#85 Digitale Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Leiss

Podcast Industrie 4.0 | Der Expertentalk für den Mittelstand

Die Arbeitswelt wird kontinuierlich immer digitaler, mobiler, vernetzter. Aber bleibt der Mensch dabei auf der Strecke?

Zitieren wir doch mal einen der großen Denker: „Alle Veränderung macht mich Bang.“ So geht es auch vielen Mitarbeitenden, wenn Sie hören, dass Ihre Arbeit digitalisiert werden soll.

Und um dieses Thema, also Mitarbeitermanagement, oder auch Changemanagement, geht es in der dritten Folge der Reihe Industrie meets Wissenschaft. Hierfür spricht Andrea mit Dr. Myrto Leiss, Professorin für Personal- und Organisationslehre an der Hochschule Hamm-Lippstadt.

Diese Folge ist gerade für Führungskräfte besonders spannend – wie schafft man es, seine Mitarbeitenden die Angst vor der digitalen Transformation zu nehmen, wie nimmt man diese am besten mit und welche Prozesse sollten unbedingt gemeinsam durchlaufen werden?

Wir würden empfehlen: Gleich reinschauen!

Das Transkript zur Podcast-Folge: Digitale Zusammenarbeit

ANDREA SPIEGEL: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Industrie 4.0, der Experten-Talk für den Mittelstand. Wie ihr seht, sind wir schon mitten in Folge 3 unserer Serie Industrie meets Wissenschaft und schauen uns heute wieder ein spannendes Thema an. Ihr wisst, hier im Podcast ist uns das Thema Menschen und der Blick auf die Menschen in der digitalen Transformation sehr wichtig. Deswegen haben wir auch heute wieder alles rund um das Thema Mitarbeitermanagement in der digitalen Transformation mitgebracht und wie das auch in Zukunft alles ablaufen kann. Und dafür haben wir uns wie immer einen spannenden Gast eingeladen. Bei mir ist Dr. Myrto Leiss, sie ist Professorin für Personal- und Organisationslehre an der Hochschule Hamm-Lippstadt. Schön, dass du da bist.
PROF. DR. LEISS: Danke für die Einladung, ich freue mich sehr.
ANDREA SPIEGEL: Sehr gerne. Wie immer an dieser Stelle ganz kurz der Hinweis: Auch diese Folge gibt es wieder bei YouTube als Video zu sehen. Schaut da also gerne mal rein, es lohnt sich, der Hintergrund ist echt cool dieses Mal.

ANDREA SPIEGEL: Ja Myrto, ich habe jetzt nur so ganz grob mal gedroppt, was dein Titel ist und was du hier so machst, aber was genau heißt das eigentlich, womit beschäftigst du dich den ganzen Tag?
PROF. DR. LEISS: Genau. Sehr gerne. Also ich bin Professorin an der Hochschule Hamm-Lippstadt für Personal- und Organisationslehre und ich beschäftige mich auch im virtuellen Institut mit anderen Kollegen mit Themen rund um die Interaktion in der digitalen Zusammenarbeit, zum Beispiel das Thema virtuelle FührungFührung in Hybriden, in virtuellen Kontexten ist ein ganz großes und auch ganz aktuelles bei uns und wir wollen natürlich gucken, wie wir mit Technologien, jetzt aktuell auch ein bisschen mit KI und auch immersiv, hier die digitale Zusammenarbeit verbessern können.
ANDREA SPIEGEL: Das hört sich gut an, vielleicht kann ich da auch noch ein bisschen was lernen, so als Führungskraft in einem digitalen Unternehmen, da kann man immer noch was lernen. Cool.

ANDREA SPIEGEL: Du weißt ja jetzt schon so ein bisschen, habe ich gerade erzählt, dass wir zum Einstieg immer eine kleine Frage zum Kennenlernen stellen, die jetzt nicht direkt was mit dem Thema zu tun hat. Mich würde bei dir interessieren: Wofür kannst du dich so außerhalb des Hörsaals so richtig begeistern? Also, was ist vielleicht ein Hobby oder eine Leidenschaft, der du privat nachgehst, sage ich jetzt mal?
PROF. DR. LEISS: Ich kann mich für alles begeistern, was irgendwie Berge und Wasser kombiniert, zum Beispiel Berg und Meer oder Berg und See. Und für alle Urlaube, die in diese Richtung gehen, wo man sich ein bisschen sportlich betätigen kann, ein bisschen die Welt von oben sehen kann, aber dann auch eintauchen kann ins Wasser. Das finde ich toll, und da freue ich mich auch, dass es jetzt bald wieder losgeht.
ANDREA SPIEGEL: Ja, das verstehe ich, das würde mir auch gefallen.

ANDREA SPIEGEL: Dann tauchen wir jetzt ein bisschen in das ganze Thema ein. Ich bin gespannt, wo uns die Reise so hinführt. Ein paar Ideen habe ich ja mitgebracht, aber ich lasse mich auch von dir inspirieren. Veränderung ist ja ein Riesenthema in der digitalen Transformation oder eigentlich ein ganz großer Teil davon, weil sich eben einiges ändert: im Arbeitsumfeld, in den Arbeitsweisen, vielleicht auch im eigenen Job. Und das ist für viele ja, glaube ich, erst mal ein Thema – wir Menschen sind ja nicht gerade dafür bekannt, dass wir die Spezies sind, die am besten mit Veränderungen umgeht oder denen das am leichtesten fällt.
Kann man also sagen, dass digitale Transformation und auch das Mitarbeitendenmanagement quasi erst mal auch so ein bisschen als Veränderungsbegleitung verstanden werden, oder ist das nachher eigentlich etwas ganz anderes?
PROF. DR. LEISS: Also, absolut. VeränderungsbegleitungChange Management, ist natürlich ein ganz großes ThemaKant sagte ja schon: „Alle Veränderung macht mich bang.“ Und das gilt, glaube ich, für die allermeisten von uns.
ANDREA SPIEGEL: Das Gefühl haben wir immer noch.
PROF. DR. LEISS: Ja, digitale Transformation ist natürlich immer Veränderung. Wir stellen aber schon fest, dass es sozusagen einen Unterschied gibt, wie stark diese Veränderung ist. Je komplexer und je tiefgreifender sie ist – du hast es schon angesprochen –, wenn jetzt der eigene Job möglicherweise bedroht ist, dann löst das besonders viel Angst und besonders viel Widerstand aus. Es ist ja schon eine kleine, in Anführungszeichen, digitale Transformation, wenn zum Beispiel aus meinem Bereich Personalmanagement, wenn da Einstellungstests – also Persönlichkeitstests, die manchmal gemacht werden – früher mit Papier und Bleistift durchgeführt wurden. Jetzt gibt es da digitale Lösungen, auch veränderte Lösungen, die anders gestaltet sind. Und für viele Führungskräfte ist das auch etwas, das Widerstand auslöst, die Frage: „Warum muss denn das sein? Wir haben doch so lange damit gearbeitet, das muss doch nicht sein.“ Und das ist jetzt nur eine kleine digitale Transformation. Das löst schon Widerstand aus.
Man muss da auch im Unternehmen richtig kommunizieren, man muss die Leute dahin führen, auch die Notwendigkeit klar machen und so weiter. Aber besonders anspruchsvoll wird es natürlich, wenn die digitale Transformation nicht nur einzelne Tools betrifft, sondern ganze Organisationsstrukturen. Wenn im Zuge der digitalen Transformation Führungsstrukturen geändert werden, Abteilungen geändert werden, Organisationseinheiten zentralisiert oder integriert werden – was digitale Software ja erst möglich macht, aus Kostengründen oder anderen strategischen Prioritäten. Und wenn dann dieses zukünftige, geänderte Setup die eigene Position entweder tatsächlich betrifft oder in der Vorstellung betrifft – wir Menschen sind ja so, dass wir uns da ein Kopfkino machen, also eine wahrgenommene mögliche Verschlechterung darstellt, dann ist natürlich der Widerstand oder die Angst davor besonders groß.

ANDREA SPIEGEL: Gibt es noch andere, ich sage jetzt mal, menschliche Faktoren, die darauf einen Einfluss haben können? Also Veränderung ist so das eine, was eher ein bisschen Widerstand auslöst. Gibt es vielleicht auch etwas, was uns begeistern könnte oder irgendwas, das gut daran für uns sein könnte, oder ist das eher der kleinere Teil?
PROF. DR. LEISS: Ja, also es gibt ja in allen Veränderungsprozessen das komplette Meinungsspektrum, typischerweise in Unternehmen. Und es gibt immer Leute, die sagen: „Boah, super, endlich passiert mal was!“
ANDREA SPIEGEL: Endlich passiert mal was.
PROF. DR. LEISS: „Endlich stellen wir uns gut auf im Markt und endlich können wir so richtig was reißen.“ Das sind aber typischerweise nicht die ganz großen Mehrheiten, sondern eher Leute in hohen Führungspositionen, deren Job es auch ist, Veränderungen voranzutreiben. Also die auch teilweise dafür eingestellt wurden.
ANDREA SPIEGEL: Die Change Manager sozusagen.
PROF. DR. LEISS: Ja, die Change Manager oder eben auch die Vorstände, die sagen: „Ich will jetzt ein Thema vorantreiben.“ Es gibt ja jetzt seit ein paar Jahren auch ganz viele CIOs, und die haben sowas natürlich auf der Agenda. Aber nicht alle in der Organisation sind dieser Meinung. Die große Mehrheit ist eher irgendwo zwischen ablehnend, abwartend und positiv abwartend. Und die muss man natürlich ins Boot holen. Und dann gibt es auch tatsächlich oft eine Minderheit – aber die auch da ist –, die sagt: „Nee, also das hat jetzt mit dem, wie unser Unternehmen ist und mit dem, was ich gewohnt bin, überhaupt nichts zu tun. Ich will das nicht.“ Und dann kommt natürlich Widerstand, den man dann auch händeln muss.
ANDREA SPIEGEL: Heißt das dann aber auch, dass man diese Leute vielleicht eben auch verliert oder verlieren muss, damit es weitergehen kann? Also gerade die, die so einen extremen Widerstand leisten?
PROF. DR. LEISS: Das kann sein, oder man schafft es tatsächlich, sie ins Boot zu holen, indem das Unternehmen es schafft, gut zu kommunizieren und solche Veränderungsprozesse gut zu begleiten. Manchmal gibt es ja auch Argumente, die nachvollziehbar sind und die nennen wir rationalen Widerstand. Man kann viele Dinge vertreten, man sieht das ja in der Industrie auch gerade jetzt bei der Outsourcing-Diskussion, die ja jetzt ein bisschen her ist. Aber man hat ja am Anfang versucht, sehr, sehr viel auszulagern und dachte, das ist toll, das machen dann externe Dienstleister und das spart dann Kosten. Dann hat man festgestellt: „Ups, das ist ja vielleicht doch nicht so toll, wenn wir über alles die Kontrolle verlieren.“ Also sourcen wir es wieder ein. Und das sind Leute, die auch tatsächlich rationalen Widerstand leisten und die sehr wertvollen Input fürs Unternehmen liefern können. Die verhindern können, dass man zu schnell, zu forsch – vielleicht auch zu top-down getrieben, zu beratergetrieben – Veränderungsprozesse voranbringt, die letztlich, wenn die Berater draußen sind, nicht mehr den Erfolg zeigen, den sie sollen. Insofern wäre es gut, wenn eine Organisation das auch integrieren könnte.
ANDREA SPIEGEL: Und auch ernst nimmt.
PROF. DR. LEISS: Ja, genau.

ANDREA SPIEGEL: Du hast jetzt gesagt, eine gute Kommunikation ist das A und O – das sagt man immer gerne so leicht. Und ich glaube, man weiß das eigentlich auch im Hinterkopf und denkt sich so: „Ja, man muss den Leuten halt das erzählen und sie mitnehmen.“ Das klingt immer so einfach. Kannst du mal ein Beispiel nennen, wie das aussehen kann? Also, wie kommuniziere ich sowas richtig? Und wie nehme ich diese rationalen Einwände ernst und kann sie dann bearbeiten? Wie macht man das?
PROF. DR. LEISS: Ja, man kann Kommunikationspläne aufsetzen, auch im Rahmen von Stakeholder-Management. Dabei schaut man sich an, welche Gruppen es im Unternehmen gibt, wie einflussreich diese sind, wie stark sie bestimmte Meinungen vertreten, und bindet sie von vornherein ein.
Zum Beispiel Mitarbeitervertretungen, also typischerweise der Betriebsrat, die müssen ganz früh eingebunden werden, je größer die Veränderung, desto früher. Es gibt regelmäßige, informelle Kommunikation, aber auch Informationssessions und Updates. Man sollte den Stand der Dinge kommunizieren: Wo stehen wir? Was bedeutet die Einführung einer neuen Software für das Unternehmen? Wie wird es zukünftig aussehen?
Außerdem ist es wichtig, dass auch in Management-Meetings regelmäßig Führungspersonen dabei sind, den aktuellen Stand vorstellen und für Fragen und Austausch zur Verfügung stehen. Sie sollten ein offenes Ohr für die Anliegen und Bedenken der Mitarbeiter haben. Am Ende geht es darum, auch eine passende Lösung für das Unternehmen zu finden. Wenn es dann soweit ist, dass man Leute trainiert – vielleicht, wenn man in einem bestimmten Unternehmensbereich anfängt – sollte man positive Erlebnisse kommunizieren und sogenannte Quick Wins hervorheben.
ANDREA SPIEGEL: Die sich dann vielleicht auch so „Buschfunk-mäßig“ weiter verbreiten?
PROF. DR. LEISS: Genau, genau. Man kann es ausprobieren, vielleicht wird es in einem kleinen Kreis freigeschaltet, dann probieren es zunächst drei Leute aus, es gibt ein Training für zehn weitere, und nach und nach verbreitet sich das. So verliert man die Angst vor dem neuen System.

ANDREA SPIEGEL: Ich fand das jetzt ganz spannend, weil ich ein bisschen aus meinem eigenen Erfahrungsschatz spreche. Wir sind auch ein Unternehmen, das relativ international unterwegs ist. Wir haben nicht mehr alle Leute am Standort, auch innerhalb von Deutschland sind die Mitarbeiter in verschiedenen Städten verteilt. Das heißt, auch dieses Thema Remote-Führung und wie man die Leute dann nachher trotzdem mitnimmt – ich finde das gar nicht so einfach. Du sagst: „Ja, dann muss man es vorstellen, man redet miteinander, macht eine Q&A-Session.“ Aber ich finde, das war früher, glaube ich, viel einfacher, weil einfach alle vor Ort waren. Man hat gesagt: „So, wir machen jetzt ein Town-Hall-Meeting, alle sind da, wir setzen uns alle zusammen, wir gehen erst raus, wenn alle Fragen beantwortet sind.“ Das geht ja heute nicht mehr. Heute mache ich das über Livestreams, über E-Mail-Kommunikation, ich kann die Leute alle persönlich anrufen, über Führungskräfte kann ich es in Team-Meetings lösen. Wie macht man das? Hast du da vielleicht Best-Practice-Beispiele oder irgendetwas, was du bei anderen Firmen schon mal ausprobiert hast?
PROF. DR. LEISS: Ja, man kann natürlich Roadshows machen, bei denen hohe Führungskräfte an die Standorte fahren. Das halte ich für besonders wichtig – einfach, um das Gesicht hinter den Projekten zu zeigen. Man muss eine Person haben, die hinter den Veränderungen steht. Dann können die Führungskräfte, die auch als Change-Manager fungieren sollen und Vorbildcharakter haben, die Veränderungen vorantreiben.
ANDREA SPIEGEL: Das heißt, die Führungskräfte müssen eigentlich zuerst abgeholt werden, damit sie es dann in ihre Teams tragen können?
PROF. DR. LEISS: Genau, genau.
ANDREA SPIEGEL: Also, es ist schon auch ein bisschen Top-down, bis zu einem gewissen Grad, und das ist dann auch wichtig.
PROF. DR. LEISS: Genau, das ist in diesem Moment wichtig. Man kann auch diejenigen, die schon in Pilotprojekten etwas ausprobiert haben, hinschicken und ihnen ermöglichen, ihre Erfahrungen vorzustellen – einen kleinen Praxisbericht zu geben. So kann man das Ganze auch in informelle Strukturen integrieren. Im Rahmen von Change-Kommunikation kann man auch Aktionen durchführen, zum Beispiel Abreißkalender oder Giveaways, um auf das Projekt aufmerksam zu machen. Wenn es einen Go-Live-Zeitpunkt gibt, könnte man zum Beispiel einen Countdown machen, bis es losgeht. Das Thema sollte einfach immer präsent sein.
ANDREA SPIEGEL: Man muss dann natürlich auch den Termin einhalten, oder?
PROF. DR. LEISS: Das wäre ganz gut, ja. Das ist wahrscheinlich die größere Herausforderung.
ANDREA SPIEGEL: Sehr gut.

ANDREA SPIEGEL: Was würdest du sagen, brauchen Menschen generell – mal unabhängig von der digitalen Transformation – um sich in ihrem Arbeitsumfeld entfalten zu können und auch ein Stück weit glücklich zu sein? Klar, es muss auch Spaß an der Arbeit geben, aber was braucht man eigentlich? Wie schafft man ein Arbeitsumfeld, in dem Veränderungsprozesse leichter umgesetzt werden können?
PROF. DR. LEISS: Also, ich glaube, es wäre gut, ein Umfeld zu schaffen, in dem eine Balance zwischen hohen Anforderungen und Unterforderung gefunden wird. Ideal wäre es, ein Flow-Erlebnis zu ermöglichen. Das Anforderungslevel muss für jeden von uns individuell angepasst sein. Auf der psychologischen Seite ist es wichtig, dass die Mitarbeiter auch Sicherheit haben. Die Schwierigkeit in Veränderungsprozessen, wie du schon angesprochen hast, ist oft, dass die Mitarbeiter subjektiv eine Verschlechterung oder eine mögliche Verschlechterung wahrnehmen. Besonders bei großen digitalen Transformationen, die auch Organisationsstrukturen betreffen, besteht die Befürchtung, dass der eigene Job verloren geht. Auch wenn das nicht bedeutet, dass es keinen neuen Job geben wird, ist das zunächst die Angst.
ANDREA SPIEGEL: Ja, das ist erst einmal die Befürchtung.
PROF. DR. LEISS: Genau. Oder wenn Einheiten zusammengelegt werden, besteht die Angst, die Kontrolle zu verlieren. Ein Beispiel ist der Recruitment-Test, der in vielen mittelständischen Unternehmen früher innerhalb der Abteilungen durchgeführt wurde. Jede Führungskraft hatte die Kontrolle darüber und musste auch die Auswertungen vornehmen. Wenn man nun in Strukturen wechselt, in denen ein Service-Center anruft und sagt: „Ich habe diese und jene Tools, passt das so?“ – dann wird der Prozess aus der Hand gegeben, und man hat mit einem völlig anderen Vorgesetzten zu tun. Das führt zu einem Kontrollverlust, und dieser kann blockieren. Hier muss das Unternehmen gut kommunizieren und den Mitarbeitern klar machen, was nach der Veränderung passiert. Denn die Mitarbeiter arbeiten oft daran, dass ihre jetzige Tätigkeit entweder wegfällt oder sich ändert. Das ist eine große Herausforderung.

ANDREA SPIEGEL: Ganz viel hat da wahrscheinlich auch mit der Entwicklung der einzelnen Persönlichkeiten zu tun. Also, ich sage mal, mein Berufsfeld kann sich ja erst mal verändern. Das muss man ja gar nicht schlecht sehen, wenn man sagt: “Okay, dann entwickle ich mich halt woanders hin.” Diese Entwicklung muss man aber mit Sicherheit auch begleiten und eben auch die Rahmenbedingungen schaffen. Was braucht es da nachher und wie kann man das richtig machen?
PROF. DR. LEISS: Also, wenn man Führungskräfte oder Mitarbeitende entwickelt, gibt es in vielen Unternehmen sinnvollerweise auch die Überlegung, was sind Schlüsselpositionen oder was werden Schlüsselpositionen sein. Man kann Nachfolgepläne aufstellen, sogenannte “Benches” erstellen. Es ist ja schon mal beruhigend für jemanden zu wissen: “Okay, ich bin auf zwei Benches gelistet.” Auf gut Deutsch: Ich bin nicht nur da, um so lange zu arbeiten, wie es meine Position noch gibt, sondern ich bin bereits in der Planung drin. Das ist das eine. Und dann muss man natürlich tatsächlich Entwicklungen auch im Lichte von neuen Kompetenzprofilen begleiten und dafür auch Pläne aufsetzen.
Ganz oft sind es Zeithorizonte, die durchaus auch mittel- bis langfristig sein können, also bis zum Fünfjahreszeitraum. Das muss nicht alles sofort passieren, aber man kann Programme aufsetzen, die verschiedene Elemente beinhalten. Zum einen Dinge, die Wissen vermitteln, über E-Learnings oder MOOCs (Massive Open Online Courses), die interaktiv sind, aber online stattfinden. Dabei wird eine Kurscommunity gebildet. Das ist sozusagen das nackte Wissen, und das macht typischerweise nur etwa 15 Prozent des Entwicklungserfolges aus. Es ist also relativ wenig.
ANDREA SPIEGEL: Hätte ich jetzt auch gedacht, dass es mehr ist, aber okay. Wissen ist also quasi der erste Teil.
PROF. DR. LEISSWissen ist ein Teil, genau. Dann gibt es noch den Bereich des Lernens über Beziehungen, also über Coaching und Mentoring. Das kann durchaus auch außerhalb des Unternehmens stattfinden. Wir denken ja inzwischen auch an Netzwerke und Netzwerkstrukturen, die über die eigenen Unternehmensgrenzen hinausgehen. Man kann sich einfach mit Leuten zusammentun oder die Personalabteilung kann das moderieren – mit Menschen, die die gewünschten Skills oder Erfahrungen bereits haben, also die eine Transformation schon einmal durchgemacht haben. Diese Personen können Best Practices vermitteln und sagen: “Macht das bitte nicht, weil wir haben diesen Fehler gemacht und würden es nie wieder so tun.” Das ist total wertvoll, wenn man hingehen kann und sagt: “Ich habe das und das Problem, könnt ihr mir helfen?”
ANDREA SPIEGEL: Können wir mal zusammen drüber sprechen, manchmal reicht es ja schon.
PROF. DR. LEISS: Genau, manchmal reicht es ja schon. Und diese Art von Beziehungslernen ist ein zweiter Baustein. Der dritte Baustein – und eigentlich der größte – ist das Lernen durch Erfahrung.
ANDREA SPIEGEL: Wie groß ist der?
PROF. DR. LEISS: Ungefähr 60 Prozent. Genau. Der ganze Rest basiert also auf Erfahrung. Man muss es einfach machen.
ANDREA SPIEGEL: Einfach machen, sagt man so gern, gell?
PROF. DR. LEISS: Genau. Bei der digitalen Transformation geht es ja nicht um PowerPoint-Folien, sondern man muss es tatsächlich machen.
ANDREA SPIEGELLearning by doing, ja.
PROF. DR. LEISS: Genau, learning by doing. Zum Beispiel, indem man an Projekten arbeitet oder in Stellvertretungsaufgaben eingesetzt wird, die solche Aufgaben beinhalten. Und hier kommt der größte Teil des Entwicklungserfolges her.

ANDREA SPIEGEL: Jetzt kommt bei so einer Transformation oder auch bei so einem Veränderungsprozess ganz allgemein auch den Führungskräften eine wichtige Rolle zu, wie wir gerade schon gesagt haben. Sie müssen das Ganze irgendwie mitvermitteln, müssen vielleicht auch eine Art “Key-User” nachher sein oder eben – oder wie sagt man?
PROF. DR. LEISSSuper-User.
ANDREA SPIEGEL: Ja, oder sie müssen das so weitergeben, quasi an die Leute. Sie müssen selbst auch mit im Boot sein. Wie hole ich die richtig ab und wie können sie das nachher wirklich auch vermitteln? Brauchen sie da auch bestimmte Tools oder Techniken, oder ist es nachher eher einfach so, dass sie mit den Leuten sprechen und sie einfach dabei haben? Was kann ich als Führungskraft tun, um diesen Prozess gut zu begleiten und was ist meine Aufgabe?
PROF. DR. LEISS: Also, ich glaube, als Führungskraft ist es wichtig, dass man die Kommunikation im Team gut gestaltet, dass man frühzeitig erkennt, wenn Widerstände auftauchen oder sich möglicherweise Koalitionen bilden, die das Ganze nicht vorantreiben wollen. Man muss dann einen guten Blick dafür haben. Das ist natürlich umso schwieriger, wenn die Zusammenhänge virtuell sind. Wenn man in hybriden oder rein virtuellen Zusammenhängen arbeitet, ist die Anforderung an die Führungskraft einfach viel höher. Sie müssen viel stärker selbst organisiert sein und selbst auch Informationen einholen – einfach mal anrufen und nach der Befindlichkeit fragen, wie es den Leuten geht. Das ist eigentlich eine …
ANDREA SPIEGEL: Man muss den Smalltalk quasi rauskitzeln, um zu erfahren, was eigentlich Sache ist.
PROF. DR. LEISS: Genau, das wäre der Kaffeeautomat, wenn man vor Ort wäre. Wenn man präsent ist, ist es wie der Kaffeeautomat: Man geht nicht hin, um irgendetwas Dienstliches zu besprechen, sondern einfach nur, um Kaffee zu trinken. Aber bei der Gelegenheit …
ANDREA SPIEGEL: Entstehen immer mal Gespräche, da ist jemand, der einem was erzählt, und so weiter.
PROF. DR. LEISS: Genau, und da kann man Stimmungen und Befindlichkeiten abgreifen. Das müssen Führungskräfte in virtuellen Zusammenhängen tatsächlich selbst aktiv treiben. Sie müssen auch auf stärkere Konflikte vorbereitet sein. Wir sind ja in einer Entwicklungsrichtung bei Unternehmen, die zunehmend vernetzter werden. Wir haben teilweise Matrixstrukturen oder Parallelprojektstrukturen, und es gibt auch Sprachbarrieren oder interkulturelle Herausforderungen. Das ist einfach herausfordernder, schlicht und ergreifend. Da muss mehr Konfliktlösungskompetenz her, die nicht unbedingt formal in irgendwelchen Verfahren verankert sein muss. Natürlich kann man eine Mediation im Unternehmen anbieten, aber …
ANDREA SPIEGEL: Vielleicht muss es ja gar nicht erst dazu kommen.
PROF. DR. LEISS: Nein, eben. Vielleicht reicht ja auch der Gang um den Block in Präsenz oder ein schöner Austausch online. Ich finde zum Beispiel auch so Events wichtig, bei denen man sagt: “Einmal im Jahr treffen wir uns tatsächlich alle physisch, zum Beispiel auf der Weihnachtsfeier.” Einfach, um sicherzustellen, dass die Leute sich auch persönlich kennen. Dass es nicht nur jemand ist, der als Avatar oder auf einer Kachel erscheint.
ANDREA SPIEGEL: Das ist dann der Moment, wenn man sich sieht und denkt: “Ach, du bist ja viel größer, als ich dachte.”
PROF. DR. LEISS: Genau. So siehst du also aus.
ANDREA SPIEGEL: Ja, genau.

ANDREA SPIEGEL: Okay, aber Konfliktmanagement – das sagt man immer so einfach. Ich frage mich immer, wie man das richtig begleitet. Gibt es vielleicht Tipps und Tricks, die du uns mitgeben kannst? Wie kann ich als Führungskraft Konflikte gut begleiten?
PROF. DR. LEISS: Also, ich glaube, das eine ist, dass man versucht, hinter die Position zu gucken. „Ich will das nicht“, „Brauche ich nicht“, „Habe ich noch nie so gemacht“, „Muss ich nicht haben“ – das sind Positionen. Aber das Interesse und das Bedürfnis, das dahintersteht, können ganz anders sein.
ANDREA SPIEGEL: Man denkt, dass man weiß, worum es geht, aber weiß es vielleicht gar nicht.
PROF. DR. LEISS: Genau, man weiß es vielleicht gar nicht. Und das herauszufinden, ist schon ein ganz großer Teil der Arbeit. Dann geht es darum, die Person zu begleiten und zu schauen, wie man Lösungen entwickeln kann. Nehmen wir an, man hat jemanden, der seit 20 Jahren Tools für ein Unternehmen aufgebaut hat, eine Abteilung führt und nun natürlich gegen eine digitale Transformation ist. Denn das verändert alles: Die Tools ändern sich, die Einheit wird möglicherweise aus Lohnkostengründen oder aus anderen Gründen verlagert. Dann muss man herausfinden, warum diese Person dagegen ist. Manche Punkte liegen auf der Hand, aber es gibt auch andere Aspekte, die man einfach genauer betrachten muss. Dann geht es darum, einen Weg im Gespräch zu finden, wie diese Person eine neue Unternehmensidentität für sich entwickeln kann. Auch wenn man lange etwas aufgebaut hat, das jetzt abgeschafft oder ersetzt wird – wie kann man sich eine neue Identität aufbauen? Zum Beispiel, indem man der Treiber dieser Veränderung wird. Es geht darum, die Leute zu involvieren, sie ins Boot zu holen und aktiv zu beteiligen.

ANDREA SPIEGEL: Jetzt haben wir das Thema Konfliktlösekompetenz besprochen und auch Kommunikationsfähigkeit. Gibt es noch eine andere Kompetenz, die man als Führungskraft oder auch als Mitarbeitende in einem Unternehmen brauchen kann und die man bis zu einem gewissen Punkt trainieren kann, falls man sie nicht schon besitzt?
PROF. DR. LEISS: Ja, Resilienz wird in diesem Zusammenhang ganz oft genannt. Man muss Geduld haben, denn viele Transformationen dauern. Besonders bei IT-basierten Transformationen ist die Technik ein Punkt, bei dem man als Psychologe idealerweise sagen würde: „Mit der Technik beschäftigen wir uns nicht, die muss einfach nutzerfreundlich sein.“ Der Fokus liegt auf dem Menschen, und die Technik soll uns unterstützen, uns die Routinetätigkeiten abzunehmen. Aber in der Praxis läuft es oft anders, und viele Leute sind damit beschäftigt, technische Prozesse zum Laufen zu bringen. Daher ist Resilienz in diesem Zusammenhang wichtig, ebenso wie Achtsamkeit für sich selbst und die eigenen Bedürfnisse. Gerade bei großen Projekten und hohem Druck, vor allem wenn von Anfang an kommuniziert wird, dass Positionen wegfallen, wird es noch brisanter. Man muss auf sich selbst achten und auch auf die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden.
ANDREA SPIEGEL: Da schließt sich dann der Kreis wieder zur Kommunikation. Wenn man merkt, dass etwas nicht stimmt – sei es bei einem selbst oder bei jemand anderem – sollte man das kommunizieren oder denjenigen vielleicht mal zur Seite nehmen und darauf ansprechen.
PROF. DR. LEISS: Genau, genau.

ANDREA SPIEGEL: Gehen wir noch eine Ebene höher und schauen uns an, wie sich nicht nur die Führungskräfte und Mitarbeitenden verändern, sondern auch die Kultur im Unternehmen durch solche Prozesse. Oder verändert sie sich überhaupt?
PROF. DR. LEISSKultur ist ja ein Gestaltungselement. Wenn man sich ein Unternehmen von ganz oben anschaut, kann man es auf verschiedene Weise formal gestalten. Man kann den Aufbau der Organisation betrachten und sagen: „Okay, ich mache jetzt diese Abteilung und da jene.“ Man kann auch die Prozesse anschauen, was ja auch stark betrieben wird. Man versucht, auch Kleinteilungsprozesse zu machen. Das sind alles Formalisierungen, die sehr notwendig sind – Strukturen, genau. Aber neben diesen Formalisierungsstrukturen und Prozessen sind auch kulturelle Aspekte sehr wichtig. Seit Jahrzehnten ist das auch ein Gestaltungsthema für das Management, das sicherstellen soll, dass das Unternehmen produktiver arbeitet, als es allein durch die Struktur möglich wäre, und dass die Effizienz erhöht wird. Deshalb ist Kultur ein ganz wichtiger Faktor, den man natürlich durch verschiedene Elemente prägen kann. Zum Beispiel durch Unternehmenswerte, die man idealerweise erarbeiten lässt, dann aushängt und regelmäßig kommuniziert. Auch in Performance-Management-Gesprächen sollte man regelmäßig hinterfragen, wie die Kompetenzen zu den Werten passen und welchen Beitrag das Verhalten der Mitarbeitenden dazu leistet.
Man kann auch Führungsleitbilder gestalten, in denen man beschreibt, wie man sich das Verhalten von Führungskräften vorstellt. Das Thema Leadership ist ja auch sehr bedeutend. Leadership betrifft nicht nur höhere Führungskräfte, sondern alle im Unternehmen, weil wir ja in einem Zusammenhang arbeiten, in dem wir Verantwortung haben, ohne letztlich viel Kontrolle zu haben. Daher ist das Thema Leadership ganz zentral. Und wenn wir schon bei Leadership sind, ist auch der Transformationsgedanke ein wichtiges Element. Es geht darum, auf Zukunftsvisionen des Unternehmens hinzuarbeiten und die Mitarbeitenden mitzunehmen, sie zu inspirieren. Das ist auch ein kulturelles Thema, das über die Führungskräfte stark getrieben wird, aber auch durch kleinere, niederschwellige Kommunikation in digitalen Tools gefördert werden kann. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie Unternehmen auch einen gewissen Grad an Informalität zulassen können, um ein Gefühl zu schaffen, dass alle im gleichen Boot sitzen und für das Unternehmen arbeiten und letztlich für ein Ergebnis verantwortlich sind. Das ist ein sehr wichtiges kulturelles ThemaKultur ist oft auch Teil eines Change-Prozesses, der digitale Elemente, aber auch Organisationselemente und kulturelle Elemente enthält.
ANDREA SPIEGEL: Wie wichtig würdest du sagen, ist es, dass sich jemand dezidiert mit diesem Thema beschäftigt – also mit dem Thema LeadershipKulturgestaltung, mit den Werten und so weiter? Wie wichtig würdest du es einschätzen, dass es mindestens eine Person oder vielleicht auch eine Gruppe an Personen gibt, die sich wirklich darauf fokussieren, also einen Großteil ihrer Arbeitszeit damit verbringen? Oder würdest du sagen, das kann man nebenbei mitmachen?
PROF. DR. LEISS: Nein, ich glaube, das ist wirklich ein wichtiges Thema. Je nach Größe des Unternehmens kann man natürlich nicht immer zehn Leute dafür abstellen.
ANDREA SPIEGEL: Gibt es da eine Faustregel, die du sagen würdest? Zum Beispiel, bei 100 Mitarbeitenden brauche ich mindestens eine Person dafür? Oder sagst du, es kommt auf das Unternehmen und die Strukturen an?
PROF. DR. LEISS: Es kommt auf das Unternehmen an. Das Thema muss schon ganz oben tatsächlich angesiedelt sein. Es ist nicht sinnvoll, das irgendwo in der Mitte oder im Stab zu verankern, sondern wirklich an der Spitze, und sich dann auch Beratungsleistungen dazu zu holen.
ANDREA SPIEGEL: Was meinst du, was könnten das für Beratungsleistungen sein?
PROF. DR. LEISSBeratungsleistungen im Bereich: Was gibt es für aktuelle Trends? Können wir Unternehmenswerte moderieren? Was machen die anderen? Also, was ist aktuell in Bezug auf Werte? Auch das Thema Purpose-Management ist relevant. Das machen wir typischerweise auch mit externen Beratern, die zumindest Workshops moderieren und dem Unternehmen mit einer Außenperspektive helfen.
ANDREA SPIEGEL: So diese Sinnhaftigkeit dessen, was wir tun?
PROF. DR. LEISS: Genau, was machen wir eigentlich, wofür tun wir das?
ANDREA SPIEGEL: Warum sind wir jeden Tag hier?
PROF. DR. LEISS: Genau, wie Ford sagte: „Ich will ein Auto für jedermann.“ Das war damals völlig revolutionär, für uns ist es jetzt Realität. Aber damals war das eine Vision, die man so noch nicht für möglich gehalten hätte. Das ist ein Beispiel für einen Zweck, eine Mission, mit der man gut arbeiten kann. Es muss aber Personen im Unternehmen geben, die dieses Thema auf dem Schirm haben. Ich würde nicht sagen, dass sie nur darauf abgestellt sind, aber sie müssen es im Blick behalten und regelmäßig mittlere Zeithorizonte einer Neubetrachtung unterziehen.

ANDREA SPIEGEL: Was gibt es denn so an Tools, die du angesprochen hast, die man nutzen kann? Du hast ja schon von virtuellen Tools und auch KI gesprochen, da gibt es ja viele Möglichkeiten. Was würdest du sagen, sind hilfreiche Tools und SoftwareProgramme oder was auch immer, die man nutzen kann, um diese ganzen Prozesse – sowohl die Entwicklungsprozesse als auch den Veränderungsprozess und den Kulturprozess – gut zu begleiten? Hast du da Tipps, die hilfreich wären?
PROF. DR. LEISS: Ja, ich möchte jetzt keine Werbung für bestimmte Produkte machen, aber ich denke, jedes Unternehmen muss sich anschauen, für welches Level an Technik die Organisation bereit ist. Wir haben ja auch im virtuellen Institut die Vision, dass wir uns alle als Avatare in einem virtuellen Raum treffen und damit Raum und Zeitüberwinden. Aber nicht jedes Unternehmen ist schon so weit, dass es so etwas braucht.
ANDREA SPIEGEL: Aber ist das realistisch? Kann man das schon umsetzen?
PROF. DR. LEISS: Noch nicht ganz, aber die Entwicklung geht in diese Richtung. Es wäre natürlich toll, wenn man sich an jedem Ort der Welt in einen virtuellen Raum begeben könnte, um dort Erlebnisse zu haben, die fast genauso sind wie in der realen Welt.
ANDREA SPIEGEL: Also wie ein Workshop vor Ort, nur dass wir alle nicht physisch da sind.
PROF. DR. LEISS: Genau, so etwas zum Beispiel. Oder eine Hangout-Session, bei der man sich informell trifft.
ANDREA SPIEGEL: An der virtuellen Kaffeemaschine.
PROF. DR. LEISS: An der virtuellen Kaffeemaschine, genau. Man muss sich genau anschauen, welches Level an Technologie die Organisation verträgt und auch will, ohne dass eine negative Stimmung entsteht.
ANDREA SPIEGEL: Gibt es eine Baseline, die man mindestens haben sollte? Zum Beispiel Chat-Funktionen oder etwas, bei dem man sagt, das sollte auf jeden Fall möglich sein, damit man nicht nur per E-Mail kommunizieren muss?
PROF. DR. LEISS: Ja, auf jeden Fall. Videotelefonie sollte möglich sein, ebenso Chat-Funktionen. Es sollte auch spontan aufpoppen, wenn jemand am Bildschirm aktiv ist, sodass man schnell, informell und ohne den bürokratischen Dienstweg Dinge erledigen oder ansprechen kann. Darüber wird sehr viel kommuniziert.
ANDREA SPIEGEL: Da passiert immer mehr.
PROF. DR. LEISS: Genau, und das muss technologisch unterstützt werden, auf eine einfache, nutzerfreundliche Weise. Niemand sollte das Gefühl haben, er brauche einen zweitägigen Zertifikatskurs, um die Technologie zu verstehen. Es muss einfach und intuitiv sein.
ANDREA SPIEGEL: Also niedrigschwellig und nutzerfreundlich.
PROF. DR. LEISS: Genau.

ANDREA SPIEGEL: Gibt es noch andere Trends, bei denen du sagst, dass sie in den nächsten drei bis fünf Jahren im Bereich Mitarbeitermanagement eine Rolle spielen könnten?
PROF. DR. LEISSKI ist natürlich im Moment ein ganz großer Trend. Ich habe kürzlich in einer Konferenz Tools gesehen, die es ermöglichen, Mentoring- und Coaching-Funktionen KI-basiert anzubieten. Man könnte zum Beispiel sagen: „Ich habe jetzt ein Mitarbeitergespräch, bin aufgeregt und soll das und das ansprechen. Was kann ich tun?“ Und zack, werden Tipps ausgespuckt. Dinge, die tatsächlich die menschliche Arbeit ergänzen. Es geht also nicht nur darum, dass die KI Routinetätigkeiten übernimmt, wie das Erstellen von Texten, das Screening von Bewerbungsunterlagen oder Interaktionen mit Bewerbern über Bots. Es geht auch darum, Unterstützungsfunktionen anzubieten. Wenn man jetzt visionär denkt, könnte diese KI auch in den virtuellen Raum integriert werden, der dann gemeinsam genutzt wird. Das wäre natürlich ein absoluter Traum. Aber bis dahin wird es noch ein paar Jahre dauern.
ANDREA SPIEGEL: Noch ein paar Jahre. Dann kommen wir einfach in ein paar Jahren nochmal zusammen und sprechen darüber, wie es weitergeht.
PROF. DR. LEISS: Genau.
ANDREA SPIEGEL: Okay, das klingt sehr spannend.

ANDREA SPIEGEL: Gibt es zum Abschluss noch einen Tipp, den du insbesondere kleinen und mittelständischen Unternehmen hier in der Region oder auch allgemein in Deutschland mitgeben würdest? Wenn sie sich mit dem Thema digitale Transformation beschäftigen oder spannende Projekte planen, was sollten sie auf jeden Fall bedenken? Woran sollten sie auf jeden Fall arbeiten?
PROF. DR. LEISS: Genau. Ich würde sagen, dass sich Führungskräfte bewusst werden sollten, welche Skills von ihnen in der digitalen Transformation jetzt verlangt werden und was in diesem Kontext erforderlich ist. Dazu bieten wir auch Workshops und Trainings an – zum Thema ChangePeople Management, digitale Skills allgemein und Leadership in digitalen Kontexten. Es ist wichtig, dass Führungskräfte sich auch trauen, sich auszutauschen und zu vernetzen. Es gibt viele Formate, bei denen man auch andere aus verschiedenen Unternehmen kennenlernen und sich austauschen kann. Diese Formate ermöglichen es, sich eine Auszeit vom täglichen Job zu nehmen. Wir bieten auch Blended-Formate an, in denen wir teils präsent und teils online sind. Dabei ermöglichen wir einen Austausch über aktuelle Herausforderungen.
ANDREA SPIEGEL: Nicht nur über Theorie.
PROF. DR. LEISS: Ja, genau, wir vermitteln nicht nur wissenschaftliche Erkenntnisse, was natürlich auch unser Ziel als Hochschule ist, sondern wir wollen auch in Bezug auf die aktuellen Herausforderungen begleiten, die den Menschen wirklich auf den Nägeln brennen. Der Austausch ist also entscheidend, und ebenso wichtig ist es, auf sich selbst zu achten.
ANDREA SPIEGEL: Sehr gut. Das ist doch ein schönes Schlusswort – „auf sich achten“ – ein schöner Tipp, den wir auf jeden Fall mitnehmen können. Vielen Dank für deine Zeit. Wir haben heute über das Thema Mitarbeitermanagement und Mitarbeiterentwicklung in der digitalen Welt, beziehungsweise der digitalen Transformation gesprochen. Wir haben die menschlichen Herausforderungen betrachtet, die diesem Trend zugrunde liegen, und auch Entwicklungsprozesse, die man begleiten kann. Wir sind von der Mitarbeiterebene über die Führungsebene bis hin zur Unternehmenskultur vorgearbeitet. Am Ende hast du uns noch spannende Tipps mitgegeben. Vielen Dank für deine Zeit, es hat Spaß gemacht.
PROF. DR. LEISS: Danke, mir hat es auch sehr viel Spaß gemacht.
ANDREA SPIEGEL: Wenn euch die Folge gefallen hat, dann lasst uns gerne einen Daumen nach oben bei YouTube oder eine Bewertung bei Apple Podcasts oder Spotify da. Schickt uns auch gerne Vorschläge für neue Folgen, wenn euch bestimmte Themen interessieren oder wenn es Fragen gibt, die wir in den Kommentaren beantworten können. Meldet euch gerne bei uns. Und ansonsten würde ich sagen, bis zum nächsten Mal. Macht’s gut.

Welche Idee steckt hinter der Multikommissionierung in der Lagerlogistik?

„Die Idee bei der Multikommissionierung ist auch da, eben solche Leerfahrten, Leerwege, egal ob jemand läuft oder eben fährt, zu vermeiden.“

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