#28 Digitaler Montagearbeitsplatz mit Jens Malso

Podcast Industrie 4.0 | Der Expertentalk für den Mittelstand

Handmontage an digitalen Arbeitsplätzen – wie das aussehen kann, erklärt Jens Malso, Geschäftsführer der L-mobile Systeme, in Folge 28 unserer Videoshow.

Egal ob man es Werkerassistenzsystem, digitaler Montagearbeitsplatz oder Losgröße 1 Montageplatz nennt – gemeint ist wohl immer dasselbe. In dieser Folge stellen wir uns daher folgende Fragen:

Was ist ein Losgröße 1 Montagearbeitsplatz? Wer braucht einen digitalen Montagearbeitsplatz? Welche Herausforderungen kann nicht mit einem Werkerassistenzsystem lösen? Welche Rolle spielt Auto-ID am Montagearbeitsplatz der Zukunft? Wie smart muss meine Fabrik sein, damit sich das lohnt? Welche IT-Infrastruktur und Technologien braucht ein digitales Werkerassistenzsystem?

Jens erläutert zum Abschluss noch, wie man ein solches Projekt startet und die drei größten Nutzen eines digitalen Montagearbeitsplatzes.

Das Transkript zur Podcast-Folge: Digitaler Montagearbeitsplatz

ANDREA SPIEGEL: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge “Industrie 4.0“, der Experten-Talk für den Mittelstand. Heute befassen wir uns gemeinsam mit einem spezifischen Aspekt der Smart Factory, nämlich der digitalen oder automatisierten Handmontage am Montagearbeitsplatz. Genauer gesagt werden wir uns das Thema “Losgröße-1-Montagearbeitsplatz” genauer ansehen. Wie immer habe ich einen interessanten Gast, einen echten Experten, bei mir. Er ist Geschäftsführer der L-mobile Systeme und bereits zum dritten Mal in unserem Podcast. Herzlich willkommen, Jens Malso.

JENS MALSO: Vielen Dank, dass du mich erneut eingeladen hast.

ANDREA SPIEGEL: Bevor wir richtig durchstarten, möchte ich kurz darauf hinweisen, dass diese Folge auch als Podcast auf Plattformen wie SpotifyiTunes und anderen verfügbar ist. Ihr könnt gerne dort reinhören. Jens, obwohl du bereits mehrmals bei uns zu Gast warst, könntest du unseren Zuhörern nochmals erzählen, wer du bist und was du den ganzen Tag über tust?

JENS MALSO: Natürlich, gerne. Ich bin Jens Malso, und meine Karriere begann als Programmierer. In den 90er Jahren habe ich mich intensiv mit dem Programmieren beschäftigt und war recht erfolgreich darin. Im Jahr 2001 habe ich dann gemeinsam mit Günter Löchner L-mobile gegründet. Heute bekleide ich eine Rolle, die eine Mischung aus Vordenker und Projektleiter für komplexe Projekte ist. Meine Hauptaufgabe besteht darin, Konzepte zu entwickeln, insbesondere im Bereich LogistikMaschinendaten und Fertigung sowie Betriebsdatenerfassung (BDE).

ANDREA SPIEGEL: Um zu beginnen, möchte ich eine grundlegende Frage stellen. Wenn wir heute über das Thema Handmontage sprechen, welche Beispiele für die Anwendung in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) gibt es überhaupt? In welcher Form findet Handmontage statt?

JENS MALSO: Der Begriff “Handmontage” ruft oft bestimmte Vorstellungen hervor. Aus meiner Erfahrung ist Handmontage jedoch nicht immer so zu interpretieren, dass eine Person physisch Teile zusammenbaut. Das muss nicht zwangsläufig der Fall sein. “Losgröße 1” ist ein Konzept, und selbst dieser Begriff ist nicht ganz korrekt. Er beschreibt lediglich den Prozess, bei dem jemand kontinuierlich ein vielfältiges Produkt herstellt. Jeder Arbeitsschritt wird dabei behandelt, als ob er zum ersten Mal ausgeführt wird. Dies kann sich am besten am Beispiel eines klassischen Fahrrads verdeutlichen lassen.

Es gibt DamenräderHerrenräder, verschiedene RadgrößenFahrräder mit Ketten- oder Nabenschaltung, und so weiter. Am Ende bleibt es jedoch immer noch ein Fahrrad. Das bedeutet, der Arbeiter kann keinen wiederkehrenden Ablauf entwickeln. Er muss stets ein völlig neues Fahrrad zusammenbauen und muss sich darauf konzentrieren, dass jedes Fahrrad anders ist. Das ist die Herausforderung von Losgröße 1. Interessanterweise handelt es sich hierbei um Handmontage.

Es gibt jedoch auch ganz andere Beispiele, bei denen keine physische Handarbeit erforderlich ist. Zum Beispiel CNC-Bearbeitungszentren, die jeweils ein Einzelstück produzieren. Jedes Teil ist völlig anders. Ein Programm wird erstellt und getestet, bis das Teil funktioniert. Dann wird das spezifische Teil gefräst oder gebohrt. Hierbei ist keine manuelle Montage beteiligt, und es wird nichts zusammengefügt. In diesem Fall handelt es sich um Fräs- oder Bohrprozesse, die mit Handarbeit nichts zu tun haben. Daher gibt es viele verschiedene Losgröße 1-Handmontage-Prozesse.

ANDREA SPIEGEL: Verstanden.

ANDREA SPIEGEL: Du hast gerade erläutert, was Losgröße 1 eigentlich bedeutet. Können wir vielleicht noch einmal kurz darüber sprechen, welche Vorteile Losgröße 1 tatsächlich in der Fertigung mit sich bringt?

JENS MALSO: Es gibt viele mittelständische Betriebe, die keine Massenproduktion betreiben können, da ihre Produkte anwendungsspezifisch sind. Zum Beispiel sind kundenspezifische Bauteile von höchster Bedeutung. Ein Kunde erstellt eine Zeichnung und benötigt genau dieses Teil, möglicherweise nur vier Stück davon, weil er diese Teile für eine bestimmte Anwendung benötigt und morgen schon wieder etwas völlig anderes. Ein weiteres Szenario sind Teile, die immer wieder individuell in verschiedenen Varianten gefertigt werden müssen.

Denke beispielsweise an Fahrräder. Ich möchte keine 50 Fahrräder in derselben Ausführung kaufen, sondern vielleicht nur zwei. Eines mit einem bestimmten Sattel und das andere mit einem anderen. Unsere Kunden haben solche Geschäftsmodelle, die eine Losgröße-1-Fertigung unerlässlich machen. In diesen Fällen gibt es keinen festen Produktionsrhythmus, keine Massenproduktion, sondern eine flexible Fertigung. Es handelt sich um eine Art Manufaktur, die auf die individuellen Kundenanforderungen eingeht. Diese Flexibilität ermöglicht es, auf maßgeschneiderte Kundenanfragen besser einzugehen.

ANDREA SPIEGEL: Das bedeutet, ich kann besser auf die individuellen Anforderungen meiner Kunden reagieren und ihre maßgeschneiderten Wünsche erfüllen?

JENS MALSO: Genau. Das ist das Ziel und das Geschäftsmodell unserer Kunden. Ein neuer Kunde, den ich letzte Woche getroffen habe, stellt vollständig individuelle Produkte her. Ein Beispiel sind Stühle für besondere Bedürfnisse, die nicht den Standardstühlen entsprechen. Dort wird jeder Stuhl individuell gefertigt. Der Monteur ist wie ein Künstler, der das Produkt erstellt. Er kann vorher nicht genau sagen, wie er es machen wird. Er hat lediglich eine Zeichnung als Richtlinie. Dies ist ein faszinierender und einzigartiger Ansatz für die industrielle Fertigung. Ein solcher Produktionsplatz wird als klassischer Losgröße-1-Arbeitsplatz bezeichnet.

ANDREA SPIEGEL: Verstanden.

ANDREA SPIEGEL: Vor einiger Zeit haben wir bereits mit Kunden gesprochen und festgestellt, dass es viele verschiedene Begriffe gibt, die auf das Konzept des Losgröße 1 Montagearbeitsplatzes hinweisen. Diese Vielfalt an Bezeichnungen kann es manchmal schwierig machen zu verstehen, ob wir alle dasselbe meinen oder ob es sich um unterschiedliche Konzepte handelt. Deshalb würde ich gerne auf einige dieser Begriffe eingehen. Zum Beispiel gibt es den Begriff “One-Piece-Flow“. Handelt es sich dabei um etwas anderes oder ist es dasselbe? Könntest du das bitte näher erläutern?

JENS MALSO: Der One-Piece-Flow ist im Wesentlichen eine Übersetzung des Konzepts des Losgröße 1 Montagearbeitsplatzes. Allerdings ist der One-Piece-Flow nicht statisch. Hierbei geht es darum, dass ein Teil von einer Station zur nächsten weitergeleitet wird. Dies geschieht oft entlang einer Linie, bei der ein Rohmaterialteil an verschiedenen Stationen kontinuierlich weiterverarbeitet wird, bis es zum fertigen Produkt wird. Ein Team von Mitarbeitern oder ein wandernder Mitarbeiter begleitet das Produkt auf diesem Weg. Es gibt also zwei Varianten des One-Piece-Flow.

Bei der einen Variante bewegt der Mitarbeiter das Teil von einer Station zur nächsten, und am Ende rollt das fertige Produkt quasi vom Fließband. Dann kehrt der Mitarbeiter zur ersten Station zurück und beginnt den Prozess von vorne mit einem neuen Teil. Solche Projekte erfordern viel Automatisierung, da die monotone Tätigkeit die Aufmerksamkeit des Menschen nach einer gewissen Zeit beeinträchtigen kann. Es ist äußerst schwierig, acht Stunden lang hochkonzentriert zu arbeiten, insbesondere wenn sich die Produkte ständig ändern. Nach einer Weile sieht man die Unterschiede zwischen den Teilen oft nicht mehr, da sie sich sehr ähneln.

Die Herausforderung besteht darin, die Aufmerksamkeit der Mitarbeiter in diesem kontinuierlichen Arbeitsfluss aufrechtzuerhalten. One-Piece-Flow ist also eine anspruchsvolle Methode, die hochqualifizierte Mitarbeiter und komplexe Programme sowie Technologien erfordert. Es ist nicht genau dasselbe wie der statische Losgröße 1 Montagearbeitsplatz.

ANDREA SPIEGEL: Verstanden.

ANDREA SPIEGEL: Ein weiteres Thema, das wir besprochen haben, ist das Werkerassistenzsystem. Wie passt das nun in den Zusammenhang mit One-Piece-Flow und LG1?

JENS MALSO: Das Werkerassistenzsystem bezieht sich darauf, dass Menschen Werkzeuge verwenden. Diese Werkzeuge müssen jedoch ständig angepasst und eingestellt werden. Um dies zu veranschaulichen, nehmen wir als Beispiel einen Akkuschrauber. Aber nicht irgendeinen Schrauber, sondern einen mit einem festen Drehmoment, einen Drehmomentschlüssel im Akku. Unterschiedliche Produkte erfordern unterschiedliche Drehmomente. In ungünstigen Fällen benötigt eine Schraube an einem Produkt ein bestimmtes Drehmoment, während eine andere Schraube an einem anderen Produkt ein anderes Drehmoment erfordert. Werkerassistenz bedeutet, vorauszudenken, was der Mensch als Nächstes tun wird, und wie man ihn dabei unterstützen kann.

In diesem Zusammenhang bedeutet Werkerassistenz, dass der Schrauber bereits auf das richtige Drehmoment eingestellt ist, wenn der Mitarbeiter ihn greift. Der Mitarbeiter nimmt das Werkstück, legt es in den Prüfautomaten, und der Prüfautomat kennt bereits das Prüfprogramm, den Prüfdruck und die Prüfspannung. Das ist die Idee hinter Werkerassistenz. Es ist ein Prozess, bei dem der Mensch bei seiner Arbeit nahtlos unterstützt wird, ohne ständig daran denken zu müssen, die richtigen Einstellungen vorzunehmen oder die richtigen Vorrichtungen zu verwenden, usw.

ANDREA SPIEGEL: Vielleicht als letzten Punkt, obwohl es noch weitere Themen wie Traceability gibt, würde mich das Thema Einzelfertigung interessieren. Ist das genau das, was an einem LG1, also Losgröße 1 Arbeitsplatz, gemacht wird, oder handelt es sich um etwas anderes?

JENS MALSO: Tatsächlich ist das im Grunde das, was dort geschieht. Einzelfertigung bedeutet, dass keine wiederkehrende Serie existiert, sondern dass Teile, wenn es vorkommt, nur einmal gefertigt werden und dann nie wieder. Allerdings zeigt die Praxis, dass dies relativ selten vorkommt. Tatsächlich kehren die meisten Produkte im Laufe der Zeit sporadisch zurück, aber es ist nicht die Regel. Wenn ich einen Prozess habe, in dem ich individuelle Produkte immer wieder herstelle, kann es sein, dass ich Arbeitsplätze einrichte, die nur für dieses spezielle Produkt geeignet sind. Das ist eine völlig andere Art von Rhythmus, der hier stattfindet.

ANDREA SPIEGEL: Verstanden.

ANDREA SPIEGEL: Wir haben gerade darüber gesprochen, was Losgröße 1 ist und was diesen Arbeitsplatz ausmacht. Aber wer benötigt eigentlich einen solchen Arbeitsplatz? Für wen ist dieses Thema relevant?

JENS MALSO: Das sind ganz klar Hersteller von hochwertigen Gütern. In unserer Kundschaft haben wir beispielsweise Hersteller von individuell gefertigten Ventilen oder Sicherungen. Solche Produkte erfordern definitiv einen Arbeitsplatz für Losgröße 1. Ein weiteres Beispiel sind Rollladenhersteller, insbesondere für Häuser mit individuell gestalteten Fenstern. Denn heute sind unterschiedlich große Fenster in Häusern sehr beliebt. Daher müssen auch die Rollläden unterschiedliche Größen haben. Es handelt sich zwar immer um dasselbe Produkt, aber die Größenvariieren, manchmal nur um wenige Millimeter. Diese Unterschiede sind für das menschliche Auge kaum erkennbar. Daher benötigen wir Systeme, die bei der Identifizierung des richtigen Teils helfen. Das Problem ist, dass Fehler in solchen Fällen oft unbemerkt bleiben. Niemand kann den Unterschied mit bloßem Auge feststellen. Das Schlimmste daran ist, dass die Produkte nachher nicht ordnungsgemäß funktionieren. Wenn ich also individuelle Kundenanfragen oder Einzelstücke produziere, beträgt meine Losgröße 1. Selbst wenn ich 1000 Stücke herstelle, produziere ich tatsächlich 1001, um auf Nummer sicher zu gehen. Wenn dann eines dieser Teile defekt ist, habe ich immer noch eins übrig.

Wenn ich jedoch ein Einzelstück herstelle, fertige ich nur genau dieses eine Stück, ohne ein weiteres für den Fall, dass ich es später benötigen könnte. Das wäre ineffizient. Wenn jedoch ein Teil fehlt, muss ich die gesamte Produktion anhalten, ein neues Teil herstellen und es bis zum Anfang der Produktionslinie durchreichen. Das kann äußerst problematisch sein. Daher ist die Herausforderung bei Losgröße 1 besonders hoch. Wenn ich weiterhin effizient sein möchte, darf es keine Fehler geben. Null Fehler sind das Ziel. Daher benötige ich eine Kontrolle, die selbst die kleinsten Fehler erkennt, wenn sie auftreten, und zwar idealerweise frühzeitig im Prozess. Ich möchte nicht erst bemerken, dass ich ein Produkt nicht zusammenbauen kann, weil es einen Millimeter zu lang ist. Stattdessen möchte ich bemerken, wenn ich es abschneide, dass es einen Millimeter zu lang ist. Oder noch schlimmer, wenn es zu kurz ist. Das Absägen kann eine knifflige Angelegenheit sein.

ANDREA SPIEGEL: Dransägen klingt tatsächlich nicht sehr erfreulich.

JENS MALSO: Ja, “Dransägen” ist ein unangenehmes Wort.

ANDREA SPIEGEL: Aber würdest du sagen, dass sich Losgröße 1 und Massenfertigung eigentlich ausschließen?

JENS MALSO: Nein, überhaupt nicht.

ANDREA SPIEGEL: Warum nicht?

JENS MALSO: Ganz einfach. Ich kann einzelne Dinge in großer Menge fertigen. Wir haben Kunden, die am Tag 1000 Einzelstücke herstellen. Obwohl jedes einzelne Teil nur ein Einzelstück ist, handelt es sich dennoch um wiederholte Tätigkeiten, bei denen jeden Tag, im Grunde fehlerfrei, immer etwas Neues produziert wird. Das ist Massenfertigung. In einem solchen Umfeld sind keine Paletten im Gleichschritt aufgereiht, sondern es gibt kleine, große und mittelgroße Pakete, und alles ist möglich. Das ist definitiv Massenfertigung, und kein Produkt kommt zweimal vor. Das ist wirklich sehr interessant.

ANDREA SPIEGEL: Du hast gerade einige Herausforderungen angesprochen, bei denen ein Losgröße-1-Arbeitsplatz helfen könnte. Könntest du anhand eines Beispiels, das du erlebt hast, beschreiben, wie ein solcher Arbeitsplatz optimal bei diesen Herausforderungen unterstützen kann?

JENS MALSO: Sicher, ich kann das anhand eines Beispiels erläutern. Stellen wir uns vor, ein Auftrag kommt zu mir, und ich muss diesen Auftrag und das zugehörige Teil identifizieren. Hierfür könnte man zunächst annehmen, dass ich das Auftragspapier oder die Laufkarte einscanne, um den Auftrag zu erkennen. Aber das ist nicht ideal. Eine effizientere Möglichkeit könnte sein, dass das Rollband, auf dem die Teile transportiert werden, automatisch zu meinem Arbeitsplatz fährt, und alle notwendigen Komponenten bereits dort bereitliegen.

Auf meinem Pick-by-Light-System sehe ich dann die vier Teile, die zu diesem Auftrag gehören, ohne dass ich mich für die Auftragsnummer interessieren muss, da diese Information irrelevant ist. Auch die Arbeitszeit ist nicht relevant, da es keinen festen Takt gibt. Der Auftrag wird auf meinem Bildschirm gestartet, um mir anzuzeigen, dass er nun bei mir ist. Ich sehe die Teile in den Fächern des Pick-by-Light-Systems, nehme sie heraus und beginne mit der Montage. Bei optimaler Umsetzung habe ich sogar eine Zeichnung oder einen Montagefilm auf meinem Bildschirm. Sobald ich fertig bin, gebe ich den Auftrag an den nächsten Arbeitsplatz weiter, sei es durch persönliche Übergabe oder auf andere Weise.

Ein neuer Mitarbeiter übernimmt den Auftrag, und der Prozess beginnt von vorne. Bei all diesen Schritten wird Reibung minimiert, da der Mensch nicht unnötige Handgriffe ausführen muss, die nicht zur eigentlichen Wertschöpfung beitragen. Die MaterialbeschaffungWerkzeugeinstellungen und Prüfprogrammwahl sind Beispiele für solche Tätigkeiten, die den eigentlichen Arbeitsprozess behindern.

ANDREA SPIEGEL: Das spart Zeit.

JENS MALSO: Genau, und diese Zeitersparnis ist äußerst wertvoll. Die Mitarbeiter, die an solchen Arbeitsplätzen arbeiten, sind oft hoch qualifiziert, und es ist ineffizient, sie mit Aufgaben außerhalb ihrer Kernkompetenz zu belasten. Diese unnötige Beschäftigung mit Nebentätigkeiten ist nicht produktiv und daher bedauerlich. Unser Ziel ist es, alle diese Friktionen aus dem Arbeitsprozess zu entfernen und das Hauptaugenmerk auf die eigentliche Tätigkeit zu legen. Das ist im Wesentlichen das Konzept eines Losgröße-1-Arbeitsplatzes in seiner Zielsetzung und Form.

Sobald ein solcher Arbeitsplatz einmal eingerichtet ist, kann er relativ leicht von anderen Mitarbeitern übernommen werden, da die Maschinen und das Umfeld den Mitarbeiter so gut unterstützen, dass viele Aspekte automatisiert sind und nicht mehr im Detail vom Mitarbeiter gesteuert werden müssen. Das ist das ultimative Ziel.

ANDREA SPIEGEL: Verstehe. Welche Grundvoraussetzungen brauche ich denn minimal in meiner Fabrik oder Umgebung, um einen Losgröße-1-Arbeitsplatz sinnvoll einzurichten, und wie weit kann ich diesen Arbeitsplatzausbauen?

JENS MALSO: Das absolute Minimum ist die Identifikation des Auftrags und damit des Teils. Das ist die grundlegende Voraussetzung. Von dort aus können wir den Prozess schrittweise weiterentwickeln, um ihn produktiver und auf die Haupttätigkeit fokussierter zu gestalten. Hierzu gehören verschiedene Technologien, wie automatischer TransportRollenbahnenFördermittelPick-by-Light-Systeme und Maschinendatenerfassung. Bei der Maschinendatenerfassung geht es nicht so sehr um die Erfassung selbst, sondern um die Vorabkonfiguration für das jeweilige Produkt.

Dies beinhaltet die Wahl von Prüfprogrammen und Vorrichtungen, die effizientesten Prozessabläufe und die Automatisierung von Aufgaben, wie das Etikettendrucken und die Erfassung von Seriennummern. Die Technologieauswahl ist vielfältig und umfasst auch Transponder, die den Vorteil bieten, dass sie eine zuverlässige Identifikation ermöglichen, ohne dass der Mitarbeiter manuell eingreifen muss, was die Effizienz erhöht. Unser Ziel ist es, die Friktionen im Arbeitsprozess zu minimieren und sicherzustellen, dass der Mitarbeiter sich auf die eigentliche Tätigkeit konzentrieren kann. Das kann bis zu hochgradig automatisierten Arbeitsplätzen führen, bei denen der Mitarbeiter keine physischen Geräte bedienen muss und sich ausschließlich auf das Produkt konzentriert.

ANDREA SPIEGEL: Verstehe. Spielen Displays dabei eine Rolle? Zum Beispiel, indem sie Informationen anzeigen, sobald ein Auftrag erkannt wurde, wie die Teile in einer Kiste automatisch erkannt werden und alle relevanten Informationen auf dem Display angezeigt werden?

JENS MALSO: Absolut, Displays können eine wichtige Rolle spielen. Nehmen wir an, es ist eine KLT(Kleinladungsträger) in einer Kiste, die erkannt wird. Auf einem Display können dann alle relevanten Informationen angezeigt werden, die für die Produktion dieses Produkts benötigt werden. Ein Beispiel hierfür sind individuelle Schalter. In einem Aufzug im Sheraton sind die Schalter beispielsweise dreieckig, während sie in einem anderen Aufzug, der in die fünfte Etage führt, rund sind. Die Produktion solcher Schalter ist äußerst komplex und erfordert eine individuelle Herstellung. Mitarbeiter sitzen entlang eines Förderbands, auf dem die KLTs kreisen.

Wenn die KLT an meinem Arbeitsplatz anhält und ich sehe, dass die Teile in den Fächern zu meinem Auftrag passen, beginne ich mit der Arbeit. Falls ich gerade nicht verfügbar bin oder eine kurze Pause benötige, lasse ich die KLT einfach weiterfahren und greife später erneut darauf zu. Dieser Prozess ermöglicht eine effiziente und flexible Produktion, bei der der Fokus auf dem Produkt liegt. Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, wie ein Losgröße-1-Arbeitsplatz gestaltet werden kann, und er kann sehr vielseitig sein.

ANDREA SPIEGEL: Okay.

ANDREA SPIEGEL: Du hast jetzt gerade schon so was wie Pick-by-Light mal fallen lassen. Was brauche ich Minimum in meiner Fabrik oder in meinem Umfeld für den Losgröße 1 Arbeitsplatz, damit das sinnhaft funktionieren kann und bis zu welcher Stufe kann ich den ausbauen?

JENS MALSO: Im Minimum brauche ich die Identifikation des Auftrags und damit des Teils. Das ist das absolute Minimum. Dann zeige ich eine Handvoll von Informationen, die ich zu dem Auftrag brauche. Und das ist sozusagen die Baseline und von da an kann ich den Prozess luxuriöser machen. Luxuriöser heißt produktiver und heißt konzentrierter auf die Tätigkeit.

Und dazu gehören alle Technologien, die uns zur Verfügung stehen. Also automatischer Transport, wie RollenbahnenFördermittel, was auch immer. Pick-by-Light ist sicherlich am Einzelarbeitsplatz eine gute Sache. Ein bisschen Maschinendatenerfassung, also nicht so sehr im Sinne der Erfassung, sondern im Sinne der Voreinrichtung für dieses Produkt. Also Prüfprogramme, welche Vorrichtung muss ich nehmen? Wenn ich die in das Gerät fördern kann, umso besser.

EtikettendruckSeriennummernerfassung. Ich nehme aus meinem Behälter eine Simkarte und lege die ein. Und welche EMI hat die? Ich weiß es nicht. Kann ich die abtippen? Ungern. Wie kann ich es schaffen, dass ich diesen Prozess automatisiere? Ich baue die EMI, die Simkarte in mein Produkt ein und reiche es weiter und ich will aber wissen, welche Seriennummer von meinem Teil mit welcher Simkarte verheiratet wurde, und zwar ohne dass das einer eintippt.

Wie geht das? Wie schiebe ich den weiter und prüfe, ob die funktioniert? Das wären alles Dinge, die man automatisieren kann und die Technologie dafür ist sehr vielfältig. Transponder spielen eine Rolle, Transponder haben den Riesenvorteil, dass sie wirklich identifiziert sind und ich brauche die nicht bedienen. Ich kann meine Hände für meinen Prozess verwenden und ich brauche nichts tippendrückenscannen. Und was wir wollen, ist, dass wir all diese Friktionen von dem Arbeitsprozess entfernen. Und das geht mit bis hin zu sehr frisierten Plätzen, wo der Mitarbeiter dennoch kein Gerät anfasst. Im besten Falle steht nur das Produkt im Mittelpunkt.

ANDREA SPIEGEL: Spielen denn da zum Beispiel auch Displays eine Rolle? Also ich stell mir das jetzt vor, der Auftrag kommt an bei der Person, zum Beispiel im KLT drin, in einer Kiste, die wird automatisch erkannt, zum Beispiel über einen RFID-Tag oder was auch immer an der Kiste verbaut ist. Der Auftrag wird erkannt und auf einem Displayerscheint der Auftrag mit allen relevanten Informationen, die ich zum Erstellen dieses Produkts dann brauche.

JENS MALSO: Exakt. Um ein anderes Beispiel zu nennen. Individuelle Schalter. Ich gehe in einen Aufzug im Sheraton. Der Aufzug ist natürlich von Thyssen und die Knöpfe sind dreieckig, warum auch immer. Und ich gehe in denselben Aufzug, der aber auch in die fünfte Etage führt. Und da sind die Knöpfe rund. Und das ist ein eigenes komplexes Thema, wie man diese Paneele baut.

Und die sind alle individuell. Auf der Rollenbahn fahren diese Kisten, diese KLTs im Kreis und um den Kreis herum sitzen Menschen. Die Kiste kommt und wenn an meinem Arbeitsplatz, in meinen Fächern Teile liegen, die zu dem Auftrag passen, hält der neben mir an. Wenn ich sehe, da steht eine und hält da an für, sagen wir mal 15-20 Sekunden und wenn ich will, zieh ich den rein, mach mein Ding und dann fährt der weiter. Wenn ich gerade was mache oder ich stelle fest…

ANDREA SPIEGEL: Ich kann gerade nicht.

JENS MALSO: Ja, ich möchte gerne eine rauchen gehen und das ist mir zu lang. Dann lass ich den und dann fährt er weiter im Kreis.

ANDREA SPIEGEL: Und dann kommt der irgendwann wieder.

JENS MALSO: Und dann kommt er irgendwann wieder an und dann geht es weiter. Also sowas kann man sich auch vorstellen und es gibt da alles. Einen Losgröße 1 Arbeitsplatz zu erkennen, wenn man davorsteht, ist gar nicht so leicht, weil die tatsächlich sehr inhomogen sind. Es gibt alles.

ANDREA SPIEGEL: Okay.

ANDREA SPIEGEL: Verstanden. Wir haben gerade über RFID-Tags gesprochen und deren Automatisierung. Ich würde gerne von dir wissen, wie wichtig die Auto-ID-Technologie an einem Losgröße-1-Arbeitsplatz ist.

JENS MALSO: Die Auto-ID-Technologie ist von grundlegender Bedeutung. Es geht darum, jedes einzigartige Teil zu identifizieren. Wir verwenden Transponder, um Aufträge und später auch Teile zu kennzeichnen. Diese Auto-ID-Technologie ist unverzichtbar. Tatsächlich kommt an so gut wie jedem Losgröße-1-Arbeitsplatz in irgendeiner Form ein Transponder zum Einsatz. Wir haben sogar Arbeitsplätze entwickelt, bei denen der Auftrag selbst aus dem Fokus verschwindet. Er wird nicht mehr benötigt. Stattdessen wird einfach angezeigt, was getan werden muss. Die Arbeit wird erledigt, ohne dass jemand manuell eingreifen oder buchen muss. Das Produkt wird gebaut, und wir stellen fest, ob die Maschine die erwarteten Schritte durchgeführt hat. Dann geht es nahtlos zum nächsten Auftrag über, ohne dass das Wort “Auftrag” im Prozess überhaupt noch eine Rolle spielt. Das mag überraschend klingen, aber es ist durchaus möglich.

ANDREA SPIEGEL: In deutschen KMUs gibt es jedoch häufig das Problem, dass noch nicht viel in Richtung Digitalisierung unternommen wurde, insbesondere im Bereich der Fertigung. Alles steckt noch in den Anfängen. Wie sinnvoll wäre es dann, wenn jemand sagt: “Ich finde diesen Montage-Arbeitsplatz, den wir hier beschrieben haben, großartig und möchte ihn in meinem Betrieb haben. Ich werde jedoch weiterhin analog in den anderen Bereichen der Fertigung arbeiten.” Kann das funktionieren? Ist das sinnvoll? Oder warum sollte man das tun oder nicht?

JENS MALSO: Das sind zwei Fragen. Kann das funktionieren? Ja, man kann einen isolierten Arbeitsplatz erstellen, und er wird natürlich funktionieren. Ist das sinnvoll? Bedingt. Der Produktivitätsschub ergibt sich aus dem Gesamtprozess, der das Produkt von Anfang bis Ende begleitet. Wenn ich das Material mühsam zu den Arbeitsplätzen bringe und das Produkt nach sorgfältiger Herstellung wieder auf Kisten stelle und Zettel darauf lege, die ich später suchen muss, kann ich den Produktivitätsschub, den ich durch den Montage-Arbeitsplatz erhalte, nicht wirklich nutzen. Das ist wie ein Auto mit einem leistungsstarken Motor, aber schlechten Bremsen. Ja, ich kann schnell fahren, aber es ist sehr gefährlich.

ANDREA SPIEGEL: Weil ich nicht bremsen kann.

JENS MALSO: Genau. Das lässt sich nicht direkt übertragen, aber Tatsache ist, dass isolierte Maßnahmen in der Regel problematisch sind. Denn was an Produkten oder Waren aus diesen Arbeitsplätzen resultiert, wird am anderen Ende nicht richtig aufgenommen. Möglicherweise muss ich viel Aufwand betreiben, um alles dorthin zu bringen, weil meine Logistik nicht gut mit dem Prozess vor Ort verzahnt ist. Daher mag ich isolierte Projekte nicht besonders. Nicht, weil sie nicht funktionieren, sondern weil ich oft nicht erkennen kann, welchen Nutzen sie gebracht haben.

ANDREA SPIEGEL: Weil die Ausgabe einfach nicht den Erwartungen entspricht. Oder man weiß gar nicht, was die Ausgabe tatsächlich ist.

JENS MALSO: Ja, das ist richtig. Man kann das schon sehen, aber es ist nicht ideal. Ich wünsche mir eine Smart Factory, die den gesamten Produktionsprozess reibungslos beherrscht, und nicht nur an einer Stelle sehr schnell ist und an einer anderen Stelle sehr langsam.

ANDREA SPIEGEL: Verstanden.

ANDREA SPIEGEL: Okay. Wenn ich jetzt ein Losgröße-1-Projekt in Betracht ziehe und bereit bin, alles zu tun, was erforderlich ist, um diesen Arbeitsplatz in meinem Unternehmen zu installieren, werde ich wahrscheinlich vor einige Herausforderungen gestellt. Wie gehe ich also ein solches Projekt an? Wo sollte ich anfangen? Was kann mein Unternehmen möglicherweise schon vorbereiten? Oder worauf lasse ich mich ein? Vielleicht ist das die richtige Frage.

JENS MALSO: Meiner Meinung nach muss man sich einem solchen Prozess nähern, als würde man einen Menschen kennenlernen. Ich glaube, man sollte wirklich einen Tag lang zuschauen und auch mal nachfragen, entschuldigen Sie, was machen Sie hier? Man muss verstehen, wie es funktioniert. Ich sage nicht, dass man die Teile selbst herstellen können muss, aber man sollte zumindest verstehen, wie alles zusammenhängt und was die Menschen dort tun. Denn es funktioniert nicht, einen solchen Prozess am Schreibtisch zu planen und dann zu hoffen, dass es irgendwie funktioniert. Das bedeutet, Losgröße 1 Arbeitsplätze müssen verstanden werden. Wir haben ein Projekt durchgeführt, in dem diese Arbeitsplätze vor dem Projekt überhaupt nicht existierten. Wir haben sie also zusammen mit dem Kunden neu entwickelt. Und das war ziemlich schwierig.

ANDREA SPIEGEL: Das hätte ich nicht erwartet. Warum war das so?

JENS MALSO: Weil niemand wusste, wie es gemacht werden sollte. Auch nicht die Leute, die es umsetzen sollten. Das war eine ziemliche Herausforderung. Wir haben also gemeinsam gelernt, wie dieser Arbeitsplatz funktioniert. Am Ende war es natürlich erfolgreich, aber es hat unglaublich lange gedauert. Wir mussten viele kleine Lösungen finden für Dinge, von denen wir dachten, sie wären einfach. Dann haben wir jedoch festgestellt, dass nichts einfach ist. Das war interessant. Es ist natürlich einfacher, wenn ein solcher Arbeitsplatz bereits existiert und es zumindest eine Person gibt, die weiß, wie es funktioniert, so dass man von ihr lernen kann. Daher ist die Vorbereitung darauf, diese Arbeitsplätze tatsächlich live zu erleben und zu verstehen, was dort geschieht. Man muss wirklich wissen, was vor sich geht. Jeder Kunde, der ein solches Projekt in Erwägung zieht, sollte sich im Vorfeld darüber im Klaren sein, welche Teile dieses Arbeitsplatzes verbesserungsfähig sind und durch Unterstützung oder Werksassistenz verbessert werden können. Das ist notwendig. Da diese Lösungen von der Detailoptimierung leben, ist es nicht einfach, sie einfach so umzusetzen. Es ist eher so, dass man sie gemeinsam mit dem Kunden modelliert. Man geht möglicherweise Schritt für Schritt vor und muss jeden Schritt modellieren, bis man das gewünschte Ergebnis erzielt. Das braucht Zeit. Für ein solches Projekt benötigt man auf Kundenseite einen Projektleiter, der auch präsent ist. Es darf nicht einfach der EDV-Leiter sein, der sich nebenbei darum kümmert. Am besten sollte es jemand sein, der die Zeit hat, das Projekt zu begleiten und auch darin lebt. Das ist eine der Grundvoraussetzungen. Es ist nicht wie bei der Optimierung des Wareneingangs in der Logistik, das kann man auch ohne weiteres schaffen.

ANDREA SPIEGEL: Jetzt hast du bereits das Thema Bedürfnisse und individuelle Anpassungen angesprochen. Das bedeutet, um es noch einmal deutlich zu sagen, ein Losgröße-1-Arbeitsplatz kann vollständig an die Bedürfnisse meines Unternehmens, meiner Arbeitsabläufe und meiner Prozesse angepasst werden.

JENS MALSO: Absolut. Meiner Meinung nach ist es sogar eine grundlegende Voraussetzung, den Arbeitsplatz an die spezifische Aufgabe anzupassen. Ich glaube, es ist schwer, eine vorgefertigte Lösung zu finden, insbesondere angesichts der Vielfalt an Produkten und Kunden, die wir betreuen. Wenn wir uns nur auf Tetra Pak konzentrieren würden, wäre das vielleicht möglich. Obwohl Tetra Pak nicht genau Losgröße 1 ist. Aber in diesem Bereich, in dem es stattfindet, ist Individualisierung entscheidend. Ganz klar.

ANDREA SPIEGEL: Wir haben bereits darüber gesprochen, was ein Unternehmen tun muss, um sich vorzubereiten und welche Vorteile sich daraus ergeben. Wie sieht es jedoch mit den Mitarbeitern aus? Im besten Fall führt man eine Verbesserung für seine Mitarbeiter ein. Wie kann man sie richtig in das Projekt einbinden? Wo sollte man ansetzen und sollten sie überhaupt einbezogen werden?

JENS MALSO: Das ist nicht einfach, insbesondere weil es sich um hochqualifizierte Mitarbeiter handelt, die stolz auf ihre Arbeit sind. Sie möchten nicht, dass wir ihnen erklären, wie ihre Arbeit funktioniert. Vor allem dann nicht, wenn wir einen Prozess ändern, der bisher gut zu funktionieren schien. Das stößt oft auf Widerstand und ist wirklich eine Herausforderung.

Wir haben mit den Mitarbeitern interessante Konflikte erlebt, bei denen sie sich gefragt haben, warum etwas geändert werden muss. Und wir haben gesagt, es muss geändert werden, weil es an diesem Arbeitsplatz vielleicht bequem ist, aber für die anderen 90 Prozent nicht. Die Mitarbeiter können sich dagegen wehren und sagen, dass es in ihrem Bereich nicht funktioniert. Ja, das stimmt, aber wir müssen trotzdem daran festhalten. Bitte halten Sie durch, der nächste Schritt wird besser. Es ist wirklich schwierig. Außerdem kommen wir von außen und können nicht auf Augenhöhe mit den Mitarbeitern sprechen, weil wir einfach nicht Teil des Teams sind.

ANDREA SPIEGEL: Wir wissen nicht, was sie täglich tun.

JENS MALSO: Genau, wir gehören nicht dazu. Das gilt für alle unsere Projekte. Wir suchen nach Menschen, die flexibel sind und eine gewisse Belastbarkeit mitbringen. Menschen, die nicht gleich aufgeben, wenn es schwierig wird. Und ich selbst gehöre dazu. Ich will, dass es funktioniert. Diese Menschen nutzen wir als unsere Multiplikatoren.

ANDREA SPIEGEL: Sozusagen die Pioniere?

JENS MALSO: Ja, aber auch echte Mentoren, die anderen sagen, bleibt ruhig. Wir schaffen das gemeinsam. Wenn ich danebenstehe, hat das den gegenteiligen Effekt. Das ist wirklich schwierig. Die Anfangsschwierigkeiten eines Losgröße-1-Arbeitsplatzes, das Konzept eines neuen Arbeitsplatzes, gehören zu den nervenaufreibenderen Themen.

ANDREA SPIEGEL: Zusammengefasst bedeutet das, dass ich die Menschen auswähle, die Interesse an einem solchen Projekt haben, die dabei sein wollen und die ihre Leidenschaft dafür einsetzen. Und das sind dann diejenigen in meinem Team, die es an die anderen weitertragen.

JENS MALSO: Die tragen es zu den anderen. In jedem Team gibt es schnellere und langsamere Mitarbeiter, und man muss alle mitnehmen. Das dauert unterschiedlich lange, aber jeder möchte in seiner Arbeit kompetent sein. Jeder will gute Arbeit leisten, und das ist unser Ziel. Es ist jedoch nicht einfach für uns.

ANDREA SPIEGEL: Das ist definitiv eine Herausforderung. Ganz klar.

JENS MALSO: Ein ELV-Projekt hat also auch immer einen Aspekt der zwischenmenschlichen Beziehungen. Ganz klar.

ANDREA SPIEGEL: Zum Abschluss würde mich interessieren, wenn wir jetzt alles, was wir gerade besprochen haben, noch einmal zusammenfassen wollen. Was sind denn für dich die drei wichtigsten oder größten Nutzen von so einem LG1? Vielleicht für das Unternehmen, aber eben auch für die, die es nachher benutzen.

JENS MALSO: Der größte Nutzen ist, dass der LG1-Arbeitsplatz sich plötzlich planbar verhält. Ich brauche viele Dinge nicht mehr explizit zu planen, sondern ich habe implizite Prozesse geschaffen, die einander bedingen. Also, ich nehme das vorletzte Teil aus der KTL-Box, und es fließt einander nach. Wie das genau geschieht, steht auf einem anderen Blatt, aber es ist ein Aspekt dieses Arbeitsplatzes, um den ich mich nicht mehr kümmern muss. Ein Auftrag, dessen Teile nicht verfügbar sind, gelangt gar nicht erst bis dahin, als Beispiel. Und das ist einer der größten Nutzen, dass wir jetzt Arbeitsplätze schaffen, die sich in das Planungskonzept in der Firma einfügen. Sie sind plötzlich beherrschbar und nachvollziehbar, weil sie nur noch relativ wenige Parameter haben, an denen ich die Planung vornehmen kann. Vorher musste ich ganz andere Dinge tun.

Zweiter Nutzen, wenn es gut läuft, ist, dass sie natürlich schneller sind. Denn ich bereite die Arbeit so gut vor, dass ich mich nur noch auf die wertschöpfende Tätigkeit konzentrieren muss.

ANDREA SPIEGEL: Also nur noch die tatsächliche Tätigkeit ausführen muss.

JENS MALSO: Richtig. Und …

ANDREA SPIEGEL: Einen hast du noch?

JENS MALSO: Einen habe ich noch, ja. Mal gucken, was haben wir noch.

ANDREA SPIEGEL: Vielleicht für die Mitarbeiter?

JENS MALSO: Das ist schwierig. Die Mitarbeiter sagen, vorher war es gut, jetzt ist es gut. Es gibt natürlich Dinge, bei denen sie sagen, ja, das ist schon praktisch, dass ich nicht immer das Drehmoment einstellen muss. Es ist hilfreich, dass ich jetzt nicht mehr vergessen kann, wie oft ich das schon gemacht habe. Wenn ich es viermal gemacht habe, dann kann er weiter. Das ist schon von Vorteil. Aber tatsächlich bin ich noch nie mit einer Torte empfangen worden.

ANDREA SPIEGEL: Nein?

JENS MALSO: Nein. Ich behaupte, dass die Auswirkungen auf die Mannschaft eher moderat sind. Aber tatsächlich sind die ersten beiden Aspekte unternehmerisch betrachtet die bedeutendsten. Ich kann den Fluss dieses Arbeitsplatzes jetzt in meinen restlichen Betriebsablauf in der Firma integrieren, das ist wirklich von großem Nutzen. Und vor allem sind die Arbeitsplätze jetzt papierfrei. Es gibt keine schreckliche Laufkarte mehr und solche Dinge. Das hört komplett auf. Das bedeutet, wir haben jetzt eine Maschine, die einfach läuft. Sprit rein, und sie läuft. Das ist meiner Meinung nach der größte Vorteil.

ANDREA SPIEGEL: Okay, dann lassen wir es so stehen. Vielen Dank für deine Zeit, Jens, für die Einblicke in das Thema Losgröße 1TraceabilityOne-Piece-Flow und all die verschiedenen Namen dafür. Vielen Dank auch für die Einordnung und die Zeit, wie gesagt. Wir hoffen, dass ihr da draußen auch einige Erkenntnisse aus dieser Folge mitnehmen konntet. Wenn ihr noch Fragen an Jens habt, dann stellt sie gerne in den Kommentaren. Und wenn euch die Folge gefallen hat, gebt uns gerne einen Daumen nach oben auf YouTube. Wenn ihr weitere Fragen oder Themenwünsche für zukünftige Folgen habt, schreibt sie gerne unten in die Kommentare. Und nochmals vielen Dank an dich, Jens, für deine Zeit und deine spannenden Einblicke.

JENS MALSO: Gern geschehen.

ANDREA SPIEGEL: Dann sagen wir bis zum nächsten Mal.

Welche Idee steckt hinter der Multikommissionierung in der Lagerlogistik?

„Die Idee bei der Multikommissionierung ist auch da, eben solche Leerfahrten, Leerwege, egal ob jemand läuft oder eben fährt, zu vermeiden.“

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