#27 Operational Excellence mit Oliver Ballhausen

Podcast Industrie 4.0 | Der Expertentalk für den Mittelstand

Mit Lean Management zu Operational Excellence – In Folge 27 unserer Videoshow spricht Andrea Spiegel mit Oliver Ballhausen, geschäftsführender Gesellschafter der Leonardo Group, über nachhaltige Veränderungsprozesse in Unternehmen.

Wir klären Fragen wie:

Wie entwickle ich mein Unternehmen nachhaltig? Wie binde ich die Menschen in den Change-Prozess ein? Welche Rolle spielt die Unternehmenskultur bei Lean Management? Fehlerkultur und Kultur des Lernens als Basis für Operational Excellence? Wie hängen Industrie 4.0 und Operational Excellence zusammen?

All diese Fragen besprechen wir anhand anschaulicher Praxisbeispiele. Außerdem gibt Oliver 3 Tipps, wie man den Weg zu Operational Excellence angehen kann.

Das Transkript zur Podcast-Folge: Operational Excellence

ANDREA SPIEGEL: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge Industrie 4.0, der Experten-Talk für den Mittelstand. Digitalisierung und Industrie 4.0 tragen ja ihren Teil dazu bei, dass sich die Gesellschaft immer schneller verändert und immer mehr passiert. Aber auch abseits davon verspüren viele Unternehmerinnen und Unternehmer den Wunsch nach dem Motto “schneller, höher, weiter“. Wie man diesem Wunsch, diesem Streben nach Fortschritt und Wachstum gerecht werden kann, darüber spreche ich heute mit Oliver Ballhausen, dem geschäftsführenden Gesellschafter der Leonardo Group. Hallo, Oliver, schön, dass du heute hier bist.

OLIVER BALLHAUSEN: Hallo, Andrea. Vielen Dank für die Einladung.

ANDREA SPIEGEL: Sehr gerne. An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass diese Folge auch als Podcast auf Plattformen wie SpotifyiTunes und anderen verfügbar ist. Nun, Oliver, ich habe bisher noch nicht viel über die Leonardo Group oder dich persönlich verraten. Könntest du uns bitte näher erzählen, wer du bist und was genau euer Unternehmen macht?

OLIVER BALLHAUSEN: Natürlich, gerne. Mein Name ist Oliver Ballhausen, und ich beschäftige mich seit mehr als 23 Jahren mit dem Thema Lean Management und Operational Excellence. Ursprünglich habe ich bei einer amerikanischen Unternehmensberatung angefangen und Lean Management dort auf eine sehr intensive und strenge Art und Weise kennengelernt. Etwa drei Jahre später haben wir dann die Leonardo Group gegründet, bei der ich einer der Geschäftsführer bin, vor allem im kaufmännischen Bereich tätig. Unsere Vision war es von Anfang an, Lean Management in Deutschland anders zu implementieren, als es zu der Zeit üblich war. Wir wollten einen anderen Ansatz wählen, bei dem Mitarbeiter stärker eingebunden, besser geschult und aufgeklärt werden. In den letzten 20 Jahren habe ich maßgeblich dazu beigetragen, diese Philosophie in der Leonardo Group zu etablieren.

Unsere Tätigkeiten lassen sich grob in drei Bereiche gliedern: Erstens bieten wir umfangreiche Schulungen und Ausbildungen für Führungskräfte und Mitarbeiter an. Zweitens implementieren wir Lean Management und Operational Excellence direkt bei unseren Kunden vor Ort, in enger Zusammenarbeit mit ihren Teams. Und schließlich setzen wir auch eigens entwickelte Software ein, die wir gemeinsam mit unseren Kunden nutzen.

Privat bin ich 50 Jahre alt, lebe am Ammersee und habe verschiedene Hobbys. Dazu gehört das Joggen, gelegentliches Golfspielen – ein altes Hobby von mir – und das Wellenreiten, was ich sehr gerne mache.

ANDREA SPIEGEL: Das klingt sehr interessant, Oliver. Vielen Dank für diese Vorstellung.

ANDREA SPIEGEL: Wie bereits in meiner Einladung angedeutet, dreht sich heutzutage alles darum, effizienter und effektiver zu sein, sei es im persönlichen Leben oder bei der Arbeit. Als Unternehmer möchte ich natürlich auch die Effizienz in meinem Unternehmen steigern. Wie kann ich das umsetzen?

OLIVER BALLHAUSEN: Das ist eine sehr wichtige Frage. Es gibt keine einfache Antwort oder Zauberformel, aber ich denke, es ist eine Reise, auf die sich Unternehmen begeben müssen, mit dem klaren Willen, dieses Ziel zu erreichen. Es ist bemerkenswert, dass einige Unternehmen, die noch nie von Lean Management oder ähnlichen Konzepten gehört haben, bereits auf natürliche Weise effizient arbeiten. Ich denke, der erste Schritt besteht darin, eine Bestandsaufnahme im Unternehmen durchzuführen. Dies kann auch durch externe Experten erfolgen, um den aktuellen Stand zu bewerten. Ein Benchmarking in der Branche kann ebenfalls hilfreich sein. Dann sollten klare, realistische Ziele gesetzt werden. Der Weg dorthin erfordert DisziplinTransparenz und den Einsatz verschiedener Werkzeuge, über die wir später sprechen können.

ANDREA SPIEGEL: Das klingt sinnvoll. Aber wo sollte man Ihrer Meinung nach anfangen? Dieser Schritt scheint oft am schwierigsten zu sein, insbesondere für Unternehmen, die neu in dieses Thema eintauchen.

OLIVER BALLHAUSEN: Ich denke, der Ausgangspunkt sollte eine gründliche Analyse des Unternehmens sein, gefolgt von der Festlegung klarer Ziele. Dabei sollten die Stärken und Schwächen in verschiedenen Bereichen des Unternehmens identifiziert werden. Es ist wichtig, die Prozesse zu überprüfen, aber auch zu berücksichtigen, welche Art von Mitarbeitern für die angestrebten Veränderungen benötigt werden und wie deren Entwicklung gefördert werden kann. Dies kann oft übersehen werden, obwohl es ein großes Potenzial birgt.

ANDREA SPIEGEL: Du hast gerade die menschliche Variable angesprochen, und ich denke, bei Veränderungsprozessen ist sie eine entscheidende Variable. Ist es nicht so, dass diese Variable besonders anfällig oder kritisch ist, besonders wenn es darum geht, Veränderungen oder Erneuerungen durchzuführen? Viele Menschen könnten sagen: “Wir haben es 20 Jahre lang so gemacht, es hat funktioniert, warum sollten wir plötzlich alles ändern?”

OLIVER BALLHAUSEN: Das ist in der Tat ein häufiges Klischee, das auf Mitarbeiter abzielt. Man sagt oft, sie seien unflexibel und gegen Veränderungen. Das ist sicherlich teilweise wahr. Die menschliche Variable ist zweifellos eine der wichtigsten. Allerdings muss ich hinzufügen, dass wir bei der Leonardo Group viel mit Change-Prozessen arbeiten und selbst einen großen Veränderungsprozess durchgemacht haben, bei dem wir stärker auf die weichen Faktoren gesetzt haben. Wir stellen immer wieder fest, dass im Grunde genommen alle Probleme im Unternehmen bekannt sind. Die Mitarbeiter haben sie oft genug benannt, aber die Führungskräfte haben nicht zugehört oder wussten selbst nicht, wie sie sie lösen sollten.

ANDREA SPIEGEL: Sie wussten nicht, was sie damit anfangen sollten, richtig.

OLIVER BALLHAUSEN: Genau. Deshalb glaube ich, dass es ein kluger Schritt ist, wirklich mit der Ressource Mensch zu arbeiten, auch wenn sie manchmal unvorhersehbar ist. Man muss jedoch die richtigen Kollegen auswählen. Viele Menschen sehen die Probleme und Themen. Und ich glaube, dass sogar diejenigen, die Veränderungen oft ablehnen, sich später zu den stärksten Befürwortern entwickeln können.

ANDREA SPIEGEL: Die an vorderster Front marschieren, sozusagen.

OLIVER BALLHAUSEN: Genau. Das haben wir oft in unseren Projekten erlebt.

ANDREA SPIEGEL: Du hast gerade das Thema Führungskräfte angesprochen, insbesondere wie sie manchmal nicht wissen, wie sie mit Feedback umgehen sollen, wenn etwas nicht funktioniert. Welche Rolle spielen Führungskräfte generell in solchen Veränderungsprozessen? Sollte man vielleicht bei ihnen ansetzen, oder gibt es einen anderen Ansatzpunkt, um zu beginnen? Wo ist der beste Ausgangspunkt?

OLIVER BALLHAUSEN: Ja, um Veränderungen zu initiieren, sind Führungskräfte sicherlich entscheidend. Sie bilden die Grundlage dafür. Wenn meine Führungskräfte nicht motiviert sind oder nicht viel über das Thema wissen, dann sollte ich definitiv dort beginnen, etwas aufzubauen. Die Führungskräfte sind der Schlüssel zum Erfolg. Ich glaube jedoch generell, dass Unternehmen mit starken Führungskräften, insbesondere in der mittleren Ebene, die am Markt erfolgreich sind, wie etwa Hidden Champions, außergewöhnlich gute Führungskräfte haben. Das ist einer der Schlüsselfaktoren für den Erfolg.

ANDREA SPIEGEL: Aber was heißt jetzt gute Führungskraft? Also, gerade wenn wir jetzt auf so einen Change-Prozess gucken, was muss ich als Führungskraft mitbringen oder wie verändert sich vielleicht auch über die Zeit dann von so einem Prozess die Rolle der Führungskraft?

OLIVER BALLHAUSEN: Ja, also zunächst mal, was heißt eine gute Führungskraft? Eine gute Führungskraft ist jemand, der seine Mitarbeiter auf der einen Seite motivieren kann, auf der anderen Seite befähigt, die Mitarbeiter in die Selbstverantwortung zwingt, was ganz oft fehlt in den Unternehmen. Wir dürfen nicht vergessen, dass gerade in den Unternehmen, wo Operational Excellence eine große Rolle spielt, also viele Produktionsunternehmen, dass da oft, ich sage mal, dieses Prinzip herrscht, dass die beste Fachkraft irgendwann die Führungskraft wird.

Und in dem Zusammenhang ist es oft so, dass die Führungsrolle gar nicht klar ist. Die sind aus ihrer Fachkraftrolle in die Führungsrolle gewachsen oder noch nicht mal gewachsen.

ANDREA SPIEGELReingeschmissen worden.

OLIVER BALLHAUSEN: Genau, so unter dem Motto, die alte Führungskraft geht in Rente oder verlässt das Unternehmen, man sucht einen neuen. Dann sagt man, Mensch, der Werner oder die Silvia war die beste Fachkraft.

So, und auf einmal ist es so, dass die dann in dieser Führungsrolle sind und eigentlich noch Teil des Teams sind. Und da hilft Führungskraftentwicklung, da hilft die Rolle der Führungskraft zu klären, zu stärken und denen ihre Rolle ganz klar zu machen. Die wollen oft, aber natürlich waren sie früher schon der beste Problemlöser und ja, bleiben das dann automatisch auch. Und jetzt geht es wirklich darum, die Rolle der Führungskraft einzunehmen und damit die Mitarbeiter zu eigenen Problemlösern zu entwickeln und auf dieser Ebene eben die Leute eigenständig zu machen, damit eben die Führungskraft sich wieder um die wichtigen und strategischen Themen kümmern kann.

ANDREA SPIEGEL: Aber es ist ja auch nicht unbedingt immer die beste Fachkraft nachher die beste Führungskraft, nehme ich mal an.

OLIVER BALLHAUSEN: Was müssen Sie den Chefs sagen, die die dazu machen? Genau, das ist so. Also die Führungskraft, die sollte nach ganz anderen Kriterien ausgesucht werden als die Fachkraft. Und ich glaube, das ist eines der großen Mankos im deutschen Mittelstand.

ANDREA SPIEGEL: Was wären so Kriterien, wenn sie die Wahl haben zwischen der besten Fachkraft und vielleicht einer noch nicht so tief im Thema steckenden Fachkraft, die vielleicht mal Lust hätte, Führung zu machen und der andere sagt vielleicht, ja, ich könnte vielleicht, aber eigentlich mache ich das ganz gerne, was ich mache. Wie entscheidet man das?

OLIVER BALLHAUSEN: Ja, oftmals hat man junge, aufstrebende Kollegen, die das gerne machen wollen, die vielleicht eben noch nicht so tief in der Materie sind. Und das ist oftmals gar nicht so schlecht, weil ich mich dann gar nicht so technisch mit dem Thema auseinandersetzen kann, möchte vielleicht sogar. Und ich glaube, das ist eigentlich eine gute Voraussetzung. Heutzutage ist es halt so, Kommunikation. Wie gehe ich mit Leuten um? Wie wirke ich? Kann ich präsentieren? Mag ich das?

Heutzutage müssen wir viel mit Excel umgehen, mit PowerPoint und so weiter. Natürlich Ideen vorantreiben. Das heißt, ich brauche auch jemanden, der irgendwo innovativ ist, der aber trotzdem wertschätzend mit Leuten umgehen kann und ein offenes Ohr hat. Und dieses Grundprinzip nicht mehr immer ansagen, sondern Fragen stellen. Also das sind so die Themen, auf die man bei den neuen Führungskräften schauen sollte.

ANDREA SPIEGEL: Wie kann ich denn jetzt aber auch gerade vielleicht als Führungskraft ein gutes Miteinanderfördern und gleichzeitig aber auch eine gewisse Leistung fordern? Weil wir wollen ja nachher, ist ja unser Ziel, Operational Excellence. Dazu gehört natürlich auch, dass alle ihren Job machen und eben auch was tun. Und nicht nur, dass wir alle freundlich sind miteinander und die richtigen Fragen stellen. Das ist auch ganz, ganz wichtig. Aber wie kann ich quasi das vereinbaren miteinander?

OLIVER BALLHAUSEN: Ich denke, Leistung muss vorgelebt werden. Das ist mal das eine. Eine Führungskraft, die selbst 120 Prozent gibt, die findet leichter Follower als diejenige, die vielleicht nur in ihrem geschlossenen Büro sitzt, vielleicht da auch alles gibt.

ANDREA SPIEGEL: Und mal rauswinkt.

OLIVER BALLHAUSEN: Genau. Also man muss auf mehreren Ebenen unterwegs sein. Aber zurück zu deiner Frage. Es geht immer um Fördern und Fordern. Auf der einen Seite den Menschen eben Ziele setzen und auf der anderen Seite aber ihnen auch die Möglichkeit dazu geben, diese zu erreichen. Und ich glaube, das muss ausgeglichen sein. Und die Mitarbeiter, die sollten definitiv immer wieder die Chance haben, auf die Führungskraft zurückzugreifen. Aber das eben auch zu bestimmten Regeln.

Also immer die offene Tür zu haben und jeder kommt, wann er will, das klaut den Führungskräften eigentlich nur die Zeit. Das heißt also hier auf der einen Seite Kommunikationsregeln aufstellen, auf der anderen Seite eben auch Transparenz schaffen, was natürlich auch nicht jeder im Unternehmen möchte. Das ist natürlich auch was, was immer so leicht dahingesagt wird. Wer will Transparenz? Ja, alle wollen Transparenz, aber im Grunde genommen will sie keiner.

ANDREA SPIEGEL: Wenn man dann weiß, was es wirklich bedeutet, ja.

OLIVER BALLHAUSEN: Genau. Dazu gehört natürlich auch eine gewisse Kultur, die man aufbauen muss, um das auch leben zu können. Das ist natürlich was, was auch nicht viele Unternehmen schon haben, gehört aber auch dazu, um Operational Excellence sauber einzuführen, glaube ich, eine sehr offene Kultur.

Aber um diese Transparenz zu schaffen und die Mitarbeiter auch dazu zu bringen, wirklich viel Leistung zu ermöglichen, sollte man das Thema Shopfloor Management sicherlich auch nochmal nennen, wo es darum geht, wirklich auch mit Kennzahlen zu führen. Dafür brauche ich eine gewisse Transparenz. Und Shopfloor Management ist ja gerade auch so in aller Munde. Das ist gerade auch so ein ganz modernes Thema.

Also wir selber haben auch eine Software dazu entwickelt, die es noch leichter macht, damit zu arbeiten, gerade so momentan, ja, in der momentanen Pandemie. Es geht aber vor allen Dingen darum, und das merke ich immer wieder nicht, dass irgendwelche Kennzahlen zu haben. Viele Unternehmen haben ganz, ganz viele Kennzahlen, aber keine, die die Führungskraft oder der Mitarbeiter wirklich glaubt. Oder an der sie sich orientiert. Und ich glaube, das ist ganz entscheidend, dass man hier mitarbeiterorientiert Kennzahlen schafft, die die Mitarbeiter eben auch, und natürlich auch dann die Führungskräfte, über das gesamte Unternehmen hinweg, auch wirklich beeinflussen können.

Ansonsten brauche ich die Kennzahl gar nicht. Und ich glaube, das ist etwas, was motiviert, wenn der Mitarbeiter die Möglichkeit hat, wirklich eine Kennzahl auch eigenständig zu beeinflussen. Oder wenn bestimmte Unstimmigkeiten sind, diese auch zu benennen. Und dann auch noch merkt, oh, wenn ich die benenne, wird ja sogar noch was getan. Meine Güte, das ist neu. Also das sind so die Themen, glaube ich, mit denen man wirklich auch die Mitarbeiter zu Leistung bringen kann, sie unterstützen kann. Und dann macht Leistung möglicherweise sogar Spaß.

ANDREA SPIEGEL: Das wäre natürlich der Idealfall.

ANDREA SPIEGEL: Wie ist das denn, wenn wir jetzt schon beim Idealfall sind, wenn ich mir jetzt eine Kultur… du hast jetzt das Wort Kultur angesprochen, also Kennzahlen gehören mit Sicherheit dazu. Irgendwo muss man am Ende auch sehen können, dass es funktioniert hat. Aber ganz viel hat ja auch mit diesem neudeutschen Wort Mindset zu tun, also mit der Geisteshaltung. Ich glaube jetzt nicht, dass man Führungskräfte oder auch die Mitarbeiter motivieren kann, nur über eine Kennzahl und sagt, guck mal, da wollen wir hin, jetzt macht mal alle, dass wir dann da hinkommen.

Es geht ja auch viel um dieses Miteinander und dieses, wie soll ich sagen, ein gemeinsames Ziel vor Augen, das irgendwie eine Emotion weckt. Also man sagt ja immer, dass Emotionen einen dann auch nochmal antreiben, was Tolles zu erreichen. Wie kann ich das schaffen? Also wie kann ich so eine Kultur… soll ich sagen, Vorleben erschaffen vielleicht? Wie mache ich das?

OLIVER BALLHAUSEN: Ja, ich glaube, dass ich dazu als Führungskraft, als Topmanagement wirklich dieses Zielhaben muss und das auch unterstützen möchte. Also es geht immer wieder um Vorleben und Dabeisein. Wenn ich jetzt Topmanagement nur in meinem Elfenbeinturm sitze und das von meinem Team erwarte, ich glaube, dann funktioniert es nicht. Das heißt, es geht wirklich immer wieder darum, egal auf welcher FührungsebeneTeil des Ganzen zu sein.

Und ich habe da auch ein paar Unternehmen erlebt, wo ich immer wieder sehe, Mensch, die nehmen jede Veränderung mit einer gewissen Leichtigkeit. Und das ist einfach, wenn sich das vom Topmanagement bis zum Mitarbeiterdurchzieht, dass es ein Miteinander ist, ein An-einem-Strang-Ziehen. Und dazu gehört eine ganz offene Feedbackkultur.

Dazu gehört auch immer wiederkehrende Personalgespräche, die nicht irgendwie nach irgendeinem Schema X geführt werden, sondern wo es einfach menschlich und offen zugeht, wo auch ganz viel wieder der gesunde Menschenverstand zählt. Es geht nicht darum, dass nicht bestimmte Fragen gestellt werden, aber es geht darum, wirklich ein Miteinander zu schaffen. Ich glaube, man nennt das manchmal ja so, wir sind als Unternehmen eine Familie.

Ich weiß gar nicht, ob es so weit gehen muss. Es geht um professionellen Umgang, aber auch den Mitarbeitern und auch den Führungskräften das Gefühl zu geben, hey, wir sind füreinander da und wir schaffen das gemeinsam. Und nicht die Leute immer wieder alleine zu lassen und nur über irgendwelche Werkzeuge wie Lean oder Operational Excellence oder irgendwelche Ziele implementieren zu wollen. Dieses in Werkzeugen denken ist, glaube ich, eine der größten Probleme im Rahmen von solchen Implementierungen, auch wie ich meine Mitarbeiter schulen möchte.

Also wir haben selber ja ganz viele Werkzeugworkshops. Also wir bieten ganz viele Fortbildungen mit Werkzeugen an. Wenn man bei uns zum Kanban-Workshop geht, dann lernt man bei uns natürlich Kanban. Nur, was ich glaube, was wir anders machen, ist, wir sagen dann auch, wenn der Kollege, das ist ja oft so, da kommt so ein junger Kollege, Kollegin, frisch von der Uni und hat jetzt so diesen Kaizen, diesen Lean-Stempel auf die Stirn bekommen und sagt, hey, du bist jetzt neu, du hast das gerade alles an der Uni gelernt und du bist jetzt der oder diejenige, die das jetzt bei uns einführt. Was passiert?

Fang mal an da hinten in der Ecke. Die haben schon immer 5S-Ordnung und Sauberkeit gebraucht und dann steht da die neue junge Kraft und sagt dann den Kollegen, die seit 30 Jahren da sind, hey, jetzt machen wir mal Ordnung und Sauberkeit. Und dann gucken die mit großen Augen und denken, meine Güte, was will die neue Führungskraft oder was will der neue Mitarbeiter von uns? Aber er ist ja da von uns und das macht es wirklich nicht unbedingt leicht für diejenigen.

Und jetzt genau geht es darum zu sagen, wie implementiere ich ein solches Instrument, ist noch viel, viel wichtiger, als zu wissen, was es ist. Also man kann überall nachlesen, was Kanban ist, man kann nachlesen, was Mixed Model ist, man kann nachlesen, was OEE und was weiß ich, TPM, man kann das alles überall nachlesen, aber es geht doch am Ende darum, wie führe ich es ein. Und da geht es genau darum, die Mitarbeiter abzuholenmitzunehmen und zu sagen, hey, was sind die Themen und jetzt lasst uns doch endlich mal diese lösen.

Und das ist für mich viel, viel entscheidender, als nur zu sagen, ja, wir führen jetzt Kanban ein, wir führen jetzt Shopfloor Management ein und so weiter.

ANDREA SPIEGEL: Und dann wird es schon werden.

OLIVER BALLHAUSEN: Ja, und dann machen wir das jetzt. Ja, aber wenn die Mitarbeiter dann beim Shopfloor Management genau die Dinge aufschreiben und sagen, die sie in den letzten zehn Jahren auch schon gesagt haben, danach passiert nichts, dann wird es nicht besser. Und genau das ist das Thema. Ich brauche also eine Durchgängigkeit, eine Kontinuität und ich muss den Mitarbeiter und auch die Führungskräfte ernst nehmen.

ANDREA SPIEGEL: Ja, mich würde jetzt noch interessieren, du hast jetzt viel darüber gesprochen, was man alles für das Ideal tun kann oder was man alles braucht. Wie nah kann man denn deiner Erfahrung nach tatsächlich diesem Idealeiner wunderbaren Kultur kommen, des Förderns und Forderns und überhaupt? Wie nah kann man da tatsächlich rankommen in der Realität aus deiner Erfahrung?

OLIVER BALLHAUSEN: Ich glaube, sehr nah. Und ich glaube auch, dass Unternehmen, die vielleicht große Schwächen haben, denen es nicht gut geht, auch diesen Turnaround schaffen können. Und auf der anderen Seite sehe ich einige Unternehmen da draußen, die das hervorragend machen, die viele, viele Werkzeuge einsetzen, teilweise bewusst, teilweise auch unbewusst und die sehr, sehr nah an diesem, wie soll man das sagen, Nordstern eigentlich dran sind. Und das ist ja eigentlich der Witz an der Sache, man hat es ja nie erreicht. Man hat ja nie Operational Excellence erreicht. Wann ist das? Wann bin ich Operational Excellent? Wann habe ich das erreicht? Nie.

Ich kann mich immer wieder weiter verbessern. Und ich glaube, das ist auch so ein Mindset, so eine Kultur, die man erreichen muss im Unternehmen, dass es wirklich um einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess geht. Und das ist ja auch der Klassiker in Unternehmen, wie oft trainieren und üben die Leute irgendwas – ganz, ganz selten. Und wie oft trainieren irgendwelche Profis ihren Sport – jeden Tag.

ANDREA SPIEGEL: Täglich mehrere Stunden.

OLIVER BALLHAUSEN: Ja, genau. Und das ist ja auch irgendwas, wenn wir uns in den, keine Ahnung, 80er Jahren irgendwie den Boris Becker und die Steffi Graf vom Tennis angeguckt haben und uns das Tennis heute anschauen. Also damals hätten wir ja gar nicht gedacht, dass es noch schneller geht, dass es noch härter geht, dass es irgendwie, keine Ahnung, dass die Aufschläge noch schneller werden und es geht immer weiter. Und heute ist es noch dynamischer, noch schneller. Und das ist ja in vielen Sportarten so. Und ich glaube, auch in der Industrie kann man das sehr, sehr schön beobachten. Auch da wird es immer effizienter, auch da wird es immer produktiver.

ANDREA SPIEGEL: Multitasking, das war eh so ein Gerücht.

OLIVER BALLHAUSEN: Also auch da ist Entwicklung drin.

ANDREA SPIEGEL: Sehr gut. Was würdest du denn sagen, welche Rolle spielen jetzt generell Fragen und auch Fehlerbei so einer neuen Kultur? Du hast das jetzt immer wieder anklingen lassen. Ich würde es aber gerne nochmal so ein bisschen, wie soll ich sagen, zusammengefasst hören.

OLIVER BALLHAUSEN: Ja, ich denke, wir kommen ja irgendwo aus einer Kultur, wo die Führungskraft ansagt. Die sagt, wo es lang geht. Die sagt, welche Richtung. Die sagt, was soll heute oder morgen oder diese Woche getan werden. Gibt die Ziele vor. Und ich denke, diese Fehlerkultur, das wird ja auch sehr, sehr schön positive Fehlerkultur genannt, unter dem Motto, solange man nicht weiß, wer einen Fehler gemacht hat, dann ist alles positiv. Aber in dem Moment, wo der Schuldige gefunden ist, dann ist der Spaß vorbei.

Also genau das brauchen wir nicht. Sondern es geht einfach darum, da auch wieder das Mindset, die Kultur zu ändern und zu sagen, also eigentlich sind Fehler, wenn sie gemacht werden, wenn sie aufgedeckt werden, das sind Schätze. Das sind wie Nuggets. Dass man sagt, hey, ja, wir haben hier ein Problem entdeckt, wir haben einen Fehler entdeckt. Und ja, wie können wir den nachhaltig ändern? Und das ist, glaube ich, etwas, was in Unternehmen, die einfach weiter fortgeschritten sind in Hinsicht auf Lean ManagementOperational Excellence, die machen das einfach besser als die anderen. Das sind nicht die Mitarbeiter, die jede Woche wieder den gleichen Fehler ausbessern und sich danach auf die Schulter klopfen und sagen, Mensch, haben wir wieder gut gemacht.

ANDREA SPIEGEL: Haben wir wieder gut gemacht.

OLIVER BALLHAUSEN: Ich habe wieder heute den Tag oder das Unternehmen oder was auch immer, den Prozessgerettet. Sondern da, wo es wirklich darum geht zu sagen, okay, was haben wir für Probleme, was haben wir für Fehler? Und dann sich darüber Gedanken zu machen, wie gehen wir jetzt damit um? Also wirklich auch einen Verbesserungsprozess im Unternehmen installiert haben. Und ich glaube, das ist eines der entscheidenden Faktoren, wie Unternehmen sich da auch einfach kontinuierlich und nachhaltig verbessern können. Und dann fängt es auch den Mitarbeitern an, irgendwann Spaß zu machen, weil sie merken, das nutzt ja was, was ich hier tue. Und es verändert sich ja wirklich was. Und es wird wirklich besser. Und ich glaube, nur so kann man auch dann diese Kultur und dann auch nachher dieses Ziel erreichen.

ANDREA SPIEGEL: Dass man quasi die Fehler, die man macht, nicht nur ausbessert, sondern wirklich versucht zu eliminieren und dann macht man wieder neue. Und das gehört auch dazu.

OLIVER BALLHAUSEN: Genau. Also auch einen neuen Prozess einfach zu etablieren. Ich glaube, dadurch werden auch dann Unternehmen flexibler, weil einfach die Veränderung dazu gehört. Und ich glaube auch, wenn ich meine Veränderungen als Mitarbeiter mitgestalten kann über so eine Prozessveränderung, wenn ich merke, hey, da läuft was schlecht und ich kann wirklich was ändern, dann glaube ich auch, dass es motivierend ist. Und ja, als Führungskraft geht es genau darum, Fragen zu stellen.

ANDREA SPIEGEL: Ja, wie kommen die jetzt? Wollte ich jetzt gerade sagen, wie kommt man da hin? Man stellt eben die richtigen Fragen.

OLIVER BALLHAUSEN: Genau. Und eben die Kultur eben der positiven Fehlerkultur, dass man eben, wenn ein Fehler passiert, nicht sofort entschuldigen, nicht sofort draufhaut. Genau. Weil man eben sagt, okay, was tun wir jetzt dafür, dass es nicht wieder passiert? Und ich glaube, das ist etwas, was auch Führungskräfte auch noch lernen müssen in vielerlei Hinsicht. Und wenn es noch so schlimm ist, hey, es ist passiert, was machen wir jetzt draus? Nach vorne blicken.

ANDREA SPIEGEL: Spannend. Wenn ich jetzt als Unternehmer es dann geschafft habe, diese Kultur, die wir jetzt gerade beschrieben haben, in meinem Unternehmen zu implementieren, wie kann ich jetzt mein Unternehmen mit dieser Kultur zu unternehmerischem Erfolg führen? Also was kann ich dafür dann auch tatsächlich tun?

OLIVER BALLHAUSEN: Ja, ich glaube, es geht Hand in Hand. Auf der einen Seite darf man natürlich nicht vergessen, dass eine ganz tolle Kultur mit einem Produkt, was keiner haben will, nicht nutzt. Und sicherlich ein Produkt, was jeder haben will in einem Unternehmen, wo keine gute Kultur herrscht, irgendwann auch vielleicht nicht mehr Marktgebäude

ANDREA SPIEGEL: Das dann potenziell nicht entfalten kann, ja.

OLIVER BALLHAUSEN: Genau, weil es sich auch nicht weiterentwickelt. Und das natürlich auch, und ich glaube, das ist auch etwas, was auch in Deutschland einige Mittelständler immer wieder einholen wird. Man ist am Markt, man ist am Markt etabliert, man hat alle Einstellungsmerkmale, weil man eben einen tollen Innovationsprozess hat. Aber zum Beispiel der Service ist nicht gut oder die Durchlaufzeit ist viel zu lang oder der Preis, der stimmt nicht. Ich glaube, dass man heute da viel, viel ganzheitlicher auf sein Unternehmen achten muss, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Es gibt ja einige Beispiele in Deutschland, wo die Chinesen oder auch andere einfach mal eben rechts überholt haben. Und auf einmal war das Produkt viel, viel günstiger. Gerade im Solarbereich zum Beispiel haben wir das ja sehr, sehr stark erlebt. Maschinenbau auch. Und von daher ist es ja so, dass wir wirklich ganzheitlich darauf achten sollten. Und das ist, glaube ich, die Aufgabe der Unternehmer heute, wirklich die verschiedenen Bereiche sich anzugucken, das ganzheitlich zu betrachten und nicht zu sagen, ne, jetzt mache ich in der Produktion ein bisschen Operational Excellence. Und na ja, wenn der Auftrag vom Vertrieb halt nur halb reinkommt, die Produktion, die wird später schon richten. Und ich glaube, das ist etwas, wo es darum geht, wirklich in alle Unternehmensbereiche hineinzuschauen und nicht nur die Klassiker wie eben Produktion.

ANDREA SPIEGEL: Brauche ich jetzt, um das dann umzusetzen, tatsächlich irgendwie einen, wie wir vorhin beschrieben haben, du bist jetzt der Lean-Manager, du machst das jetzt? Oder reicht das, wenn ich das in die Führungsebenen reintrage, die das zu ihren Leuten runtertragen? Oder gehe ich es ganz anders an? Was brauche ich dafür?

OLIVER BALLHAUSEN: Also, es kommt darauf an. Das ist die klare, deutliche Antwort. Wir haben Kunden, da kommt der Betriebsleiter oder der Werkleiter zu unserem Workshop und schaut sich das irgendwie zwei Wochen an und baut das dann alles selber auf. Das ist aber untypisch, muss ich sagen. Typisch ist eigentlich, dass man wirklich versucht, auf allen Ebenen des Unternehmens Know-how aufzubauen und dass man eben auch wirklich in diesem Unternehmen, diesem Klassiker Top-DownBottom-Up, das Wissen aufbaut. Also, wir bieten Management-Seminare zum Beispiel an, aber auch wirklich, ich sage mal, vierstündige Workshops für Mitarbeiter, um denen einfach mal das Thema Lean nahe zu bringen, auf sehr, sehr einfache Art und Weise.

ANDREA SPIEGEL: Damit die einfach mal wissen, was auf sie zukommt.

OLIVER BALLHAUSEN: Genau, richtig. Damit es einfach mal den Mitarbeitern erklärt wird, worum geht es eigentlich? Und auch wieder da, was ist ihre Rolle oder was darf ihre Rolle auch sein? Und das ist ja oft so, oh, jetzt wird wieder eine neue Sau durch das Dorf getrieben. Und da müssen wir einfach mittlerweile vorsichtig sein. Es wurden schon zu viele Säue durch die Dörfer getrieben. Und jetzt glaube ich, dass an der Stelle es wirklich notwendig ist, wenn man mit so etwas anfängt, zu sagen, wir brauchen einen Plan und wir wollen vor allen Dingen das gesamte Unternehmen mitnehmen.

Klar kann ich irgendwo anfangen, aber wenn ich meine Produktion optimiere und die Produktionsplanung nicht gut funktioniert, na ja, dann sollte ich auch da mir den Prozess anschauen und gucken, was kann ich da vielleicht anders tun? Und ich sage mal, gerade heute im Rahmen der neuen Digitalisierungsmöglichkeiten kann man wahnsinnig viele, gerade Tätigkeiten, die repetitiv sind, die immer wiederholt werden, also sehr, sehr schön auch digitalisieren. Und auch da muss ich natürlich aufpassen, welcher Prozess macht Sinn, digitalisiert zu werden und welcher macht keinen Sinn. Ich finde, in Deutschland sind wir immer sehr, sehr schnell dabei, zu sagen, Mensch, ich habe ein Problem, super, dann brauche ich eine Software. Und dann kaufe ich mir eine Software und drücke auf den Knopf und alles ist in Ordnung.

ANDREA SPIEGEL: Also da … Schön wäre es, wenn es so einfach wäre.

OLIVER BALLHAUSEN: Ja, genau. Und dafür gibt es ja auch Sie unter anderem, dass Sie das wirklich auch einfach gestalten und da auch Möglichkeiten schaffen, wie man eben auch solche Software-Systeme individualisiert. Aber auf der anderen Seite muss ich auch erst mal gucken, wie sieht mein Prozess wirklich aus, um mir dann eben auch clean zu bekommen und dann eben auch zu sagen, ja, jetzt können wir ihn digitalisieren.

ANDREA SPIEGEL: Wenn man seinen eigenen Prozess nicht kennt, dann bringt mir auch die Software nichts, weil dann weiß ich nicht, was die Software tun soll.

OLIVER BALLHAUSEN: Genau. Und da sind wir wieder dabei, das ist so die Basis überhaupt, dass ich so ein Unternehmen auf ein Fundament auch stellen kann. Weil ich habe einfach Kernprozesse, die müssen immer im Unternehmen sauber funktionieren. Und man merkt immer wieder, die Unternehmen, die diese Kernprozesse im Griff haben, sind einfach stärker und sind auch einfach besser im Change.

ANDREA SPIEGEL: Jetzt hast du schon vorhin immer wieder auch das Thema Werkzeuge angesprochen, also tatsächliche Dinge oder Tools, mit denen ich dann auch wirklich arbeiten kann und denen ich das dann auch durchsetzen kann. Kanban war zum Beispiel ein Thema. Können wir vielleicht mal über zwei oder drei sprechen, wo du sagst, das sind so die ganz essenziellen, sag ich mal, so ohne die komme ich nicht weit. Und wie lerne ich das quasi, diese Dinge richtig zu nutzen, sag ich mal?

OLIVER BALLHAUSEN: Also mit den essentiellen Themen bin ich immer vorsichtig, weil verschiedene Branchenhaben einfach auch verschiedene Schwerpunkte. Jetzt können wir über OEE sprechen, jetzt können wir über TPMsprechen. Wir können natürlich über Themen wie Kanban sprechen, aber Kanban ist auch nicht in jedem Unternehmendas Heilmittel. Was mir ganz oft auffällt, deswegen würde ich das einfach jetzt mal rausgreifen, das ist irgendwie das Einfachste, aber meiner Meinung nach auch das schwierigste Thema, zum Beispiel das 5SOrdnung und Sauberkeit.

Das ist so eines der Instrumente, wo ganz, ganz viele Firmen mit beginnen, um überhaupt Operational Excellence zu starten, um überhaupt einen Prozess in Gang zu bekommen. Weil man sagt, Mensch, dann kann ich sozusagen so einen Mindchange machen bei meinen Leuten und sehe auch etwas und damit habe ich schon mal eine große Veränderung. Damit habe ich sozusagen den Veränderungsstart in die Operational Excellence vorbereitet. Die Leute suchen auch nicht mehr so lange, die Leute fühlen sich vielleicht in ihrer Umgebung wohler. Also das ist sicherlich eine Möglichkeit, um das zu starten.

Wobei ich ganz vorsichtig bin. Ich kenne Unternehmen, die sich jetzt seit drei oder vier Jahren mit Ordnung und Sauberkeit beschäftigen und da ist ja auch der deutsche Ingenieur dazu stark geneigt, auch in der Perfektion zu leben. Und bis ich eben bis zur Perfektion 5S implementiert habe, vielleicht schaffe ich es nie, vielleicht schaffe ich es in drei Jahren, vielleicht in vieren, aber oftmals ist das ein Thema, was mir zu weit geht. Und das ist so eine dieser Start-Szenarien für Unternehmen, wo sie manchmal nicht herauskommen. Also es wird gar nicht so viel Veränderung im Prozess geschaffen, sondern ganz im Gegenteil, durch Ordnung und Sauberkeit werden oftmals die Prozesse, die später noch verändert werden sollen, werden sogar noch mal etabliert.

Die werden abgeklebt, da werden Bereiche einfach nochmal, die vielleicht gar nicht effizient sind, nochmal gesäubert, nochmal die Arbeitsplatzsysteme nochmal wieder erneuert. Und von daher bin ich damit sehr, sehr vorsichtig. Zum Beispiel jemand, der sagt, 5S gehört auch in einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess, aber lass uns ja erstmal den Gesamtprozess anschauen und dann in diesen Change-Prozess auch Ordnung und Sauberkeit zu integrieren.

Also das ist für mich ganz entscheidend, dass ich eben mich nicht nur mit einem Werkzeug beschäftige, sondern ich sage, was macht Sinn für mein Unternehmen. Wenn ich zum Beispiel Einzelarbeitsplätze habe in der Produktion und danach eine Fließfertigungslinie aufbauen möchte, dann macht es keinen Sinn, erstmal diese Einzelplatzsysteme zu säubern und dort Ordnung zu schaffen, sondern dann muss ich erst meinen Flow aufbauen und dann im Rahmen dieser Veränderung, und dann ist es eh eine große Veränderung, kann ich dann auch gleich mit einführen. Tolle Möglichkeiten sehe ich immer wieder, wenn Unternehmen neu bauen.

Also wir haben einige Kunden, die jetzt auch wieder neu bauen, wo man natürlich alles in Frage stellen darf, wo eh ein großer Change ist mit dem Umzug und wenn dann auf einmal alles anders ist und alles neu ist, dann muss ich zwar meine Mitarbeiter vorher darauf vorbereiten, aber im Rahmen von solch einem Umzug habe ich immer wieder die Möglichkeiten, ganz, ganz viel Neues zu schaffen. Da kann ich dann eben auch, und das ist so das zweite wichtige Instrument, was ich vielleicht nehmen, ist Ordnung und Sauberkeit, was ich einfach diskutieren möchte und gar nicht sagen möchte, das ist das wichtige Instrument. Möchte ich das Thema zum Beispiel Shopfloor Management nehmen, weil das Thema Shopfloor Management hat für mich einen sehr ganzheitlichen Charakter, wenn es richtig gemacht wird. Das ist zum Beispiel etwas, was meiner Meinung nach absolut essentiell ist für Unternehmen mittlerweile und oftmals unterschätzt wird.

Wir schreiben nicht einfach ein paar Kennzahlen irgendwo an einem Board und machen die transparent. Nein, wir wollen Transparenz über das gesamte UnternehmenTop-DownBottom-Up schaffen. Wir wollen die Mitarbeiter und Führungskräfte über ihre Kennzahlen sprechen lassen zu bestimmten Zeitpunkten.

Wir sprechen in verschiedenen Hierarchie-Ebenen über die Probleme, die aufgetaucht sind. Wir eskalieren, wir deeskalieren, also wir bringen eine ganz neue Kommunikation, ein gesamtes Unternehmen und jeder merkt auf einmal, Mensch, ich bin Teil einer Bewegung, ich bin Teil eines Unternehmens, das sich bewegt, das die Probleme angeht oder eben auch priorisiert und sagt, nein, das ist jetzt nicht wichtig genug, wir haben andere Themen, aber es wird immer darüber gesprochen. Und das birgt eine hohe Transparenz und Offenheit in der Veränderung. Und durch dieses Shopfloor-Management baue ich auf der einen Seite natürlich Transparenz auf und auf der anderen Seite aber auch natürlich die Kontinuität, mit Dingen umzugehen, weil sie überall irgendwo stehen und zu sagen, ja, okay, das haben wir jetzt nicht gemacht, was haben wir daran gemacht, warum haben wir es nicht gemacht oder auch, wie haben wir es gemacht, wie haben wir es verändert, wie haben wir es verbessert und das dann über verschiedene Unternehmensbereiche hinweg, das birgt auch tolle Chancen eben über die Schnittstellen hinweg.

Also, wie habt ihr das Problem denn da gelöst? Ach so, das ist für uns aber auch interessant, meine Güte.

Also, so bekommt man ein Unternehmen, finde ich, dazu, ja, über die Grenzen der Abteilung hinweg zu arbeiten und miteinander zu reden und einfach sich die Dinge hin und her zu schieben, sag ich mal in Anführungszeichen, ohne dass die Leute dann beleidigt sind. Ich meine, ich darf ja heute kaum, wenn ich in einer Abteilung X bin, sagen, dass die Abteilung, die vielleicht zuliefert, irgendeinen Fehler gemacht hat. Das ist ja, dann sprechen gleich die Chefs miteinander und dann ist der eine böse auf den anderen, wenn der eine Mitarbeiter dem anderen irgendwie gesagt hat, hey, das ist aber nicht okay, wie du das machst.

ANDREA SPIEGEL: Eigentlich ist es schade, dass man über den Fehler spricht und nicht darüber, wie man den beheben kann.

OLIVER BALLHAUSEN: Ja, das ist genau die Kultur. Es geht ja immer wieder darum, wer hat den Fehler verursacht. Nein, wir haben ihn nicht verursacht, bei uns taucht das so auf, weil die Abteilung X das so und so gemacht hat. Und deswegen finde ich eine der spannendsten Maßnahmen übrigens Prozessworkshops, die wirklich auch abteilungsübergreifend sind, die produktionsübergreifend sind. Wenn man sich wirklich mal von Kundenbestellung bis hin zur Auslieferung dann hinsetzt mit verschiedenen Menschen aus den verschiedensten Abteilungen und da mal solche Wertströme, solche Prozesse aufnimmt, auf einmal merkt derjenige im Vertrieb, was er damit anrichtet, wenn er den Haken im SAP an der richtigen Stelle vergisst, weil der im Lager nachher auf einmal das vielleicht dann an die Zentrale des Kunden schickt und nicht an ein Werk, einfach nur als Beispiel. Und da gibt es tausende solcher Diskussionen, die genauso prozessabteilungsübergreifend geführt werden können und ich glaube, da liegt eine Riesenchance drin. Und auf die Art und Weise, glaube ich, können wir solche Unternehmen dann eben auch oder können Unternehmen sowas ganzheitlich erreichen, worüber wir gerade sprechen.

ANDREA SPIEGEL: Jetzt ist ja das Ziel, das haben wir uns auch schon öfter genannt, diesen Begriff Operational Excellence, also dass ich eben dieses Ziel erreiche. Was genau versteht man denn unter Operational Excellence, wenn wir das jetzt mal ein bisschen runterbrechen wollen? Also was ist denn eigentlich mein Ziel?

OLIVER BALLHAUSEN: Ja, das ist eine ganz einfache Frage.

ANDREA SPIEGEL: Ist die Antwort auch einfach?

OLIVER BALLHAUSEN: Ja, ich glaube schon. Es ist im Grunde genommen, also für uns ist es sehr einfach als Unternehmensberatung, weil wir kommen aus dieser Lean-Welt und ich habe das vorhin gesagt, ich habe bei einer amerikanischen Unternehmensberatung gearbeitet, die Lean eingeführt hat und die haben das damals Demandflow Technology genannt, also kundenbedarfsorientierte Fließ-Fertigung. Und immer wieder stand dieser Begriff Flow im Mittelpunkt und das ist das, was für mich wahnsinnig spannend war. Wir haben damals auch so Unternehmen wie General Electric zum Beispiel beraten. Ich habe einmal sogar den Jack Welch treffen dürfen, ich weiß nicht, ob er dir noch ein Begriff ist, das ist der CEO von General Electric. Ich glaube, er war über 20 Jahre dort, war einer der bekanntesten, legendärsten CEOs, der auch ganz viel Change gemacht hat und der hat damals auch mit uns das Thema Lean eingeführt unter dem Oberbegriff Flow. Und deswegen heißt es für mich am Ende des Tages Operational Excellence wirklich, Fluss auf allen Unternehmensebenen und in allen Prozessen zu schaffen.

Also auf der Horizontalen und auf der Vertikalen und das kundenorientiert. Und das bedeutet für mich eigentlich dann auch, Operational Excellence dann irgendwann zu erreichen bzw. immer wieder daran zu arbeiten.

ANDREA SPIEGEL: Das heißt, dass einfach alles funktioniert, alles ist im Fluss, man ständig verbessert, KVP, wie man das so schön nennt, und dass es eben immer weitergeht.

OLIVER BALLHAUSEN: Und die Kommunikation ist eben auch im Fluss. Nicht nur die Prozesse sind stabil und im Fluss, sondern auch die Kommunikation ist stabil und im Fluss und eben mit einer guten Kultur.

ANDREA SPIEGEL: Also InformationsflussMaterialfluss und so weiter.

OLIVER BALLHAUSEN: Ganz genau, richtig.

ANDREA SPIEGEL: Okay. Das heißt, es betrifft dann auch wahrscheinlich alle Unternehmensbereiche. Das haben wir vorher schon mal angerissen. Also es geht nicht nur darum, ich habe einen guten Prozess in der Produktion, sondern ich habe den überall, ich habe ein gutes Produkt und dann eben am Ende auch im Service, richtig?

OLIVER BALLHAUSEN: Genau, das wäre so wünschenswert. Das ist das, wo wir auch oftmals in Unternehmen ja noch weitergehen wollen würden. Oftmals ist aber erstmal nicht die Bereitschaft da. Das, glaube ich, darf man auch einfach damit übersetzen, dass auch in Unternehmen es große Lobbys gibt für bestimmte Bereiche und Abteilungen. Und die Produktion, das ist halt durch das Toyota-Produktionssystem dann irgendwann mal zustande gekommen, so unter dem Motto, wir bauen ein Produktionssystem auf.

Hey, warum baue ich kein Business-System auf? Warum ist es ein Produktionssystem? Alle zeigen immer auf die Produktion und das ist einfach Quatsch. Die Produktion ist sicherlich ein sehr, sehr guter Startpunkt. Nur ganz, ganz wenige Unternehmen ziehen es dann durch bis in die angrenzenden Bereiche oder eben bis ins gesamte Unternehmen. Also es geht genauso darum, auch im Vertrieb schlank zu sein. Lean ist nichts anderes als schlank und effizient zu sein. Und es geht auch darum, mir anzuschauen, wie kann zum Beispiel meine Buchhaltung, wer auch immer da der Kunde ist, ich habe auch interne KundenLieferantenverhältnisse, dass auch die schlank arbeiten. Und dass es eben auch andere Bereiche gibt, wie den Einkauf, wie zum Beispiel F&E, also wie das Servicebereich.

Also wir alle sollten uns darüber Gedanken machen, was können wir da anders und besser machen, wie können wir im Unternehmen besser in einem Zusammenspiel kundenorientiert zu arbeiten. Und das ist, glaube ich, der wichtigste Zusammenhang, um das eben dann auch auf diese Art und Weise zu erreichen.

ANDREA SPIEGEL: Ich würde jetzt zum Abschluss gerne nochmal, weil das ist ja ein Podcast, der sich um Digitalisierung und Industrie 4.0 ganz generell auch dreht, nochmal genau dieses Thema DigitalisierungIndustrie 4.0 mit diesen drei Themen, die wir jetzt behandelt haben, UnternehmenskulturLean Management und Operational Excellence in Verbindung zu setzen. Also was haben die konkret nochmal miteinander zu tun? Kannst du das nochmal umreißen für uns?

OLIVER BALLHAUSEN: Ja, für mich ist Lean die Basis für Digitalisierung. Und da gab es mal diesen schönen Ausspruch, mittlerweile werden viele zitiert, die den zuerst gesagt haben sollen, dass wenn ich einen schlechten Prozesshabe und den digitalisiere, dann habe ich einen schlecht digitalisierten Prozess. Und ich glaube, das ist genau den Nagel auf den Kopf getroffen. Es geht wirklich darum, meine Prozesse mir anzuschauen, diese zu stabilisieren und dann mir Gedanken darüber zu machen, wie kann ich diese digitalisieren und wie kann ich damit Kundenmehrwert und vor allen Dingen auch für den Mitarbeiter eben eine neue Effizienz schaffen. Digitalisierung ist einfach was, was dazugehört, was immer mehr dazugehören wird.

ANDREA SPIEGEL: Da kommt keiner mehr dran vorbei.

OLIVER BALLHAUSEN: Das habe ich übrigens auch vor zehn Jahren und auch heute sage ich das immer noch über Lean Management. Als ich mich irgendwann mal selbstständig gemacht habe, wie gesagt, das war damals im Jahr 99, 2000, da haben Freunde und Kollegen zu mir gesagt, ach du mit deinem Lean Management, das geht jetzt nochmal fünf Jahre und dann ist das Thema auch durch. Wenn ich mal ehrlich bin, heute sind die Unternehmen, die Lean wirklich leben, meiner Meinung nach mit stärksten Unternehmen da draußen. Und auch für die wird es wieder oder ist es gerade am einfachsten, auch diesen Digitalisierungssprung zu nehmen. Weil sie genau das haben. Sie haben stabile Prozesse und können daran aufsetzen und leben im Grunde genommen diese Strategie von Lean oder Operational Excellence jetzt schon lange.

ANDREA SPIEGEL: Bevor wir jetzt zum Ende kommen, hätte ich gerne von dir, aus deiner Erfahrung heraus, die drei wichtigsten Schritte auf dem Weg zur Operational Excellence erfahren. Also, was sind die unverzichtbaren Schritte, wenn wir das nochmals als Zusammenfassung betrachten?

OLIVER BALLHAUSEN: Ja, am Ende des Tages denke ich, dass es darum geht, zunächst einmal Prozessstabilität zu schaffen. Das ist der erste Punkt. Der zweite Punkt ist die Implementierung eines klaren und ehrlichen Monitoringsystems, also das Aufbauen von Kennzahlen, die wirklich auf die Mitarbeiter ausgerichtet sind. Das bedeutet, dass diese Kennzahlen auf allen Hierarchieebenen des Unternehmens vorhanden sind und von dort aus beeinflusst werden können. Das ist für mich der zweite entscheidende Schritt. Der dritte Schritt ist, wie wir gerade besprochen haben, die sinnvolle Digitalisierung auf der Grundlage der erreichten Prozessstabilität. Das sind meiner Meinung nach die drei entscheidenden Punkte.

ANDREA SPIEGEL: Super. Dann sind wir am Ende angelangt. Vielen Dank, Oliver, für deine Zeit und die äußerst interessanten Einblicke in die Themen KulturLean und Operational Excellence. Wir hoffen, dass unsere Hörerinnen und Hörer aus dieser Folge viele Erkenntnisse mitnehmen konnten. Falls ihr noch Fragen zu diesem Thema habt, sei es an Oliver oder allgemein, schreibt sie gerne in die Kommentare. Wir freuen uns auch über Daumen nach oben oder Bewertungen auf iTunes. Wenn ihr Ideen für zukünftige Folgen habt, teilt sie uns ebenfalls mit. Nochmals herzlichen Dank an dich, Oliver, und bis zum nächsten Mal.

OLIVER BALLHAUSEN: Danke, Andrea.

Welche Idee steckt hinter der Multikommissionierung in der Lagerlogistik?

„Die Idee bei der Multikommissionierung ist auch da, eben solche Leerfahrten, Leerwege, egal ob jemand läuft oder eben fährt, zu vermeiden.“

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