ANDREA SPIEGEL: Du hast gerade schon angesprochen, oder wir haben’s jetzt gerade angeteasert, das Thema Kommunikation in der Digitalisierung mal ein bisschen näher zu beleuchten. Also, wie verändert sich das Ganze vielleicht auch durch die Digitalisierung? Also, wenn man’s jetzt mal aus dem privaten Sektor betrachtet, man schreibt irgendwie lieber mal eine Nachricht, als dass man anruft, man sieht sich nicht mehr so oft persönlich, man ist gerne unverbindlich bei Verabredungen, man kann in zwei Wochen noch mal sprechen, bevor wir uns dann treffen. Also, so da auf dem privaten Weg ist es ja schon so, dass sich die Kommunikation, zumindest bei mir, in der Richtung ein bisschen verändert hat. Es ist weniger verbindlich und eher so unmittelbar. Man kann ja noch mal sprechen, man hat ja die Möglichkeit, noch mal zu schreiben, wie auch immer.
Und im Büro ist es ja auch nicht anders. Also, E-Mails, irgendwelche Chats in welchen Portalen auch immer, WhatsApp ist auch nichts Ungewöhnliches mehr auf dem Diensthandy. Das ist mit irgendwie fast schon gewöhnlicher geworden, als sich zu treffen. Oder vielleicht mal noch ein Videocall, je nachdem. Wie würdest du beschreiben, hat die Digitalisierung unsere Art der Kommunikation verändert? Früher war das ja mal so ein Sender-Empfänger-Prinzip, und jetzt ist da irgendwie ganz viel noch dazwischengeschaltet.
ALEXANDER METZLER: Ja, die Kommunikation hat sich grundlegend geändert. Das eine hast du gerade gesagt, das Sender-Empfänger-Prinzip. Früher gab es wenige Sender und ganz viele Empfänger. Und heute gibt es halt ganz viele Sender und ganz viele Empfänger. Ob der Wahlmöglichkeiten, gibt es vielleicht sogar weniger Empfänger heute als Sender, ich weiß es nicht so genau. Vielleicht hat sich die Kommunikation auch verknappt. Man macht Abkürzungen, Emojicons. Wenn ich meinem Opa gesagt habe, Emojicons, hätte der gefragt, was? Ist eine richtige Sprache geworden, damit zu arbeiten. Oder Emotionen zu unterstreichen.
Die vielen Kanäle bringen natürlich auch eine gewisse Herausforderung mit sich. Wie gehe ich überhaupt mit der Informationsflut um? Also, die mich jetzt persönlich betrifft. Ich habe auch ein WhatsApp, ich habe auch ein Facebook, ich habe auch Instagram, dann kriege ich E-Mails. Dann gibt es vielleicht Voice-Mails. Was kann es noch geben? Team-Chats, wenn es ein Projekt erfordert, dass wir mit mehreren Leuten in einem Team-Chat sind. Dann gibt es in meiner Welt, in der Content-Management-Welt, wo ich Webseiten baue, da gibt es noch nationale und internationale Chat-Groups. Also Flip in unserem Fall oder Asana oder was es auch alles sein mag. Also da ist ja auch schon die Kunst des Filterns. Unfassbar viel Information, was ist für mich relevant, was ist für mich nicht relevant. Newsletter, wo man sich angemeldet hat. Das ist ja die reine Pest, ist mal ehrlich. Wo kommt man denn da noch hinterher?
Also da ist wirklich so, das Filtern, glaube ich, wirklich eine große Kunst. Also dieser Initialaufwand, einen Filter vernünftig einzustellen, der wirklich viel abblockt von dem, was da noch durchkommt. Und dann im besten Fall, dass was ankommt, noch relevant ist. Ich glaube, das hat sich stark verändert. Und ich habe neulich mal gelesen, dass Jugendliche mittlerweile große Probleme haben, einen traditionellen Telefonanruf zu machen. Weil die sich dieser direkten Kommunikation gar nicht aussetzen wollen. Weil wenn wir eine Sprachnachricht senden oder eine Textnachricht, dann ist ja immer eine Pufferzeit. Die kommt an, die wird verarbeitet und dann gibt es eine Antwort. Aber direktes Interagieren, so wie wir es jetzt gerade machen, das ist für die fast schon …
ANDREA SPIEGEL: Das ist unmittelbar.
ALEXANDER METZLER: Und ich habe sogar gelesen, dass irgendjemand auf die Idee kam, wie wäre es denn, wenn man einen Echtzeit-Voice-Messenger-Dienst installieren würde?
ANDREA SPIEGEL: Ich hatte da tatsächlich mal ein Erlebnis im Zug. Ich war unterwegs, weiß gar nicht mehr, wohin. Und dann saßen auch zwei Jugendliche in so einem Vierer neben mir und haben sich unterhalten. Und dann sagte einer auch zum anderen, wie cool es doch wäre, wenn man bei einer Sprachnachricht einfach direkt antworten könnte. Wo ich dann auch nur so gedacht habe, ja, das nennt man telefonieren.
ALEXANDER METZLER: Das nennt sich telefonieren, willkommen in der Zukunft.
ANDREA SPIEGEL: Das hat im Prinzip ja nachher auch wieder Auswirkungen auf meinen Büroalltag, sag ich mal so angenommen. Ich kriege von meinem Chef die Aufgabe, irgendwo anzurufen. Und ich scheue mich davor. Also diese direkte Kommunikation wurde dann sozusagen auch beeinflusst durch die Digitalisierung.
ALEXANDER METZLER: Ja, total, würde ich so sehen.
ANDREA SPIEGEL: Im Business ist ja jetzt aber, wie ich gerade schon so ein bisschen angedeutet habe, Kommunikation das A und O. Also ohne geht es ja nicht. Und ich kann auch nicht zu meinem Chef sagen, schick mir gerne eine E-Mail oder schick mir eine Sprachnachricht, weil vielleicht auch zu einem Kollegen muss ja gar nicht immer der Vorgesetzte sein. Wie finde ich jetzt da wieder einen Weg hin, wenn ich da erst mal rausgeflogen bin? Oder es vielleicht gar nie kennengelernt habe, weil ich eben in der Welt aufgewachsen bin, gerade jüngere Generation, die jetzt aber auch langsam ins Arbeitsleben kommt sozusagen, die sagt, ich weiß gar nicht, wie ich jetzt einen Telefonanruf machen soll.
ALEXANDER METZLER: Ja, also ich könnte es jetzt nur so aus meiner Sicht sagen. Möglicherweise irre ich mich da aber auch. Aber für mich, in meiner Welt, gehört das zwischenmenschliche Kommunizieren sozusagen zum Handwerkszeug dazu. Also das ist wie Essen, Schlafen, Sprechen. Ich denke, dass wir da uns wirklich was verschenken, wenn wir davon weggehen oder nur noch digital kommunizieren. Also ich würde sagen, und das ist dann vielleicht auch schon eine Aufgabe, die ans Schulwesen gerichtet ist, dass diese direkte zwischenmenschliche Kommunikation, geübt, gefördert und auch wertgeschätzt werden soll. Und auch, was es uns bringt als Menschen, wenn wir uns direkt miteinander austauschen.
Gucken wir mal ins Privatleben rein, eine Beziehung, die funktioniert auch nur durch Kommunikation. Wenn der Partner mir nicht klar kommuniziert, was er möchte, dann kann ich darauf nicht eingehen. Ich kann ja nicht raten, was im Kopf oder in den Emotionen meiner Partnerin vorgeht. Und sie kann nicht raten, was in mir vorgeht, wenn ich es nicht klar kommunizieren kann. Also ich denke, das sollte zum Grundhandwerk des Menschen dazugehören. Es sollte nicht so erleuchtet sein, dass wir alle telepathisch miteinander kommunizieren.
ANDREA SPIEGEL: Das kann auch gruselig werden.
ALEXANDER METZLER: Aber dann vielleicht, bis es so weit ist, sollten wir vielleicht bei der guten alten Sprache bleiben und die auch weiter fördern. Und das auch in Betrieben als Purpose Punkt vielleicht, als Werte-Liste mit auf den Weg geben.
ANDREA SPIEGEL: Eine gute Kommunikation sozusagen.