ANDREA SPIEGEL: Sehr schön. Jetzt hast du, sag ich mal, wahrscheinlich selten den Fall, dass du auf so einem Greenfield anfangen kannst, wo du sagst: Ja, hier komplett neue Halle, und wir bauen jetzt supertolle Montage-Arbeitsplätze mit Werkerassistenzsystem auf und so weiter. Wie funktioniert so eine Implementierung, wenn ich schon gewachsene Strukturen habe? Gerade in kleinen und mittelständischen Unternehmen ist das ja auch immer so ein bisschen ein Thema mit Veränderung. Ich meine, auch in großen Unternehmen ist das ein Thema. Aber wie kriege ich so eine Implementierung in meine gewachsenen Strukturen hin? Ist das einfach? Muss ich mir das kompliziert vorstellen? Wie läuft so etwas ab?
SABRINA REIN: Ganz wichtig ist immer – und das ist der allererste Punkt – die Offenheit für Veränderung muss auf jeden Fall da sein.
ANDREA SPIEGEL: Bei wem?
SABRINA REIN: Bei allen Projektbeteiligten. Also sowohl natürlich bei uns als L-mobile, die mit ihrem Standardprodukt um die Ecke kommen. Aber wir sagen auch immer, wir sind offen für Anpassungen auf den Kunden – natürlich immer nur mit Sinn. Aufwand und Nutzen müssen da einfach in der Waage sein. Aber ganz wichtig ist vor allem die Offenheit für Veränderung auch auf Kundenseite. Denn wir wollen in den Workshops, die wir vorab vor dem Projekt machen, analysieren und nicht die Ist-Prozesse nur übernehmen, weil sie schon immer so gewesen sind. Das bringt am Ende keinem etwas. Das heißt, wir gehen erst mal in die Ist-Prozessaufnahme, also die reine Ist-Aufnahme. Wir schauen uns an, was aktuell der Status quo ist. Und dann gehen wir in die Ist-Prozess-Reflexion: Warum muss es denn überhaupt so sein?
ANDREA SPIEGEL: Was ist der gewünschte Outcome sozusagen?
SABRINA REIN: Genau, und was ist das Ziel davon? Was kann man vielleicht auch anders machen? Dann gehen wir in die offene Diskussion und definieren als dritten Punkt die Soll-Prozesse, wie sie in der Zukunft aussehen können. Du hast schon das Thema Veränderung angesprochen – Change Management ist einfach ein Riesenthema. Unsere große Empfehlung ist, in diesen Workshops, in denen es erst mal um die theoretischen Prozesse geht, auch die Werker und Produktionslinienleiter schon mit einzubeziehen. Wenn die hier mitkreieren dürfen, mit in die Transparenz gehen dürfen, warum Dinge verändert wurden und warum Dinge so definiert sind, wie sie am Ende sein werden, dann ist es deutlich einfacher, das ganze Projekt einzuführen. Die Akzeptanz ist dann viel höher. Und was noch dazu kommt: Es ist nicht nur ein einfacher Change-Management-Faktor, sondern auch tatsächlich Projektqualität, die wir dadurch erreichen. Denn letztendlich kann der Produktionsleiter gar nicht alle Prozesse wissen, die auf dem Shopfloor, also wirklich in den Abteilungen, laufen. Das weiß aber ein Linienleiter oder im Idealfall sogar ein Werker selbst. Der weiß wirklich, wie gearbeitet wird – und nicht nur, wie es in den Arbeitsanweisungen niedergeschrieben ist.
ANDREA SPIEGEL: Und jeder hat vielleicht auch ein bisschen andere Ansprüche daran, was das System nachher bringen soll oder wie es unterstützen kann oder nicht. Weil, sag ich mal, ein Produktionsleiter braucht andere Infos – wie du gesagt hast, der will eher wissen, warum läuft meine Maschine nicht produktiv, oder warum kann da nicht ordentlich montiert werden, was ist da los? Und der einzelne Mitarbeitende hat vielleicht andere Bedürfnisse und Wünsche.
Okay, jetzt zäumen wir das Pferd zwar ein bisschen von hinten auf, aber…