#46 Retrofit mit Jens Malso

Podcast Industrie 4.0 | Der Expertentalk für den Mittelstand

Bestehende Maschinen und Anlagen fit machen für die Digitalisierung – ja, das geht. In Folge #46 unseres Podcast, spricht Andrea Spiegel spricht mit Jens Malso, Geschäftsführer der L-mobile Systeme GmbH, über das Retrofitting des Maschinen- und Anlagenparks.

Zu Industrie 4.0 gehört auch die Erfassung und Verarbeitung von Maschinendaten. Bei neuen Maschinen kein Problem – diese sind meist mit modernster Sensorik und einem Netzwerkzugang ausgestattet. Doch auch ältere Maschinen müssen bei der Digitalisierung nicht aussortiert werden, denn ein Retrofit ermöglicht ein zweites, digitales Leben.

Jens erklärt uns, wie Retrofitting funktioniert, wann es sich lohnt und welche Fragen sich Unternehmen stellen sollten. Außerdem schauen wir uns einen konkreten Retrofit-Usecase an und sprechen offen über Ausfallzeiten, Schulungsbedarf und Zeitaufwand.

Das Transkript zur Podcast-Folge: Retrofit

ANDREA SPIEGEL: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge Industrie 4.0, der Experten-Talk für den Mittelstand. Wir haben hier im Podcast schon oft über das Thema Digitalisierung in der Produktion gesprochen, auch gerne darüber, was man auf dem Greenfield alles machen kann. Also wenn man eine komplett neue Halle oder einen neuen Produktionsstandort eröffnet, was kann man da alles mit Technologien machen, um direkt in die Digitalisierung zu starten. Das ist aber natürlich nicht der Normalfall. Die meisten Firmen starten natürlich mit einem bestehenden Set aus Maschinen, aus Anlagen und so weiter und wollen das Ganze dann eben in die Digitalisierung mit einbinden. Jetzt haben aber natürlich nicht alle Maschinen schon Sensorik und Kommunikationstechnik verbaut. Gerade die älteren Maschinen sind da natürlich ein bisschen ab vom Schuss und können so irgendwie nicht so richtig in das ganze Geschehen mit eingebunden werden. Jetzt ist natürlich die Frage, wie man das vielleicht doch lösen kann. Und da gibt es so ein schönes Schlagwort oder Stichwort, das heißt Retrofit. Also wie man quasi diese alten Anlagen und Maschinen auch fit machen kann für die Digitalisierung. Und das schauen wir uns heute mal ein bisschen genauer an. Dafür habe ich wieder einen Gast eingeladen, der dem ein oder anderen von euch vielleicht schon bekannt ist. Das ist mein lieber Kollege Jens Malso von L-mobile Systeme aus Bonn. Schön, dass du heute wieder da bist, Jens.

JENS MALSO: Ja, danke sehr für die Einladung.

ANDREA SPIEGEL: Wie immer an dieser Stelle nochmal für euch alle kurz der Hinweis: Auch die Folge gibt es wieder bei YouTube als Video zu sehen. Wenn ihr also mal wissen wollt, wie Jens und ich eigentlich aussehen, dann könnt ihr auch gerne da mal vorbeischauen.

ANDREA SPIEGELJens, du warst ja jetzt schon zweimal, glaube ich, bei uns im Podcast. Und hast schon ein bisschen was über dich und die Systeme erzählt. Aber vielleicht kannst du trotzdem nochmal kurz erzählen, wer bist du, was machst du genau bei L-mobile, bei der Systeme? Was ist da eure Aufgabe sozusagen? Kannst du kurz nochmal einen Einblick geben?

JENS MALSO: Ja, also ich bin bei L-mobile, seit es die L-mobile gibt. Also ich habe die förmlich mit aus der Taufe gehoben. Und aus meiner Herkunft bin ich technisch veranlagt. Das heißt, ich bin derjenige, der über Technologie, über Software, über Maschinen und Dinge nachdenkt, die in der realen Welt existieren. Und na ja, ich verstehe mich so ein bisschen als Technologie-Scout. Also ich schaue mir Dinge an, die nicht funktionieren, und versuche Wege zu finden, wie man damit umgehen kann. Denn wir haben Rezepte für alles Mögliche, aber die Wirklichkeit ist immer wieder neu. Und man kann nicht einfach mit demselben Kamm über das nächste Projekt drüber gehen und hoffen, dass das alles so passt. Das heißt, ich bin sowas wie der Troubleshooter.

ANDREA SPIEGEL: Der Friseur.

JENS MALSO: Der Friseur, genau. Der Friseur für die besonderen Friseuren.

ANDREA SPIEGEL: In diesem Sinne. Sehr schön. Das passt ja eigentlich ganz gut dazu, was wir heute auch besprechen wollen. Weil das Thema Retrofit ist, glaube ich, auch relativ kontrovers. Wir haben uns ja auch schon im Vorfeld mal ein bisschen unterhalten. Manche schwören da total drauf. Bei anderen habe ich so auch im Internet, als ich mich ein bisschen umgeschaut habe, festgestellt, dass auch manche sagen, ja, es ist auch an mancher Stelle nicht mehr so sinnvoll. Oder kann gut sein, kann es aber auch nicht. Genau diesen kritischen Blick würde ich da gerne heute mal draufwerfen auf das Thema.

ANDREA SPIEGEL: Vielleicht aber zum Einstieg einmal die Frage, wozu eigentlich Retrofitting? Also was genau kann ich eigentlich damit machen? Oder wo sind die Grenzen?

JENS MALSO: Die Kunden oder die Unternehmen, die wir treffen, haben einen Maschinenpark, der über zum Teil Jahrzehnte gewachsen ist. Wir finden Maschinen, die sind ungelogen aus den 70ern. Das sind dann aber oft auch sehr langsame, aber trotzdem irgendwie wichtige Maschinen. Und dann geht der Maschinenpark rauf bis in die jetzige Zeit. Und wir finden total heterogene Aggregate. Wenn ich aber etwas auswerten will, dann ist der Schlüssel zu vernünftigen Zahlen, ist Vergleichbarkeit. Das heißt, ich will, dass die älteste Maschine und die neueste Maschine irgendwie vergleichbare Daten liefert. Und das geht eben nicht, wenn die älteren Maschinen eben keine Daten liefern, im schlimmsten Fall, oder eigenartige Daten. Und Retrofit handelt davon, alle Maschinen, was das Interface angeht, gleich zu machen. Aufzurüsten bis an einen Punkt, wo die Maschinen zumindest mal eine vergleichbare Stellung einnehmen, was die Art der Daten angeht und was auch die Menge der Daten angeht. Und das ist spannend. Es gibt tatsächlich Maschinen, die haben außer einem Stromanschluss, einem Starkstromanschluss, gar nichts. Und da, Gott sei Dank, ist oft auch die Garantie abgelaufen.

ANDREA SPIEGEL: Was heißt das? Man kann dran rumfummeln?

JENS MALSO: Yes! Es klagt auch keiner mehr, wenn man dann mal was Invasives macht. Und dann gibt es tatsächlich die in der Mitte. Das sind Maschinen, die haben schon ein Interface, aber das passt nicht in diese Zeit.

ANDREA SPIEGEL: Das ist es noch nicht.

JENS MALSO: Es ist quasi so eine Art toter Zweig der Evolution. War mal als Maschineninterface gedacht, hat aber nicht getaugt. Und da ist es tatsächlich eher schwierig. Denn entweder muss der Hersteller eingreifen in einer hilfreichen Art und Weise, was oft nicht gewünscht ist. Und ich muss auch zugeben, es ist nicht immer leicht. Denn da ist ja etwas und die Maschine ist ja mit ihrem Hirn verwachsen. Die funktioniert ohne das nicht, was da ist. Man kann es weder ausbauen, noch kann man es tauschen. Und meistens kann man es auch nicht irgendwie verändern. Und das ist das Spannende. Also, diese Maschinen sind die Herausforderung. Die sehr alten und die sehr neuen Maschinen, das ist meistens irgendwie gangbar. Die in der Mitte, das ist das Spannende.

ANDREA SPIEGEL: Okay. Jetzt hast du schon die ganze Zeit gesagt, es gibt irgendwie Daten, die man da… Also es geht im Endeffekt um Daten, die ich erfassen möchte. Kannst du noch mal kurz vielleicht ein paar Beispiele geben, was für Daten sammle ich da und wofür kann ich die überhaupt brauchen? Und sind die überhaupt vergleichbar?

JENS MALSO: Genau. Wir verfolgen eigentlich immer den Prozess im Verlauf. Das heißt, wir wollen eine stetige Abfolge von immer wiederkehrenden Ereignissen wie einer Mengenmeldung oder einer Fortschrittsmeldung oder… Wir wollen sehen, wie der Auftrag sich über die Zeit entwickelt. Denn der hat ja eine erwartete Leistung, die der Auftrag ausfüllt, wie man so will. Also der hat eine Geschwindigkeit oder eine bestimmte Dauer oder eine bestimmte Menge. Und wir wollen vergleichen, wie der in der Wirklichkeit im Vergleich zum Plan sich entwickelt. Jetzt sind aber nicht alle Prozesse so. Also wir haben Prozesse, die tatsächlich einen Takt haben. Also die klassische Presse, alles gut. Da kann man zählen. Wenn ich aber jetzt etwas habe, was fließt, dann kann ich nicht zählen. Und eine Geschwindigkeit zu messen und die mit einem Takt zu vergleichen, ist schwer bis unmöglich. Und ich sag mal einfach, wir müssen die Maschine auf uns wirken lassen und überlegen, was kann man denn da rausziehen? Und wenn man noch einen Schritt zurücktritt, ist die Frage, was fange ich dann damit an? Denn de facto weiß ich schon, wie schnell die ist. Also was bringt mir diese Information? Was ist die Information, die ich wirklich haben will? Und dann muss man halt überlegen, ob es einem das wert ist.

ANDREA SPIEGEL: Und was bringt die Information am Ende des Tages? Oder gibt es ein Beispiel, wo du sagst, da hat sich jemand das angeschaut und gesagt, okay, die Information ist mir so viel wert, dass ich die Zeit und das Geldjetzt investiere in dieses Retrofitting?

JENS MALSO: Gibt es. Es gibt Unternehmen, die prosperieren und die in jeder Hinsicht gut funktionieren. Wenn man sich die Basisdaten der Fertigung anguckt, stellt einen das manchmal vor Rätsel. Denn wenn man die gemessene Wirklichkeit mit dem gefühlten Vergleich, stellt man fest, dass die einfach nicht zusammenfinden. Alles scheint irgendwie zu funktionieren. Es wird auch Geld verdient.

ANDREA SPIEGEL: Das ist immer gut.

JENS MALSO: Und man stellt sich immer vor – meine Güte. Wenn die Maschinen jetzt einfach mal durchlaufen würden, wie gut wäre das? Und dann muss man sich tatsächlich fragen, wie kriegt man heraus, woran es liegt? Und natürlich ist klar, sichtbar zu machen, wie der Ist-Zustand ist, ist ein Riesenschritt. Denn bisher ist der irgendwie da und alle wissen auch irgendwie, dass es so ist, aber niemand kann den Finger wirklich drauflegen. Und der Schlüssel ist erst einmal sichtbar zu machen, was da ist. Allein dadurch, dass man misst, oder wenn man etwas zynisch sagt, allein dadurch, dass man sagt, dass man misst, ändert sich etwas. Das ist schon mal gut. Wenn es sich zum Guten ändert, ist es umso besser.

ANDREA SPIEGEL: Kann aber natürlich auch zu mehr Druck führen.

JENS MALSO: Ja, man muss diese Balance wahren. Denn es geht ja letzten Endes darum, einen Mehrwert zu schaffen. Und zwar für eine Unternehmung als Ganze, also für die Leute, für den Unternehmer, im Grunde für das ganze Gebilde. Es geht nicht darum, Einzelne zu drangsalieren, damit sie schneller arbeiten. Diese Balance ist wichtig, wie bei allem. Hatten wir schon bei der BDE und das ist hier genau dasselbe.

ANDREA SPIEGEL: Wie sehr kommt es denn beim Thema Retrofitting nachher auf den Einzelfall an bei der Maschine? Also ich stelle mir vor, es gibt ja Maschinen, die wahrscheinlich schneller veralten, wo man dann auch sagt, okay, da lohnt es sich jetzt auch einfach eine neue zu kaufen. Und es gibt wahrscheinlich auch Maschinen, wo man sagt, die ist zwar 50 Jahre alt, aber die macht immer noch das, was sie soll. Und eine neuere Maschine kann abgesehen von den Sensordaten auch nicht mehr.

JENS MALSO: Gibt es keine klare Regel. Es ist klar, oft kommt es gar nicht darauf an, ob eine Maschine nun preiswert ist oder teuer. Es kommt eher darauf an, kann ich die alte Maschine gut verkaufen. Und es gibt Maschinen, die sind gefragt, und es gibt welche, die sind unverkäuflich. Dann lasse ich die halt stehen.

Der Unternehmer hat ja eine Erwartung. Der kauft eine Maschine. Jetzt hat er ja eine Erwartung. Und der hat auch einen Maschinenstundensatz, wenn wir schon mal dabei sind. Und jetzt erfüllt sich die nicht. Also ich habe jetzt diese neue Maschine, aber ich bekomme nicht das wieder, was ich gerne will an Auslastung, an Ausstoß, an Laufzeit, was auch immer. Und jetzt will ich wissen, warum ist das so? Also kommen wir oft zu Unternehmen, die haben 80 Maschinen, aber messen sollen wir 12. Und die anderen zählen gar nicht. Die laufen gut, kein Mensch beschwert sich, alles ist gut. Aber diese Maschinen, die versteht keiner. Und dann einer sagt sich, Mensch, das sind dieselben Leute, das sind fast dieselben Produkte, aber irgendwie kriegen wir nicht das zurück, was wir erwarten. Und das ist schon spannend. Und nicht wenige Probleme liegen gar nicht in der Maschine selber. Also das Messen dieser Ergebnisse oder dieser Signale führt einen oft zu dem Schluss, es ist gar nichts falsch. Die Maschine macht alles richtig. Nur drumherum passiert etwas, was dazu führt, dass die nicht laufen kann. Das ist dann oft die Erkenntnis, die ist manchmal überraschend, manchmal ist die leider nicht überraschend, weil das schon alle wissen.

ANDREA SPIEGEL: Nur keiner hat es gesagt.

JENS MALSO: Ja, oder vielleicht auch, es ist schon gesagt worden, es will nur keiner wahrhaben. Aber dann misst man, stellt fest, siehe da, es ist genau wie man erwartet. Naja.

ANDREA SPIEGEL: Ich habe jetzt vorhin gesagt, Retrofitting ist so eine Möglichkeit, ältere Maschinen und Anlagen in die Digitalisierung mit einzubinden. Inwiefern hat das Thema denn überhaupt was mit echter Digitalisierung zu tun? Also bin ich danach wirklich digital unterwegs oder ist es eigentlich nur irgendwie so eine Art Fake-Digitalisierung?

JENS MALSO: Nichts von dem, was wir tun, ist wirklich wirkungslos. Alles das hat schon eine Auswirkung in der realen Welt. Nur ist die Erwartung, was man damit schafft, meistens höher, als dass man es von wirklich bekommt.

ANDREA SPIEGEL: Inwiefern, kannst du es erklären?

JENS MALSO: Ein Unternehmen führt ein, um mal ein Beispiel zu nehmen, was nichts damit zu tun hat, führt ein DMS ein, also ein digitales Dokumentenmanagementsystem. Und jetzt gibt es kein Papier mehr. Und alles geht seinen Gang. So als eines der Beispiele. Es ist jetzt digital, aber es hat in der wahrhaften Welt kein echtes Ergebnis, weil es so erstmal keine große Veränderung herbeiführt. Denn es gibt immer noch Papier, es wird eben jetzt digitalisiert und dann weggeworfen. Das ändert so viel nicht an dem Kern des Prozesses. Und das ist in der Fertigung fast genau dasselbe. Ich kann alle möglichen Dinge digitalisieren, aber wenn ich damit keine Wirkung erziele, ist nichts gewonnen. Oder ich habe weniger Papier verbraucht. Bitte sehr. Genau genommen ist der echte Schritt der Digitalisierung, ist zu verändern, wie das Ganze stattfindet. Kann meine Organisation jetzt plötzlich besser auf dynamische Situationen reagieren? Können meine Mitarbeiter eine Entscheidung treffen, die besser ist oder mindestens genauso gut, wie die, die jemand von oben nach unten trifft? Ein Planer oder jemand, der sich berufen fühlt, die Fertigung zu strukturieren. Kann ich so viel Informationen bis runter in den Arbeitsplatz bringen, sodass die Menschen selber eine Entscheidung treffen können? Das ist echte Digitalisierung.

ANDREA SPIEGEL: Vielleicht können wir da auch direkt mal einsteigen. Wenn ich jetzt sage, ich halte Retrofit für die richtige Lösung, um meinen Maschinenpark an die Digitalisierung anzubinden oder da auf den nächsten Schritt, auf den nächsten Level zu bringen. Womit fange ich an und welche Fragen muss ich mir eigentlich stellen, um sicherzugehen, dass das der richtige Schritt ist?

JENS MALSO: Das ist leicht.

ANDREA SPIEGEL: Dann, raus damit.

JENS MALSO: Ich fange da an, wo ich entweder den größten Schmerz habe oder wo ich den größten reellen Nutzen erzielen kann.

ANDREA SPIEGEL: Aber woher weiß ich das? Also den größten Schmerz kann ich nachvollziehen, ja. Den größten reellen Nutzen, das weiß ich ja im Voraus tendenziell noch nicht, oder doch?

JENS MALSO: Oft schon. Ich werde ja relativ häufig eingeladen, durch eine Fertigung zu gehen. Und ich sehe das und denke mir, das ist sehr mühselig. Das könnte man sicherlich besser machen. Also den größten Nutzen, den kann man oft sehen, wenn man die richtigen Dinge anschaut.

ANDREA SPIEGEL: Muss man dafür von außen kommen?

JENS MALSO: Ja, weiß nicht. Ich glaube, diesen Blick haben viele auch in den Unternehmen. Also von außen hat man sicherlich den Vorteil, dass man manche Dinge zum tausendsten Mal zum ersten Mal sieht. Also für einen selbst hat man das schon häufig gesehen. Aber an dieser Stelle laufen täglich tausend Leute vorbei und keiner sieht es. Insofern, von außen hilft, ist aber nicht zwingend notwendig. Ich treffe Unternehmen, die ganz junge Teams haben. Und die Leute haben schon gesehen, dass da was ist, was man tun kann. Aber es gibt zu viele Aufgaben und es wird einfach nicht getan.

ANDREA SPIEGEL: Okay, das heißt, der erste Schritt ist quasi, sich anzuschauen, wo habe ich den größten Nutzen oder den größten Schmerz? Und da auch ehrlich zu sich selbst zu sein quasi. Und da kann ich ansetzen.

ANDREA SPIEGEL: Woher weiß ich jetzt, wenn ich feststelle, in einer bestimmten Maschine, da wäre es jetzt irgendwie mal gut, was zu verändern, wie entscheide ich, ob eine Digitalisierung der bestehenden Maschine reicht oder ob ich mich nach einer neuen umschauen muss?

JENS MALSO: Ich sage, in neun von zehn Fällen ist die Maschine schon richtig, wo sie ist. Und man muss einfach ein wenig mehr überlegen, um das einzubinden. In den seltensten Fällen ist die neue Maschine die richtige Wahl. Es gibt selbstverständlich die wunderbare Situation, man hat so viel Geschäft, dass man schlicht und ergreifend nicht genug erzeugen kann.

ANDREA SPIEGEL: Dann bitte. Es lohnt sich auch, noch mal eine neue zu kaufen.

JENS MALSO: Genau. Zu glauben, dass man, wenn man an nicht zufriedenen Stellen einen Nutzungsgrad hat oder nicht ausreichenden Ausstoß, theoretisch aber in der Lage wäre, dass eine neue Maschine das ändert. Das Einzige, was ich bekomme, ist eine neue Maschine, die genauso schlecht läuft. Ich muss tatsächlich erst verstehen, was mein Problem ist, und dann kann ich eine Lösung dazu bauen. Ich kann nicht hingehen und erwarten, dass, wenn ich noch mal dasselbe mache, dass ich ein anderes Ergebnis bekomme. Sieht man tatsächlich relativ häufig.

ANDREA SPIEGEL: Ich wollte gerade sagen, das ist nicht auch ein Zitat, ich glaube von Einstein. Verrückt ist, immer dasselbe zu tun und

andere Ergebnisse zu erwarten. So in die Richtung.

JENS MALSO: Die einsteinische Definition von Wahnsinn.

ANDREA SPIEGEL: Ja, genau.

ANDREA SPIEGEL: Ich frage mich da jetzt gerade noch, welche Rolle spielt denn jetzt beim Retrofitting dann auch das Thema Software bzw. Hardware? Also klar, auf der einen Seite, ich muss Hardware da einbauen in so eine Maschine, um sie eben internetfähig zu machen, um Sensorik anzubringen, um zum Beispiel eben irgendwas messen zu können oder so. Gibt es sonst noch Hardware? Also kann auch Retrofit sein, dass ich irgendwie, keine Ahnung, einen neuen Antrieb einbaue oder ein neues Steuerungsmodul einsetze? Ist das auch Retrofit schon oder was ist das dann?

JENS MALSO: Das geht fast nie. Also die Maschine, wir sprechen ja hier nicht von Autos, die man tunen könnte, sondern wir reden ja hier von Maschinen, die einen ganz, ganz spezifischen und super engen Fokus haben, was die tun können. Man kann die nicht wirklich verändern. Und wenn wir das tun, im besten Fall hängen wir uns an bestehende Sensoren, die bisher keinerlei Konnektivität haben. Da gibt es eine Menge. Die meisten Maschinen haben Berge von Sensoren und nichts davon führt zu einer Äußerung nach außen. Und was wir letztens getan haben oder was wir dabei sind gerade zu tun, ist eigentlich ganz spannend. Wir haben eine Maschine, die, der Hersteller mag nicht das, was wir tun. Und was wir einfach tun, wir schrauben an.

ANDREA SPIEGEL: Der Hersteller der Maschine.

JENS MALSO: Der Hersteller der Maschine, genau. Der Kunde, also unser Kunde will das schon. Wir wollen das auch, aber der Hersteller der Maschine, der will das nicht ganz so sehr. Und wir setzen einfach eine weitere Steuerung, ein Huckepack obendrauf, zerschneiden die Kabel und lesen mit, was gewissermaßen durch die Leitung fließt. Und das kann man auch tun.

ANDREA SPIEGEL: Mit welchem Ziel macht ihr das?

JENS MALSO: Wir kommen sonst gar nicht dran. Die Maschine ist so, wie sie ist, ganz wunderbar. Es gibt ausreichend Sensoren, der ganze Prozess ist klar. Wir können sogar gut mit der Maschine interagieren.

ANDREA SPIEGEL: Was macht die Maschine, um das vielleicht ein bisschen greifbarer zu machen, wie man das sagen darf?

JENS MALSO: Die Maschine verschließt das Produkt wasser- und luftdicht und befördert es dann selbsttätig ins Lager über eine eigene Förderstrecke. Und dieses Luftdicht-Verschließen ist relativ komplex. Also das können auch gar nicht viele. Und jetzt wollen wir da eine Endkontrolle einführen. Und Kontrolle bedeutet, wir wollen das Produkt nur durchlassen ins Lager, wenn wir sagen, es ist okay.

ANDREA SPIEGEL: Es ist wirklich luftdicht und wasserdicht.

JENS MALSO: Und wir können es lesen vor allen Dingen. Wir können die Identifikation der Palette lesen. Nur dann lassen wir es durch. Aber dazu müssen wir nicht nur lesen, dazu müssen wir schreiben. Wir müssen also der Maschine erst dann die Freigabe erteilen, wenn wir sagen, dass es eine Freigabe gibt. Und das erfordert ein bisschen Kreativität.

ANDREA SPIEGEL: Okay, das heißt, das ist eigentlich die größte HerausforderungDaten aus alten Maschinen oder so sich zu holen, sie zu lesen und vielleicht zu verarbeiten, ist das eine. Aber quasi Daten auf die Maschine zu übertragen, also auf die Maschine zu schreiben oder eben einen Befehl zu geben oder einen Stopp oder einen Weiter oder wie auch immer, das ist eher die Herausforderung sozusagen.

JENS MALSO: Genau, denn es erfordert ja, in ein laufendes System einzugreifen, ohne dass man etwas Unerwünschtes beeinflusst.

ANDREA SPIEGEL: Aber ist das nicht generell ein Thema? Also ist das jetzt ein reines Retrofitting-Thema, dass man sagt, alte Maschinen sind schwerer zu beschreiben als die modernen? Oder ist es generell, dass der Hersteller ja eigentlich nicht möchte, dass du da irgendwas…

JENS MALSO: Die alten sind unempfindlich, die reagieren auf nichts, die haben ein dickes Fell. Die neuen, die sind empfindlich, da ist alles auf Spalt Null gebaut.

ANDREA SPIEGEL: Okay, das heißt, das ist eigentlich die kniffligere Herausforderung sozusagen.

JENS MALSO: Je neuer die Maschinen sind, desto mehr Komplexität darf man erwarten.

ANDREA SPIEGEL: Wir hatten im Vorgespräch immer noch so ein bisschen das Thema angeschnitten, so wann lohnt sich Retrofitting eigentlich und wann nicht? Also auch so bei der, ich sag mal, auch bei so einer Menge an Maschinen. Ich hatte gefragt, wie sieht es aus, ist es besser mit zwei Maschinen das zu machen und zu sagen, alle anderen lasse ich, wie sie sind? Oder ist es eher so, dass man einen großen Maschinenpark dann umrüstet? Oder wie bestimme ich das? Also mache ich das an der Menge der nachzurüstenden Maschinen oder anlagenfestwann sich das lohnt? Oder was ist so eine Marke, an der ich mich orientieren kann? Oder ist es wirklich immer kompletter Einzelfall?

JENS MALSO: Wenn man es ganz genau nimmt, gibt es gar nicht so viele unterschiedliche Situationen. Es gibt die großen Mainstream-Hersteller, wo es inzwischen relativ einfach ist. Und es gibt den ganzen Sondermaschinenbau. Das Ärgerliche oder das Bedrückende ist, dass wenn kleinere Unternehmen einen überschaubaren Maschinenpark haben, die haben keine Marktmacht. Das heißt, sie bekommen einen vergleichsweisen inakzeptablen Preis für dieses Retrofit. Große Anwender mit einem großen Maschinenpark kriegen ganz andere Preise. Man könnte sagen, wenn es gut läuft, sind 100 Maschinen im Retrofit fast preiswerter als 5, wenn es schlecht läuft.

ANDREA SPIEGEL: Zumindest auf die Maschine gerechnet oder so.

JENS MALSO: Yes. Und das ist ein klitzekleines bisschen unfair, weil es wieder eine bestimmte Gruppe von Unternehmen benachteiligt. Und trotzdem ist es so.

ANDREA SPIEGEL: Spielt es dabei eine Rolle, ob ich, wie du gerade gesagt hast, viele Mainstream-Maschinen habe und wenig Sondermaschinen? Ist es billiger oder einfacher, an ein Retrofitting zu kommen, wenn ich eher die Mainstream-Maschinen habe anstatt sehr viele spezielle?

JENS MALSO: In der Tat ja. Wenn ich bei den großen Herstellern bin, die haben sich jahrelang auf das Thema vorbereitet. Zwar langsam, aber sie haben sich vorbereitet und sind da auch gut. Das ist tatsächlich zum Teil mit einer Lizenzgebühr abgegolten. Und dann geht es. Bei den älteren Herstellern ist also vieles noch handgemacht und individuell. Leider in einer Art und Weise, dass man nichts davon hat. Ganz schwierig.

ANDREA SPIEGEL: Du hast jetzt erzählt, du hast gerade ein Projekt am Laufen, wo es um so ein Thema Retrofitting geht. Wie ist es bei der Firma? Kannst du uns ein bisschen mal erzählen? Haben die sich nur bei der einen Anlage dafür entschieden? Wenn ja, was ist mit den anderen? Was erhoffen die sich von diesem ganzen Prozess am Ende des Tages?

JENS MALSO: Sie haben 70 zerspanende Bearbeitungszentren. Und davon vielleicht 12 oder 13 so neu, dass die schon alles haben. Mit diesen Maschinen funktioniert ein Prototyp. Und jetzt muss man sich halt überlegen, je weiter man in der Zeit zurückgeht, bis wohin man geht. Denn da ist es tatsächlich so, je älter die Maschine, desto teurer das Retrofit. Bis hin zu Austausch des Gehirns. Da muss wirklich ein anderer Rechner in die Maschine. Bei Bearbeitungszentren ist es aber wirklich so, dort kann ich tatsächlich tauschen. Weil die Aufgabe dieselbe ist. Ich kann tatsächlich in eine Maschine, von der ich weiß, wie die innen drin aufgebaut ist, in moderne Steuerung reinhängen. Aber je weiter man vom Jetzt zurückgeht, desto teurer wird es. Und es gibt ja eine neue Strömung. Also so neu ist die nicht mehr, jetzt 20 Jahre. Die heißt OPC bzw. OPC UA.

ANDREA SPIEGEL: Was ist das? Kannst du das für mich mal erklären?

JENS MALSO: Hm, muss ich ein bisschen ausholen. Wir Europäer und damit insbesondere wir Deutschen, versuchen erst eine Norm zu schaffen und dann dazu ein Stück Realität. Wir würden nie irgendwas bauen, ohne dass es das vorher nicht als Norm gibt. Die Amerikaner haben, glaube ich, noch nie was gebaut, nachdem es schon eine Norm gab. Die haben immer was gebaut und dann wurde es normiert. Und dieses OPC UA ist tatsächlich aus einer amerikanischen Strömung entstanden. Softwarefirmen, da waren so kleine Unternehmen bei, wie wird man, wie hieß denn die? Microsoft, ah, Cisco. Die haben sich überlegt, wie kann man Maschinensignalerfassung prinzipiell revolutionieren. Und das hat eine Weile gedauert, bis das auch angekommen ist. Und das nennt sich einfach OPC. Und der erste Anlauf wurde von der Industrie nicht wahrgenommen oder nicht angenommen, das war theoretisch. Und dann gab es UA, das war Version 2. Und die wurde angenommen im Laufe der Jahre. Die ersten realen Dinge, die danach funktionierten, habe ich 2010 gesehen. Und heute sind die relativ gängig. Steuerungen, die auf diesem Prinzip basieren. Und immer mehr Hersteller bieten auch OPC UA. Das führt dazu, dass man buchstäblich auch eine relativ alte Steuerung findet, wo der Hersteller anbietet. Und darauf setze ich ein OPC UA-fähiges Modul. Und so kriegt man Maschinen, die tatsächlich relativ alt sind, 15 Jahre18 Jahre, mit einem modernen Interface. Und plötzlich kann die Maschine sprechen.

ANDREA SPIEGEL: Das ist ja eigentlich genau das, was man dann eben haben möchte.

JENS MALSO: Ja, definitiv. Was ich daran spannend finde, ist, dass es funktioniert. Dass also Firmen, die nicht, also bei Cisco, ja, bei Microsoft, nein, die bringt man nicht primär mit Hardware in Verbindung. Aber dieses Prinzip ist gut, liegt gut in der Hand, ist für den Softwareentwickler buchstäblich ideal. Es ist also so, wie eine Schnittstelle sein soll. Und funktioniert großartig. Und es gibt hier ganz kleine Hersteller von Hardware, von Maschinen, die das angenommen haben. Das tut gut. Wir haben sicherlich zwei bis drei Dutzend dieser voll OPC-UA-fähigen Installationen.

ANDREA SPIEGEL: Und die funktionieren?

JENS MALSO: Top. Also diese Technologie ist, wenn sie einmal läuft, buchstäblich unsterblich.

ANDREA SPIEGEL: Okay, das heißt, ich habe eine alte Maschine, ich habe da ein Steuerungsmodul, ich setze da dieses OPC-UA obendrauf und kann sie dann entsprechend an mein aktuelles Interface quasi anbinden, so wie jede andere Maschine auch neuere Maschinen. Ist das richtig?

JENS MALSO: Richtig. Und das Besondere ist, dass die Art und Weise, wie man mit der Maschine interagiert, für alle gleich ist. Es ist völlig egal, was das ist. Also völlig gleichgültig, wie die Maschine in Wahrheit funktioniert. Die Art und Weise der Kommunikation ist immer gleich. Man braucht keine Dialekte sprechen, man muss keine Tricks und Kniffe kennen. All das ist völlig unwichtig.

ANDREA SPIEGEL: Okay. Sagen wir mal, ich habe mich jetzt als Unternehmen dafür entschieden, aus den genannten Gründen. Ich habe mir überlegt, ich habe mir angeschaut, wo habe ich meinen größten Schmerz, habe mich informiert, wie ich meine Maschine da jetzt fit machen kann, habe für mich einen Use Case gefunden, in dem es sinnvoll ist. Wenn ich jetzt das Retrofitting mache, sprich die Maschine auf den neuesten Stand bringe, wie lange muss ich davon ausgehen, dass die Maschine ausfällt?

JENS MALSO: Wenn es gut läuft, einen Tag. Also von Freitag auf Montag.

ANDREA SPIEGEL: Okay. Das heißt, es ist jetzt kein invasiver Eingriff, der dir erst mal für einen Monat lahmlegt und ich kann ewig nicht dran rummachen oder so?

JENS MALSO: Nein, nein, nein. Es geht ja gar nicht darum, die Maschine in ihrer Mechanik oder sonst wie zu verändern. Es geht einfach darum, entweder was aufzusatteln oder den Rechner zu tauschen, der darin enthalten ist.

ANDREA SPIEGEL: Das heißt, ich habe dann einen Tag Ausfall und danach geht es einfach wieder weiter. Das ist natürlich nicht schlecht.

JENS MALSO: Ja. Und wir haben Kunden, die das quasi schleichend gemacht haben. Das heißt, wir haben mit der Testphase begonnen, da wurde einfach ein Live-Test ausgerufen. Und während des Live-Tests wurden schon Sensoren geupdatet und Hardware geupdatet und getestet. Und dann alles wieder rückgebaut. Und dann nach zwei Monaten nächster Live-Test. Weitere Sensoren getauscht. Wir haben quasi basierend auf der Erfahrung dieser Live-Tests, haben wir die Teile der Anlage, die nicht gut zum Prozess passten oder die lustige Dinge taten, also unerwartete, die haben wir schlicht ausgetauscht, bis wir einen Prozess hatten, der im Test funktionierte. Was jetzt leider immer noch für einen ziemlich spannenden Go-Live gesorgt hat, aber trotz allem war das gut.

ANDREA SPIEGEL: Aber immerhin Go-Live.

JENS MALSO: Ja, ja. Es war super. Für mich eines der prägenden Erlebnisse in den letzten Jahren. Wir haben wirklich eine Woche lang geschuftet, buchstäblich Tag und Nacht. Und am Freitagmorgen lief es und das war, ja, weiß ich auch nicht.

ANDREA SPIEGEL: Ein tolles Erfolgserlebnis.

JENS MALSO: Definitiv. Ich wusste bis zuletzt nicht, ob alles hält. Und jetzt hält es seit über einem JahrSieben Tage die Woche, 24 Stunden.

ANDREA SPIEGEL: Ich hätte jetzt so Richtung Abschluss, weil wir sind schon relativ weit in der Zeit vorangeschritten, hätte ich noch zwei Fragen. Das eine wäre, was muss ich als Unternehmen quasi in so ein Projekt mitbringen? Also was brauche ich an Know-how in meinem eigenen Haus? Was kann ich mir von außen holen? Oder auch Infrastruktur oder so. Was brauche ich, damit ich so ein Projekt umsetzen kann?

JENS MALSO: Ich brauche einen Menschen, der sich dafür verantwortlich fühlt. Also altmodisch, den Betriebselektriker. Den brauche ich. Und der muss mit an Bord sein und der muss das auch wollen. Und das Zweite, was ich brauche, ich brauche Schaltpläne. Und wenn ich habe, die Programme. Ich kann nicht da rein stolpern und sagen, ja, hier, bitte machen. Das geht so nicht. Das heißt, diese Maschinen sind völlig unverständlich, wenn man sie von außen betrachtet. Man kann nichts sehen. Und erst, wenn man jemanden hat, der die Maschine schon lange kennt und damit umgegangen ist und man hat Dokumentation, dann geht das. Das heißt, DokumentationSchaltpläne und jemanden, den sogenannten Kümmerer, der sich nämlich kümmert, dass das alles passiert. Wenn wir von außen kommen und wir haben niemanden, der mit uns das tut, sind wir ohne Chance.

ANDREA SPIEGEL: Okay. Das heißt, ich muss in meinem Betrieb quasi auch dafür sorgen, dass da jemand am Start ist, der sich um das Projekt kümmert.

JENS MALSO: Definitiv.

ANDREA SPIEGEL: Alles klar. Frage Nummer zwei ist, ich stelle mir vor, ich habe jahrelang mit der Maschine gearbeitet. Das ist quasi mein Baby, an dem ich jeden Tag unterwegs bin. Und jetzt wird das hier mit Retrofit ans Netz angeschlossen. Da ist vielleicht neue Sensorik dran, vielleicht auch nicht, irgendein neues Schaltteil, was auch immer, braucht es für die Mitarbeiter Schulungen, um damit umgehen zu können? Oder ist es eher so, dass man sagt, da läuft ja alles wie immer, wir werfen jetzt halt noch ein paar Daten ab? Oder wie muss ich mir das vorstellen?

JENS MALSO: Also anders als bei BDE hat …

ANDREA SPIEGELBetriebsdatenerfassung meinst du?

JENS MALSOBetriebsdatenerfassung. Hat MDEMaschinendatenerfassung, nahezu keinen Impact auf die Leute. Also wirklich keinen. Denn es gibt keine wirkliche Interaktion über das hinaus, was der Mensch ohnehin tut. Und es gibt auch keine Befindlichkeitsstörung, dass man jemandem seine Errungenschaften abnimmt. In Wahrheit, man wertet sie auf. Das ist bei anderen Teilen des Projektes viel kontroverser. Man hat tatsächlich Leute, die sich durch das Projekt angegriffen fühlen, in ihrer Arbeit und auch in ihrem Wert für das Unternehmen und all dem. Das bei Maschinendaten nicht. Und das ist quasi völlig ohne Impact auf das soziale Gefüge, was sich da ergibt.

ANDREA SPIEGEL: Aber das heißt, jemand, der mit der Maschine interagiert tagtäglich, der muss jetzt nicht unbedingt irgendwie neu geschult werden, sondern es geht einfach weiter wie bisher.

JENS MALSO: Genau. Es sei denn, es kommt natürlich vor, wenn man tatsächlich so ein Interface tauscht, dann sieht das aus wie neu. Aber sieht es halt so aus wie neu, wie an dieser Maschine da zu rechten, das hat dann keinen direkten Impact.

ANDREA SPIEGEL: Das heißt, ich brauche höchstens vielleicht eine kurze Schulung für das neue Interface, dass einfach klar ist, was ist wofür da. Aber tendenziell ist es mit wenig Aufwand verbunden.

JENS MALSO: Also es hat quasi keine dieser anderen Folgen, die man vielleicht im Projekt spürt, wenn man vermitteln muss, warum man das überhaupt tut.

ANDREA SPIEGEL: Okay. Das heißt, insofern vielleicht auch ein kleiner Vorteil gegenüber einer komplett neuen Maschine, wenn es nicht unbedingt nötig ist, dann muss ich die Mitarbeiter auf die neue Maschine einspielen, muss sie schulen lassen und so weiter. Das kann ich dann in dem Fall vermeiden sozusagen.

ANDREA SPIEGEL: Jetzt vielleicht zum Abschluss noch mal so ein bisschen dein Statement zum Thema Retrofitting. Also wie geht es dir damit, wenn du jetzt mit einem Unternehmer zusammensitzt, der sagt, ich weiß nicht, ob das Richtige für mich ist, was würdest du dem sagen, in welche Richtung würde euer Gespräch gehen? Kannst du da vielleicht noch mal so als Abschluss so einen kleinen Einblick vielleicht auch in deine Gedankenwelt geben?

JENS MALSO: Ich mag nicht mehr so sehr jemanden überzeugen müssen. Ich frage, bringt es was? Bringt es mehr, als es kostet? Ist es überhaupt gewollt? Und sind sie bereit zu tun, was am Ende rauskommt? Denn ich messe, manchmal wissen alle schon, was rauskommt. Das ist skurril. Aber am Ende kommt etwas raus und ich weiß dann, aha, das muss ich tun, das ist das Problem. Sind sie bereit, das zu tun? Wenn sie nicht bereit sind, die Konsequenzen mitzunehmen aus dem, was dabei rauskommt, dann brauchen wir das nicht tun, dann ist es einfach nur nicht werthaltig. Das wären die Fragen, die ich stelle. Und wenn der oder diejenige sagen kann, ja, ich will es wirklich wissen, es ist mir das wert und ich will auch danach handeln, dann ist alles gut.

ANDREA SPIEGEL: Go for it. Wie man so schön sagt, einen schlechten Prozess zu digitalisieren macht noch keinen guten digitalen Prozess, sondern einen schlechten digitalen Prozess. Das heißt, wie immer bei der Digitalisierung, das ganze Bild betrachten, alles mitdenken.

ANDREA SPIEGEL: Das wäre vielleicht, mir fällt gerade noch eine spannende Frage ein: Wenn ich jetzt einen größeren Maschinenpark habe und jedes Retrofit-Thema angehe, muss ich alle Maschinen gleichzeitig updaten?

JENS MALSO: Nein, überhaupt nicht. Denn wenn ich vergleichbare Maschinen habe, reicht es völlig aus. Wenn ich erkennen möchte, was das Problem verursacht, dann nehme ich mir die maßgeblichen Maschinen aus jeder Gruppe heraus und digitalisiere sie. Ich kann dann immer noch den Rest machen, wenn es sich anbietet. Aber unternehmerisch möchte man ja sein Geld auch wieder haben. Danach. Und dann gebe ich es natürlich nur aus, wenn es auch etwas bringt.

ANDREA SPIEGEL: Im besten Fall. Das sorgt dann dafür, dass es hinten raus auch funktioniert. Dann vielen Dank, Jens, für diese spannende Folge. Ihr da draußen, wenn euch das Thema Retrofitting interessiert, stellt euch auf jeden Fall die Fragen, die Jens gerade in seinem Schlussappell genannt hat. Beschäftigt euch damit, wo eure Schmerzpunkte liegen oder wo ihr den größten Nutzen von einem Thema wie dem Upgrade von Maschinen in das neue Zeitalter seht, wo ihr den größten Nutzen im Unternehmen findet, wo ihr den finden könnt.

Wenn ihr noch Fragen zum Thema habt, stellt sie uns gerne in den Kommentaren auf YouTube oder auch bei Apple, Spotify und Co. Ansonsten schreibt uns auch gerne über unsere Website oder an marketing@l-mobile.com. Lasst es uns wissen, wenn ihr neue Themenvorschläge für den Podcast habt, wenn es Ideen gibt, die euch noch mehr interessieren würden. Lasst uns das wissen. Ansonsten hinterlasst gerne Bewertungen oder einen Daumen nach oben bei YouTube. Und dann möchte ich sagen, vielen Dank noch einmal, Jens, dass du hier warst.

JENS MALSO: Gerne.

ANDREA SPIEGEL: Bis zum nächsten Mal. Ciao.

Welche Idee steckt hinter der Multikommissionierung in der Lagerlogistik?

„Die Idee bei der Multikommissionierung ist auch da, eben solche Leerfahrten, Leerwege, egal ob jemand läuft oder eben fährt, zu vermeiden.“

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