ANDREA SPIEGEL: Du hast gerade einige Herausforderungen angesprochen, bei denen ein Losgröße-1-Arbeitsplatz helfen könnte. Könntest du anhand eines Beispiels, das du erlebt hast, beschreiben, wie ein solcher Arbeitsplatz optimal bei diesen Herausforderungen unterstützen kann?
JENS MALSO: Sicher, ich kann das anhand eines Beispiels erläutern. Stellen wir uns vor, ein Auftrag kommt zu mir, und ich muss diesen Auftrag und das zugehörige Teil identifizieren. Hierfür könnte man zunächst annehmen, dass ich das Auftragspapier oder die Laufkarte einscanne, um den Auftrag zu erkennen. Aber das ist nicht ideal. Eine effizientere Möglichkeit könnte sein, dass das Rollband, auf dem die Teile transportiert werden, automatisch zu meinem Arbeitsplatz fährt, und alle notwendigen Komponenten bereits dort bereitliegen.
Auf meinem Pick-by-Light-System sehe ich dann die vier Teile, die zu diesem Auftrag gehören, ohne dass ich mich für die Auftragsnummer interessieren muss, da diese Information irrelevant ist. Auch die Arbeitszeit ist nicht relevant, da es keinen festen Takt gibt. Der Auftrag wird auf meinem Bildschirm gestartet, um mir anzuzeigen, dass er nun bei mir ist. Ich sehe die Teile in den Fächern des Pick-by-Light-Systems, nehme sie heraus und beginne mit der Montage. Bei optimaler Umsetzung habe ich sogar eine Zeichnung oder einen Montagefilm auf meinem Bildschirm. Sobald ich fertig bin, gebe ich den Auftrag an den nächsten Arbeitsplatz weiter, sei es durch persönliche Übergabe oder auf andere Weise.
Ein neuer Mitarbeiter übernimmt den Auftrag, und der Prozess beginnt von vorne. Bei all diesen Schritten wird Reibung minimiert, da der Mensch nicht unnötige Handgriffe ausführen muss, die nicht zur eigentlichen Wertschöpfung beitragen. Die Materialbeschaffung, Werkzeugeinstellungen und Prüfprogrammwahl sind Beispiele für solche Tätigkeiten, die den eigentlichen Arbeitsprozess behindern.
ANDREA SPIEGEL: Das spart Zeit.
JENS MALSO: Genau, und diese Zeitersparnis ist äußerst wertvoll. Die Mitarbeiter, die an solchen Arbeitsplätzen arbeiten, sind oft hoch qualifiziert, und es ist ineffizient, sie mit Aufgaben außerhalb ihrer Kernkompetenz zu belasten. Diese unnötige Beschäftigung mit Nebentätigkeiten ist nicht produktiv und daher bedauerlich. Unser Ziel ist es, alle diese Friktionen aus dem Arbeitsprozess zu entfernen und das Hauptaugenmerk auf die eigentliche Tätigkeit zu legen. Das ist im Wesentlichen das Konzept eines Losgröße-1-Arbeitsplatzes in seiner Zielsetzung und Form.
Sobald ein solcher Arbeitsplatz einmal eingerichtet ist, kann er relativ leicht von anderen Mitarbeitern übernommen werden, da die Maschinen und das Umfeld den Mitarbeiter so gut unterstützen, dass viele Aspekte automatisiert sind und nicht mehr im Detail vom Mitarbeiter gesteuert werden müssen. Das ist das ultimative Ziel.
ANDREA SPIEGEL: Verstehe. Welche Grundvoraussetzungen brauche ich denn minimal in meiner Fabrik oder Umgebung, um einen Losgröße-1-Arbeitsplatz sinnvoll einzurichten, und wie weit kann ich diesen Arbeitsplatzausbauen?
JENS MALSO: Das absolute Minimum ist die Identifikation des Auftrags und damit des Teils. Das ist die grundlegende Voraussetzung. Von dort aus können wir den Prozess schrittweise weiterentwickeln, um ihn produktiver und auf die Haupttätigkeit fokussierter zu gestalten. Hierzu gehören verschiedene Technologien, wie automatischer Transport, Rollenbahnen, Fördermittel, Pick-by-Light-Systeme und Maschinendatenerfassung. Bei der Maschinendatenerfassung geht es nicht so sehr um die Erfassung selbst, sondern um die Vorabkonfiguration für das jeweilige Produkt.
Dies beinhaltet die Wahl von Prüfprogrammen und Vorrichtungen, die effizientesten Prozessabläufe und die Automatisierung von Aufgaben, wie das Etikettendrucken und die Erfassung von Seriennummern. Die Technologieauswahl ist vielfältig und umfasst auch Transponder, die den Vorteil bieten, dass sie eine zuverlässige Identifikation ermöglichen, ohne dass der Mitarbeiter manuell eingreifen muss, was die Effizienz erhöht. Unser Ziel ist es, die Friktionen im Arbeitsprozess zu minimieren und sicherzustellen, dass der Mitarbeiter sich auf die eigentliche Tätigkeit konzentrieren kann. Das kann bis zu hochgradig automatisierten Arbeitsplätzen führen, bei denen der Mitarbeiter keine physischen Geräte bedienen muss und sich ausschließlich auf das Produkt konzentriert.
ANDREA SPIEGEL: Verstehe. Spielen Displays dabei eine Rolle? Zum Beispiel, indem sie Informationen anzeigen, sobald ein Auftrag erkannt wurde, wie die Teile in einer Kiste automatisch erkannt werden und alle relevanten Informationen auf dem Display angezeigt werden?
JENS MALSO: Absolut, Displays können eine wichtige Rolle spielen. Nehmen wir an, es ist eine KLT(Kleinladungsträger) in einer Kiste, die erkannt wird. Auf einem Display können dann alle relevanten Informationen angezeigt werden, die für die Produktion dieses Produkts benötigt werden. Ein Beispiel hierfür sind individuelle Schalter. In einem Aufzug im Sheraton sind die Schalter beispielsweise dreieckig, während sie in einem anderen Aufzug, der in die fünfte Etage führt, rund sind. Die Produktion solcher Schalter ist äußerst komplex und erfordert eine individuelle Herstellung. Mitarbeiter sitzen entlang eines Förderbands, auf dem die KLTs kreisen.
Wenn die KLT an meinem Arbeitsplatz anhält und ich sehe, dass die Teile in den Fächern zu meinem Auftrag passen, beginne ich mit der Arbeit. Falls ich gerade nicht verfügbar bin oder eine kurze Pause benötige, lasse ich die KLT einfach weiterfahren und greife später erneut darauf zu. Dieser Prozess ermöglicht eine effiziente und flexible Produktion, bei der der Fokus auf dem Produkt liegt. Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, wie ein Losgröße-1-Arbeitsplatz gestaltet werden kann, und er kann sehr vielseitig sein.
ANDREA SPIEGEL: Okay.