#86 3D Druck in der Fertigung mit Prof. Dr.-Ing. Bechthold

Podcast Industrie 4.0 | Der Expertentalk für den Mittelstand

Für viele ein (vielleicht etwas zu leidenschaftliches) Hobby, aber bereits jetzt in vielen Fertigungen fester Bestandteil: 3D Druck.

In Folge vier der Reihe Industrie meets Wissenschaft haben wir Dr. -Ing. Jens Bechthold, Professor für Konstruktionslehre im Fachbereich Maschinenbau und Automatisierungstechnik der Fachhochschule Südwestfalen, zu Gast und besprechen die brennendsten Fragen:

Wie kann der 3D Druck profitabel eingesetzt werden?

Für welche Unternehmen ist die Technologie interessant?

Welches Druckverfahren sollte eingesetzt werden?

Außerdem gehen Andrea und Jens auf Usecases und die perfekte Integration in bestehende Prozesse ein um das Maximum an Produktivität herauszuholen. Tauche am besten direkt in die Welt der 3D Drucker ein und höre in die neuste Episode rein!

Das Transkript zur Podcast-Folge: 3D Druck in der Fertigung

ANDREA SPIEGEL: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Industrie 4.0, der Experten-Talk für den Mittelstand. Wie ihr seht, sind wir bereits mitten in Folge 4 unserer Reihe „Industrie meets Wissenschaft“ hier im Lab on Tour in Hamm an der Hochschule. Ich freue mich sehr, dass wir in Folge 4 wieder ein spannendes Thema für euch haben. Wir schauen uns das Thema „generative Fertigung“ an und wie sie vielleicht auch als profitabler Bestandteil in mittelständischen Unternehmen genutzt oder eingesetzt werden kann.
Und dafür haben wir, wie immer, einen ganz tollen und spannenden Gast. Ich schaue mal kurz auf mein Blatt, damit ich nichts Falsches sage. Bei mir ist Dr. Jens Bechthold. Er ist Professor für Konstruktionslehre im Fachbereich Maschinenbau und Automatisierungstechnik an der Fachhochschule Südwestfalen. Hallo Jens, schön, dass du da bist.
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Hallo, danke, dass ich hier sein darf.
ANDREA SPIEGEL: Na unbedingt, eigentlich sind wir ja zu dir gekommen, muss man sagen. An dieser Stelle nochmal ganz kurz der Hinweis: Auch diese Folge gibt es wie immer auf YouTube zu sehen. Schaut also gerne mal vorbei. Es lohnt sich, wie ihr wisst – bei dieser Serie macht es Spaß, und wir sind mal woanders, als wir es sonst sind. Schaut also gerne dort mal vorbei.

ANDREA SPIEGEL: Jens, jetzt habe ich dich nur ganz kurz angeteasert, aber es gibt bestimmt noch mehr über dich zu erfahren. Erzähl uns doch mal ein bisschen: Wer bist du, was machst du genau an der Hochschule und wie lange bist du schon dort unterwegs?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Du hast schon ganz richtig gesagt, ich bin seit über 14 Jahren zuständig für den Bereich der KonstruktionKonstruktionslehreBauteilentwicklungBauteilberechnung und Bauteilgestaltung. Seit 2017 leite ich auch unser 3D-Druckzentrum, das wir damals eingerichtet haben, und damit bin ich auch für den Bereich der generativen Fertigung am Campus in Soest verantwortlich. Ansonsten bin ich noch im Prüfungsausschuss tätig und habe verschiedene andere Aufgaben – alles rund um die Themen, die die Studierenden nicht so mögen. Dafür versuche ich dann, Lösungen zu finden, um es ihnen etwas angenehmer zu machen.
ANDREA SPIEGEL: Bist du schon immer an der Hochschule tätig?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Nein, ich war vorher mehrere Jahre in der Industrie, in verschiedenen Bereichen. Zuerst in der Getriebeentwicklung für Windkraftanlagen, dann in der Entwicklung von Härtereianlagen – also, um es etwas übertrieben zu sagen: überdimensionierte Pizzaöfen.
ANDREA SPIEGEL: Das wollte ich gerade fragen, was genau sind „Härtereianlagen“?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Das sind Öfen, in denen Metallteile erhitzt werden, um sie zu härten und verschleißfester zu machen. Diese Anlagen haben wir gebaut. Davor habe ich an der Uni in Duisburg studiert, dort auch promoviert, nachdem ich in meiner Heimat eine Ausbildung zum Industriemechaniker gemacht hatte.
ANDREA SPIEGEL: Also ein Mann vom Fach in allen Lebenslagen sozusagen – aus der Praxis und aus der Lehre. Besser geht’s ja nicht, perfekt.

ANDREA SPIEGEL: Jetzt kennen unsere Zuhörerinnen und Zuhörer das ja schon, für dich ist es noch neu: Wir stellen zu Beginn immer eine fachfremde Frage, einfach zum Kennenlernen. Mich würde bei dir interessieren: Was würdest du sagen, ist deine beste Eigenschaft und warum?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Meine beste Eigenschaft? Ich würde sagen, BeharrlichkeitZuverlässigkeit und Begeisterungsfähigkeit. Besonders Begeisterungsfähigkeit im Bereich 3D-Druck, weil sich da ständig Neues entwickelt. Man muss dranbleiben, um mit den Entwicklungen Schritt zu halten, und dabei den Spaß an der Sache nicht verlieren. Und gleichzeitig kann ich diese Begeisterung auch an die Studierenden weitergeben, was ja meine Hauptaufgabe ist.
ANDREA SPIEGEL: Und wie zeigt sich deine Beharrlichkeit?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Ich lasse mich nicht davon abschrecken, wenn etwas schiefgeht. Ich versuche es einfach noch einmal mit einem anderen Ansatz und tüftele so lange, bis entweder keine Lösung mehr möglich ist oder ich eine Lösung gefunden habe.
ANDREA SPIEGEL: Das klingt doch gut. Dann machen wir das gleiche im Podcast: Wir fangen einfach mal an, probieren es aus und schauen, wo wir landen. Genau.

ANDREA SPIEGEL: Ich habe mir überlegt, ich stelle dir zu Beginn die naheliegendste Frage: Inwiefern kann 3D-Druck ein profitabler Bestandteil für KMU sein?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD3D-Druck kann natürlich profitabel sein für Unternehmen, die sehr individuelle Produkte herstellen. Zum Beispiel für eine Bäckerei, die spezielle Kuchenformen oder Backformen für einen ganz speziellen Kunden, wie eine große Hotelkette, braucht. Oder für Unternehmen, die Wasserarmaturen herstellen und diese mit Logos oder ähnlichem für Hotelketten oder Kreuzfahrtschiffe verzieren wollen – also überall dort, wo hochindividuelle Produkte gefragt sind. In diesem Bereich ist der 3D-Druck besonders geeignet. Aber auch für Unternehmen, die auf EnergieeffizienzMaterialeffizienz und Ressourcenschonung achten oder insbesondere auf Leichtbau setzen, ist der 3D-Druck durch seine Vielfalt und Formfreiheit prädestiniert. Mit 3D-Druck kann man Bauteile besonders leicht gestalten, so wie sie die Natur gestaltet hätte, um möglichst effizient zu sein. Das können viele konventionelle Fertigungsmethoden nicht erreichen.
ANDREA SPIEGEL: Da schauen wir uns auf jeden Fall gleich noch einige Use-Cases an.

ANDREA SPIEGEL: Vielleicht können wir noch kurz über grundlegende Voraussetzungen sprechen. Wenn ich als Unternehmen 3D-Druck einführen möchte oder sage, ich habe einen Use-Case, den ich abbilden möchte, was muss ich vorher bedacht haben?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Zuerst sollte ich mir überlegen, in welchem Bereich meines Entwicklungsprozesses ich den 3D-Druck einsetzen möchte. Geht es nur darum, ein physikalisches Teil anzufertigen, um es mir anzusehen, oder soll es später ein produziertes Bauteil im Endprodukt sein? Dann sollte ich mir unbedingt Fachwissen einholen, da die Vielfalt an 3D-Druckverfahren so groß ist – von Kunststoff bis Metall mit unterschiedlichsten Verfahren und Materialien. Ich muss also wissen, welches Verfahren und welches Material für meine Anforderungen am besten geeignet ist. Es ist daher sinnvoll, Experten hinzuzuziehen, die sich bereits intensiv mit dem Thema befassen, um einen guten Einstieg zu finden. Die meisten Unternehmen fangen mit einem sehr einfachen Verfahren an, das auch im Heimgebrauch genutzt wird, dem FFF-Druck oder FDM-Druck.
ANDREA SPIEGEL: Da musst du mich jetzt einmal kurz abholen.
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Ja, das ist ein Kunststofffaden, und ich sage immer, es ist wie eine computergesteuerte Heißklebepistole.
ANDREA SPIEGEL: Ah, das kann ich mir gut vorstellen.
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Eine Heißklebepistole kennt jeder, und anstelle des Klebesticks kommt ein endloser Kunststofffaden hinein, der dann aufgeschmolzen wird. Die Düse fährt computergesteuert und legt die entsprechenden Bahnen ab, um das gewünschte Bauteil zu erstellen. Es ist ein sehr einfaches Verfahren, und die Drucker kosten inzwischen nur etwa 200-300 Euro.
ANDREA SPIEGEL: Und die sind auch für die Industrie geeignet oder eher für den Heimbereich?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Nein, die sind eher für den Heimbereich. Die industrietauglichen Drucker beginnen im vierstelligen bis fünfstelligen Bereich. Aber durch diese günstigen Geräte können Unternehmen schnell einsteigen, und dadurch ist auch die Hemmschwelle viel niedriger geworden, sich mit dem Thema zu beschäftigen.
Und dann gibt es natürlich auch wesentlich hochwertigere Verfahren, vor allem für den Metalldruck oder für hochwertige Kunststoffdrucke. Da reden wir von mehreren hunderttausend bis zu zwei Millionen Euro für einen Drucker.
ANDREA SPIEGEL: Mehr geht immer? Notfalls mit Straßensteinen?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Ja, das wäre dann eher kontraproduktiv.
ANDREA SPIEGEL: Wahrscheinlich auch iso-mäßig schwierig, oder?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Ja, aber nach oben sind tatsächlich keine Grenzen gesetzt. Man kann aber auch relativ kostengünstig anfangen und schauen, was man machen kann. Aber man muss sich auch klar machen, dass man sich von der klassischen Konstruktion lösen muss. Ein Bauteil, das für die konventionelle Fertigung konstruiert wurde, lässt sich zwar auch 3D-drucken, aber das nutzt nicht die Potenziale des 3D-Drucks.
LeichtbauFunktionsintegration – bei der mehrere Funktionen in einem Bauteil vereint sind, wie man es hier bei diesem Motor sieht: Dieser Motor ist am Stück gedruckt. Wenn man den Propeller dreht, bewegen sich die Kolben und Pleuel mit. Das wäre in der klassischen Fertigung nicht möglich.
ANDREA SPIEGEL: Aber es ist am Stück gedruckt, also nicht montiert?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Genau, es ist am Stück gedruckt. Auch das Getriebe hier unten ist ein Planetengetriebe, und der Ventilator oben. Wenn man den Außenring des Ventilators dreht, beschleunigt sich der Ventilator. Das Bauteil ist aus Edelstahl gedruckt. Es wäre nicht zu montieren, weil die Zahnräder nicht montiert werden könnten.
Man kann Bauteile schaffen, die in einem Stück gedruckt werden und hinterher eine funktionale Einheit bilden. Solche Bauteile können dann wesentlich effizienter und funktionaler gestaltet werden, ohne auf konventionelle Fertigungsmethoden angewiesen zu sein. Dafür muss man aber neu denken in der Konstruktion. Das ist die größte Herausforderung, denn es erfordert ein ganz anderes Denkmodell.

ANDREA SPIEGEL: Dann würde mich gleich mal interessieren, wie man das im Kopf hinkriegt, dieses Umschalten. Aber vielleicht können wir zuerst noch ganz schnell darauf eingehen, welche Materialien es im 3D-Druck so gibt. Du hast ja schon ein bisschen gesagt, welche Materialien verwendet werden. Ich war ja fasziniert, als ich ein bisschen gelesen habe. Also, wir haben jetzt Kunststoff gehört, wir haben schon Metall gehört. Ich habe auch noch verrückte Sachen wie Papier und ähnliches gelesen. Ist das wirklich machbar?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Ja, es gibt sehr wenige Materialien, die sich gar nicht verarbeiten lassen. Im Kunststoffbereich unterscheiden wir zwischen Thermoplasten und Duroplasten. Das sind Materialien, die entweder über Temperatur flüssig gemacht werden und dann verarbeitet werden, oder Duroplaste, die über UV-Licht ausgehärtet werden und von vornherein flüssig sind. Das führt zu unterschiedlichen Eigenschaften in den Bauteilen – die einen sind glatter, die anderen etwas rauer. Manche können höhere Temperaturen aushalten als andere.
Dann gibt es verschiedenste MetalleEdelstahlTitanAluminium – all das lässt sich heutzutage drucken. Zum Beispiel für Implantate in der Medizintechnik. Die werden heute schon vielfach gedruckt – Zahnimplantate ohnehin, aber auch künstliche HüftgelenkeSchultergelenkeSchädelimplantate – alles wird gedruckt. Auch Holz und Papier lassen sich verarbeiten und werden zum Beispiel im Bereich der Architekturmodellbildung genutzt. Dafür gibt es spezielle Verfahren. Man kann sogar Keramik drucken, also TonIndustriekeramik ist allerdings ein großes Problem. Keramik ist sehr hart, hat aber sehr gute Eigenschaften wie Temperaturbeständigkeit und hohe Festigkeit.
Allerdings lässt sich Keramik nachträglich nur sehr schwer bearbeiten. Deswegen versucht man, möglichst nah an der Endform zu drucken, und der 3D-Druck ist natürlich perfekt dafür. Und man kann auch Schokolade oder Marzipan drucken. Das geht sogar noch weiter – mein totaler Favorit.
ANDREA SPIEGEL: Wo kann man das ausprobieren?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Hier bei uns im Lab on Tour. Wir haben tatsächlich einen Schokoladendrucker stehen.
ANDREA SPIEGEL: Sehr gut, das merken wir uns für später.
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Ja, und es geht auch noch weiter in den medizinischen Bereich. Man kann mit Körperzellen Hauttransplantate drucken oder auch künstliche Augen und Ohrmuscheln. Das hilft Menschen, die durch Unfälle oder ähnliches diese Körperteile verloren haben. Früher mussten diese Teile durch deutlich sichtbare, künstliche Alternativen ersetzt werden, aber heute kann man sie im 3D-Drucker herstellen, abgestimmt auf die eigene Hautfarbe oder Augenfarbe. Die Funktion des Auges oder Ohres wird zwar noch nicht wiederhergestellt, aber es kann optisch angepasst werden.
ANDREA SPIEGEL: Okay, Wahnsinn. Also, da geht eigentlich alles. Es geht also ziemlich viel.
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Auch der Hausbau geht mittlerweile im 3D-Druck. In Lippertal, bei uns in der Nähe, steht das erste bewohnte 3D-gedruckte Haus. In Dortmund wird gerade ein Mehrfamilienhaus 3D-gedruckt. Man spricht davon, dass dies bald die Bauwirtschaft revolutionieren könnte. Wer es mag, in einem “Mittrockenhaus” zu wohnen, kann das gerne tun.

ANDREA SPIEGEL: Okay, aber das heißt, das erste Umdenken ist quasi schon mal: Es geht erstmal alles?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Prinzipiell ja.
ANDREA SPIEGEL: Und dann erstmal schauen, wie es gehen kann, oder? Wie muss ich mir das Umdenken sonst noch vorstellen? Wo würdest du sagen, ist es am schwierigsten, von herkömmlichen oder konventionellen Konstruktionsverfahren auf den 3D-Druck umzudenken?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Das Schwierigste ist, das Denken des Konstrukteurs von „Wie kann ich das Bauteil herstellen?“ auf „Wie funktioniert mein Bauteil am besten?“ umzustellen. Das ist wirklich die größte Herausforderung. Die eingeprägte Denkweise lautet nämlich oft: „Wie stelle ich es her?“. Bis jetzt haben die Fertigungsverfahren die Restriktionen vorgegeben. Ich muss mit einem Werkzeug drankommen, um es zu bearbeiten, ich muss es zusammenbauen können, ich muss mit meinem Werkzeug zum Montieren drankommen. Im 3D-Druck sind fast keine Grenzen gesetzt. Da muss man einfach lernen, ganz anders zu denken und neue Ansätze zu verfolgen.
ANDREA SPIEGEL: Wie lerne ich das? Oder wo lerne ich das? Muss ich dafür zurück an die Uni oder kann ich es mir selber beibringen?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Man kann es sich selber beibringen, aber man kann auch entsprechende Fortbildungskurse besuchen. Wichtig ist vor allem, offen dafür zu sein und es einfach auszuprobieren. Man muss sich damit beschäftigen und sich fragen: Wie muss mein Bauteil anders aussehen? Warum muss eine Bohrung immer rund sein? Wenn ich sie 3D-drucken möchte, hat sie vielleicht eher eine Kirchendachform oder ähnliches. Und dann kann ich zum Beispiel Spritzgussformen erzeugen, die näher an das Endteil herankommen, was den Produktionsprozess effizienter und schneller macht, weil die Form besser gekühlt werden kann. Wenn ich das einmal verstanden habe, wie man dafür konstruieren muss, eröffnen sich wirklich fantastische Möglichkeiten.
An der Hochschule versuchen wir, den Studierenden schon von vornherein ein Verständnis für diese Denkweise zu vermitteln. Dafür haben wir auch unser Zentrum eingerichtet, aber auch im Nachhinein kann man es noch lernen. Man muss sich einfach dafür begeistern und sich mit der Materie beschäftigen. Besonders gut eignen sich dabei die einfacheren und preisgünstigeren Verfahren, um erstmal ein Gefühl dafür zu bekommen und ein Verständnis zu entwickeln. Da kostet das Material nicht viel und auch der Drucker ist günstig. So kann man einfach mal ausprobieren, was damit geht.

ANDREA SPIEGEL: Und würdest du sagen, es ist für Unternehmen auf jeden Fall lohnenswert, die Mitarbeitenden in Richtung 3D-Druck auszubilden, weil du sagst, am 3D-Druck führt bald kein Weg mehr vorbei? Oder sagst du, ja, kann man machen, muss man aber nicht?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Das kann man nicht pauschal sagen. Es hängt wirklich von der Branche und dem Unternehmen ab. Es gibt sicherlich Branchen, wie zum Beispiel solche mit hoher Individualisierungsrate, bei denen der 3D-Druck fast keine Alternative bietet. Aber ansonsten hängt es immer davon ab, was das Unternehmen will und wohin es sich entwickeln möchte. Es lässt sich nicht pauschal sagen, dass es für jedes Unternehmen unverzichtbar wird. Aber selbst wenn Unternehmen nur auf Messen gehen oder Produkte präsentieren, ist der 3D-Druck nützlich. Ein Bauteil aus Kunststoff zu drucken ist viel leichter, als es aus Stahl mitnehmen zu müssen. Wenn man es nur zeigen möchte oder neue Geometrien präsentieren will, lässt sich das relativ einfach drucken.
ANDREA SPIEGEL: Das ist ein super Use-Case, einfach mal ein Bauteil mitnehmen, damit man es zeigen kann. Da bin ich gar nicht drauf gekommen.
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Sonst hätte ich hier auch nicht einfach so unsere Bauteile mitgebracht – wie zum Beispiel unser Hochschullogo, das Ausrufezeichen von der Fachhochschule oder den Motor.
ANDREA SPIEGEL: Den Motor hättest du jetzt nicht mitbringen können.
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Nee, den hätte ich nicht so in die Tasche stecken können, wenn er echt gewesen wäre. Aber das zeigt, wie viele Möglichkeiten der 3D-Druck bietet. An der Hochschule haben wir schon große Pumpengehäuse aus Kunststoff gedruckt, die im Original mehrere Tonnen gewogen hätten. Wir haben sie in Stücken gedruckt und zusammengebaut. Der Kunde war begeistert, weil er mit einem kleinen Sprinter fahren konnte, anstatt mit einem riesigen 40-Tonner. Das spart natürlich auch Ressourcen.
Und es kommt immer darauf an, was man wirklich erreichen möchte. Wenn ich ein Produkt habe, das jeden Tag in hunderttausenden Stückzahlen produziert wird, dann ist der 3D-Druck wahrscheinlich nicht die beste Lösung, weil die Druckzeiten länger sind als beim Spritzguss. Wenn ich aber ein Produkt habe, das sehr komplex ist, dann lohnt sich der Umstieg auf den 3D-Druck eher.
ANDREA SPIEGEL: Je komplexer die Formen und die Funktionsweise, desto eher lohnt sich der Umstieg.
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Genau. Je komplexer die Funktion, je komplexer die Form, je durchdachter das Design, desto mehr Vorteile bietet der 3D-Druck. Nehmen wir ein einfaches Lüfterrad von einem großen Kühlgebläse. Wenn das heute gefertigt wird, sind die Flügel massiv, obwohl sie aus der Festigkeitssicht heraus nicht massiv sein müssen. Im 3D-Druck kann man sie innen hohl gestalten.
ANDREA SPIEGEL: Da geht es ja nicht um Stabilität, sondern nur um die Funktion.
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Genau. Wenn man das Bauteil aus dem Vollen fräst, kann man das Material aus dem Inneren nicht rausholen. Im 3D-Druck lässt man einfach das Material dort, wo es gebraucht wird, und spart so Ressourcen. Schon ein Problem weniger. So kann man auch die benötigte Antriebsleistung reduzieren. Und das ist, glaube ich, etwas, worüber wir alle nachdenken sollten.
ANDREA SPIEGEL: Auf jeden Fall.

ANDREA SPIEGEL: Wir haben es gerade noch, oder du hast es jetzt schon mal so in einem Nebensatz angeschnitten, dass der 3D-Druck natürlich auch ein paar Grenzen hat. Kannst du uns dazu noch ein bisschen was erzählen, wo es dann schwierig wird, sage ich mal, oder wo man sagt, na, da müssen wir dann schon noch auf herkömmliche Verfahren zurückgreifen?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Letztendlich, wenn es um DichtungssitzeLagersitze, also hochpräzise Bauteile geht, die wirklich Genauigkeiten im Mikrometerbereich haben müssen, da hört irgendwann die Genauigkeit des 3D-Drucks auf. Da greift man dann immer wieder auf die konventionelle Fertigung zurück. Aber selbst das eine schließt das andere ja nicht aus. Ich kann die Teile ja vorher additiv fertigen und dann die benötigten Flächen mit der konventionellen Fertigung nachbearbeiten. Auch das ist ressourcenschonend, weil ich gar nicht mehr so viele Späne produziere, wie vielleicht, wenn ich das ganze Bauteil aus dem Vollen herausarbeite.
Späne muss ich immer wieder einschmelzen, was Energie kostet. Wenn ich nicht so viel Späne habe, muss ich auch nicht so viel einschmelzen. Das heißt, das eine wird das andere niemals komplett ersetzen. Es wird immer eine Symbiose aus beidem sein. Und damit kann man auch sicherlich vielen Leuten die Angst vor dem 3D-Druck nehmen, wenn ein CNC-Dreher oder CNC-Fräser Angst hat, dass er nächste Woche noch gebraucht wird, weil wir jetzt einen 3D-Druckeranschaffen. Ganz klare Antwort: Ja, er wird weiterhin die Nacharbeit machen müssen.
ANDREA SPIEGEL: Man muss die Teile ja auch immer mal wieder prüfen, man kann ja nicht einfach sagen, einmal gemacht, passt.
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Ja, einmal das. Und es ist halt auch so, dass jedes Bauteil, das aus dem 3D-Druckerkommt – oder viele Bauteile, die nicht nur Anschauungscharakter haben, sondern auch eingesetzt werden sollen – auch irgendwie nachbearbeitet werden müssen. Sei es geschliffenlackiert oder ähnliches.
ANDREA SPIEGEL: Aber würdest du dann sagen, der 3D-Druck ist wirklich schon so weit, dass er auch für Stückzahlproduktionen und so weiter hilfreich ist? Auch wenn es jetzt vielleicht keine riesige Stückzahl ist. Oder würdest du sagen, eigentlich ist es besonders spannend im Moment in, ich sage mal, ForschungsbereichenEntwicklungsbereichenPrototypenDesign und solche Sachen? Oder ist der 3D-Druck schon wirklich, würdest du sagen, so richtig in der Wirtschaft angekommen?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Auch das ist branchenabhängig. Es gibt Branchen, in denen er schon tatsächlich angekommen ist, zum Beispiel in der Luft- und Raumfahrt. Die müssen ja nun mal ganz besonders auf Leichtbau achten, und da ist 3D-Druck tatsächlich schon sehr weit verbreitet. Die haben natürlich auch die umfangreichsten Zulassungsvoraussetzungen, bis so ein Bauteil mal zugelassen ist. Und die Hersteller, die 3D-gedruckte Bauteile zugelassen haben, können sich schon etwas darauf einbilden. Aber auch im Bereich der Automatisierungstechnik, im Vorrichtungsbau und so weiter wird es tatsächlich auch schon industriell eingesetzt.
Wir machen ja auch bei uns an der Hochschule öfter mal Industrieaufträge, daher haben wir da auch direkte Kontakte. Das sind nicht nur alles Anschauungsbauteile. Es sind also tatsächlich zum Beispiel Robotergreifer für die Kuchenindustrie oder Prüfschablonen für die Automobilzuliefererindustrie und so weiter. Also, es ist in einigen Bereichen schon in der Industrie angekommen, und es wird mehr, wo es ankommt.
ANDREA SPIEGEL: Wie kommen die auf die Idee, sich bei euch an der Hochschule zu melden? Werden die einfach sagen: „Ich schaffe mir jetzt im Moment mal noch keinen Drucker an, weil ich noch nicht weiß, ob es die richtige Lösung ist“? Oder wie kommen sie zu euch?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Sie kommen zu uns, weil wir versucht haben, bekannt zu machen, dass wir im Bereich 3D-Druck einiges anbieten können – an Expertise, an Geräten. Wir haben verschiedenste Verfahren, die wir den Firmen auch vorführen können. Wir versuchen es natürlich auch über Forschungsprojekte wie dieses „Digitalise SWF“ publik zu machen. Wir bieten Fortbildungen an und wir versuchen auch immer wieder, auf Tagungen und anderen Veranstaltungen auf uns aufmerksam zu machen. Viele Firmen sind auch so pfiffig, dass sie von sich aus sagen: „Fragen wir doch mal bei einer Hochschule nach, wenn es um neue Technologien geht.“
ANDREA SPIEGEL: Die sind am Puls der Zeit.
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Genau, die sind am Puls der Zeit und sind anders ausgerichtet. Wir sind ja nicht so sehr profitorientiert, wir haben ganz andere Ziele, und deswegen können wir uns vielleicht auch mal eine Maschine für zwei Millionen leisten.
ANDREA SPIEGEL: Die sich jetzt kein Unternehmen einfach mal eben hinstellen würde.
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Genau, die sich ein Unternehmen nicht einfach mal zum Ausprobieren hinstellen kann. Aber wir müssen natürlich auch am Puls der Zeit sein, um unsere Studierenden aktuell auszubilden, und deswegen haben wir dieses Zentrum auch aufgebaut.

ANDREA SPIEGEL: Was war das spannendste Teil, das du bisher gedruckt hast, und wofür wurde es eingesetzt?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Das spannendste Teil, das wir gedruckt haben…
ANDREA SPIEGEL: Oder was dich am meisten begeistert oder gefordert hat oder was dir irgendwie so im Kopf geblieben ist?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Da muss ich jetzt tatsächlich überlegen, es waren so viele verschiedene Teile. Was mir am meisten im Kopf geblieben ist, sind tatsächlich relativ kleine, unscheinbare Teile. Es waren Zahnräder, die wir für zwei ältere Herren hergestellt haben. Der eine hatte eine alte elektrische Säge für Metall, um Metall abzusägen, und da war ein Zahnrad kaputt. Die Säge stammt aber schon aus den 60er Jahren, und es gab keine Ersatzteile mehr dafür. Der kam dann zu uns, total traurig, und sagte: „Ja, ich muss wahrscheinlich meine Säge abschaffen, könnt ihr mir vielleicht noch so ein Zahnrad herstellen?“ Und dann haben wir das tatsächlich nachkonstruiert und ihm gedruckt. Die glücklichen Augen werde ich nicht vergessen.
Genauso wie bei dem zweiten Herren, der für sein Wohnmobil eine elektrische Außentreppe hatte, bei der ein Zahnrad kaputt war. Der Hersteller wollte ihm nur den gesamten Antrieb verkaufen – für viel Geld. Auch das haben wir nachkonstruiert und nachgedruckt. Und das waren zwei Leute, die haben wir mit relativ wenig Materialaufwand und wenig Einsatz extrem glücklich gemacht. Es sind tatsächlich keine herausragenden Teile, nichts Gravierendes, aber da sind mir einfach die Menschen im Gedächtnis geblieben. Die Geschichte dahinter, sozusagen. Einfach so ein älterer Herr, der mit seiner Säge alt geworden ist und sie einfach nicht abgeben wollte.

ANDREA SPIEGEL: Gibt es noch einen Use Case, wie man ja neudeutsch sagt, bei dem du sagst, dass der 3D-Druck einfach besonders cool ist? Die Luft- und Raumfahrt hast du schon genannt. Aber gibt es vielleicht noch andere Bereiche in der Industrie, zum Beispiel im Maschinenbau, wo du herkommst, bei denen du dir gedacht hast, wenn wir das damals schon 3D-gedruckt hätten, wäre das super gewesen? Oder habt ihr es vielleicht schon gemacht?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Wir haben das leider noch nicht gemacht, aber natürlich im Bereich Getriebebau, insbesondere bei Zahnrädern, die entsprechende Innenstrukturen haben, um Gewicht zu sparen. Jedes Gramm, das in Rotation versetzt werden muss, kostet Energie. Wenn wir das durch Gitterstrukturen im Innenbereich reduzieren können, wäre das natürlich fantastisch. Ein sehr großes Thema ist auch der Bereich der Ersatzteilwirtschaft.
Wenn man heute überlegt, wie groß Ersatzteillager bei Herstellern sein müssen, weil sie Teile oft für Jahrzehnten vorhalten müssen, dann ist es ein echter Vorteil, wenn man die Teile einfach 3D-konstruiert hat und sie additiv nachfertigen kann. Dadurch benötigt man wesentlich weniger Lagerkapazitäten. Das ist ein großer Markt, der sicherlich auch in Zukunft noch wachsen wird.
ANDREA SPIEGEL: Ich brauche im Prinzip einfach die CAD-Daten, oder gibt es noch andere Daten, die ich für den 3D-Druck benötige?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Eigentlich sind es nur die 3D-CAD-Daten. Aus diesen kann man dann durch Neutralisierung des Datenformats die 3D-Druckdatei erstellen. Es gibt mittlerweile sogar Hersteller von Haushaltsgeräten, wie Spülmaschinen und Waschmaschinen, die einfache Ersatzteile nicht mehr physikalisch verschicken, sondern nur noch als 3D-Druckdatei. Zum Beispiel die Laufrollen von Geschirrkörben in Spülmaschinen– die werden zum Teil nur noch als Datei verschickt, und der Kunde kann sich dann selbst überlegen, wo er sie ausdrucken lässt. Es gibt mittlerweile viele Dienstleister, die das anbieten, und viele Leute haben ja auch private 3D-Drucker zu Hause. Das spart Transportkosten und Energie, weil es quasi nur eine E-Mail ist. Das ist im Prinzip ein neues Geschäftsmodell für das Unternehmen, da der Kunde im Zweifel schneller bekommt, was er braucht.
ANDREA SPIEGEL: Muss sich allerdings selbst darum kümmern.
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Genau, er muss sich selbst darum kümmern. Aber wenn das nächste Rad kaputt geht, kann er es sofort selbst ausdrucken.
ANDREA SPIEGEL: Weniger Lagerhaltung, weniger Lagerkosten und so weiter.
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Für den Hersteller bedeutet das weniger Lagerhaltung, geringere Kosten, weniger Fläche, weniger Transportaufwand und weniger Lkw-Verkehr. Auch wenn man das aktuell vielleicht noch nicht glaubt, aber wenn man es hochrechnet, ist es tatsächlich so. Der Kunde hat den Vorteil, dass er das Teil bei Bedarf direkt ausdrucken kann, ohne erst den Hersteller kontaktieren zu müssen.
ANDREA SPIEGEL: Wenn wir jetzt mal an 3D-Drucker denken, gerade vielleicht an einen Edelstahl-3D-Drucker, zum Beispiel, der in einer Firma meines Schwagers verwendet wird. Ich weiß nicht, was das Teil gekostet hat, aber wir hatten ja schon darüber gesprochen, dass das in den 5- oder 6-stelligen Bereich gehen kann.
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Ja, ein Edelstahl-3D-Drucker dürfte im guten 6-stelligen Bereich anfangen, so ab der Mitte des 6-stelligen Bereichs.
ANDREA SPIEGEL: Auf jeden Fall ein spannendes Gerät. Ich glaube, das funktioniert dann mit Pulver, das durch einen Laser geschmolzen wird. Also wirklich super interessant.
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Genau, wie auch das Lüfterrad, das wir hier hatten. Das wurde nach dem gleichen Verfahren hergestellt, ebenfalls aus Pulver aufgeschmolzen.
ANDREA SPIEGEL: Habt ihr dann gleich mehrere Teile gleichzeitig gedruckt, um die Baufläche sinnvoll zu nutzen?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Ja, man versucht natürlich, die Baufläche optimal zu nutzen, indem man mehrere Teile gleichzeitig druckt. Das ist ein weiterer Vorteil des 3D-Drucks: Man kann verschiedene Bauteile in einem Bauprozess gleichzeitig herstellen, anstatt jedes Bauteil einzeln zu produzieren.
ANDREA SPIEGEL: Das kann auf jeden Fall nicht schaden.

ANDREA SPIEGEL: Wie würdest du sagen, ab wann lohnt es sich, einen eigenen Drucker zu haben? Liegt das vor allem daran, ob man mit Edelstahl arbeitet und möglicherweise nicht nur Prototypen oder Teile aus Kunststoff für Messen drucken möchte? Ab wann lohnt sich der eigene Drucker? Hast du da ein Gefühl für oder sagst du, es ist wieder ganz abhängig vom Use Case?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Das ist wirklich sehr unternehmensabhängig, vor allem, wie viele Teile der Drucker pro Jahr herstellen muss. Ich arbeite zum Beispiel mit einer Firma im Süden Deutschlands zusammen, die Abfüllanlagen für Getränke herstellt. Sie haben einen eigenen Edelstahl-3D-Drucker, weil die Anlagen sehr individuell sind. Jede Anlage ist anders, und deshalb verwenden sie in jeder Anlage Edelstahlteile, die aus dem 3D-Drucker stammen. Wenn es sich nur um ein Teil handelt, würde ich eher einen Dienstleister beauftragen. Eine solche Maschine kostet schnell 750.000 bis 800.000 Euro.
ANDREA SPIEGEL: Und man muss sie ja auch bedienen können.
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Genau, man muss die Maschine bedienen können. Die Mitarbeiter müssen geschult werden, es braucht Sicherheitseinrichtungen wie eine Schutzgasversorgung, und auch das Pulverhandling muss berücksichtigt werden, weil die Pulver gesundheitsschädlich sein können, wenn sie noch in Pulverform vorliegen. Es ist also nicht nur die Maschine selbst, sondern auch viele andere Dinge, die beachtet werden müssen. Deswegen sollte man sich gut überlegen, ob sich der Kauf lohnt.
Für den Anfang würde ich nicht empfehlen, gleich eine Edelstahl-3D-Druckmaschine zu kaufen. Es ist sinnvoller, erst einmal klein anzufangen, vielleicht auch mit einem Dienstleister zu testen, ob sich der 3D-Druck für die Bauteile lohnt. Wenn ich ein Bauteil auch konventionell herstellen kann, brauche ich es nicht unbedingt 3D-gedruckt zu haben. Das Umdenken ist notwendig, bevor man beginnt, seine Bauteile auf einen 3D-Drucker zu legen.

ANDREA SPIEGEL: Wenn wir jetzt schon von den Teilen sprechen, was würdest du sagen, wie sicher sind die nachher? Man könnte ja auch das Gefühl haben, dass sie nicht mehr so stabil sind, wenn sie mit Gitterstruktur gedruckt werden oder wie auch immer. Ist das ein Problem oder ist das heutzutage kein Thema mehr?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Auch da muss man natürlich wissen, was man tut. Das ist immer wichtig. Es besteht noch viel Angst davor, dass man im 3D-Druck unterschiedliche Festigkeiten in verschiedenen Raumrichtungen hat. Wenn man in der einen Richtung am Bauteil zieht, ist es weniger fest als in der anderen. Das ist bei einigen Verfahren tatsächlich so, beim einen mehr, beim anderen weniger. Bei uns in den Kunststoffverfahren haben wir festgestellt, dass die Festigkeit des konventionell hergestellten Kunststoffs in jeder Richtung erreicht wird. Im Edelstahldruck erreichen wir auch die normalen Festigkeiten, die auch bei herkömmlichem Edelstahl erreicht werden.
Da sind wir nicht schlechter, haben dafür aber eine etwas höhere Dichte. Wenn Sie sich ein Gussteil vorstellen – nehmen wir zum Beispiel ein Lüfterrad, das gegossen wurde –, könnte es innen Fehlstellen geben, wo sich das Material entmischt hat oder Löcher entstanden sind, weil das Material zu schnell abgekühlt ist. Das haben wir im 3D-Drucknicht. Da ist das Material komplett aufgefüllt. Wir haben eine extrem hohe Dichte, dadurch auch die entsprechenden Festigkeiten und weniger Fehlstellen im Inneren. Wenn man dann ein Bauteil mit einer innen liegenden Gitterstrukturgestalten will, muss man darauf achten, dass die Außenhülle die Kräfte aufnehmen kann. Da gehört natürlich Erfahrung dazu, aber auch ein bisschen mehr Vertrauen in das Material, als es ihm heute entgegengebracht wird. Wir beschäftigen uns nun schon seit einigen Jahren intensiv mit dem Thema Edelstahldruck und können sagen, dass es durchaus vergleichbar mit konventionellem Material ist.
ANDREA SPIEGEL: Und sogar, wie wir hier gesehen haben, in einigen Fällen sogar besser, weil man Möglichkeiten hat, Dinge zu tun, die vorher nicht möglich waren.
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Richtig. Bei diesem Getriebe mit dem Lüfter oben drauf haben wir zum Beispiel spezielle Zahnräder unten drin, die nicht montierbar wären, wenn sie nicht in dieser Form 3D-gedruckt wären.
ANDREA SPIEGEL: Diese Zahnräder nehmen bestimmte Kräfte im Betrieb auf, die entstehen, weil sie in dieser Form gedruckt wurden. Das heißt, nur mit 3D-Druck kann man sie so gestalten, dass sie montierbar sind. Und wenn ich ein weltweit agierendes Unternehmen bin, kann ich solche Bauteile in einer Entwicklungszentrale entwerfen und die Daten dann einmal um die Welt schicken. Überall, wo das Gerät steht, könnte man diese Teile dann drucken.
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Das ist der nächste große Vorteil des 3D-Drucks. Man ist nicht an einen Fertigungsstandort gebunden. Man kann die Dateien weltweit verschicken und sie weltweit drucken lassen, wenn man das möchte.
ANDREA SPIEGEL: Es könnte aber auch in die andere Richtung gehen, man möchte vielleicht nicht, dass jeder diese Teile hat.
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Genau, das ist auch ein Aspekt. Gerade bei der Entwicklung von 3D-Druckteilenhandelt es sich meist um etwas Innovatives. Ob man es nun weltweit verschicken möchte, muss jedes Unternehmen für sich entscheiden. Aber theoretisch besteht die Möglichkeit.
ANDREA SPIEGEL: Ist es dann immer dasselbe Dateiformat? Arbeitet jeder Drucker mit dem gleichen Format? Habe ich da keine Probleme und alles funktioniert?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Nein, es ist weniger von den Maschinen abhängig. Es hängt eher von der Entwicklung der Formate ab. Historisch gesehen gab es ein bestimmtes neutrales Datenformat, das sich etabliert hatte. Dieses Format hat jedoch inzwischen erkennbare Nachteile, vor allem in Bezug auf Zusatzinformationen wie Farbe und so weiter. Es war lediglich ein Oberflächenmodell, und zusätzliche Informationen konnten nicht mitgegeben werden. Momentan entwickeln sich neue Datenformate, die sich als zukünftige Standards etablieren werden.
Aber das alte Standardformat funktioniert immer noch. Es ist dann auch egal, für welches Gerät und Verfahren man es nutzt. Die neutralen Datenformate können immer noch in die Software eingelesen werden, die die Drucker betreibt.

ANDREA SPIEGEL: Das heißt, mit „Verfahren“ meinst du quasi, wie die Teile gedruckt werden? Du hast jetzt schon von Pulver und Laser gesprochen. Was gibt es sonst noch für Verfahren?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Es gibt auch computergesteuerte HeißklebepistolenVerfahren mit flüssigem Kunstharz, das über UV-Licht gehärtet wird, und viele weitere Verfahren. Dann gibt es den Laserschmelzdruck, den du gerade von deinem Bekannten erwähnt hast, bei dem das Material wirklich komplett aufgeschmolzen wird. Es gibt auch den Lasersinterdruck, bei dem die Pulverkörner nur angeschmolzen werden, was eine etwas porösere Struktur ergibt. Es gibt viele verschiedene Verfahren, und je nach Verfahren unterscheiden sich auch die Geräte sowie die Qualität der Bauteile.
ANDREA SPIEGEL: Ja, klar. Da muss man einfach wissen, was man braucht, und sich im Idealfall beraten lassen.
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Genau. Welche Materialien brauche ich? Habe ich besondere Anforderungen an die Materialien? Wir haben zum Beispiel immer mal wieder mit der Kuchenindustrie zusammengearbeitet.
ANDREA SPIEGEL: Ich habe heute schon so oft von Kuchen gehört. Jetzt habe ich richtig Hunger.
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Ja, aber diese Industrie braucht oft Lebensmittelverträglichkeit. Da darf man nicht jedes Material nehmen, sondern muss schauen, mit welchem Verfahren man das richtige Material verarbeiten kann.
ANDREA SPIEGEL: Oder wenn man an Medizintechnik denkt, zum Beispiel.
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Gerade Titan oder ähnliche Materialien, die in der Medizintechnik viel verwendet werden. Da braucht man dann oft andere Verfahren oder zumindest spezielle Ausrüstungen für die Maschinen, die man einsetzt.
ANDREA SPIEGEL: Oder vielleicht auch Keramik für Hüftgelenke oder künstliche Gelenke?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Da bin ich nicht genug Mediziner, um das beurteilen zu können, weil Keramik natürlich auch spröde ist. Sie bricht leicht, und da fehlt die Elastizität. Aber wenn man sich überlegt, wie es früher war: Ein Hüftgelenk musste aus wenigen Standardgrößen ausgewählt werden.
ANDREA SPIEGEL: Es musste einfach Pi mal Daumen passen.
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Ob es grob passt, genau. Es wurde das Bestmögliche aus den Standardgrößen ausgewählt. Heute kann man das alles schon individuell an den Patienten anpassen und speziell drucken. So kann das Gelenk auf die Umgebung des Patienten abgestimmt werden. Das optimiert den Heilungsprozess und vieles mehr. Das ist wirklich ein sehr faszinierender Bereich.
ANDREA SPIEGEL: Ich wollte es gerade sagen, ich hätte jetzt Lust, noch ein bisschen weiter zu quatschen.

ANDREA SPIEGEL: Anhand der Zeit würde ich mich jetzt mal Richtung Ausblick und Zukunftseinblicke bewegen. Mich würde interessieren, was deine Einschätzung ist: Wo geht der 3D-Markt, nenne ich es jetzt mal ganz allgemein, noch hin? Was sind derzeit Trends, die sich abzeichnen? Oder vielleicht auch, was wir gerade besprochen haben – gibt es in der Software noch Themen, die sich jetzt gerade rauskristallisieren? Was denkst du, was in den nächsten drei bis fünf Jahren noch Neues hinzukommen wird?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Im Bereich 3D-Druck ergeben sich momentan drei große Handlungsfelder. Das eine ist die Materialvielfalt, denn noch nicht alles, was ich konventionell verarbeiten kann, lässt sich auch im 3D-Druckverarbeiten. Da wird sich noch sehr viel entwickeln. Da ist momentan richtig Musik in der Luft. Dann geht es natürlich immer um die Geschwindigkeit. Die Druckgeschwindigkeiten werden rapide zunehmen, ebenso wie die Bauräume – besonders bei den hochwertigen Verfahren. Bei den Verfahren, die später wirklich einsetzbare Bauteile herstellen, werden die Bauräume immer größer. Es werden mehr Laser in den Anlagen eingesetzt. Unsere Anlage ist jetzt, wenn ich mich nicht täusche, etwa fünf oder sechs Jahre alt. Sie hat noch einen Laser. Heute gibt es aber Anlagen mit vier, sechs oder sogar acht Lasern, um die Geschwindigkeit zu erhöhen und die Bauflächen zu vergrößern. Also da wird sich noch einiges tun. Diese drei Themen – MaterialGeschwindigkeit und Bauraumgröße – sind derzeit die wichtigsten Entwicklungsfelder. Im Hintergrund wird sich natürlich auch die Software weiterentwickeln müssen, besonders was das Handling und die Vereinheitlichung betrifft. Aber ich denke, die drei größten Handlungsfelder oder Entwicklungsfelder werden MaterialGeschwindigkeit und Bauraumgröße sein – insbesondere bei den hochwertigen Verfahren.
ANDREA SPIEGEL: Also zum einen, wie du gesagt hast, mehrere Teile gleichzeitig zu drucken oder eben auch größere Teile herstellen zu können?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Genau, auch größere Bauteile herstellen zu können.
ANDREA SPIEGEL: Zum Beispiel ein großer Flugzeugflügel?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Ja, da sind wir zum Glück noch sehr weit von entfernt. Aber das ist dann wirklich ein sehr weiter Blick in die Zukunft. Aber wer weiß?
ANDREA SPIEGEL: Wer weiß schon? Es ist ja nicht verboten, ein bisschen zu träumen.
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Genau, also alles ist möglich.
ANDREA SPIEGEL: Auf jeden Fall wäre es denkbar.
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Es würde auch sicherlich Kosten senken und möglicherweise auch Festigkeiten steigern. Denn wie wir bei einem großen Hersteller gesehen haben, funktionieren Nietverbindungen nicht immer. Bei so einem größeren Bauteil könnten solche Probleme möglicherweise entfallen.
ANDREA SPIEGEL: Das könnte auf jeden Fall helfen. Das stimmt. Gibt es denn sonst noch irgendwelche Tipps oder etwas, das du zum Abschluss noch für den 3D-Druck sagen möchtest? Irgendetwas, das du Unternehmen mit auf den Weg geben kannst, wo du sagst: „Wenn ihr euch mit dem Thema beschäftigen wollt, denkt in diese Richtung“?
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Ja, einfach offen sein, einfach ausprobieren, machen. Den ersten Schritt wagen. Und wenn es, wie gesagt, nur ein Giveaway für die Sekretärin ist – ist auch egal. Erstmal den ersten Schritt machen, die Begeisterung wecken. Einfach mal reingucken. Gerne auch bei uns vorbeikommen, sich die Verfahren anschauen und gucken, was man damit machen kann. Ich kann nur sagen, mich hat dieser Virus vor über 25 Jahren erwischt und ich habe bis heute keine Heilung dagegen gefunden.
ANDREA SPIEGEL: Vielleicht hast du auch einfach nie danach gesucht, so wie ich dich verstehe.
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Nein, nicht wirklich danach gesucht. Wenn man damit einmal infiziert ist, findet man Möglichkeiten, findet Wege und vor allem auch Spaß und Interesse daran. Denn die Vielfalt, die der 3D-Druck bietet, ist unübertroffen. Das kann man einfach so sagen.
ANDREA SPIEGEL: Und die Innovationskraft, die da noch drinsteckt.
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Genau, die Innovationskraft. Deshalb versuche ich, jeden dafür zu begeistern. Das ist ein großes Steckenpferd.
ANDREA SPIEGEL: Das haben wir hoffentlich heute geschafft. Vielen, vielen Dank, dass du da warst. Oder ich eigentlich hier sein durfte, es hat mir Spaß gemacht.
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Ja, gerne, mir auch.
ANDREA SPIEGEL: Ich hoffe, ihr habt da draußen jetzt einiges über den 3D-Druck gelernt – über die Herstellungsverfahren, die möglichen Materialien, aber auch, worauf ihr vielleicht achten solltet. Zum Beispiel, wie man den Mindset-Shift von der klassischen Konstruktion hin zur 3D-Konstruktion hinbekommt und lernen kann, warum es sich möglicherweise lohnt, das im eigenen Unternehmen einzusetzen.
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Und dann möchte ich mich noch mal bei dir bedanken. Vielen Dank.
PROF. DR.-ING. BECHTHOLD: Gerne.
ANDREA SPIEGEL: Und bis zum nächsten Mal. Macht’s gut.

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„Die Idee bei der Multikommissionierung ist auch da, eben solche Leerfahrten, Leerwege, egal ob jemand läuft oder eben fährt, zu vermeiden.“

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