ANDREA SPIEGEL: Okay, das heißt, du hast jetzt schon so ein bisschen drüber gesprochen, wie man sowas anfängt. Du hast schon gesagt, es ist eher Step by Step, immer gucken, passt es noch zu dem, was ich brauche, und so weiter. Wann ergibt denn Automatisierung überhaupt Sinn? Also wann sagst du, das sind Prozesse, bei denen es sich lohnt, sie zu automatisieren? Und du hast schon gesagt, komplexere Prozesse sind eher die, die noch beim Menschen liegen. Was wären denn so, nicht so komplexe Prozesse, bei denen du sagst, da lohnt es sich, hinzuschauen?
MUSTAFA MEHMET CORATEKIN: Ja, es gibt im Logistikbereich viele einfache Aufgabenstellungen, sag ich mal. Der LKW wird von Rampen entladen und dann müssen Paletten von A nach B gefahren werden. Da könnte ich schon EGVs, AMRs einsetzen, weil die einfach geradeaus von A nach B fahren müssen. Dafür muss ich mein Personal nicht abstellen. Personal kann dann eher komplexere Aufgaben übernehmen, wie in Servicebereichen verpacken, unterschiedliche Teile zusammenlegen oder Multipicken, also mehrere Teile gleichzeitig. Momentan haben viele Automatisierer oder viele Unternehmen bei diesem Multipicken Schwierigkeiten, dass das richtig greift – die richtigen Teile an die richtige Stelle, in die richtige Höhe, mit dem richtigen Gewicht. Deswegen würde ich als Unternehmen immer empfehlen, dass man in der Automatisierungsphase mehr auf die Aufgaben schaut, die so leicht sind, dass man sie ohne großen Aufwand umstellen kann. Zum Beispiel den Transport von A nach B oder Förderstrecken, wo Waren von A nach B befördert werden. Momentan sind oft zwei, drei Staplerfahrer acht Stunden damit beschäftigt. Das sind einfache logistische Automatisierungsmöglichkeiten. Genau, es gibt auch Autostore oder ähnliche RKL-Lösungen, die man teilweise machen kann und die sind auch skalierbar. Also man muss einfach auf Skaleneffekte achten. Die erste Frage ist: Wann lohnt sich das? Ich muss einfach schauen, ob ich Personal finde oder nicht – Fachkräftemangel ist ein wichtiger Anteil. Aber es gibt auch die Losgröße. Habe ich eine entsprechende Losgröße, kann ich die Drehzahlen erreichen? Am Ende muss sich die Anlage auch amortisieren. Habe ich diese Losgröße nicht, nur um eine schöne Anlage zu haben, dann lohnt sich das erstmal nicht. Viele Unternehmen schauen am Ende, ob das Budget passt, ob die Prozesse passen und ob es relevant ist. Viele Unternehmen überautomatisieren sich auch, weil sie das schön finden. Es gibt einmalige Use-Cases, wir erleben das auch. Irgendwann merken sie, sie sind nicht mehr flexibel, alles ist so verbaut, dass wenn ein Kran im AKL-Bereich sich hängt, sie keine Ware rauskriegen. Bis das wieder behoben ist, ist viel Zeit verloren. Und wie gesagt, wichtig sind Prozess, Losgröße, also Zahlen und Fakten. Ich würde immer empfehlen, nicht aus dem Bauch heraus eine Entscheidung zu treffen, sondern immer mit zahlen- oder datengesteuerten Entscheidungen zu arbeiten. Wenn das Wissen intern nicht vorhanden ist, kann man sich Berater oder Anbieter holen, die REI-Rechnungen machen und vergleichen, ob sich das lohnt. Es gibt viele Kunden, die die Anlage toll finden, aber am Ende sich nicht lohnt. Die Anlage läuft dann fast leer, und sie haben keine Flexibilität mehr. Deswegen arbeiten viele Kunden weiterhin mit manuellen Lagern. Das würde ich meinen Kunden nicht empfehlen. Die müssen sich richtig mit Daten und Fakten beschäftigen.
ANDREA SPIEGEL: Okay. Das heißt, die Sinnhaftigkeit erstmal zu prüfen. Und du würdest sagen, grundsätzlich lohnt sich Automatisierung vor allem bei einfachen, repetitiven Aufgaben, bei Tätigkeiten, bei denen nicht viel im Weg steht, keine Hindernisse da sind, und bei denen man keine hochspezialisierten Tätigkeiten machen muss.
MUSTAFA MEHMET CORATEKIN: Genau. Es gibt viele Use-Cases, die man sich anschauen kann: das Entladen des LKWs, den Transport von A nach B oder Pufferlager, die man vollautomatisieren kann, oder Zwischenlager, wie solche Lift-Lösungen, die wir auch anbieten. Kleine Teile, wie ich eben gesagt habe, automatisiert man immer zuerst und dann geht es Schritt für Schritt weiter. Irgendwann muss man diese ganzen kleinen Lösungen miteinander vernetzen, und das ist einfach der Prozess.
MUSTAFA MEHMET CORATEKIN: Und da muss man mal gucken: Wie stehe ich mit meinen Prozessen? Bin ich bereit? Habe ich die kompletten Grundsteine, um diese Schritte anzugehen? Genau.