#79 Field Service Trends der Zukunft mit Simon Tonat

Podcast Industrie 4.0 | Der Expertentalk für den Mittelstand

Wir wagen heute einen Blick in die Zukunft 🔮Was hält diese für das Field Service Management bereit? Was sind die „must haves“, was sind die Trends? Antworten darauf hat…

Simon Tonat, Managing Director Consulting & Advisory bei der ServiceLobby RT GmbH. Im Gespräch mit Andrea Spiegel geht es heute um die Trends, die den Service der Zukunft beeinflussen werden.

Aber was ist denn ein Trend, was ein Einflussfaktor? Und ganz wichtig: Welche Rolle spielen die Themen KI, AI und Automation? Was und wie lässt sich der Field Service automatisieren?

Auch die Hürden, welche überwunden werden müssen, um erfolgreich zu sein gehen wir an und nennen praktische Tipps und Tricks – ihr seht also schon, diese Folge solltet ihr auf keinen Fall verpassen! Also Folge anschmeißen und los geht’s!

Das Transkript zur Podcast-Folge: Field Service Trends

ANDREA SPIEGEL: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Industrie 4.0, der Experten-Talk für den Mittelstand. Der Titel der heutigen Folge verrät es euch schon: Heute geht es um die Zukunft des Service, genauer gesagt um Trends im Service-Management, die wir euch natürlich gerne vorstellen möchten. Bei meiner Recherche ist mir aufgefallen, dass es manchmal gar nicht so einfach ist, einen echten Trend von einem bloßen Einflussfaktor zu unterscheiden – Stichwort Digitalisierung zum Beispiel. Deswegen habe ich mir jemanden eingeladen, der da ein wenig Licht ins Dunkel bringen kann. Bei mir ist Simon Tonat, er ist Geschäftsführer, Gründer und mittlerweile Managing Director, Consulting and Advisory bei der Service Lobby RT GmbH. Schön, dass du heute da bist.
SIMON TONAT: Ja, ich freue mich.
ANDREA SPIEGEL: Wie immer an dieser Stelle für euch noch ganz kurz der Hinweis: Diese Folge gibt es auch auf YouTube als Video – schaut also gerne auch dort vorbei. Simon, ich habe dich jetzt nur grob vorgestellt, „Managing Director Consulting and Advisory“ klingt ja schon mal ziemlich wichtig.
SIMON TONAT: Klingt fancy, ja.
ANDREA SPIEGEL: Klingt fancy, genau. Magst du einmal kurz erklären, was das genau bedeutet, was du machst und was auch die Service Lobby macht?
SIMON TONAT: Gerne. Ich bin Gründer und Geschäftsführer der Service Lobby. Wir sind eine spezialisierte Boutique-Beratung für Service und After-Sales, die das gesamte Spektrum abdeckt – von der Strategieentwicklung über Unterstützung in der operativen Umsetzung, vom Portfolio-Management bis hin zur Ersatzteil-Logistik. Wir helfen also wirklich in allen Bereichen. Und ich verantworte unseren Beratungsbereich. Davor habe ich zwölf Jahre in der Industrie im Service gearbeitet und dann noch vier Jahre bei Roland Berger, bevor ich vor zwei Jahren mein eigenes Unternehmen gegründet habe.
ANDREA SPIEGEL: Cool, du bringst also nicht nur viel Theorie mit, sondern hast auch jede Menge praktische Erfahrungen gesammelt.
SIMON TONAT: Ja, und vor allem habe ich, wie gesagt, beide Perspektiven kennengelernt. Ich bin nicht als Berater gestartet, sondern habe die Themen, über die ich heute spreche, tatsächlich auch selbst umgesetzt. Deshalb haben wir ein gutes Gespür dafür, was machbar ist und was nicht – was ein großes Projekt ist und was sich schneller umsetzen lässt. Das unterscheidet uns auch ein wenig von anderen Anbietern auf dem Markt.
ANDREA SPIEGEL: Was hat dich motiviert, von der einen Seite auf die andere zu wechseln?
SIMON TONAT: Ich bin sehr früh in eine Führungsrolle gekommen – da war ich Ende 20 und hatte plötzlich 50 Mitarbeiter unter mir, und das im operativen Field Service. Zusätzlich war ich in einer Matrix-Struktur für verschiedene Landesorganisationen im Service verantwortlich, insgesamt also knapp 500 Mitarbeiter in den Bereichen Innen- und Außendienst sowie Administration. Davor war ich immer im Projektgeschäft tätig, aber mit der Führungsrolle hatte ich plötzlich nur noch Termine und habe mit denselben Leuten immer wieder über dieselben Themen gesprochen, ohne selbst inhaltlich tätig sein zu können. Das hat mir irgendwann keinen Spaß mehr gemacht. Ich bin dann zu meinen Chefs gegangen und habe gesagt, dass ich unzufrieden bin und wieder ins Projektgeschäft zurückmöchte. Auf meiner damaligen Position war das jedoch nicht mehr möglich, und so haben wir uns in gutem Einvernehmen getrennt. Anschließend bin ich in die Strategieberatung gewechselt, wo ich jetzt wieder in Projektmandaten arbeite – für sechs, acht oder zehn Wochen beim Kunden, danach kommt ein neues Thema. Und das ist genau das, was mir Spaß macht. Routine ist einfach nicht mein Ding.
ANDREA SPIEGEL: Super, dass du diesen Schritt gewagt hast! Viele würden das vielleicht als Schritt zurück bezeichnen, aber für dich war es ja eher ein Schritt in die Freiheit.
SIMON TONAT: Genau.
ANDREA SPIEGEL: Sehr schön. Wie immer habe ich noch eine persönliche Frage zum Kennenlernen vorbereitet. Ich habe ein bisschen auf eurer Website gestöbert und gesehen, dass du gerne liest. Was liest du denn gerne, und was begeistert dich daran?
SIMON TONAT: Ich lese tatsächlich gerne, aber das hat mit meiner Arbeit fast gar nichts zu tun. In meiner Freizeit lese ich keine Sachbücher.
ANDREA SPIEGEL: Das ist auch völlig in Ordnung.
SIMON TONAT: Ja, das erledige ich, wenn überhaupt, während der Arbeitszeit oder mal im Hotel. Tatsächlich bin ich ein totaler Sci-Fi– und Fantasy-Nerd. Beruflich merkt man mir das vielleicht nicht an, aber privat bin ich ein wenig anders.
ANDREA SPIEGEL: Ich lese auch gern Fantasy und rede mir ein, dass das die Kreativität fördert.
SIMON TONAT: Ja, absolut.
ANDREA SPIEGEL: Und die brauchst du ja auch für deinen Beruf.
SIMON TONAT: Genau. Sci-Fi kann auch Richtung Digitalisierung inspirieren und hilft vielleicht, ein paar neue Ideen zu entwickeln.
ANDREA SPIEGEL: Du bist also quasi schon 200 Jahre voraus!
SIMON TONAT: Genau, genau.
ANDREA SPIEGEL: Sehr gut.

ANDREA SPIEGEL: Dann schauen wir uns doch jetzt einmal die Trends an, passend zum Thema. Vielleicht nicht ganz 200 Jahre voraus, aber wir könnten ja mal fünf bis zehn Jahre in die Zukunft blicken. Du hast bestimmt einige spannende Trends im Gepäck, die den Bereich Service, Field Service und Service-Management in nächster Zeit prägen werden. Ich habe ja schon angedeutet, dass es mir bei der Recherche schwerfiel, Einflussfaktoren von echten Trends zu unterscheiden – Digitalisierung ist da ein gutes Beispiel. Ich habe mich gefragt, ob man Digitalisierung überhaupt noch als Trend bezeichnen kann oder ob sie mittlerweile die Grundvoraussetzung ist, um andere Trends wie Künstliche Intelligenz, Augmented Reality, virtuelle Assistenten oder Automatisierung in diesem Bereich voranzutreiben. Würdest du das so unterschreiben, oder siehst du das anders?
SIMON TONAT: Ist Digitalisierung ein Trend?
ANDREA SPIEGEL: Oder ein notwendiges Übel?
SIMON TONAT: Ja, sie ist eigentlich eine Grundvoraussetzung, mit der sich jeder beschäftigen muss. Aber du wärst erstaunt: Wenn man sich den Mittelstand ansieht, sagen wir mal Unternehmen bis zu 1000 Mitarbeitern, dann gibt es auch heute noch viele, die Technikerberichte auf Papier ausfüllen lassen und vom Kunden unterschreiben lassen. Diese Zettel gehen dann in die Administration, wo sie manuell ins System eingetippt werden, um die Rechnung zu erstellen. Da kann es durchaus vorkommen, dass ein Bericht mal verloren geht – ein Windstoß reicht, und schon fehlen 5000 Euro, die dann hinter der Heizung wiedergefunden werden. Kaum zu glauben, dass das 2020 noch so war, und es ist tatsächlich auch heute noch Realität.
Viele sprechen seit fast 20 Jahren über Predictive Maintenance, das war schon auf meinem ersten Kongress das große Thema. Wenn man sich heute die Keynotes ansieht, ist es immer noch Predictive Maintenance. Zwar gibt es ein paar Firmen, die sehr weit sind, aber der Großteil im Maschinenbau hat hier noch nichts umgesetzt. Technologien wie der Fernzugriff auf Maschinen und das Auslesen von Daten sind seit 20 Jahren verfügbar – da muss man nichts Neues entwickeln. Dennoch haben die meisten Unternehmen noch keinen Zugriff auf ihre Anlagen. Oft liegt das auch an den Kunden, die unsicher sind, was mit ihren Daten geschieht, und deshalb keinen Zugriff erlauben. Aber wenn man neue Geschäftsmodelle angehen und datenbasiert arbeiten möchte, muss man mit den Kunden ins Gespräch gehen und ihnen die Vorteile aufzeigen. Meistens lassen sie sich dann überzeugen.
Selbst in regulierten Branchen wie der Pharmaindustrie oder der Automobilbranche gibt es Unternehmen, die Zugang zu den Daten erhalten, und andere, die ihn nicht bekommen. Die Pauschalaussage „Meine Kunden lassen mich nicht“ lasse ich daher nicht gelten.
ANDREA SPIEGEL: Die lassen wir heute zumindest nicht so einfach durchgehen. Verstehe, danke!

ANDREA SPIEGEL: Das heißt, ich wollte gerade sagen: Woran liegt es letztlich, dass es so schwierig ist? Ist es also ein Mindset-Thema bei vielen, sowohl bei den Kunden als auch bei den Herstellern? Oder betrifft es eher nur die Kunden? Wie ist deine Erfahrung?
SIMON TONAT: Nein, nein, ich würde sagen, es betrifft beide Seiten. Ein reines Kunden-Thema ist es nicht, denn wenn man das Servicegeschäft voranbringen will, gehört es auch zu den eigenen Aufgaben, die Kunden zu motivieren, diesen Weg mitzugehen. Sie müssen in der Regel nicht viel dafür tun. Die Maschinen sind ja schon in die Netzwerke und Produktionssteuerung integriert; es ist also nicht so, dass neue Hardware installiert werden muss. Es geht vielmehr darum, den Kunden davon zu überzeugen, dass nicht nur er die Daten benötigt, sondern dass der OEM (Original Equipment Manufacturer) ebenfalls Mehrwert bieten kann, wenn er Zugriff auf diese Daten hat. Daher sehe ich das eher als Aufgabe des Vertriebs und des Marketings, diese Idee beim Kunden nachhaltig zu etablieren, um den Zugang zu diesen Daten zu ermöglichen.
Aus meiner Sicht lässt sich das jedoch bewältigen, wenn man das Thema ernsthaft angeht. Ich habe oft das Gefühl, dass der Service in vielen Unternehmen nach wie vor das fünfte Rad am Wagen ist. Während in der Produktion Millionen ausgegeben werden, um Durchlaufzeiten um wenige Prozent zu verbessern, sieht man oft in der Produktion mehrere Mitarbeiter, die sich mit Lean-Management-Themen befassen. Im Servicebereich hingegen, wo ebenfalls oft Hunderte von Mitarbeitenden arbeiten, fehlt häufig jemand, der sich systematisch mit Prozessen auseinandersetzt.
ANDREA SPIEGEL: Das heißt, der Service wird in vielen Unternehmen noch ein bisschen stiefmütterlich behandelt.
SIMON TONAT: Genau, in den meisten Firmen ist der Service eine rein transaktionale Abwicklungsabteilung: Der Kunde ruft an, man hilft ihm, bringt Ersatzteile oder den Techniker vor Ort, erledigt die Arbeit und schreibt die Rechnung. Dabei wird der Service nicht als eigenständiges Geschäftsfeld wahrgenommen. Viele Unternehmen wissen zwar, dass sie damit am Ende des Tages ihr Geld verdienen. Es gibt Kunden, die mit ihren Hauptprodukten seit Jahren Verlust machen, aber dank des Services letztlich eine Nettomarge von zehn Prozent erzielen. Das ist den Verantwortlichen bewusst, doch die Erwartungshaltung bleibt oft: „Das hat schon immer funktioniert, da müssen wir nichts ändern.“ Doch wenn man den Service ernsthaft betreiben möchte, muss man anders herangehen. Man braucht Ressourcen, um sich mit Prozessen, Tools und Digitalisierung zu beschäftigen. Wer soll das übernehmen? Der Serviceleiter oder die operativen Führungskräfte, die täglich das Geschäft managen und ständig mit Eskalationen beschäftigt sind? Die können doch nicht am Donnerstagabend um 17 Uhr noch eine Digitalisierungsstrategie entwickeln. Das funktioniert einfach nicht. Das Unternehmen muss klar festlegen, welche Themen wichtig sind und welche Ziele verfolgt werden sollen.
Es gibt eine Vielzahl von Maßnahmen, die man ergreifen kann, aber man kann nicht erwarten, dass ein Jahr intensiver Einsatz ausreicht, um zum Branchen-Benchmark zu werden. Das sind oft fünf- bis zehnjährige Roadmaps. Wichtig ist, irgendwann anzufangen. Doch viele Unternehmen schaffen nicht einmal diesen ersten Schritt.
ANDREA SPIEGEL: Das stimmt, und wir können da schon mal einen kleinen Teaser geben: Es wird auf jeden Fall eine zweite Folge mit Simon geben, in der wir uns das Thema Service Excellence genauer anschauen. Wir werden darüber sprechen, wie man aus einem guten Kundenservice langfristig ein exzellentes Kundenerlebnis gestalten kann. Das schauen wir uns also definitiv noch genauer an.

ANDREA SPIEGEL: Wenn wir uns heute die aktuellen Trends im Service ansehen – wohin entwickelt sich dieser Bereich? Es gibt verschiedene Einflussfaktoren. Wir haben bereits über die Digitalisierung gesprochen, die immer mehr zur Notwendigkeit wird. Wenn wir dieses Thema ein Stück weit ausklammern, was sind deiner Meinung nach die großen Themenfelder, die jetzt relevant werden?
SIMON TONAT: Aus meiner Sicht fällt das alles immer noch unter den Begriff Digitalisierung, und es gibt viele Hebel, an denen man ansetzen kann. Was allerdings häufig vernachlässigt wird und vielen gar nicht bewusst ist, ist Folgendes: Aktuell gibt es in vielen Bereichen eine Wachstumsdelle bei den Primärprodukten, und einige Branchen verzeichnen sogar Umsatzrückgänge. In solchen Phasen wird der Service dann wieder wichtig, weil erkannt wird, dass hier zusätzliche Umsätze generiert werden können. Doch die Strategie bleibt oft die gleiche…
ANDREA SPIEGEL: Gut, das ist dann positiv für euch.
SIMON TONAT: Teilweise, aber die Gespräche mit Auftraggebern solcher Projekte können zäh sein. Diese Unternehmen sagen oft: „Wir machen derzeit 100 Millionen Euro Umsatz im Service und wollen in fünf Jahren 180 Millionen erreichen. Helft uns dabei.“ Die übliche Vorstellung lautet dann: „Wir machen das Gleiche wie bisher, nur mehr.“ Man möchte also beispielsweise den Anteil der Maschinen unter Servicevertrag von fünf auf 30 Prozent erhöhen. Das Problem ist jedoch, dass mehr vom Gleichen auch mehr Personal erfordert. Heute verkauft man vor allem Technikerstunden, und in Deutschland herrscht ein erheblicher Fachkräftemangel. Jede Firma hat mindestens zehn Prozent ihrer Servicekapazitäten ausgeschrieben. Wenn das Ziel ist, um 80 Prozent zu wachsen, braucht man entsprechend viele zusätzliche Mitarbeiter. Doch wenn man heute schon 100 Techniker hat und zehn sucht, wo sollen die zusätzlichen 60 oder 70 herkommen? Viele Unternehmen haben diesen Punkt noch nicht verstanden: Sie müssen ihr Geschäftsmodell hinterfragen. Solange sie nur Technikerstunden verkaufen, können sie die benötigten Fachkräfte kaum finden.
Stattdessen muss der Fokus auf dem Output liegen. Man sollte zum Beispiel eine Maschinenverfügbarkeit verkaufen, also Uptime.
ANDREA SPIEGEL: Wie verändert man sein Geschäftsmodell in diese Richtung? Geschäftsmodelle anzupassen ist ja einer der Schlüssel für langfristigen Erfolg. Was gibt es da für Möglichkeiten im Service?
SIMON TONAT: Genau, man muss sich von den input-getriebenen Modellen verabschieden und in Richtung Output gehen. Ein Beispiel ist das „Equipment as a Service“-Modell oder Verfügbarkeitsgarantien. Hier wird ein bestimmtes Ergebnis an den Kunden verkauft. Wenn ich dem Kunden beispielsweise zusichere, dass seine Maschine zu 98 Prozent verfügbar ist, zahlt er dafür einen bestimmten Betrag. Wenn man dann effizienter wird, kann man mit weniger Aufwand dasselbe Ergebnis liefern und so wachsen, ohne die Anzahl der Techniker im gleichen Maße erhöhen zu müssen.
ANDREA SPIEGEL: Das ist mir jetzt etwas zu abstrakt. Ich bezahle also für die Garantie, dass meine Maschine zu 98 Prozent läuft. Wie wird das gewährleistet?
SIMON TONAT: Genau. Dafür muss man seine Maschinen und Serviceprozesse so gut im Griff haben, dass man schnell reagieren kann. Predictive Maintenance ist hier hilfreich, da es eine gewisse Planbarkeit bietet. Man kann Wartungsintervalle zusammenlegen oder einem Maschinenausfall vorbeugen, weil man bereits weiß, wann eine bestimmte Komponente ausfällt. So lassen sich Einsätze effizienter planen und Reisezeiten reduzieren.
Im traditionellen Modell profitiert man von solchen Effizienzsteigerungen kaum, außer dass man mehr Kunden bedienen kann. Wenn man jedoch das Outcome verkauft – also beispielsweise „Equipment as a Service“ – ist es anders.
ANDREA SPIEGEL: Kannst du erklären, was genau „Equipment as a Service“ bedeutet? Vielleicht ist das einigen noch nicht geläufig.
SIMON TONAT: Das bedeutet, dass man nicht mehr die Maschine selbst oder einzelne Serviceleistungen verkauft, sondern die Leistung. Bei einer Werkzeugmaschine, die Teile fräst oder biegt, verkauft man beispielsweise das Endprodukt, also die geschnittenen Teile. Der Kunde muss die Maschine nicht kaufen und zahlt lediglich für das Ergebnis, das er weiterverkaufen kann. In dieses Modell fließen sämtliche Services und Software ein, und man berechnet dann pro Teil. Wenn man durch Predictive Maintenance oder optimierte Prozesse die Verfügbarkeit der Maschine sicherstellen kann, kann das Unternehmen wachsen, ohne das Personal proportional erhöhen zu müssen.
ANDREA SPIEGEL: Der Vorteil für den Kunden ist also, dass er keine Investitionen in die Maschine oder den Service tätigen muss, sondern nur für das tatsächliche Ergebnis zahlt.
SIMON TONAT: Genau, in der reinen Form ist es so. Natürlich gibt es Varianten mit einer Basisfinanzierung oder Vorabkosten, aber das Grundprinzip ist, dass der Kunde nur für den Output zahlt. Das entspricht dem Netflix-Prinzip: Ich bezahle monatlich 12,99 Euro und habe Zugriff auf die Filme. In der Industrie hat so ein Modell natürlich eine längere Laufzeit, aber die Idee ist die gleiche: Der Kunde zahlt nur für das Ergebnis, das er haben möchte.

ANDREA SPIEGEL: Gleichzeitig bin ich aber ja dann auch stärker im Risiko, oder? Also wenn ich, sagen wir mal, die Maschine verkaufe, habe ich zumindest schon mal das Geld drin. Wenn ich sie jetzt jedoch vermiete, dann …
SIMON TONAT: Ja, das ist die Risikoumkehr. Davor kann man sagen: “Wir haben dir jetzt die Maschine verkauft und dann versuchen wir, dir schnellstmöglich zu helfen.” Aber wenn es halt mal eine Woche dauert, bis ein Ersatzteil da ist, dann dauert es halt eine Woche. Tut uns leid, mea culpa. Aber wir haben unser Bestes getan. Im anderen Modell tut es dir weh.
ANDREA SPIEGEL: Ich übernehme die Verantwortung.
SIMON TONAT: Weil dann kriegst du eine Woche lang kein Geld. Und deswegen …
ANDREA SPIEGEL: Wie überzeugst du jetzt deine Kunden von diesem Modell?
SIMON TONAT: Also ich muss sie gar nicht davon überzeugen. Auf die Idee kommen die selbst, weil deren Kunden das eben wieder wollen. Die holen uns dann eher dazu, weil sie sagen: “Wir wissen nicht, wie man so ein Modell aufbaut.” Und dann unterstützen wir sie bei der Konzeption, beim Pricing und dabei, wie man die ganzen Prozesse aufsetzt, sodass man sowas auch abwickeln kann. Tatsächlich ist das ein Trend, der aus dem Consumer-Bereich kam – von Spotify, Netflix, Auto-Abos und was es alles gibt. Das ist dann in den Maschinenbereich rübergeschwappt. Und jetzt sagen alle: “Boah, da brauchen wir was.” Alle unsere Kunden wollen das. Wie gesagt, oft sind das nur Lippenbekenntnisse. Man geht dann den Weg nicht oder es sind nur kleine Pilotphasen. Und wie gesagt, selbst bei denen, die das jetzt richtig groß promoten, ist es umsatzseitig marginal. Also es ist teilweise nicht wettbewerbsfähig, wenn ein Maschinenbauer zwei bis drei Milliarden Umsatz macht und mit diesem Geschäftsmodell irgendwie 30 Millionen erzielt. Ob sie das jetzt machen oder nicht. Man kann sagen, dass sie es schon seit drei Jahren machen. Also man kann jetzt nicht sagen: “Das ist das Pilotjahr. Mal gucken, wie schnell das hochskaliert.” Aber man muss halt wirklich in diese Richtung gehen.
Sonst ist das Servicelevel, das man heute den Kunden bietet, massiv gefährdet. Denn du hast Abgänge: Leute gehen in Rente, sagen: “Ich habe keinen Bock mehr, die ganze Zeit als Techniker rumzufahren, mich von Kunden anschreien zu lassen, fünf Tage on the road zu sein und am Wochenende zurückzukommen.” Das ist ja schon ein bisschen schief.
ANDREA SPIEGEL: Kein attraktiver Job mehr heutzutage.
SIMON TONAT: Früher war das cool, weil Monteure damals deutlich mehr verdient haben als in anderen Bereichen. Mittlerweile sind Techniker im Vergleich zu anderen Rollen im Unternehmen zwar gut bezahlt, aber nicht mehr sensationell gut.
ANDREA SPIEGEL: Ist kein Argument mehr, ja.
SIMON TONAT: Genau. Dafür haben sie aber eigentlich – also wenn man wirklich als Field Service Techniker unterwegs ist – kein Sozialleben. Man kann da in keinen Fußballverein, in keinen Tennisverein. Man ist halt immer am Wochenende unterwegs und unter der Woche lebt man in Hotels. Dafür braucht man auch spezielle Typen. Und die gibt es in unserer Generation und in dem, was nach uns kommt, noch viel weniger. Deswegen hast du da ein massives Problem.
Wenn du diesen Weg nicht gehst, wirst du nicht mal dein jetziges Level halten können. Und wenn du es nicht schaffst und so weitermachst, wird einfach dein Servicelevel sinken. Dann müssen plötzlich alle deine Kunden fünf Tage warten, bis ein Techniker zur Verfügung steht.
Ich meine, wir kennen das von der Telekom: Wie lange dauert das? Also wir hatten das erst im letzten Monat. Da habe ich gesagt: “Du, wir haben ein neues Büro bezogen. Ihr habt gesagt, ihr habt die Telekom-Buchse installiert, aber die ist nicht da. Ich kann den Kasten aufmachen, sie ist nicht drin. Wir können das Büro nicht beziehen. Wir können hier nicht arbeiten, wenn wir kein Internet haben.” “Jaja, wir schicken einen Techniker.” Und dann dauert es fünf Tage, bis ein Techniker kommt. Und wie gesagt, ich glaube, das wird, wenn man nicht umdenkt, immer schlimmer werden, weil man einfach die Leute nicht mehr findet.
Und das ist meiner Ansicht nach nicht nur ein Trend, sondern auch bedingt durch den demografischen Wandel. Immer weniger Leute wollen diesen Techniker-Job machen. Wenn man sich dem nicht stellt, wird man irgendwann gegen die Wand fahren. Dann wird es kritisch.
ANDREA SPIEGEL: Ich wollte gerade sagen, es war vielleicht nicht ganz so fröhlich, wie man es sich manchmal in einem Podcast wünscht, aber es ist wichtig, in dem Moment …
SIMON TONAT: Ja, man muss auch manchmal ein bisschen wach werden.
ANDREA SPIEGEL: Genau, die Wahrheit mal laut auszusprechen und klarzumachen, dass da wirklich Handlungsbedarf besteht. Okay, das heißt, einer der ersten großen Trends, bedingt durch Fachkräftemangel, den demografischen Wandel und zukünftige Generationen, sage ich jetzt mal, rund um das Thema – ich überlege gerade, wie man es zusammenfassen kann. Gut.
SIMON TONAT: Ja, man muss halt, wie gesagt, wirklich sein Geschäftsmodell, das eben heute fast alle fahren, hinterfragen, weil es sehr auf den Schultern der Techniker lastet. Und davon gibt es einfach immer weniger. Also man muss davon wegkommen, nur Stunden oder Reports zu verkaufen, sondern man braucht intelligentere Geschäftsmodelle, bei denen man Output verkauft, um auch effizienter zu werden.
ANDREA SPIEGEL: Sehr gut, perfekte Zusammenfassung, vielen Dank.

ANDREA SPIEGEL: Was würdest du denn sagen, was sind noch Trends? Also entweder Trends, die vielleicht auch das Thema Geschäftsmodellumstellung begünstigen oder unterstützen, oder was gibt es sonst noch?
SIMON TONAT: Ja, aus meiner Sicht fangen jetzt sehr, sehr viele an, auch das Thema anzugehen. Im Consumerbereich kennen wir das alle schon, dass wir mit Chatbots kommunizieren oder schlaue Assistenten haben, durch die wir uns durchklicken können. Das fängt jetzt immer mehr auch im B2B-Bereich an. Teilweise eben auch aus diesem Effizienzgedanken heraus: “Okay, wir haben gar nicht genügend Leute, wir können dieses Callvolumen in Zukunft nicht mehr handeln, deswegen müssen wir diese Richtung gehen.” Also dasselbe, was ich gerade gesagt habe, eher so ein innerer Zwang. Aber tatsächlich wird es auch immer mehr von den Kunden gefordert, weil die eben sagen: “Ja, wir wollen auch einen 24/7-Support haben und nicht nur die regulären Arbeitszeiten, keine Ahnung, von 7 bis 16 Uhr, weil wir im Dreischichtbetrieb arbeiten.” Und das können gerade kleinere Firmen überhaupt nicht abbilden. Da hilft sowas natürlich, wenn man eine schlaue Datenbank hat und dann nicht mit allem, aber zumindest mit den typischen Problemen, einfach selbst aushelfen kann, indem man einen solchen Assistenten oder eine Self-Service-Plattform nutzt.
ANDREA SPIEGEL: Steckt da dann eine KI dahinter oder wie funktioniert das?
SIMON TONAT: Bei den Großen aus dem Konsumerbereich, ja. Wenn wir über ein Vodafone oder O2 sprechen, da habe ich das auch tatsächlich schon gesehen. Da steckt auf jeden Fall eine KI drin. Bei den Maschinenbauern ist das ganz oft nicht der Fall. Die arbeiten eher so, dass sie diese Logikbäume noch selber definieren. Also da musst du dann auch wieder Techniker und Entwickler hinsetzen, die sagen: “Okay, wenn dies der Fall ist, woran könnte das liegen? Und wenn du hier bist, dann gibt es 1, 2, 3 – bitte mal testen.” Und das ist auch so ein bisschen…
ANDREA SPIEGEL: Das ist dann eher so ein Guide, den man dann anklicken kann.
SIMON TONAT: Genau, also du kannst es ja dann auch wieder als Entscheidungsbaum in so einen Chatbot reingeben, das gibt es schon. Aber es wird nicht automatisch generiert, sondern da steckt noch viel Handarbeit drin. Das liegt aber auch ein bisschen daran, dass, wenn man sich ein Vodafone anschaut, da rufen halt jeden Tag Tausende an. Bei so einem Maschinenbauer rufen am Tag vielleicht 20 oder 30 Leute an – und zwar mit völlig unterschiedlichen Problemen. Du hast also gar nicht die Datenbasis, dass alles schon 50 Mal vorgekommen ist.
ANDREA SPIEGEL: Dass du genau weißt, wo sich der manuelle Aufwand quasi lohnt.
SIMON TONAT: Genau, und das ist jetzt etwas, was eine KI von sich aus herausfinden könnte: “Okay, das, was in dem Ticket drinsteht, das hilft wirklich weiter. Und das, was in dem Ticket drinsteht, hilft uns nicht.” Dafür braucht man halt eine größere Masse. Und da tun sich einige noch schwer. Manchmal auch nicht, weil sie es in der Theorie nicht hätten, sondern einfach, weil die Systeme schlecht sind oder teilweise auch gar nicht vorhanden. Es gibt auch, wie ich ja vorhin schon sagte, viele, die noch gar kein Ticketsystem haben. Die schreiben überhaupt nichts auf. Was soll da also eine KI machen? Die müsste das dann irgendwie aus dem Kopf raussaugen, um solche Logikbäume aufzusetzen.
Das liegt eben daran, dass man in der Vergangenheit versucht hat, dem Kunden möglichst schnell zu helfen und ständig im “Feuerwehrmodus” unterwegs ist. Deswegen fehlt es oft an der nötigen Substanz und der Datenqualität. Und wenn Daten da sind, dann ist eben auch die Datenqualität und Stammdatenqualität entscheidend, um solche Prozesse besser automatisiert anzugehen.
Deswegen steckt dann auch in so einem fancy Chatbot, wo man denkt: “Boah, da haben sie einfach ein Tool gekauft, Daten reingeschoben und dann rechnet das ein bisschen”, oft ein großer Aufwand. Da stecken teilweise Mannjahre drin, in denen Leute manuell diese Logikbäume aufgesetzt haben. Und das ist ein Aufwand, vor dem viele zurückschrecken.
ANDREA SPIEGEL: Ist das ein Aufwand, der sich dann lohnt in deinen Augen? Beziehungsweise für wen lohnt es sich? Für wen lohnt es sich vielleicht nicht? Ist das ein Trend, den man unbedingt mitgehen sollte?
SIMON TONAT: Aus meiner Sicht muss man auf jeden Fall in diese Richtung gehen. Aber ich glaube, man muss differenzieren, wie weit man das Ganze treibt. Wenn man im Sondermaschinenbau tätig ist und Maschinen mit Stückzahl 1 verkauft, dann ist es unendlich aufwendig, so ein vollumfassendes System aufzubauen. Wenn man, wie bei Vodafone, 20 Verträge hat und alle rufen wegen dem gleichen Problem an, dann hat man viel mehr Volumen. Wenn man also irgendwo in der Mitte ist, im Serienmaschinenbau zum Beispiel, wo man Serienmaschinen produziert, kann man schon relativ viel machen. Aber ich würde nicht die vollumfängliche Lösung anstreben, sondern eher einen 80-20-Ansatz wählen. Was sind die typischen Probleme? Diese kann der Chatbot beantworten, und dann muss man umschwenken: “Alles klar, ich weiß nicht mehr weiter, jetzt rufen Sie bitte einen Techniker zurück.”
Aber auch wenn man das schafft, in Zukunft nicht mehr selbst antworten zu müssen, ist das ein enormer Hebel. Dafür lohnt es sich eigentlich bei fast allen, da wirklich reinzugehen. Es sei denn, man ist ein kleines Inhouse-Team mit nur zwei Leuten. Dann kann man nicht jemanden für ein halbes Jahr abstellen, um sich darum zu kümmern, wenn sich das nicht direkt rechnet. Das ist ein anderes Thema. In solchen Fällen müsste man sich eher externe Hilfe einkaufen, weil man die Leute auch im operativen Geschäft braucht.
ANDREA SPIEGEL: Das ist der Schmerz vielleicht auch noch an einem anderen Punkt.
SIMON TONAT: Ich würde sagen, alle, die im Innendienst zehn Leute und mehr haben – was bei den meisten Maschinenbauern der Fall ist – das ist Pflicht. Man muss nur unterscheiden, wie weit man das Spiel treibt. Aber man muss auf jeden Fall in diese Richtung gehen.
ANDREA SPIEGEL: Sich da auf jeden Fall mal Gedanken zu machen. Okay, das heißt, wir haben einmal das Thema Geschäftsmodelle jetzt schon behandelt. Und wir haben jetzt das Thema Bots und Chatbots angesprochen. Gibt es noch einen dritten Trend, der dir einfällt?

SIMON TONAT: Wie gesagt, ich finde, das ganze Thema Predictive Maintenance und Condition Monitoring ist auch extrem wichtig, weil es eine gewisse Planbarkeit in den Service bringt. Aber da können wir uns streiten: Ist das jetzt ein Trendthema? Denn wie gesagt, das war vor 20 Jahren, als ich auf meinem ersten Kongress war, noch das Flaggschiff-Thema. Aber faktisch wird es immer noch eingesetzt – klar, zum Beispiel von Siemens im Medizintechnikbereich. Aber die überwachen nicht die ganze Maschine, sondern nur zwei kritische Komponenten. Soweit sind auch andere. Windenergie zum Beispiel ist relativ gut in dieser Hinsicht, oder die Druckindustrie. Alles, wo du rotierende Körper hast, lässt sich relativ einfach überwachen. Da weißt du immer, wenn eine ungewöhnliche Schwingung auftritt, dann gibt es ein Problem. Wenn du dir jetzt eine komplexere Maschine anschaust, gibt es Achsen, Pneumatik, Hydraulik und tausend andere Dinge, die kaputtgehen können. Da ist es extrem schwierig. Was überwachst du? Was überwachst du nicht? Und dann ist der Berg so groß, dass man gefühlt gar nicht erst anfängt, weil man schon frustriert ist, bevor man überhaupt loslegt. Aber auch da, aus meiner Sicht, muss man besser werden. Wenn wir das nächste Mal über Serviceexzellenz sprechen, dann ist es nur so möglich, das Servicelevel zu steigern. Wenn du immer nur darauf wartest, dass der Kunde anruft, weil er ein Problem hat…
ANDREA SPIEGEL: Da bist du dann vielleicht schon zu spät.
SIMON TONAT: Genau, weil seine Maschine bereits steht. Da kannst du Schadensbegrenzung betreiben. Wenn du den Kunden jedoch anrufst und sagst: „Wir haben deine Maschine überprüft, in vier Wochen wird es kritisch. Wann hast du Zeit, damit wir mal zwei Stunden an der Anlage arbeiten können?“, dann wird er sagen: „Oh, wir sind ja in Produktion. Zwei Stunden Maschinenstillstand sind schwierig.“ Aber die Alternative ist, dass die Maschine ausfällt und es dauert drei, fünf oder sieben Tage. Das sind die Innovationen, die dein Servicelevel aus Kundensicht massiv verbessern können. Und deswegen muss man da etwas tun. Mittlerweile gibt es auch viele fertige Lösungen, man muss nichts mehr selbst erfinden. Man muss einfach mal anfangen. Da haben manche jedoch ein wenig Angst vor der eigenen Courage.
ANDREA SPIEGEL: Das ist gut.

ANDREA SPIEGEL: Jetzt haben wir diese drei großen Themen angeschaut. Da gibt es mit Sicherheit noch viel, viel mehr. Aber ich denke, in Anbetracht der Zeit wollen wir es heute nicht überstrapazieren für die Zuhörerinnen und Zuhörer. Mich würde noch ein Punkt interessieren. Die ganzen Trends sind ja spannend, und vieles davon ist sicherlich auch hilfreich. Wie kann ich mich darauf gut vorbereiten? Wir haben ja schon viel über Digitalisierung, Automatisierung, Chatbots und Co. gesprochen. Wie bereite ich mich auf solche Veränderungen gut vor? Was sind wichtige Faktoren, wie etwa die Infrastruktur-Strategie, das Mindset meiner Mitarbeitenden sowie deren Hard- und Soft Skills? Was sind Bereiche, an denen man arbeiten kann, bevor man sich in alle Trends stürzt, um eine gute Basis zu schaffen? Daten waren ja auch schon ein Thema.
SIMON TONAT: Tatsächlich finde ich, dass das Mindset-Thema extrem wichtig ist. Jeder Serviceleiter würde dir jetzt sagen, dass sie total kundenzentriert und kundenfokussiert arbeiten. Aber man merkt ganz oft, wenn man in Workshops ist, dass Sätze fallen wie: „Warum sollen wir das jetzt machen? Das kann doch der Kunde in dieser Maske selbst einführen. Muss wir ihm jetzt alles hinterhertragen?“ Da merkt man, dass sie zwar im Service sind und ein gutes Servicelevel für den Kunden bringen wollen, aber dass das richtige Mindset oft noch fehlt. Es geht darum, zu verstehen, dass man da ist, um dem Kunden zu helfen – und dass diese Kunden keine Bittsteller sind, sondern eigentlich für die Dienstleistungen bezahlen. Ich bin Dienstleister, ja. Genau, das ist schon ein Thema. Und ich glaube nicht, dass es eine „magische Lösung“ gibt, die man einfach durchführt, etwa in Form eines zweitägigen Seminars, nach dem dann alles perfekt läuft.
ANDREA SPIEGEL: Das wäre natürlich schön.
SIMON TONAT: Aber das wird nicht funktionieren. Man muss sich in der Führungsetage wirklich überlegen, was die Hebel sind. Man muss viel aktiver führen und das Ganze vorleben. Denn ich finde, so wie die Führungskräfte ihre Mitarbeiter behandeln, so behandeln die auch die Kunden. Wenn man intern schon keine Servicekultur hat, in der man sich gegenseitig hilft und füreinander da ist, wie kann man dann erwarten, dass das nach außen hin funktioniert? Es wäre ja fast schizophren, wenn es intern nicht vorgelebt wird und dann plötzlich von den Mitarbeitern erwartet wird, es nach außen zu tragen. Da muss sich die Führungsetage wirklich hinsetzen und überlegen, was eine Lösung sein könnte. Aber meiner Ansicht nach ist dies mit das Wichtigste, denn es ist die Grundlage dafür, dass vieles später funktioniert. Alles, was wir bisher besprochen haben, sind Change-Themen, und Change-Themen sind immer schwierig. Es gibt keine Abkürzung. Da muss man immer wieder kommunizieren, diskutieren und dann von vorne anfangen und erneut erklären. Aber je mehr man es schafft, ein gemeinsames Mindset zu etablieren und ein klares Verständnis darüber zu haben, was für eine Art Service man bieten möchte, desto einfacher wird es, in diese Richtung zu marschieren.
ANDREA SPIEGEL: Und welche Rolle spielt jeder Einzelne in dieser Idee?
SIMON TONAT: Je besser man diese Herausforderung meistert, desto einfacher tut man sich, wenn man Geschäftsmodell-Innovationen umsetzen muss, wenn man Prozesse anpassen oder Gewohnheiten aufbrechen muss, die man sich über zehn Jahre hinweg aufgebaut hat. Da braucht es eben dieses gemeinsame Mindset. Und was außerdem noch sehr wichtig ist – neben diesem „flauschigen“ Punkt – man muss auch in den Service an neuralgischen Punkten investieren. Das bedeutet, wir brauchen nicht nur Techniker, nicht nur Hotliner und nicht nur operative Führungskräfte, die mit Call-Eskalationen umgehen können. Man braucht auch Leute, die sich um Prozesse kümmern, die sich um Systeme kümmern – die nicht nur in den Prozessen arbeiten, sondern an den Prozessen. Und das wird in vielen Unternehmen sträflich vernachlässigt. Oft wird gesagt: „Wir müssen effizienter sein. Wir müssen die Calls pro Techniker erhöhen“ und so weiter. Aber es wird nicht bedacht, dass man eben auch Menschen braucht, die am System arbeiten, an den Prozessen und dem Geschäftsmodell. Das wird manchmal einfach ignoriert. Es ist dann wieder Aufgabe der Führungskräfte, aber die sind in der Regel zu 80 Prozent im Tagesgeschäft involviert. 20 Prozent sollten sie zumindest noch ihrer Führungsaufgabe nachkommen. Wann sollen sie das dann tun? Dann passiert eben oft gar nichts. Es gibt immer wieder Lippenbekenntnisse: „Ja, wir haben eine Strategie entwickelt, in drei Jahren wollen wir das und das erreicht haben.“ Aber wenn man nach drei Jahren fragt, hört man: „Es war ein bisschen schwierig, wir hatten keine Zeit.“
ANDREA SPIEGEL: Was ist deine Empfehlung oder deine Erfahrung? Angenommen, wir haben ein Unternehmen mit etwa 100 Technikern, wie du es vorhin angesprochen hast, im großen Mittelstand. Wie viele Menschen sollte es in so einem Fall geben, die sich, wie du gerade gesagt hast, mehr mit den Prozessen als in den Prozessen beschäftigen? Gibt es da eine Faustregel oder sagst du, besser einer als keiner? Braucht man da ein ganzes Team? Wie würdest du das einschätzen?
SIMON TONAT: Also ich würde sagen, Führungskräfte würde ich nicht dazuzählen, aber du solltest auf jeden Fall etwa fünf Prozent – wenn du 100 Leute hast, also fünf – einplanen. Einer könnte ein Service-Produktmanager sein, der neue Services entwickelt. Ein anderer könnte ein Pricing-Manager sein, der sich mit der Ersatzteil-Bepreisung beschäftigt. Dann bräuchtest du jemanden, der sich um Digitalisierung kümmert und auf jeden Fall noch jemanden, der an den Prozessen arbeitet. Also insgesamt fünf Prozent.
ANDREA SPIEGEL: Das wäre so ein Dream-Team, das du da zusammenstellen würdest. Und wie, ich frage jetzt mal aus Unternehmersicht: Wie kann ich mir diese Leute leisten? Oder muss ich sie mir einfach leisten?
SIMON TONAT: Das ist eben das Investment, das du tätigen musst, um aufs nächste Level zu kommen. Das bedeutet, du kannst neue Services entwickeln, die du in den Markt einführst, die dann vielleicht auch ein attraktiveres Pricing haben, weil du nicht nur Technikerstunden verkaufst. Du kannst daran arbeiten, dich zu digitalisieren und deine Prozesse zu optimieren, was dir wiederum hilft, Kosten zu sparen. Das ist wie in der Produktion. Du hast 100 Leute, die in der Montage und Fertigung die Produkte herstellen. Warum hast du dann fünf Lean-Spezialisten? Weil sie die Prozesse optimieren und dir helfen, mit der gleichen Anzahl an Leuten mehr zu erreichen. Dasselbe musst du im Service tun. Wenn du besser werden willst, musst du auch investieren. Denn wenn du nur operative Leute hast, drehst du dich immer nur im operativen Kreislauf. Wo soll da der Fortschritt herkommen? Die Leute können noch so motiviert sein, aber sie haben einfach nicht die Zeit oder die Kapazität, das zu tun. Es funktioniert einfach nicht.
ANDREA SPIEGEL: Das ist vielleicht auch ein wichtiges Statement, das man mal klar ausspricht. Dann würde ich sagen, setzen wir hier einen kleinen Haken bei diesen drei großen Trendthemen.

ANDREA SPIEGEL: Gibt es noch etwas, bei dem du sagst, das ist jetzt gerade noch nicht so relevant, aber das könnte in der ganz, ganz zukünftigen Zukunft von Bedeutung sein? Wenn wir so ein bisschen auf den Anfang zurückgehen, Science-Fiction-mäßig – also, wo denkst du, wird das langfristig hinführen? Vielleicht auch in 10, 15 oder 20 Jahren?
SIMON TONAT: Also tatsächlich, es gibt ja schon Branchen, in denen das beginnt. Aber ich glaube, ich kann mir noch nicht genau vorstellen, wie das im Maschinenbau aussieht.
ANDREA SPIEGEL: Wir spekulieren einfach ein bisschen.
SIMON TONAT: Aber das Thema mit Cobots und Robotern, die dann Aufgaben übernehmen – also nicht alles. Ich glaube nicht, dass in zehn Jahren plötzlich ein Roboter wie aus iRobot in die Halle marschiert und die Maschine repariert. Aber dass sie Teilaufgaben übernehmen – das kann ich mir schon vorstellen. Zum Beispiel bei vielen Maschinenbauern, die riesige Maschinen bauen, die sehr präzise positioniert werden müssen. Da kommt erstmal der Techniker im Rahmen der Installation, muss alles vermessen, Löcher bohren, das kann zwei Tage dauern. Ich stelle mir vor, dass in ein paar Jahren einfach ein autonomer kleiner Bot mit einem Triller ankommt und das übernimmt.
ANDREA SPIEGEL: Versuch es mal auf Deutsch.
SIMON TONAT: Okay, der macht das dann einfach. Und dann hat man schon mal zwei, drei Tage gespart. Man sieht das ja im Healthcare-Bereich. Klar, das ist jetzt noch etwas, das hauptsächlich in Japan und anderen technologisch fortschrittlicheren Ländern stattfindet. Aber auch in Altenheimen sind dort bereits Roboter im Einsatz. Wenn man sich zum Beispiel die Arbeiten von Professor Dr. Wirtz anschaut, das ist sozusagen die Ikone im Service-Umfeld. Er lehrt an der Universität Singapur. Von den letzten 20 Publikationen, die er veröffentlicht hat, beschäftigen sich bestimmt 15 mit Cobots im Automotive-Bereich und im Maschinenbau. Das wird kommen.
ANDREA SPIEGEL: Das kennen vielleicht auch schon viele aus dem Hotelbereich, zum Beispiel aus dem Urlaub. Ich hatte das vor ein paar Wochen, da gab es einen kleinen Servierroboter, der dann, zumindest wenn er beladen war, leere Teller in die Küche zurückbrachte.
SIMON TONAT: Wie gesagt, ich will ehrlich mit dir sein: Ich kann es mir noch nicht hundertprozentig vorstellen, wie das im technischen Kundendienst bei Maschinenbauern oder Medizintechnikunternehmen aussieht. Aber es wird kommen. Also zumindest werden Roboter Teilaspekte übernehmen.
ANDREA SPIEGEL: Cool. Sehr spannend. Dann können wir uns damit ja noch ein bisschen beschäftigen. Vielleicht kommst du einfach mal irgendwann nochmal vorbei und wir schauen uns das Thema dann genauer an. Vielen Dank für deine Zeit. Danke für den Input, hat Spaß gemacht.
Wir haben uns drei große Trendthemen im Bereich Service und Field Service Management angeschaut: Erstens das Thema Geschäftsmodelle und wie sich diese verändern müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und den Kundenwünschen gerecht zu werden. Dann haben wir das Thema BotsKI-gesteuerte Chatbots, die teilweise auch manuell betrieben werden, bis zu einem gewissen Punkt. Und natürlich das Thema Predictive Maintenance, das vielleicht schon kein „Trend“ mehr ist, aber noch lange nicht der Status Quo.
Ich hoffe, euch hat die Folge gefallen. Wenn das so ist, lasst uns gerne einen Daumen nach oben bei YouTube oder eine Bewertung bei Apple Podcasts, Spotify und Co. da. Ansonsten, wenn ihr noch Fragen zum Thema habt, stellt sie gerne per Nachricht oder Kommentar. Wir leiten sie dann weiter, und Simon kann vielleicht nochmal Rückmeldung geben. Wenn ihr Ideen für neue Folgen habt, lasst es uns wissen. Meldet euch bei uns.
Und vielen Dank nochmal für deine Zeit. Dann sehen wir uns gleich in der zweiten Folge wieder. Macht’s gut, bis zum nächsten Mal. Ciao.
SIMON TONAT: Ciao.

Welche Idee steckt hinter der Multikommissionierung in der Lagerlogistik?

„Die Idee bei der Multikommissionierung ist auch da, eben solche Leerfahrten, Leerwege, egal ob jemand läuft oder eben fährt, zu vermeiden.“

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