Da ist immer die Frage, wem glaube ich denn da jetzt? Also worauf will ich mich denn da stützen?
Am Ende muss man sagen, ist es einfach die Erfahrung, die zählt. Für Erfahrung entwickelt man einerseits ein Gefühl gefühlt und auf der anderen Seite ist ein Gefühl für mich auch noch nicht ausreichend, sondern ich brauche, um Erfahrungswerte haben zu können, eben meine Daten, auf die ich nachher zurückgreifen kann. Da kann ich dann unterschiedlichste KPIs rausnehmen. Zum Beispiel haben wir auch richtige Lead-Ziele. Also wenn ich weiß, ich möchte so und so einen Businessplan und dieser erfordert die und die Aufträge, so und so viel Auftragsvolumen, dann kann ich das ableiten, wie viel Leads ich brauche. Da haben wir in der Vergangenheit geguckt und haben geschaut, wie viele Leads sind reingekommen? Wie viele von den Leads gelingen uns zu konvertieren? Wie viele von denen passen überhaupt zu uns? So kann man eine einfache Hochrechnung machen, wie viele Leads man braucht.
Dann habe ich tatsächlich die Chance, eine konkrete Planung zu machen, wo und wie viel ich dann tun muss. Also wie viele Events mache ich denn? Mit welchem Ziel? Ich kann einfach viele machen. Aber wenn ich konkret weiß, was ich brauche und von was ich wie viel brauche. Das kann ich in der Vergangenheit gucken, wie und was gelingt uns da? Dann kann ich viel gezielter meine Marketingaktivitäten nachher auch planen und auch durchführen.
Ein großer Mehrwert ist zusätzlich auch noch, dass ich, wenn ich diese Daten habe und ich verändere was, dann immer auch mal schauen kann. Es dauert eine gewisse Zeit, aber ich kann dann schauen, wie wirkt diese Veränderung? Wie wirkt sich die tatsächlich konkret aus? Im Marketing ist man normalerweise der Meister in neuen, kreativen Ideen.
Viele schauen nicht sehr gerne in den Rückspiegel, weil wenn man da ehrlich ist, einfach auch ganz viel nicht erfolgreich ist. Wenn man aber diese Angst nicht scheut, sondern da auch einfach mal einen Blick in die Zahlen wirft und auch mal hinter sich guckt, dann kann man da eben auch einfach für die Zukunft lernen.
Also wo und wie sollte ich tatsächlich etwas tun und wo kann ich mich dann weiterentwickeln? Das bieten die Zahlen einfach als Chance an.
ANDREA SPIEGEL: Da habe ich vor kurzem auch mal einen Spruch gehört, der hieß ungefähr 50 Prozent des Marketings sind umsonst. Man weiß nur nicht, welche 50 Prozent. Deswegen lohnt sich vielleicht ab und zu mal der Blick zurück und zu schauen, was hat funktioniert und was nicht.
CHRISTIAN GMEHLING: Glaube ich tatsächlich, dass es so ist. Diese 50 Prozent, die umsonst sind, die sind ja gar nicht umsonst, denn ich weiß es vorher ja nicht. Also diese Investition muss man einfach machen, um es dann zu wissen. Umso wichtiger ist es, die Zahlen zu haben, um zu gucken, soll ich da jetzt noch mehr investieren?
Also ich bin ein Verfechter davon so Probierballons zu machen, denn ich weiß es ja vorher auch nicht. Dann muss ich aber reinschauen und prüfen, ob es was bringt. Ja? Dann machen wir mehr. Bringt es nichts? Dann probieren wir es mal anders. Das ist die Chance der Zahlen, wenn man sie denn hat.
ANDREA SPIEGEL: Was ist denn deine Einschätzung? Worauf sollten Marketing-Abteilungen oder überhaupt deutsche KMUs in digitalen Marketing-Sphären in den nächsten Jahren setzen?
CHRISTIAN GMEHLING: Ich bin jetzt niemand, der in die Glaskugel gucken kann. Das kann niemand. Aber ich würde tatsächlich sagen, sie sollten in sich selbst ein Stück weit vertrauen. Das Wichtigste ist die richtigen Menschen zu finden.
Also du brauchst Menschen, mit denen du neue Wege beschreiten kannst, die bereit dazu sind, auch ohne Berührungsängste auch mal was anzugehen. Da explorativ vorzugehen. Alles andere ergibt sich mit der Zeit. Man muss dann einfach probieren. Man muss schauen, funktioniert das eine oder andere für mich? Funktioniert es nicht? Dann baue ich es aus. Geht es nicht? Dann lasse ich es sein. Da muss ich auch ganz bewusst Entscheidungen treffen, manchmal auch harte Entscheidungen. Das kann auch ein bisschen zu Personalentscheidungen sein, dass man da Fehler macht. Das sind die teuersten und schlimmsten Fehler, die man machen kann, allgemein in der Führung, wenn es Menschen betrifft.
Auf der anderen Seite glaube ich tatsächlich, dass für die Zukunft es einfach enorm wichtig ist, dass diese Wandelfähigkeit, das aktive Beobachten meines Marktes, wo und wie ist der unterwegs, dass das nachher kriegsentscheidend ist, ob ich erfolgreich bin mit meiner Unternehmung oder ob ich es nicht bin.