ANDREA SPIEGEL: Okay. Jetzt haben wir ja viel über die Grundlagen geredet. Was sind überhaupt Lifte und wie funktioniert das so ganz grob. Jetzt hätte ich gerne noch ein oder zwei konkrete Beispiele, wie sowas aussehen kann. Also, wenn ich jetzt einen Lift habe oder vielleicht auch mehrere Lifte – das weißt du besser, wie häufig das vorkommt, auch beim Kunden. Hat einer wirklich nur einen Lift oder sind das immer mindestens zwei, drei oder sind wir irgendwie bei zehn bis 40 Liften? Ich habe da keine Zahl dafür. Das kannst du mir gleich vielleicht mal ein bisschen aus der Erfahrung erzählen. Und dann einfach die Frage, wie fange ich sowas an, wenn ich jetzt sage, okay, ich habe hier mehrere Lifte, vielleicht im Einsatz, und ich möchte die gerne mit meinem ERP zusammenbringen, weil das, was Jens hier gerade erzählt hat, irgendwie super sinnhaft klingt und das hätte ich auch gerne bei mir.
Wie gehe ich das an? Also, was muss ich als Unternehmen vielleicht vorbereiten, damit man so eine Anbindung schaffen kann? Was haben meine Prozesse vielleicht damit zu tun? Was hat vielleicht die Anzahl der Lifte damit zu tun? Was hat vielleicht die Anzahl der Anbieter der Lifte damit zu tun? Also, habe ich vielleicht Lifte nur von einem Anbieter, habe ich vielleicht verschiedene Anbieter? Worauf kommt es an? Wie gehe ich so ein Projekt an und was muss ich mitbringen oder was kann ich vorbereiten?
JENS MALSO: Es gibt ganz, also obwohl die Lifte sich sehr ähnlich sind, gibt es sehr, sehr unterschiedliche Prozesse um die Lifte herum. Sagen wir mal, ich habe ein oder zwei Lifte, dann ist es relativ einfach. Dann geht es quasi nur um den Vorprozess und den Prozess, der folgt. Das Entnehmen aus dem Lift ist relativ klar. Da gibt es auch wenig Varianzen, da kann man nicht groß was ausnehmen.
ANDREA SPIEGEL: Rein oder raus halt.
JENS MALSO: Yes. Wobei speziell beim Rein gibt es noch ein bisschen Mühe. Ich muss also quasi mir überlegen, was ist meine Wiederbefüllstrategie. Was muss ich vorbereiten als Unternehmen? Ich muss mir überlegen, wie die Tablare aufgebaut sind. Also ich muss mir Feldanteilungen ausdenken, gerne nicht so viele. Ich sage mal, sinnvoll sind vielleicht fünf unterschiedliche Muster. Und die muss ich im ERP ausdefinieren.
ANDREA SPIEGEL: Kannst du kurz ein Beispiel für so ein Muster machen?
JENS MALSO: Sagen wir mal, ich habe Kleinteile. Dann habe ich sehr, sehr viele. Vielleicht fünf Reihen und 25 Plätze. Und das sind alles kleine Quadrate. Alternativ, ich habe Dinge, die in so eine Box passen. Viele verschiedene. Aber ich habe auch Kabelbäume. Das heißt, mein erster Platz ist drei Meter weit. Vielleicht sind darüber Boxen, die zweireihig sind. Und dann habe ich einen, da müssen Teile rein, die besonders viel laufen. Da habe ich einen schönen großen Platz. Da sind 100 von diesen Dingen drin. Das heißt, ich muss mir überlegen, in welcher Häufigkeit nehme ich meine Teile? In welcher Häufigkeit wiederbefülle ich die? Sind das Chargenteile oder nicht? Welche Teile kommen in Aufträgen besonders gerne gleichzeitig vor? Schraube und Mutter. Nur mal so als Bild. Ich würde vermeiden, dass ich die M8-Schraube und die M8-Mutter auf verschiedene Tablare lege.
ANDREA SPIEGEL: Tablare sind dann Regalebenen.
JENS MALSO: Ja, also wenn man so will, Regalbretter. Und das muss ich mir überlegen. Dann muss ich mir überlegen, in welcher Menge lege ich das dahin? Das heißt, meine Zukaufgebinde müssen da irgendwie draufpassen. Es hilft ja nicht, wenn ich alles in solchen Umzugskartons bekomme, weil ich kriege sie nicht da rein. Das heißt, meine Plätze müssen zu meinen Mengen passen, meine Mengen müssen zu meinen Verbräuchen passen, die Art, wie ich die verbrauche. Und all das muss zu den Mengen passen, wie ich sie kaufe. Das ist die erste Aufgabe. Und das ist, je nach ERP-System, keine kleine Sache. Das ist also nichts, was ich mir irgendwann mal zwischen Suppe und Kartoffeln ausdenke. Sondern typischerweise ist es ein Prozess, der einen Monat oder zwei dauert, bis ich da was gefunden habe. Dann geht man live und dann stellt man fest, dass man das vielleicht besser anders gemacht hätte.
ANDREA SPIEGEL: Also erst mal die eigenen Prozesse anschauen, hinterfragen.
JENS MALSO: Erst mal das Mengengerüst lernen.
ANDREA SPIEGEL: Und genau, erst mal so den generellen Durchlauf und so weiter.
JENS MALSO: Genau. Danach, das ist ja für Kunden, die noch keinen Lift haben. Dann kommt nämlich noch was ganz Gemeines. Die meisten Kunden haben ja ein Lager und wollen das ersetzen. Jetzt kann sich ja jeder vorstellen, wie sich das anfühlt, wenn ich mein Lager mal kurz abbaue, ein Loch in die Halle stanze, einen Lift reinstelle und dann schnell alles wieder in die Lifte reinlege. Das führt natürlich zu einer gewissen Übergangsproblematik. Ich sag mal so schlimme Dinge wie Inventur oder so. Und ich kann natürlich in der Zeit nicht liefern. Da steht nämlich alles auf dem Boden oder draußen im Zelt. Das ist auch was. Also genau der Übergang in diese Welt, der ist…
ANDREA SPIEGEL: In die Welt der Lifte sozusagen.
JENS MALSO: Ja, das schmerzt. Also das muss man mit einrechnen, dass das ganz schön gemein ist. Und da kommt noch was. Man kann das nicht testen. Das geht nicht. Denn die meisten Leute haben im Keller keinen Testlift.
ANDREA SPIEGEL: Warum denn nicht?
JENS MALSO: Man weiß es nicht.
ANDREA SPIEGEL: Die werden wieder hier liegen. Möglicherweise.
JENS MALSO: Es gibt dazu Simulatoren, mit denen man das simulieren kann. Die sind sehr gut. Es gibt aber nur einen Hersteller, der so einen Simulator anbietet. Die anderen tun es nicht. Das heißt, wenn man sich für einen der anderen Anbieter entscheidet, dann kann man das nicht testen. Ich muss es wirklich ausprobieren im wahren Leben, leider im Port-System. Das ist relativ spannend.
ANDREA SPIEGEL: Intensiv, ja.
JENS MALSO: Yes. So, und dann gibt es die Kunden, die haben schon Lifte. Also die haben schon Lifte, aber die sind nicht eingebunden. Diese Lifte haben oft die Problematik, dass die ein bisschen älter sind. Also noch ein bisschen eingeschränkter in ihrer Kommunikation. Da muss man dann tricksen. Dann muss man all das auch tun, nur man tut das, während die Dinger in Betrieb sind. Das macht es nicht leichter. Man muss also quasi zwar nicht umbauen, aber ich muss all das tun, während ich die benutze. Das macht es nicht leichter. Ganz vorrichtig.
Ja, und dann gibt es noch die Kunden, die eine größere, komplexe Umgebung planen. Also viele Lifte haben und Lifte mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Bedeutungen. Also als Beispiel.
ANDREA SPIEGEL: Ein Beispiel, gerne.
JENS MALSO: Ein Beispiel aus einem Kunden, der sich jetzt vielleicht wieder erkennt. Ich habe Aufträge, wo Kunden von mir kaufen, was ich eben herstelle. Ich habe Lifte, in denen Ersatzteile liegen und ich habe Lifte, in denen ich Sendungen schon vorverpacke, weil das Packen selber sehr zeitlich über einen längeren Zeitraum erfolgt. Aber ich will Sendungen, naja, on spot vollständig haben. Also habe ich Puffer, ich habe Lager und ich habe Ersatzteile. Und dort, also die Pufferlifte sind besonders, weil riesig, also die können auch richtig Gewicht tragen. Also ich meine, die können auf so einem Tablar auch mal 700 Kilo, 800 Kilo, also das ist schon eine Menge. Und die Lagerlifte enthalten den größten Teil der Teile, also das größte Spektrum an Artikelnummern und auch die größten Mengen. Und die gibt es zweimal, identisch. Und dann gibt es zwei Ersatzteile. Jetzt geht bei einem Kunden auch schon mal was kaputt, was nicht klassisch Ersatzteil ist. Stapler reingefahren oder so. Dann muss ich die umnutzen. Ich muss also plötzlich für die Ersatzteile etwas aus einem anderen Lift nehmen. Und jetzt kommt das mit den mehreren Leuten. Ich habe also jetzt ein Team von Leuten, die alle wandern. Und wenn ein Ersatzteilauftrag kommt, der hier etwas braucht, dann wird der beiseite geschoben und dann geht der wieder raus.
Das ist komplex. Und da kommen wir jetzt zu der Geschwindigkeit. Jeder, den man fragt, der sagt, boah sind die langsam, boah ist das schlimm, können die nicht schneller fahren? Ich behaupte, wenn die Lifte noch ein bisschen schneller fahren würden, dann würden die Teile runterfallen. Er würde quasi das Tablar wegfahren und die Teile oben stehen bleiben.
ANDREA SPIEGEL: Wie so ein Comic. Und erst wenn sie sehen, dass sie in der Luft hängen, fallen sie runter.
JENS MALSO: Yes, der Roadrunner. Genau. Aber in Wahrheit ist das gar nicht so. Das ist empfunden. Denn 30 Sekunden zu warten, bis sie zu Ende sind, kommt einem vor wie die Ewigkeit. In Wahrheit ist die Effizienz, die durch die Liftsysteme erreicht wird, enorm. Das sind nicht 5 Prozent schneller, das sind 80 Prozent schneller. Durch die Dichte der Picks und auch durch das Zusammenfassen von Aufträgen.
Ich suche vorher, das macht das System selber, zwei Aufträge, die besonders stark überlappen. Die womöglich dieselben Teile nehmen, die natürlich an demselben Platz liegen. Und ich picke jetzt so viel schneller, dass wenn man nachher nachmisst, fast alle überrascht sind. Das kam einem so langsam vor. Aber in Wahrheit ist das deutlich besser als die Lagerung im Regal mit dem sogenannten Mann zur Ware. Das kann man nicht vergleichen.
ANDREA SPIEGEL: Und wenn wir jetzt noch mal drauf gucken, diese Anbindung ans ERP nachher selbst, wie muss ich mir das vorstellen? Du hast jetzt gesagt, es gibt dann diesen Pufferlift, es gibt den Teilelift, wo die Teile, die ich versende, drin sind. Und dann gibt es diese Ersatzteil-Thematik. Baue ich eine Schnittstelle und dann passt das und dann funktioniert das für alle? Oder ist es dann wieder für jeden Lift, brauche ich was extra, weil die eben unterschiedlich anzubinden sind?
JENS MALSO: Nein, angebunden sind die Lifte immer gleich. Jeder Hersteller bietet eine direkte Schnittstelle in seinen Lift, bis auf einen Hersteller. Aber mit dem haben wir tatsächlich noch kein Projekt vorgefunden. Und die Anbindung der Lifte ist gleich. Fertig.
Die Prozesse um die Lifte herum, die sind immer unterschiedlich. Das heißt, die Instanz zwischen dem ERP und den Liften, die muss das regeln. Und in nicht wenigen Fällen ist das schlicht Programmierung. Und man kann damit derartig leichtfüßige Prozesse schaffen, dass man nachher sich wundert, wie das alles ineinander passt. Und oft passiert das dann noch in Verbindung mit Förderern. Also Rollenbahnenaufzüge, Vertikalbeweger, solche Dinge, die mir dann mein Paket abnehmen und es fließt einfach zu dessen Bestimmungsort. Und auch das will gesteuert sein. Das ist nichts, was vom Himmel fällt, sagen wir es mal vorsichtig. Sondern man muss das tatsächlich tun.
ANDREA SPIEGEL: Okay. Alles klar. Aber das heißt, ich gucke mir auf jeden Fall meine Prozesse an. Ich schaue mir an, was passiert eigentlich um meinen Lift herum, was brauche ich eigentlich konkret. Und dann, wie du sagst, wenn ich noch keinen Lift im Einsatz habe, erstmal hinterfragen, wie ist meine Lagerstruktur überhaupt.
JENS MALSO: Ja, und wie ist meine Transition. Also wie baue ich mein Lager ab und baue die Lifte auf und wie schaffe ich es dazwischen immer noch handlungsfähig zu bleiben. Spannend.
ANDREA SPIEGEL: Ein spannendes Thema auf jeden Fall.