#101 Werkerassistenzsystem & Digitalisierung mit Sabrina Rein

Podcast Industrie 4.0 | Der Expertentalk für den Mittelstand

Heute erfährst du, wieso JETZT genau der richtige Zeitpunkt ist, mit einer Werker Assistenz zu starten! Egal, ob Losgröße 1 oder 1000.

Übrigens kannst du dir auch unser kostenloses Whitepaper zum Thema “Digitale Transformation – In 4 Schritten zur Fabrik der Zukunft” herunterladen.

Und… wie schick das heute aussieht! Unser Podcast-Studio hat ein Make-Over bekommen, welches sich mal so richtig sehen lässt – wir sind verliebt in den neuen Look! 

Aber zurück zum eigentlichen Thema: Sabrina Beiter gibt heute einen spannenden Einblick, in die Vorteile, Highlights und Möglichkeiten von einem Werkerassistenzsystem.

Wir schauen außerdem auf die momentanen Herausforderungen in der Montage von KMU:

  • wachsende Kundenanforderungen
  • Fehleranfälligkeit
  • fehlendes Können

Und auch mal ganz praktisch gedacht – wo lässt sich denn ein WAS wirklich sinnvoll einsetzen? Die volle Ladung Infos rund um automatisierte Montageprozesse also!

Das Transkript zur Podcast-Folge: Werkerassistenzsystem & Digitalisierung

ANDREA SPIEGEL: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge Industrie 4.0, dem Experten-Talk für den Mittelstand. Alle, die unseren Podcast auch als Videoshow anschauen oder sich zumindest mal bei YouTube auf unserem Kanal verirrt haben, sehen jetzt, dass wir heute in einem komplett neuen Setup sitzen. Ich freue mich sehr darüber, wir haben ein neues Studio bekommen. Und ja, wir nehmen heute die erste Folge auf. Wir hoffen, dass alles klappt. Wenn es irgendwelche Probleme gibt, dann verzeiht uns das bitte. Es ist einfach noch alles ein bisschen neu für uns. Und ich freue mich sehr darauf. Wir legen direkt los mit unserem heutigen Thema. Wir wollen uns mal dem ganzen Thema Montage widmen. Also, wie funktioniert eigentlich so ein Montagearbeitsplatz? Wie kann man da vielleicht auch unterstützen? Wir nennen das bei uns gerne Werkerassistenzsystem. Also, wie können wir dem Werker Anweisungen oder Anleitungen geben, wie er ein bestimmtes Bauteil oder Produkt fertigen muss? Mein heutiger Gast ist meine liebe Kollegin Sabrina Rein (ehemals Beiter). Sie ist bei uns Teamleiterin im Bereich Betriebs- und Maschinendatenerfassung, auch Werkerassistenzsysteme, und hat den Schwerpunkt auf dem ERP-System Microsoft Dynamics. Sie kennt sich aber natürlich mit der Technologie an sich sehr gut aus. Schön, dass du heute da bist.

SABRINA REIN: Vielen Dank. Ich freue mich auch sehr, hier zu sein.

ANDREA SPIEGEL: Sabrina, du darfst dich gerne noch einmal kurz selbst vorstellen. Was genau machst du bei uns? Was gehört zu deinem täglichen Doing?

SABRINA REIN: Sehr gerne. Wie du schon gesagt hast, ich bin Teamleitung im Bereich MS Dynamics, also Microsoft Dynamics. Das heißt für alle Projekte, die bei uns in der Abteilung laufen – also im Consulting- und Projektmanagement-Team – die mit dem ERP-System von Microsoft zu tun haben. Mein Fokus liegt vor allem auf dem Produktionsthema, also Maschinendatenerfassung, Betriebsdatenerfassung und jetzt ganz neu die Werkerassistenzsysteme. Ich bekomme viele Einblicke in verschiedene Firmen, habe viel Praxiserfahrung und betreue Projekte bis zum Go-Live. Dabei führe ich die Projekte und bringe die Kunden letztendlich zum Erfolg.

ANDREA SPIEGEL: Das hört sich spannend an. Davon hören wir heute noch mehr.

ANDREA SPIEGEL: Du hast vielleicht schon gesehen, bei uns gibt es immer noch eine kleine Einstiegsfrage, die gar nichts mit dem Thema zu tun hat. Für dich habe ich mir heute überlegt: Wenn du für einen Tag jemand anderes sein könntest, wer wäre das und warum?

SABRINA REIN: Okay, interessante Frage. Da muss ich ganz kurz drüber nachdenken.

ANDREA SPIEGEL: Ganz in Ruhe.

SABRINA REIN: Ich wäre gern mein Hund.

ANDREA SPIEGEL: Auch gut.

SABRINA REIN: Ich würde gern mal das Leben aus ihrer Perspektive sehen und vor allem auch die Gedanken nachvollziehen können, die sie so den ganzen Tag hat, bevor sie sich in ihr Nest legt zum Mittagsschlaf oder vielleicht auch bevor sie in die nächste Matschpfütze springt. Auf jeden Fall ist da wahrscheinlich Spaß ein ganz großer Faktor beim Matsch.

ANDREA SPIEGEL: Sehr schön.

ANDREA SPIEGEL: Gut, dann würde ich sagen, wir starten direkt ins Thema. Für den Einstieg würde mich mal deine Einschätzung interessieren: Warum lohnt es sich aktuell, über das Thema Werkerassistenzsysteme zu sprechen? Warum ist das generell vielleicht gerade auch ein wichtiges Thema? Wie würdest du das einschätzen?

SABRINA REIN: Es gibt mehrere Gründe, warum Werkerassistenzsysteme immer wichtiger werden und das auch in Zukunft bleiben werden. Ein Thema, das natürlich schon mehrfach diskutiert wird, ist der Fachkräftemangel. Wir werden in Zukunft einen noch stärkeren Fachkräftemangel haben, wodurch Themen wie Werkerassistenz, bei denen das Wissen auf einer Plattform gesammelt wird und der Werker angeleitet wird, immer relevanter werden. Das heißt, die Einarbeitungszeit zum Beispiel für neue Fachkräfte wird kürzer, und auch die Unterstützung, sodass die Fachkraft nicht mehr so viel Zeit für ein Produktionsstück benötigt, wird wichtiger. Das ist eines der wichtigsten Themen, die uns heute begegnen.

Ein weiteres Thema ist die zunehmende Produktvariabilität, also die Vielfalt der Produkte, die wir heutzutage herstellen. Die Ansprüche der Endverbraucher, aber auch der Industriekunden, sind gewachsen. Es reicht nicht mehr aus, nur ein Produkt in einer Farbe vorrätig zu haben, sondern man muss es mittlerweile in mehreren Farben anbieten. Und dann kommt meistens noch der zehnte Kunde, der eine ganz andere Farbe möchte. Das Ganze muss man ja auch in den Produktionsprozessen abbilden, die normalerweise eher starr sind, mit festen Anweisungen und Prüfplänen. Mit dem Werkerassistenzsystem ist man da viel flexibler, um auf solche Veränderungen und Sonderwünsche zu reagieren.

ANDREA SPIEGEL: Okay.

ANDREA SPIEGEL: Jetzt hast du schon ein paar Herausforderungen genannt, wie den Fachkräftemangel oder auch die Produktvielfalt. Gibt es da noch andere Herausforderungen, vor denen Unternehmen mit ihren Montagearbeitsplätzen stehen? Ich denke da zum Beispiel an Fehler, die passieren, oder Ausschussware, die produziert wird.

SABRINA REIN: Ja, definitiv. Gerade das Fehlerrisiko, das du schon genannt hast, reduziert sich drastisch, weil der Werker alle Informationen wirklich vor sich hat und nicht mehr blättern muss oder nicht mehr die Hürde hat, an den Ordner zu gehen und nachzuschauen, wenn er nicht mehr genau weiß, welche Schraube hier rein muss. Er bekommt das einfach präsentiert, ohne diese Hürde, und kann dadurch die richtige Qualität produzieren.

Plus: Selbst wenn er doch mal die falsche Qualität produzieren sollte – was man natürlich im Idealfall vermeidet – fällt das früher auf, weil man schon früh Kontrollen und Hinweise einbauen kann. So gibt es Abfragefenster mit Erinnerungen wie „Hast du, lieber Werker, an das und das gedacht?“ Ohne ein Werkerassistenzsystem würde das Produkt einfach an die nächste Abteilung weitergegeben, die solche Erinnerungspop-ups nicht bekommt. Genau, das ist der größte Punkt: das Fehlerrisiko zu reduzieren.

Was natürlich der Idealfall ist: Wenn du durch die Produktion geleitet wirst. Ein Klassiker, den wir leider oft bei unseren Kunden sehen, ist, dass ganze Arbeitsgänge vergessen oder übersprungen werden. Zum Beispiel sollte auf der ERP-Seite noch ein Zwischenschritt eingefügt werden, weil es sich um ein Sonderprodukt handelt, bei dem ein zusätzlicher Schritt notwendig ist. In der Routine ist der Werker aber nicht daran gewöhnt, dass es noch weiter zu Abteilung B gehen muss. Abteilung C macht einfach weiter, ohne dass beispielsweise zwischendurch gehärtet wurde. Diese Fehler können wir mit dem Werkerassistenzsystem auf null reduzieren, weil wir eine Fehler- oder Arbeitsgangkontrolle einbauen können, sodass Abteilung C gar nicht starten kann, ohne dass Abteilung B den Vorgang abgeschlossen hat.

ANDREA SPIEGEL: Ja, das hört sich gut an. Ich kann auch aus eigener Erfahrung sagen: Wir haben ja hier bei uns so ein Werkerassistenzsystem aufgebaut. Und ich durfte es auch mal ausprobieren. Wir bauen natürlich nur kleine Logos, was dramatisch schwierig ist, aber es ist tatsächlich so, dass man es selbst dann gut hinbekommt, wenn man es noch nie gemacht hat. Weil man eben, wie du sagst, gar keinen Fehler machen kann, da die einzelnen Schritte sehr gut erklärt werden.

ANDREA SPIEGEL: Du hast vorhin schon das Thema Fachkräftemangel angesprochen, also dass man vielleicht auch nicht mehr so viele Leute hat, die wirklich alles im Überblick haben, oder dass man schneller neue Leute einlernen muss. Jetzt mal ohne Werkerassistenzsystem und dann vielleicht auch mit: Wie würdest du sagen, verändert sich da die Einlernphase?

SABRINA REIN: Allgemein kann man das natürlich nicht pauschal sagen. Es kommt schon darauf an, welches Produkt man letztendlich herstellt. Ist es ein relativ einfaches Produkt, kann man die Einlernphase – ich sag mal – auf wenige Wochen reduzieren, indem man dem Werker einfach das Werkerassistenzsystem zur Hand gibt. Natürlich muss man ihm am Anfang, auch aus sozialen Gründen, persönliche Zeit widmen und ihm die Erklärungen geben. Aber nach wenigen Wochen ist er auf jeden Fall produktiv.

Wenn wir uns in Bereiche bewegen wie zum Beispiel Medizintechnikprojekte, wo auch eine größere Konsequenz oder Tragweite bei Fehlern besteht, dauert es natürlich deutlich länger. Aber auch hier können wir eine Reduktion von etwa der Hälfte erreichen, indem das Werkerassistenzsystem den Werker gezielt durch die Arbeit führt.

ANDREA SPIEGEL: Das ist doch mal eine Ansage, würde ich sagen. Das ist echt cool.

ANDREA SPIEGEL: Wie gehen denn Unternehmen, sag ich mal, die kein Werkerassistenzsystem haben, mit der steigenden Produktvarianz und den höheren Kundenanforderungen um? Gibt es da noch eine Alternative, bei der du sagst, ja gut, das braucht jetzt auch nicht jeder? Oder meinst du, dass es auf lange Sicht, wie du vorhin schon angedeutet hast, immer relevanter wird, so etwas zu haben?

SABRINA REIN: Wobei meine persönliche Meinung zu Vier-Augen-Kontrollen ist, dass sie die Qualität eher verschlechtern, weil sich jeder im Endeffekt auf den anderen verlässt. Aber natürlich spielt auch das Einstellen von Mitarbeitern eine Rolle. Das sehen wir ganz oft: Mitarbeiter werden eingestellt, um diese Informationswelt um den Werker herum so gut wie möglich zu organisieren – also Arbeitsanweisungen auszutauschen, beispielsweise in der Produktion. Oder auch Produktionsdaten, die der Werker auf Papier notiert, werden dann manuell ins ERP-System eingetippt. Ein Klassiker, den wir aktuell sehen, ist, dass zwischen einem halben Tag und – das Maximum, das wir bisher gesehen haben – drei Vollzeitkräfte benötigt werden, nur um Produktionsdaten oder andere Informationen, die auf Papier notiert wurden, nachträglich ins System einzutragen. So kann man diese Prozesse zwar weiterhin ohne Werkerassistenzsystem leben, aber wir sagen ganz klar: Diese Zeit kann man sich sparen und stattdessen für produktivere Tätigkeiten einsetzen.

ANDREA SPIEGEL: Jetzt hast du gerade ein ganz wichtiges Thema angesprochen, dieses ganze Thema Datenerfassung, auch Echtzeitdatenerfassung. Weil das hat man dann natürlich nicht, solange das auf diesem Zettel steht. Wie muss ich mir das bei so einem Werkerassistenzsystem vorstellen? Welche Daten sind da relevant? Wo kommen die her? Wie erfasse ich die? Was brauche ich dafür?

SABRINA REIN: Genau. Also im Idealfall sind alle Daten, die für die Produktion relevant sind, bereits im ERP-System oder in sonstigen digitalen Ablagesystemen beziehungsweise Dokumentenmanagementsystemen vorhanden. Im Idealfall ist alles schon digitalisiert, sodass wir das per Schnittstelle in das Werkerassistenzsystem anbinden und darstellen können. Sollte das noch nicht so sein, helfen wir gerne auf dem Weg dorthin. Wenn da also noch Prozesslücken sind, definieren wir die in unseren Workshops und erstellen gemeinsam mit dem Kunden eine Roadmap, um dahin zu kommen. Wenn dann alles digital verfügbar ist, meistens im führenden System, dem ERP-System, und die Daten im Werkerassistenzsystem vom Werker erfasst werden, werden diese in Echtzeit zurückgeschrieben. Das heißt, der Produktionsleiter sieht beispielsweise in Echtzeit, was er bis jetzt schon in der geplanten Menge produziert hat, was noch offen ist, und kann direkt vergleichen, wie lange die Schicht noch dauert, ob er im Plan ist oder nicht. Ein großer Punkt sind auch Störgründe oder Störungen an Maschinen. Dadurch, dass wir über das Werkerassistenzsystem ganz klar anzeigen können – oder der Werker eine Mitteilung senden kann, wie „Ich habe jetzt übrigens eine Störung, lieber Produktionsleiter“ – reduzieren wir die Reaktionszeit drastisch und können somit die Störzeiten effektiv reduzieren.

ANDREA SPIEGEL: Hast du da Beispiele aus Projekten, die dir schon begegnet sind, wo du sagst, ja, da war der und der Fall, und das konnten wir so und so lösen?

SABRINA REIN: Ja, also wir hatten einen Kunden, bei dem das Werkerassistenzsystem mittlerweile schon lange eingeführt ist. Das ist unser lieber Kunde, die Firma Röchling, die auch Referenzkunde ist, deswegen darf ich den Namen hier nennen. Sie haben mit dem Werkerassistenzsystem viel Transparenz in ihre Daten gebracht, indem sie Echtzeitdaten zurück in ihr ERP-System spielen und zu jedem Zeitpunkt den aktuellen Stand der Produktion sehen. Ich habe aber aktuell auch noch einen anderen Kunden, was sehr interessant ist, wo vor allem die Cockpit-Funktion, die wir im Werkerassistenzsystem haben, sehr beliebt ist und einen großen Nutzen bringt. Über das Werkerassistenzsystem-Cockpit, das quasi eine Übersicht über alle Arbeitsplätze mit dem jeweiligen Status bietet – also „läuft produktiv“, „ist abgemeldet“ beziehungsweise „nicht in Produktion“ oder „Störungen“ und „Rüsten“ – werden diese Status über Farben dargestellt. So erreichen wir eine sehr schnelle Reaktionsfähigkeit für den Meister in der Produktion. Das Projekt ist gerade in der Umsetzung, deswegen kann ich leider noch keinen endgültigen Erfolg berichten. Aber ich berichte dann sehr gerne, wenn es soweit ist.

ANDREA SPIEGEL: Ich wollte gerade sagen, da musst du einfach noch mal wiederkommen.

SABRINA REIN: Definitiv.

ANDREA SPIEGEL: Sehr schön. Jetzt hast du, sag ich mal, wahrscheinlich selten den Fall, dass du auf so einem Greenfield anfangen kannst, wo du sagst: Ja, hier komplett neue Halle, und wir bauen jetzt supertolle Montage-Arbeitsplätze mit Werkerassistenzsystem auf und so weiter. Wie funktioniert so eine Implementierung, wenn ich schon gewachsene Strukturen habe? Gerade in kleinen und mittelständischen Unternehmen ist das ja auch immer so ein bisschen ein Thema mit Veränderung. Ich meine, auch in großen Unternehmen ist das ein Thema. Aber wie kriege ich so eine Implementierung in meine gewachsenen Strukturen hin? Ist das einfach? Muss ich mir das kompliziert vorstellen? Wie läuft so etwas ab?

SABRINA REIN: Ganz wichtig ist immer – und das ist der allererste Punkt – die Offenheit für Veränderung muss auf jeden Fall da sein.

ANDREA SPIEGEL: Bei wem?

SABRINA REIN: Bei allen Projektbeteiligten. Also sowohl natürlich bei uns als L-mobile, die mit ihrem Standardprodukt um die Ecke kommen. Aber wir sagen auch immer, wir sind offen für Anpassungen auf den Kunden – natürlich immer nur mit Sinn. Aufwand und Nutzen müssen da einfach in der Waage sein. Aber ganz wichtig ist vor allem die Offenheit für Veränderung auch auf Kundenseite. Denn wir wollen in den Workshops, die wir vorab vor dem Projekt machen, analysieren und nicht die Ist-Prozesse nur übernehmen, weil sie schon immer so gewesen sind. Das bringt am Ende keinem etwas. Das heißt, wir gehen erst mal in die Ist-Prozessaufnahme, also die reine Ist-Aufnahme. Wir schauen uns an, was aktuell der Status quo ist. Und dann gehen wir in die Ist-Prozess-Reflexion: Warum muss es denn überhaupt so sein?

ANDREA SPIEGEL: Was ist der gewünschte Outcome sozusagen?

SABRINA REIN: Genau, und was ist das Ziel davon? Was kann man vielleicht auch anders machen? Dann gehen wir in die offene Diskussion und definieren als dritten Punkt die Soll-Prozesse, wie sie in der Zukunft aussehen können. Du hast schon das Thema Veränderung angesprochen – Change Management ist einfach ein Riesenthema. Unsere große Empfehlung ist, in diesen Workshops, in denen es erst mal um die theoretischen Prozesse geht, auch die Werker und Produktionslinienleiter schon mit einzubeziehen. Wenn die hier mitkreieren dürfen, mit in die Transparenz gehen dürfen, warum Dinge verändert wurden und warum Dinge so definiert sind, wie sie am Ende sein werden, dann ist es deutlich einfacher, das ganze Projekt einzuführen. Die Akzeptanz ist dann viel höher. Und was noch dazu kommt: Es ist nicht nur ein einfacher Change-Management-Faktor, sondern auch tatsächlich Projektqualität, die wir dadurch erreichen. Denn letztendlich kann der Produktionsleiter gar nicht alle Prozesse wissen, die auf dem Shopfloor, also wirklich in den Abteilungen, laufen. Das weiß aber ein Linienleiter oder im Idealfall sogar ein Werker selbst. Der weiß wirklich, wie gearbeitet wird – und nicht nur, wie es in den Arbeitsanweisungen niedergeschrieben ist.

ANDREA SPIEGEL: Und jeder hat vielleicht auch ein bisschen andere Ansprüche daran, was das System nachher bringen soll oder wie es unterstützen kann oder nicht. Weil, sag ich mal, ein Produktionsleiter braucht andere Infos – wie du gesagt hast, der will eher wissen, warum läuft meine Maschine nicht produktiv, oder warum kann da nicht ordentlich montiert werden, was ist da los? Und der einzelne Mitarbeitende hat vielleicht andere Bedürfnisse und Wünsche.
Okay, jetzt zäumen wir das Pferd zwar ein bisschen von hinten auf, aber…

ANDREA SPIEGEL: Was ist denn jetzt, sag ich mal, davor vielleicht noch so zu beachten? Also was muss ich denn noch alles mitdenken? Ich sag mal, für so ein Assistenzsystem brauche ich ja wahrscheinlich auch Hardware, ich brauche eine gewisse IT-Infrastruktur. Du hast schon gesagt, es ist super, wenn alle Daten schon digital vorliegen. Ist das denn der Normalfall? Ist das immer so, dass ihr da auf gute Resonanz stoßt? Oder ist das auch noch ein Thema, Datenaufbereitung, dass das vielleicht auch vorher noch passieren muss? Also, ich sag mal so, vielleicht kannst du ein paar Tipps geben, wenn man sich denkt: „Ah, Werkerassistenzsystem, hört sich spannend an, wie bereite ich mich richtig darauf vor?“

SABRINA REIN: Ja, sehr gerne. Also ein wichtiger Tipp ist auf jeden Fall, die Ist-Prozessaufnahme im Idealfall schon vorab zu machen, also dass man einfach weiß, wie gearbeitet wird. Die Daten digital zu haben, ist tatsächlich aktuell so, dass viele Kunden das einfach schon haben. Ein ERP-System hat so gut wie jeder Kunde schon im Einsatz, und auch ein Dokumentenmanagement-System ist oft schon vorhanden, sodass die Empfehlung natürlich ist, sich dahin zu entwickeln. Wir unterstützen aber, wie gesagt, auch gerne in dem Bereich. Was auf jeden Fall eine gute Vorbereitung noch zusätzlich ist, ist, sich Gedanken zu machen, wie meine Hardwarekomponente aussehen soll. Wo möchte ich denn ein Werkerassistenzsystem haben? Möchte ich vielleicht Tablets haben? Oder möchte ich feste Touchscreens an den Wänden verschraubt haben? Basierend auf dieser Entscheidung muss man natürlich auch die WLAN-Ausleuchtung mit im Kopf behalten. Wenn man jetzt auf Tablets setzt, dann ist ein LAN-Kabel eher unpraktisch. Dementsprechend muss die WLAN-Ausleuchtung in den Räumen ausreichend sein. Das sind so, sage ich mal, die Hauptpunkte, die man in der Vorbereitung beachten sollte. Und ja, wie schon erwähnt, wir helfen auch gerne, diese offenen Punkte im Workshop offenzulegen und gemeinsam einzuplanen, um einen erfolgreichen Go-Live zu ermöglichen.

ANDREA SPIEGEL: Okay. Das ist ja eigentlich der wichtigste Teil von so einem Assistenzsystem: die Softwareseite. Jetzt sind wir ja nicht die Einzigen, die so etwas anbieten. Und ich sag mal, jeder muss ja auch das finden, was für ihn am besten passt. Auf welche Kriterien achte ich denn am besten, wenn ich mir so eine Software anschaue? Was sollte sie auf jeden Fall mitbringen? Ähm, was muss ich wissen?

SABRINA REIN: Mhm, ja. Ich würde auf jeden Fall auf Kriterien achten, die dem Werker das Leben erleichtern. Wir wollen ja nicht mit einer Software dem Werker noch mehr Aufwand bescheren, sondern es ihm so einfach und so übersichtlich wie möglich machen. Dementsprechend ist die intuitive Werkerführung das Stichwort für mich, worauf ich achten würde. Also wirklich nach Lean-Prinzipien die Oberfläche so schlank wie möglich halten, aber natürlich so viele Informationen wie nötig für den Werker präsentieren. Das wäre, sag ich mal, mein oberstes Credo, auf das ich bei der Auswahl achten würde.

Und dann kommt gleich der zweite Punkt: die Anbindung an die ERP-Systeme. Mir bringt ein Werkerassistenzsystem, das eine Parallelwelt zu meinem ERP-System aufbaut, nichts. Dementsprechend ist meine Empfehlung immer, auch auf die Schnittstelle zu achten, damit die Daten, die im Werkerassistenzsystem generiert werden – die so wertvoll sind, ich hatte es vorhin gesagt, das sind teilweise ganze Personen, die nur die Daten übertragen –, auch direkt zurückgespielt werden können über eine Schnittstelle.

ANDREA SPIEGEL: Sehr gut. Das heißt, das sind so die wichtigsten Kriterien, auf die du empfehlen würdest, zu achten?

SABRINA REIN: Definitiv.

ANDREA SPIEGEL: Okay.

ANDREA SPIEGEL: Vielleicht können wir noch auf das Thema Investition schauen. Also ich weiß, dass es auch davon abhängen wird, wie viele Arbeitsplätze ich brauche und so weiter, das ist mir schon klar. Aber kannst du so eine Hausnummer geben? In welchen Größenordnungen muss ich da denken? Also fängt es irgendwie bei 5.000 Euro pro Platz an? Oder geht es schon bei viel größeren Posten los? Und sag mal vielleicht auch, ab wann lohnt es sich denn überhaupt? Also lohnt es sich vielleicht auch schon, wenn ich nur einen Arbeitsplatz habe, aber drei Leute, die da irgendwie drum herumrennen und noch Daten pflegen? Oder wie muss ich mir diese Investition vorstellen? Wann lohnt sich das? Wie gehe ich da ran?

SABRINA REIN: Ja. Das ist natürlich immer eine sehr wichtige Frage, die uns quasi in jedem Projekt begegnet. Ich hatte da Glück. Genau. Also von der Investition her empfehlen wir immer – und da helfen wir auch gerne bei der Return-on-Investment- oder Potenzialanalyse, die wir dann wirklich individuell für den Prozess erstellen –, dass man schaut: Wie du schon sagst, es unterscheidet sich natürlich von Prozess zu Prozess, was man einsparen kann und welche Investitionssumme dahintersteht. Unsere Empfehlung ist, dass der Return on Investment definitiv unter zwei Jahren liegen sollte. Im Idealfall sind wir in den meisten Fällen sogar unter einem Jahr, sodass man innerhalb von einem Jahr mehr einsparen kann, als die Investition letztendlich gekostet hat. Das Ganze kommt vor allem daher, dass wir nicht nur die direkten Kosten mit dem Werkerassistenzsystem reduzieren, sondern auch indirekte Kosten. Direkte Kosten meine ich damit, dass ich dem Werker wirklich Zeit erspare in der Produktion – also die Prozesskosten senke, zum Beispiel von fünf Minuten pro Stück auf drei Minuten. Das ist schon oft ein beträchtlicher Punkt in der Return-on-Investment-Analyse. Aber die indirekten Kosten sind meistens die, die keiner beachtet, obwohl sie den größten Teil ausmachen. Ich nenne sie immer gern EDA-Kosten. Das sind solche Kosten, wie beispielsweise…

ANDREA SPIEGEL: An die man sich schon gewöhnt hat.

SABRINA REIN: Ja, genau. Ich habe einen Fehler in der Produktion, und jetzt muss ein Qualitätsmanagement-Mitarbeiter diesen Fehler erst einmal identifizieren, dann herausfinden, warum er passiert ist, und schließlich eine Abstellmaßnahme definieren. Und leider ist es oft so, dass die Qualitätsmanagement-Mitarbeiter deutlich teurer sind als die direkten Mitarbeiter. Das heißt, wenn man diese Zeiten aufsummiert – bei allein schon einem Fehler –, dann ist dieser Kostenfaktor meistens der größere. Der aber, wie du sagst, an den hat man sich gewöhnt und trägt ihn halt so mit. Aber dieser wäre vermeidbar, wenn man eben über das Werkerassistenzsystem erst gar nicht mehr so viele Fehler machen würde.

ANDREA SPIEGEL: Ja, verstehe.

ANDREA SPIEGEL: Jetzt gibt es ja noch so Technologien, die man im Zweifel auch noch kombinieren kann. Weil du gesagt hast, man möchte es ja eigentlich so einfach wie möglich haben. Ich denke da jetzt zum Beispiel an so eine RFID-Technologie oder so etwas, wo ich einfach vielleicht den Arbeitsgang automatisiert starten kann und so weiter. Würdest du sagen, so etwas ist unbedingt notwendig, um einen sinnvollen Nutzen aus einem Werkerassistenzsystem zu ziehen? Oder sagst du, ne, startet mal BASIC und dann kann man das noch erweitern, wenn man es braucht?

SABRINA REIN: Also definitiv Letzteres. Man startet im Idealfall im BASIC. Also wir nennen es auch gern Pilotprojekt. Und meistens empfehlen wir sogar nicht mal den kompletten Rollout in der Produktion, sondern eine Abteilung, einen Arbeitsplatz, einen Bereich, der in sich komplett ist, zu starten. Damit hält man auch die Investitionssumme für den Beginn, sodass man erst einmal, ich sage mal, laufen lernt, Erfahrungen sammelt und sich ausprobieren kann relativ gering. Und das Thema RFID und alle weiteren Technologien, genauso Maschinendatenerfassung, das sind dann alles Add-ons, die man über die Projektlaufzeit noch nach dem ersten Go-Live anbauen kann. Ich sage immer gerne: Digitalisierung ist quasi die Einführung des Werkerassistenzsystems. Das ist das Fundament für Automatisierung. Und Automatisierung ist dann Schritt zwei, der natürlich noch einmal einen extremen Nutzen mit sich bringt, aber auf jeden Fall erst auf das Fundament der Digitalisierung aufgesetzt werden kann.

ANDREA SPIEGEL: Das hört sich gut an. Da haben wir auch schon ganz, ganz viel drüber gesprochen. Das heißt, wenn es euch da noch mal interessiert, darüber mehr zu erfahren, dann dürft ihr natürlich auch gerne in unsere anderen Podcast-Folgen reinhören.

ANDREA SPIEGEL: Gibt es denn jetzt zum Abschluss noch irgendetwas, wo du sagst, das ist mir noch ganz besonders wichtig beim Thema Werkerassistenzsystem oder das möchte ich gerne den Zuhörerinnen und Zuhörern noch mal mitgeben?

SABRINA REIN: Mir ist persönlich noch ganz wichtig zu erwähnen, dass das Werkerassistenzsystem, ich sage mal, ein greifbares System ist. Es ist nicht eine komplexe Software, in der man sich verlieren kann, wo man erst mal drei Monate Schulung braucht und nicht weiß, wo man klicken muss. Genau, dass man sich zurechtfindet. Unser Ansatz ist, das Werkerassistenzsystem so einfach wie möglich zu halten und es greifbar zu machen im Sinne einer Hands-on-Mentalität.
Und da ist meine Empfehlung: Kommen Sie einfach vorbei und schauen Sie sich das Werkerassistenzsystem an, denn man kann viel darüber sprechen, aber ein Bild sagt mehr als tausend Worte, beziehungsweise sogar das Anfassen bringt einfach mehr als das Reden darüber. Deswegen die klare Empfehlung, es einfach mal auszuprobieren, ins Doing zu kommen und dann auf der Erfahrung Schritt für Schritt das Projekt aufzubauen.

ANDREA SPIEGEL: Exakt. Habe ich verstanden.

ANDREA SPIEGEL: Vielen, vielen Dank für deine Zeit. Wir haben uns das Thema Werkerassistenzsystem angeschaut und dabei auch die Aktualität des Themas vor dem Hintergrund von Fachkräftemangel und steigender Produktvielfalt beleuchtet. Wir haben die Herausforderungen betrachtet: Wie sieht es aus, wenn man kein Werkerassistenzsystem hat, wenn man die Werke vielleicht nicht digital anleitet? Außerdem haben wir uns das Werkerassistenzsystem in der Praxis angeschaut und darüber gesprochen, wie man so etwas eigentlich einführt, worauf man achten muss, wie es mit der Datenstruktur aussieht und so weiter. Vielen Dank, Sabrina, für deine Zeit. Hat Spaß gemacht, danke, dass du da warst. Und wenn ihr jetzt noch Fragen zu dem Thema habt, dann schreibt uns gerne eine E-Mail oder einen Kommentar. Lasst es uns wissen. Wir geben es gerne an Sabrina weiter und beantworten eure Fragen. Natürlich auch, wenn ihr Ideen oder Vorschläge für weitere Podcast-Folgen habt, dürft ihr uns das sehr gerne in den Kommentaren wissen lassen. Ansonsten freuen wir uns, wenn euch die Folge gefallen hat, über einen Daumen nach oben bei YouTube oder eine Bewertung bei Apple Podcasts oder Spotify. Wir wünschen euch alles Gute und bis zum nächsten Mal.

Welche Idee steckt hinter der Multikommissionierung in der Lagerlogistik?

„Die Idee bei der Multikommissionierung ist auch da, eben solche Leerfahrten, Leerwege, egal ob jemand läuft oder eben fährt, zu vermeiden.“

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