ANDREA SPIEGEL: Warum ist es denn auch so schwierig? Wo liegen die größten Herausforderungen bei so einem Projekt? Das klingt ja erstmal so, wie das brauche ich eigentlich unbedingt bei mir in der Fertigung.
JENS MALSO: Transponder sind zaghaft gesprochen kleine Diven. Die sehen immer super aus, funktionieren aber nicht immer. Ich kann ihm auch nicht ansehen, ob er gut oder schlecht ist und ob was draufsteht oder nicht und ob der schon in meinem Prozess behandelt wurde oder nicht.
Weil die Übertragung und die Identität sind unsichtbar ist, bis ich den elektronisch auslese. Transponder erfordern super viele winzige kleine Detailschritte im Prozess, die vorher gar nicht klar sind.
Ein Beispiel. Ich habe eine Maschine. Diese Maschine ist relativ groß. Ich habe eine gute Vorstellung, wo mein Produkt entlanggehen wird. Aber da, wo die Antenne hinmüsste, damit man das gut machen kann, bleibt die maximal drei Stunden hängen. Weil bis dahin hat einer der Staplerfahrer die runtergefahren. Da, wo die Antenne hängen kann, sodass der Staplerfahrer die nicht runterfährt, da funktioniert die aber nicht. Diese Spannungsfelder zwischen der physikalischen Anordnung von dem Ganzen, bei diesen geht es nicht mehr nur um Software. Es geht nicht mehr darum, dass der Mensch den richtigen Knopf drückt, sondern es geht darum, dass Maschinen zu 100 Prozent immer das Richtige machen. Die tun nur das, was man denen sagt. Jetzt kann ich meine Antenne nicht aufhängen, wo ich möchte. Weil es einfach nicht geht. Also hänge ich die woanders hin.
Jetzt habe ich aber die Problematik, dass ich nicht immer den Transponder finde, sondern nur 99 von 100 Mal. Jetzt muss ich den hundertsten irgendwie herbeibringen. Also bringe ich eine zweite Antenne an eine Stelle, wo der Transponder vermutlich auch vorbeikommt. Dann komme ich auf 999 von 1000. Aber ich muss auf 1000, ich darf keinen vergessen. So ist es bei den Transponder-Projekten, dass man ein Konzept macht, das gut ist, aber leider nicht funktioniert, weil man noch nicht weiß, wie das in der Realität dann funktioniert.
Dann begibt man sich in diese Feinjustierung des Projektes und am Ende hat man ein funktionierendes Projekt, aber es ist relativ schwer vorauszusehen, wie genau der Weg aussieht. Es ist nämlich nicht wie in der Theorie, dass ich ein Bild male und dann ist es auch so.
ANDREA SPIEGEL: Ich stelle meinen Zeitplan auf und halte den genau ein.
JENS MALSO: Der Zeitplan ist noch eine andere Sache. Also RFID-Projekte dauern relativ lange, weil man hinten raus relativ viel Zeit für die Feinoptimierung braucht. Das, was man in einem normalen Projekt als komfortabel empfindet, ist, dass ein Konzept beschreibt, wie das Projekt ist. Das ist da nicht. Es ist sehr schwer, ein Konzept zu schreiben, was zu 100% passt, egal wie viel Erfahrung man mit an den Tisch bringt.
ANDREA SPIEGEL: Woran liegt das?
JENS MALSO: Ich habe noch kein Transponder-Projekt erlebt, wo ich nicht an eine unerwartete und zunächst einmal nicht lösbare Situation gestoßen bin. In jedem Projekt gibt es irgendwelche Gemeinheiten, an denen man erstmal vorbei muss.
ANDREA SPIEGEL: Hast du noch ein Beispiel? Außer der Antenne, die da nicht hin konnte, wo sie hin sollte.
JENS MALSO: Die Beladung eines LKWs. Man stelle sich also vor, es gibt eine Rampe und der LKW steht mit dem Rücken dazu und man belädt das. Ich hatte gesagt bekommen, unsere Mitarbeiter räumen die Ware in den LKW. So stand das auch im Konzept.
Nachdem alles gebaut war, die Software war eingebaut, die Antennen waren angebracht, alles war wunderbar. Dann habe ich herausgefunden, dass Räumen heißt, die Leute fahren mit 20 Stundenkilometer durch einen zweieinhalb Meter langen Tunnel. Also man hat circa eine halbe Sekunde Zeit, um den Transponder zu erkennen. Das reichte schlichtweg nicht. Die Räder können so schnell nicht lesen. Das können die physikalisch nicht. Aber die Mitarbeiter waren auch keineswegs bereit, langsamer zu fahren. Denn die Geräte konnten nur fahren oder stehen. Die hatten kein Gaspedal. Die drückten den Schalter und dann fuhr das Ding. Ja, was tun? Man kann ja auch den Tunnel nicht länger machen.
Wir haben uns dann jede Menge Tricks ausgedacht und am Ende funktionierte das. Das funktionierte tadellos. Wir haben jede Ladung mitbekommen. Dann war dieser Tag, an dem der LKW kommt, dessen LKW-Hänger aus Aluminium ist. Der fuhr an die Rampe und dann sahen wir um die 1500 Transponder. Da brauchte gar kein Stapler fahren. Das waren nämlich die im Lager. Das war wie eine Antenne. Der hat sozusagen eine riesige Antenne hinten an unsere Antenne geschraubt und nichts ging mehr.
Das ist stellvertretend für all das, was in einem Transponderprojekt passiert, was man nicht im Griff hat. Rein rechtlich hätte dieser LKW gar nichts machen dürfen. Das war falsches Material. Das wusste der LKW nur nicht. Der konnte nämlich nicht lesen. Also in Summe hat das Projekt dann relativ lange gebraucht, bis wir auch das kompensiert hatten, wieder durch Software.
Das gibt einem Mal so einen Eindruck davon, was alles in Anführungsstrichen schiefgehen kann.
ANDREA SPIEGEL: Das heißt, man erwartet es vielleicht einfach nicht, weil man das Problem noch gar nicht gesehen hat.
JENS MALSO: Genau. Und weil dieses Problem auch nur hier auftritt.
ANDREA SPIEGEL: Nicht in jeder anderen Firma, die das Gleiche macht.
JENS MALSO: Genau. Weil die Rampe länger ist, weil die immer nur Auflieger mit Plane haben, weil die alles langsam fahren oder was weiß ich denn.
ANDREA SPIEGEL: Das heißt, die Prozesse sind nicht kopierbar, weil im Prinzip nicht jede Firma der anderen gleicht.
JENS MALSO: Das ist der zweite Punkt. Man kann so ein Projekt schlecht übertragen. Denn es gibt keine zwei Firmen, die völlig gleich aufgebaut sind. Selbst wenn der Prozess sich ähnelt, stellt man fest, dass das Produkt mehr Flüssigkeit enthält, mehr Metall enthält, dass die Wände anders strahlen, dass quasi die Materialien, die da verbaut sind, dafür sorgen, dass die Antennen sich anders verhalten.
Wir haben Projekte, da spielt Wasser eine Rolle. Da funktioniert alles tadellos. Bis das einmal durch das Wasserbad gefahren ist und alles nass ist. Die Palette fährt ihre zweite Runde, wir lesen nichts mehr. Dann stellt man alles so ein, dass man die nasse Palette super lesen kann und den Rest kann man sich vorstellen.
ANDREA SPIEGEL: Verstehe.