ANDREA SPIEGEL: Ich hätte jetzt noch ein bisschen Bedürfnis nach einem Beispiel. Vielleicht können wir mal, du hattest vorhin das Thema Stapler-Leitsystem angesprochen, vielleicht können wir da mal reingucken. Also wie rechne ich so einen ROI beim Stapler-Leitsystem und welche Positionen muss ich nachher wirklich in meiner Kalkulation berücksichtigen?
PASCAL LÖCHNER: Okay, also ein Stapler-Leitsystem ist ein tolles Beispiel, da kriegt man eigentlich immer sehr gute Nutzen-Effekte heraus. Was fragt man da ab? Also Anzahl der Stapler, ganz wichtig, die muss ich wissen. Dann müssen wir wissen, in wie vielen Schichten fahren die, also in wie vielen Schichten und wie viele Stapler. Ist das wichtig? Dann kommen wir, also das ist die Anzahl. Zeit: In welchen Schichten und wie häufig sind die unterwegs? Bei einem Stapler-Leitsystem gehe ich erstmal immer davon aus, das sind Fulltime-Stapler, also ich rechne da mit acht Stunden. Also acht Stunden sitzt dann ein Fahrer auf dem Fahrzeug und fährt durch die Gegend.
Und dann kommen die Kosten. Bei den Staplern rechne ich die Betriebskosten ein, sowas wie Versicherung, Sprit und Wartung. Das ist jetzt ein bisschen umständlich herauszukriegen. Da muss man mal gucken, vielleicht Rechnungen in der Buchhaltung von den Service-Providern, also die, die die Stapler-Wartung danach machen oder die interne Instandhaltung. Die kostet ja auch etwas. Sprit kriegt man relativ einfach raus. Genau, das ist mal so die Hardware-Seite.
Was man nachher noch als Nutzen mit reinnehmen kann, das gehört jetzt nicht direkt zu den Kosten, ist der hypothetische Verkaufspreis. Denn wenn ich mir einen Stapler nachher wegspare, dann hat der ja einen gewissen…
ANDREA SPIEGEL: Kann man ja weiterverkaufen.
PASCAL LÖCHNER: Genau, kann man weiterverkaufen. Und ein Stapler, auch ein gebrauchter Stapler, kann schon mal 30.000, 40.000 Euro bringen. Wenn die Kapazität zum Beispiel frei wird und ich kann den wirklich loswerden, kann der dann 30.000, 40.000 Euro auf eine Nutzenrechnung bringen. Das kann dann an der einen oder anderen Stelle schon hilfreich sein.
ANDREA SPIEGEL: Kann einen schönen Effekt haben.
PASCAL LÖCHNER: Genau. Bei einem Stapler-Leitsystem sind wir meistens im größeren sechsstelligen Bereich unterwegs, aber auch da kriegen wir den Nutzen zusammen. Zum Beispiel zwei Stapler weg, Fulltime-Betriebskosten, dann plus Fahrer. Also jetzt machen wir beim Personal weiter. Dann muss ich natürlich gucken, wie viele Leute sitzen auf den Staplern, auch wieder multipliziert mit Anzahl der Stapler, Anzahl der Schichten. Dann brauche ich einen Mittelwert für einen Stapler-Fahrer. Was hat der an Jahresvollkosten? Da will ich eigentlich immer beides von den Firmen wissen. Einmal, was die Person verdient und was die Vollkosten sind. Denn nur das, was die Person verdient, zählt ja nicht. Ich habe ja als Unternehmen nachher immer die Vollkosten mit Lohnnebenkosten, Versicherung und dem ganzen Trara, und die Zahl interessiert mich nachher eigentlich.
ANDREA SPIEGEL: Rechne ich da auch, sage ich mal, hypothetische Stapler und Stapler-Fahrer dazu? Heutzutage haben ja viele Firmen auch Probleme mit Fachkräftemangel, dass sie gar nicht mehr genug Leute eigentlich finden für den Job und deswegen eigentlich die Optimierung anstoßen. Also es geht quasi weniger darum, jemanden wegzurationalisieren, sondern vielleicht sogar mehr darum, dass die Leute, die da sind, einfach effektiver arbeiten und man dadurch eben vermeidet, dass man in Probleme kommt quasi.
PASCAL LÖCHNER: Ja, wobei ich die Rechnung von der anderen Seite aus anfangen würde. Dadurch, dass wir nicht genug Leute haben, müssen ja irgendwo Engpässe entstehen, und diese Engpässe verursachen Probleme. Diese Probleme verursachen in den meisten Fällen Kosten. Und in die würde ich reinschauen, weil das ist dann die Argumentationsbasis: Um das Problem zu lösen, bräuchte man entweder mehr Personal oder wir finden eine Technologie oder eine technologische Lösung, wie wir das vermeiden können.
ANDREA SPIEGEL: Das kann schon auch dazugehören quasi in so einer Rechnung.
PASCAL LÖCHNER: Genau, richtig. Und da ist halt immer die Frage, wie man es anpackt. Ich komme immer gern vom Problem, was es wirklich an reellen Euros erzeugt, weil das sind die, über die man nachher auch verhandeln kann. Von den hypothetischen ist es immer so ein bisschen schwierig, weil manche Kosten, man kennt es ja immer so schön, die eh schon da sind oder die es ja gar nicht gibt. Über die kann man dann halt auch schwer verhandeln. Da kann man dann vielleicht auch Sachen wie tatsächlich Krankheitsrate einbeziehen. Wenn man irgendwie so eine chronische Überlastung der Belegschaft hat, weil man eben nicht genug Personal findet und dann deshalb Personal ausfällt, dann habe ich zwei Probleme. Zum einen habe ich die Krankheitskosten der Person und ich kriege das Geschäft gar nicht mehr fertig. Das heißt, ich habe Lieferverzüge, Strafen, die dann nachher entstehen. Die nehme ich, die Kosten, und sage dann: Okay, jetzt behebe ich sie entweder mit mehr Personal – das kriege ich aber nicht –, also brauche ich ein System, das mir hilft und kann die Kosten des Systems gegen diese Kosten halten.
ANDREA SPIEGEL: Oder gegenrechnen? Okay, so.
PASCAL LÖCHNER: So kann man es anstellen.
ANDREA SPIEGEL: Jetzt klingt das, wie gesagt, alles schon auch umfangreich und man muss schon mitdenken, damit man am Anfang…
PASCAL LÖCHNER: Ich war ja noch nicht fertig bei dem Beispiel.
ANDREA SPIEGEL: Ach so, es geht auch noch weiter. Ja, Wahnsinn, Entschuldigung.
PASCAL LÖCHNER: Genau, aber es gibt dann nachher noch ein paar Ecken. Zum Beispiel, das war jetzt mal nur der Stapler-Personalteil. Jetzt kommt ja eigentlich der wichtigste Teil. Dann interessiert mich noch so etwas wie die Anzahl an Transporten. Da möchte ich immer ein bisschen herausfinden, wie ist denn die eigentliche Flotte momentan ausgelastet? Dann die Leerfahrtquote. Also, wie viele Transportaufträge gibt es? Das ist ein bisschen schwieriger zu ermitteln. Da muss man wirklich ein bisschen in die Produktion gehen, vielleicht auch eine Abschätzung machen, wie viel passiert auf Zuruf? Das kann man natürlich… Zurufgeschäft ist fast nicht ermittelbar, man muss Annahmen treffen. Die Annahmen bekommt man am besten durch Gespräche mit verschiedenen Leuten heraus, und die Eindrücke legt man einfach mal übereinander und nimmt diesen 80-20-Ansatz, also die 80 Prozent dann als in Ordnung.
Transportaufträge, was ganz wichtig ist: Wir brauchen nachher irgendwie, das ist beim Stapler-Leitsystem zum Beispiel das Allerwichtigste, die Leerfahrtquote. Die Leerfahrtquote liegt so, wie wir erfahren haben, bei 30 bis 60 Prozent. 30 Prozent sind schon relativ gut, 60 Prozent sind krass, weil das würde ja heißen, der fährt leer hin und leer wieder zurück. Sonst kommen wir ja nicht über 50 Prozent. Und auch das passiert in der Praxis: Der fährt hin, gibt es was zu tun, also wird eine Fertigung, muss man es abholen. Wie wenn er nachfragen würde. Ja, muss man gucken, nee, da gibt es nichts, fahr leer wieder zurück.
Eine Leerfahrtquote, wie kann man die ermitteln? Das kommt jetzt ein bisschen auf die Firmenkultur an und wie das Verhältnis da ist. Man kann schon mal seine zwei besten Staplerfahrer nehmen und sagen: “Pass mal auf, führ bitte mal eine Liste, wie viele Leerfahrten du führst.” Man erklärt ihnen die Definition von einer Leerfahrt, die muss man einmal treffen, und dann bitte führt mal eine Liste. Man kann es auch technisch angehen und sagen, man hängt so einen Controller mit einem Stapler ran, wo man sagt, ich möchte Gesamtlaufzeit wissen und ich möchte wissen, wie viel Zeit hat der Last auf der Gabel. Das kriegt man von den Staplern relativ einfach raus. Dann könnte man das zum Beispiel auch maschinell auswerten. Dann gibt es noch einen anderen Teil, den man sich anschauen könnte, das ist die unoptimale Kilometer. Also, wie viel fahren die, nicht bösartig, aber Wegstrecken, die nicht sein müssten wegen unoptimaler Auftragsverteilung. Und das zu ermitteln ist jetzt auch leider nicht mehr ganz so einfach, auch bei dem Wert trifft man dann häufig Annahmen. Man könnte das auch technisch lösen im Außenbereich mit einem GPS Tracker gepaart mit der Gabellast. Und im Indoor-Bereich müsste man sich ein temporäres Ortungsnetzwerk aufbauen, das kann man schon tun, ist dann halt nachher mit Kosten verbunden. Und da ist halt die Frage, will man dann um der Wahrheit willen die Kosten tragen, wenn man sagt, okay, das ist einem wichtig, um die Validität der ROI-Rechnung zu definieren.
Okay, kann man tun, braucht halt dann ein bisschen mehr Zeit, ist ein bisschen aufwendiger. Oder man macht den einfachen Weg und sagt, hey, bitte führt eine Strichliste und schenkt den Leuten dann das Vertrauen, dass sie das dann auch richtig tun.
ANDREA SPIEGEL: Angenommen, ich habe meine ROI-Rechnung zum Staplerleitsystem jetzt gemacht und unter dem Strich steht da, es lohnt sich nicht. Was passiert dann, was mache ich dann? Hab ich was falsch gemacht in meiner Rechnung oder kann das einfach passieren?
PASCAL LÖCHNER: Das kann auch einfach passieren, dass nachher nichts dabei rauskommt. Dann kann es ja nur an zwei Dingen liegen, entweder sind die Kosten zu hoch oder der Nutzen zu niedrig. Wenn der Nutzen zu niedrig ist, dann hat halt irgendjemand eine gute Idee gehabt, aber die Idee bringt gar nichts.
ANDREA SPIEGEL: Oder die Umsetzung war noch nicht, oder die Idee der Umsetzung nachher ist noch nicht ganz.
PASCAL LÖCHNER: Ja, und es gibt einfach gar nicht, vielleicht ist auch die Firma an sich schon gar nicht so schlecht organisiert und hat sich organisatorisch und so gut weitergeholfen, dass man sagt, okay, da kann man gar nicht mehr so viel rausholen. Auch solche Fälle gibt es.
ANDREA SPIEGEL: Dann sage ich einfach, das ist gut.
PASCAL LÖCHNER: Dann ist es so. Dann ist es so, machen Sie weiter. Ist klasse, vielleicht noch kleine Minimaloptimierung organisatorisch hier da. Und wenn es dann keine strategischen Aspekte dazu gibt, dann sage ich, dann einfach machen Sie weiter.
ANDREA SPIEGEL: Weiter machen.
PASCAL LÖCHNER: Weiter machen, genau. Und wenn der Kostenteil zu hoch ist, da würde ich dann schon gern nochmal reinschauen. Weil dann sage ich, was ist denn da, also wenn der Nutzen in einer Größenordnung so ist, wo ich sage, boah, das sieht eigentlich gut aus, aber meine Kosten sind noch exorbitant so hoch. Wobei, da muss man jetzt ein bisschen aufpassen, was ist exorbitant so hoch?
Ich sage mal, ROIs zwischen anderthalb und drei Jahren sind einfach okay. Also 500.000 bis eine Million in einem Jahr oder in anderthalb bis drei Jahren wieder reinzukriegen und ab dann zu sparen. Jedes Jahr ist schon nicht so schlecht, das kann man dann schon tun. Und wenn eine Kosten dann trotzdem noch so ein bisschen zu hoch vorkommt, weil ich über drei Jahre liege oder weil ich vielleicht doch nachher an die anderthalb Jahre rankommen möchte, dann muss man schauen, was hat man sich denn auf der Kostenseite angelacht. Wenn man natürlich eine all-inclusive Lösung sich designt hat, die zwar technisch viele Spielereien drin hat und viel Aufwand erzeugt.
ANDREA SPIEGEL: Und auch Kosten.
PASCAL LÖCHNER: Und auch Kosten, genau. Aber wenn man danach nicht so viel auf den eigentlichen Nutzen einzahlt, dann kann man sich ja überlegen, diesen Schnickschnack vielleicht einfach mal wegzulassen und uns auf die Basics zu konzentrieren. Ein Beispiel dafür wäre das Stapler Light System. Man muss Ortung nicht zwingend integrieren, um das Staplerleitsystem verwenden zu können. Man erhält einen Teil der Leerfahrtoptimierung, vielleicht nicht ganz so ausgefeilt und genau, aber einen Großteil der Leerfahrt-Optimierung kann man auch ohne Ortung erreichen. Dadurch kann man einen großen Teil der Technik-Investition einsparen. Das ist etwas, worüber man nachdenken kann, und man kann dann auch den Umfang eines solchen Projekts so definieren, dass er zum Nutzen passt.