ANDREA SPIEGEL: Wir haben es gerade noch, oder du hast es jetzt schon mal so in einem Nebensatz angeschnitten, dass der 3D-Druck natürlich auch ein paar Grenzen hat. Kannst du uns dazu noch ein bisschen was erzählen, wo es dann schwierig wird, sage ich mal, oder wo man sagt, na, da müssen wir dann schon noch auf herkömmliche Verfahren zurückgreifen?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Letztendlich, wenn es um Dichtungssitze, Lagersitze, also hochpräzise Bauteile geht, die wirklich Genauigkeiten im Mikrometerbereich haben müssen, da hört irgendwann die Genauigkeit des 3D-Drucks auf. Da greift man dann immer wieder auf die konventionelle Fertigung zurück. Aber selbst das eine schließt das andere ja nicht aus. Ich kann die Teile ja vorher additiv fertigen und dann die benötigten Flächen mit der konventionellen Fertigung nachbearbeiten. Auch das ist ressourcenschonend, weil ich gar nicht mehr so viele Späne produziere, wie vielleicht, wenn ich das ganze Bauteil aus dem Vollen herausarbeite.
Späne muss ich immer wieder einschmelzen, was Energie kostet. Wenn ich nicht so viel Späne habe, muss ich auch nicht so viel einschmelzen. Das heißt, das eine wird das andere niemals komplett ersetzen. Es wird immer eine Symbiose aus beidem sein. Und damit kann man auch sicherlich vielen Leuten die Angst vor dem 3D-Druck nehmen, wenn ein CNC-Dreher oder CNC-Fräser Angst hat, dass er nächste Woche noch gebraucht wird, weil wir jetzt einen 3D-Druckeranschaffen. Ganz klare Antwort: Ja, er wird weiterhin die Nacharbeit machen müssen.
ANDREA SPIEGEL: Man muss die Teile ja auch immer mal wieder prüfen, man kann ja nicht einfach sagen, einmal gemacht, passt.
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Ja, einmal das. Und es ist halt auch so, dass jedes Bauteil, das aus dem 3D-Druckerkommt – oder viele Bauteile, die nicht nur Anschauungscharakter haben, sondern auch eingesetzt werden sollen – auch irgendwie nachbearbeitet werden müssen. Sei es geschliffen, lackiert oder ähnliches.
ANDREA SPIEGEL: Aber würdest du dann sagen, der 3D-Druck ist wirklich schon so weit, dass er auch für Stückzahlproduktionen und so weiter hilfreich ist? Auch wenn es jetzt vielleicht keine riesige Stückzahl ist. Oder würdest du sagen, eigentlich ist es besonders spannend im Moment in, ich sage mal, Forschungsbereichen, Entwicklungsbereichen, Prototypen, Design und solche Sachen? Oder ist der 3D-Druck schon wirklich, würdest du sagen, so richtig in der Wirtschaft angekommen?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Auch das ist branchenabhängig. Es gibt Branchen, in denen er schon tatsächlich angekommen ist, zum Beispiel in der Luft- und Raumfahrt. Die müssen ja nun mal ganz besonders auf Leichtbau achten, und da ist 3D-Druck tatsächlich schon sehr weit verbreitet. Die haben natürlich auch die umfangreichsten Zulassungsvoraussetzungen, bis so ein Bauteil mal zugelassen ist. Und die Hersteller, die 3D-gedruckte Bauteile zugelassen haben, können sich schon etwas darauf einbilden. Aber auch im Bereich der Automatisierungstechnik, im Vorrichtungsbau und so weiter wird es tatsächlich auch schon industriell eingesetzt.
Wir machen ja auch bei uns an der Hochschule öfter mal Industrieaufträge, daher haben wir da auch direkte Kontakte. Das sind nicht nur alles Anschauungsbauteile. Es sind also tatsächlich zum Beispiel Robotergreifer für die Kuchenindustrie oder Prüfschablonen für die Automobilzuliefererindustrie und so weiter. Also, es ist in einigen Bereichen schon in der Industrie angekommen, und es wird mehr, wo es ankommt.
ANDREA SPIEGEL: Wie kommen die auf die Idee, sich bei euch an der Hochschule zu melden? Werden die einfach sagen: „Ich schaffe mir jetzt im Moment mal noch keinen Drucker an, weil ich noch nicht weiß, ob es die richtige Lösung ist“? Oder wie kommen sie zu euch?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Sie kommen zu uns, weil wir versucht haben, bekannt zu machen, dass wir im Bereich 3D-Druck einiges anbieten können – an Expertise, an Geräten. Wir haben verschiedenste Verfahren, die wir den Firmen auch vorführen können. Wir versuchen es natürlich auch über Forschungsprojekte wie dieses „Digitalise SWF“ publik zu machen. Wir bieten Fortbildungen an und wir versuchen auch immer wieder, auf Tagungen und anderen Veranstaltungen auf uns aufmerksam zu machen. Viele Firmen sind auch so pfiffig, dass sie von sich aus sagen: „Fragen wir doch mal bei einer Hochschule nach, wenn es um neue Technologien geht.“
ANDREA SPIEGEL: Die sind am Puls der Zeit.
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Genau, die sind am Puls der Zeit und sind anders ausgerichtet. Wir sind ja nicht so sehr profitorientiert, wir haben ganz andere Ziele, und deswegen können wir uns vielleicht auch mal eine Maschine für zwei Millionen leisten.
ANDREA SPIEGEL: Die sich jetzt kein Unternehmen einfach mal eben hinstellen würde.
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Genau, die sich ein Unternehmen nicht einfach mal zum Ausprobieren hinstellen kann. Aber wir müssen natürlich auch am Puls der Zeit sein, um unsere Studierenden aktuell auszubilden, und deswegen haben wir dieses Zentrum auch aufgebaut.