#103 Flexible AGV Systeme mit Markus Zipper ProLog Automation

Podcast Industrie 4.0 | Der Expertentalk für den Mittelstand

Repetitive Tätigkeiten von Robotern erledigen zu lassen ist schon lange keine neue Idee mehr, trotzdem sind Fahrerlose Transportsysteme und mobile, autonome Roboter noch lange nicht in jedem Lager eingesetzt.

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Und heute sprechen wir mit Markus Zipper, Geschäftsführender Gesellschafter der ProLog Automation, mal darüber, was da so alles mit flexiblen, autonomen Transportsystemen so geht.

Auch das Thema der Integration der FTS und AGVs besprechen wir und schauen mal, was so in naher Zukunft noch alles in Sachen Innovation und Technik auf uns zukommt.

Kennst du außerdem den Unterschied zwischen AGV und AMR? Nein? Ja perfekt, dann ist diese Folge der perfekte Einstieg für dich – gleich reinhören!

Das Transkript zur Podcast-Folge: Flexible AGV Systeme

ANDREA SPIEGEL: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge Industrie 4.0 – der Experten-Talk für den Mittelstand. Ja, so repetitive Aufgaben von Robotern erledigen zu lassen, ist, glaube ich, mittlerweile kein neuer Tipp mehr, den man irgendjemandem mitgeben könnte. Trotzdem sind Roboter gerade in der Logistik noch kein durchgehend etabliertes Tool, mit dem überall gearbeitet wird – insbesondere in vielen KMU sind sie noch nicht selbstverständlich im Einsatz.
Warum das so ist und vor allem, wie man eigentlich autonome mobile Roboter oder auch AGVs – Automated Guided Vehicles – richtig einsetzen kann, für welche Use Cases sie sich eignen und welche weiteren spannenden Themen es dazu gibt, das schauen wir uns heute in dieser Folge genauer an. Dafür habe ich mir einen tollen Gast eingeladen. Bei mir ist Markus Zipper. Er ist Geschäftsführer bei Prolog Automation. Schön, dass du heute da bist.
MARKUS ZIPPER: Ja, vielen Dank für die Einladung. Schön, dass ich da sein darf.

ANDREA SPIEGEL: Sehr, sehr gerne.

ANDREA SPIEGEL: Vielleicht noch einmal kurz an dieser Stelle für euch der Hinweis: Auch diese Folge gibt es wieder als Video bei YouTube zu sehen. Ja Markus, jetzt habe ich gesagt, du bist Geschäftsführer bei Prolog. Was bedeutet das eigentlich, was macht ihr genau? Und was hast du konkret mit AGVs, AMRs und all den Begriffen zu tun?

MARKUS ZIPPER: Ja, also kurz zu mir: Mein Name ist Markus Zipper. Ich bin Gesellschafter und Geschäftsführer bei der Firma Prolog Automation. Wir sind ein Dienstleister im Bereich fahrerlose TransportsystemeAGVs, AMRs, wie man sie heutzutage nennt. Unsere Firma gibt es seit ziemlich genau zehn Jahren. Davor habe ich aber bereits intensiv mit fahrerlosen Transportsystemen gearbeitet. Seit 2007 war ich bei einem Hersteller tätig, habe dort Inbetriebnahme, Projektleitung und Vertrieb gemacht. 2015 habe ich dann Prolog Automation mitgegründet. Unser Ziel, unsere Mission, ist es, fahrerlose Transportsysteme auch in den Mittelstand zu bringen. Wir beraten sowohl Hersteller als auch Anwenderkunden – und unser Anspruch ist es, diese Technologie wirklich für jeden zugänglich zu machen.

ANDREA SPIEGEL: Also bist du genau richtig hier bei uns – der perfekte Gast für dieses Thema.

ANDREA SPIEGEL: Ich habe dich schon ein bisschen vorgewarnt: Es gibt noch eine kleine persönliche Frage zum Einstieg. Für dich habe ich mir überlegt: Welche Eigenschaft bewunderst du an anderen – und warum?

MARKUS ZIPPER: Hauptsächlich bewundere ich an anderen Menschen die Disziplin, Dinge wirklich durchzuziehen. Also von „Ich nehme mir etwas vor“ bis hin zu „Ich ziehe es bis zum Ende durch“. Geschäftlich gelingt mir das meistens, privat ist es eher schwieriger – zum Beispiel beim Sport.

ANDREA SPIEGEL: Ja, das fühle ich sehr. Kann ich gut nachvollziehen.

ANDREA SPIEGEL: Ich habe schon gesagt, wir wollen heute über autonome, flexible Transportsysteme sprechen – oder, wie man auch sagt, fahrerlose Transportsysteme, AGVs. Es gibt ja sehr viele Begriffe dafür. Warum ist das Thema deiner Meinung nach generell interessant? Du hast schon erwähnt, ihr macht das seit zehn Jahren, und du hast auch davor schon bei einem Hersteller gearbeitet. Es ist also nichts völlig Neues, aber trotzdem hat man das Gefühl, dass es immer relevanter wird. Warum ist das so?

MARKUS ZIPPER: Es ist aktuell natürlich ein Hypetrend-Thema. Gleichzeitig gibt es immer mehr Hersteller auf dem Markt. Das macht es gerade für kleinere Firmen spannend, weil es inzwischen günstigere und flexiblere Lösungen gibt als noch vor vielleicht zehn Jahren.
Das Hauptthema bei unseren Kunden ist zum einen der Kostendruck in der Logistik. In der Produktion ist bereits sehr viel automatisiert, aber gerade in der Logistik gibt es noch enormes Potenzial. Zum anderen spielt der Fachkräftemangel bei solchen Tätigkeiten eine große Rolle. Beides zusammen macht das Thema für viele Firmen hochinteressant.

ANDREA SPIEGEL: Also viele Faktoren, die man schon kennt. Wie du sagst: Fachkräftemangel, Kostendruck – vielleicht auch steigende Ansprüche der Kunden.

MARKUS ZIPPER: Genau, oder auch der Wunsch nach mehr Flexibilität, etwa durch zusätzliche Schichten. Da spricht man zum Beispiel von einer Geisterschicht – also einer Nachtschicht, in der Transporte automatisch gefahren werden, sodass man am Morgen direkt wieder starten kann. Über solche Szenarien denken mittlerweile viele kleinere Firmen nach.

ANDREA SPIEGEL: Dazu kommen wir nachher auch noch. Besonders spannend ist ja immer die Frage: Wo kann ich solche Systeme wirklich sinnvoll einsetzen?

ANDREA SPIEGEL: Vielleicht können wir noch einmal klären: Ich habe am Anfang schon mit Buzzwords wie AGV um mich geworfen – also Automated Guided Vehicle. Oder heißt es Autonomous? Ich glaube, Automated Guided Vehicle. Und dann gibt es noch den AMR – den autonomen mobilen Roboter, wenn wir es auf Deutsch sagen. Inwiefern unterscheiden sich die beiden? Oder ist es im Grunde das Gleiche? Wie muss man sich das vorstellen?

MARKUS ZIPPER: Sie unterscheiden sich in der zugrunde liegenden Technologie, also in der Funktionsweise. Auf den ersten Blick sieht es gleich aus: Beide fahren von A nach B und transportieren etwas. Der Unterschied liegt in der Autonomie. Bei einem autonomen Fahrzeug habe ich – wie der Name schon sagt – mehr Autonomie. Das Fahrzeug trifft eigenständig Entscheidungen. Bei einem herkömmlichen AGV oder FTF ist das nicht der Fall. Dort habe ich ein spurgebundenes Fahrzeug, auch wenn man die Spur nicht zwingend als Linie oder Magnetband auf dem Boden sehen muss. Das ist der wesentliche Unterschied. Wobei beide Systeme zum Teil ähnliche oder sogar gleiche Navigationstechnologien nutzen können.

ANDREA SPIEGEL: Ich wollte gerade sagen – das wäre ein spannender Anknüpfungspunkt.
Inwiefern unterscheiden sie sich in der Navigation und Orientierung?

MARKUS ZIPPER: Genau. Es gibt zum Beispiel die sogenannte SLAM-Navigation – also eine freie Navigation, die sich an der Umgebung orientiert. Diese können beide Fahrzeugarten nutzen. Beim AMR ist sie allerdings notwendig, weil das Fahrzeug anhand der Umgebung entscheiden muss: Fahre ich um ein Hindernis herum oder suche ich mir einen neuen Weg?
Habe ich dagegen eine feste Fahrspur oder ein Magnetband auf dem Boden, fehlt mir diese Flexibilität. Aber: Es gibt kein „besser“ oder „schlechter“. Am Ende muss man den jeweiligen Use Case betrachten und entscheiden, was wirklich benötigt wird.

ANDREA SPIEGEL: Perfekte Überleitung zu meiner nächsten Frage.

ANDREA SPIEGEL: Was sind denn die Use Cases? Und für welchen Use Case eignet sich welches Gerät eher?

MARKUS ZIPPER: Unsere Erfahrung zeigt: Je größer die Flotte, desto weniger Autonomie kann ich zulassen, weil wir sonst im Chaos versinken. Wenn ich sehr getaktete Prozesse habe – also eine hohe Fahrtfrequenz, Maschinen, die ich fahren und zurückbringen muss – und genau wissen muss, zu welcher Minute etwas wo sein muss, dann ist ein autonomes Fahrzeug eher ungeeignet. Die Planung wird schwieriger, weil das Fahrzeug Entscheidungen trifft, die ich nicht exakt vorhersagen kann. Bei kleineren Flotten oder sich ändernden Umgebungsbedingungen – zum Beispiel auf einer sehr flexiblen Logistikfläche, auf der Paletten mal hier, mal da stehen – bringt die Autonomie Vorteile.

ANDREA SPIEGEL: Der Roboter ist dann einfach flexibler, kann Hindernissen ausweichen, ist aber nicht so zuverlässig zeitlich.

MARKUS ZIPPER: Genau. Man muss vorher simulieren, was später in der Anlage passiert. Wenn hohe Leistung und Verfügbarkeit gefordert sind, tendiert man eher dazu, autonome Geräte nicht einzusetzen.

ANDREA SPIEGEL: Kann man auch beide kombinieren? Zum Beispiel: Für bestimmte Fahrten nutze ich das klassische AGV oder FTF, das planbar ist, und in einem anderen Bereich lasse ich das Fahrzeug autonom fahren.

MARKUS ZIPPER: Ja, das geht. Es gibt Systeme, die beides zulassen. In einem Bereich kann ich Autonomie wählen, in einem anderen nicht. So kann ich die Vorteile beider Systeme in einem Gesamtsystem nutzen.

ANDREA SPIEGEL: Kannst du noch einmal zusammenfassen: Welche Auswirkungen hat meine Wahl auf meine Flexibilität? Wenn sich Prozesse ändern oder etwas Neues hinzukommt, welchen Einfluss hat das auf die Entscheidung?

MARKUS ZIPPER: Wenn ich weiß, dass meine Umgebung sehr flexibel ist – Maschinen werden ständig umgestellt, Ware muss zwischengelagert werden –, dann muss ich überlegen, ob ein autonomes Fahrzeug sinnvoll ist. Nachteile sind zum Beispiel, dass man die Performance der Anlage im Vorhinein nur schwer simulieren kann. Die Autonomie erzeugt gewisse Zufälle, etwa Staus von Fahrzeugen. Wir sehen, dass in vielen Fällen Autonomie nicht geeignet ist, in speziellen Fällen aber enorme Vorteile bringt. Genau das analysieren wir bei der Kundenberatung: Was ist sinnvoll? Autonomie klingt zunächst schick – wie ein Staubsauger- oder Rasenroboter zu Hause – aber in der Logistik und Produktion gibt es Menschen, die mit den Fahrzeugen interagieren müssen. Wenn man nicht weiß, wie sich das Gerät verhält, wird die Zusammenarbeit schwieriger – gerade bei Mischverkehr mit Staplern oder Schleppzügen.

ANDREA SPIEGEL: Dann bleibt’s stehen oder so ähnlich.

ANDREA SPIEGEL: Hast du da vielleicht mal ein konkretes Beispiel aus der Praxis, wo du sagst, dass sich aus den und den Gründen konkret für diese Lösung entschieden wurde?

MARKUS ZIPPER: Ja, gerade zum Beispiel im Automobilbereich: Wenn ich ein Band habe, das wirklich getaktet ist, wo jedes Fahrzeug exakt der gleichen Spur folgt und vielleicht sogar Menschen am Fahrzeug arbeiten, dann macht es Sinn, kein autonomes Gerät einzusetzen. Das würde den kompletten Prozess sonst durcheinanderbringen.
Auf der anderen Seite, zum Beispiel in einem E-Commerce- oder Logistiklager mit hohem Umschlag, wo ich mal größere, mal kleinere Lasten habe und die Fahrwege nicht immer frei sein müssen – oder es platztechnisch gar nicht möglich ist – da macht ein AMR sehr viel Sinn.

ANDREA SPIEGEL: Vielleicht noch einmal die Frage nach dem Preis: Unterscheiden die sich da auch? Auf der einen Seite fährt das eine Fahrzeug stur seinen Weg, das andere ist flexibel. Schlägt sich das im Preis nieder?

MARKUS ZIPPER: Muss nicht unbedingt. Ich glaube, der Preis hängt eher davon ab, wie flexibel ich mit dem System arbeiten kann. Also: Kann ich Änderungen selbstständig vornehmen, vielleicht sogar über ein Smartphone oder Tablet? Oder brauche ich jedes Mal jemanden, der das wirklich programmieren kann? Je einfacher die Handhabung für den End-User, desto einfacher kann man arbeiten. Gleichzeitig wird die Software, die vorher erstellt werden musste, komplexer – und das wirkt sich dann auf den Preis aus. Aber man kann nicht pauschal sagen, dass ein autonomes Fahrzeug immer teurer ist als ein FTF.

ANDREA SPIEGEL: Gibt es so etwas wie Mietmodelle? Zum Beispiel, wenn ich vor Weihnachten immer Spitzen im Lager habe – kann man dann Roboter mieten?

MARKUS ZIPPER: Es gibt Hersteller, die solche Mietmodelle anbieten. Das ist besonders spannend bei saisonalem Geschäft: Ich könnte zum Beispiel zehn zusätzliche Geräte holen, wenn gerade viel los ist.
MARKUS ZIPPER: Nach vier Wochen kann ich sie dann wieder zurückgeben. Das funktioniert allerdings nur, wenn der Prozess sehr flexibel ist und keine extrem komplexe Integration von Schnittstellen oder besondere sicherheitstechnische Anforderungen bestehen.

ANDREA SPIEGEL: Wie kalkuliere ich da die Wirtschaftlichkeit? Nicht nur beim Mietmodell, sondern generell. Was muss ich alles beachten, damit ich mit einem AGV am Ende wirklich besser fahre als mit einem AMR?

MARKUS ZIPPER: Also zunächst: Kann ich dadurch Personal einsparen oder für andere Tätigkeiten einsetzen? Das ist meistens die Herausforderung – fehlendes Personal zu kompensieren. Kann ich vielleicht zusätzliche Schichten einführen, vor allem sogenannte Geisterschichten oder Dark Factories? Zum Beispiel, um Maschinen in einer halben Nachtschicht für die Frühschicht zu versorgen, sodass Direktmaterial morgens bereitsteht. Das ist ein Use Case, den man in die ROI-Berechnung einbeziehen kann.
Dann die Gegenüberstellung manuelle vs. automatische Geräte: Manuelle Geräte kosten Geld in Wartung, Anschaffung oder Leasing. Außerdem entstehen durch manuelle Geräte häufig Schäden – am Gebäude, an Maschinen oder an der Infrastruktur – weil Menschen Fehler machen. Bei automatischen Geräten ist das durch die Sicherheitstechnologie nahezu ausgeschlossen. Weitere Aspekte sind die Skalierbarkeit und Flexibilität: Wenn ich von Anfang an ein skalierbares System plane, kann ich es schnell erweitern, Stationen anpassen, ohne neue Mitarbeiter suchen und einlernen zu müssen. Und der Anschaffungspreis ist nicht immer ausschlaggebend für den ROI. Entscheidend ist der gesamte Lifecycle: Was kostet mich die Anlage über die Jahre? Wie flexibel muss das System sein? Wenn ich ein System habe, das ich kaum verändere, weil die Maschinen nur alle zehn Jahre umgestellt werden, kann ich günstig einkaufen. Muss ich aber alle vier bis sechs Wochen Strecken oder Fahrkosten ändern, brauche ich ein flexibleres System – und einen anderen Hersteller.

ANDREA SPIEGEL: Kann man sich da auch Fördergelder holen? Oder gibt es nur allgemeine Digitalisierungsgelder?

MARKUS ZIPPER: Eher im Digitalisierungsbereich. Spezielle Förderungen für autonome Transportsysteme kenne ich nicht.

ANDREA SPIEGEL: Okay. Du hast gerade schon ein bisschen gesagt, welche Grundbedingungen notwendig sind. Was brauche ich an personellen oder vielleicht auch infrastrukturellen Voraussetzungen, damit der Betrieb solcher Geräte – egal, ob autonom oder statisch in der Wegführungimplementiert werden kann?

MARKUS ZIPPER: Zunächst einmal brauche ich ein Konzept: Macht das bei mir überhaupt Sinn? Ist es technisch umsetzbar? Viele Kunden stellen sich zuerst die Frage: Geht das überhaupt? Sind meine Ladungsträger geeignet? Ist meine Umgebung geeignet? Das ist die Grundvoraussetzung, bevor man sich mit der Wirtschaftlichkeit beschäftigt.

Wenn die Wirtschaftlichkeit geprüft ist, wird es relativ einfach. Dann braucht man ein Projektteam, das sich mit der Umsetzung auseinandersetzt. Je nach Unternehmensgröße gehören dazu die IT, die Arbeitssicherheit und möglicherweise auch der Betriebsrat. Alle Projektteilnehmer müssen von Anfang an involviert sein – das ist entscheidend für den Erfolg.

Wir hatten schon Projekte, bei denen die Instandhaltung erst am Schluss kam und fragte: „Was ist das für ein Gerät?“ Das Projektteam antwortete: „Das ist ein AGV.“ Die Instandhaltung sagte dann: „Das entspricht nicht unseren Betriebsmittelvorschriften. Das hätten wir nie gekauft, wir können es nicht warten.“ Deshalb: Von Anfang an alle Beteiligten ins Projekt einbinden. So ist auch die Akzeptanz gewährleistet – bei Bedienern, bei Instandhaltern. Das System soll später auch Spaß machen und einfach zu handhaben sein.

ANDREA SPIEGEL: Ja, du hast gerade noch die Voraussetzungen angesprochen – in der Halle zum Beispiel und so weiter. Kannst du ein paar Eckpunkte nennen? Was sind größere Stolpersteine, wo viele sagen: „Da müssen wir erst einmal bei uns aufräumen“?

MARKUS ZIPPER: Es fängt wirklich beim Boden an. Das können Bodenunebenheiten, elektrostatische Aufladungen oder Dehnfugen sein. Brandschutztüren sind ebenfalls ein Thema – solche Türen müssen in die Planung eingebunden werden. Schnelllauftore oder Aufzüge können unter Umständen relevant sein. Auch die Infrastruktur, zum Beispiel WLAN, muss berücksichtigt werden. All das sollte man von Anfang an bedenken, wenn man ein System einführt. Das führt dann auch wieder zu unserem vorherigen Thema ROI: Vielleicht muss ich eine Bodensanierung durchführen oder noch WLAN installieren. Bei der Entscheidungsfindung sollte all das bereits berücksichtigt sein.

ANDREA SPIEGEL: Du hast eben auch das Stichwort Akzeptanz genannt. Gibt es Feedback aus Projekten, in denen Mitarbeiter plötzlich sehen, dass ein AGV neben ihnen fährt? Wie reagieren die Leute? Finden sie es eher spannend, beängstigend, erst komisch und dann cool?

MARKUS ZIPPER: Umso spannender finden die Mitarbeiter es, je mehr sie von Anfang an involviert waren. Manche Firmen haben sogar fast Werbeplakate dafür gemacht: „Bald fährt hier etwas durch die Gegend – das sind Helmut und Helga, unsere neuen Mitarbeiter.“ Wir haben oft gesehen, dass statt Nummern Namensaufkleber auf den Fahrzeugen sind. Solche Maßnahmen fördern die Akzeptanz. Auch die Kommunikation ist entscheidend: Arbeitet jemand an einer Maschine, erkennt er vielleicht, dass das Fahrzeug ihn unterstützt. Ein Staplerfahrer könnte aber Existenzängste haben und denken: „Dann brauche ich bald niemanden mehr.“ Deshalb muss zeitnah erklärt werden, was geplant ist, warum es eingeführt wird, und wie Arbeitsplätze und Wettbewerbsfähigkeit gesichert werden.

ANDREA SPIEGEL: Was passiert jetzt – wir Menschen sind ja so: Wenn mir jemand sagt, „Du musst morgens 15 Zentimeter nach links gehen“, dann mache ich das halt einfach. Wenn das bei einem AGV passiert, das einen vorgegebenen Weg hat, wie flexibel ist es trotzdem noch? Der eine fährt, wie gesagt, autonom um Hindernisse herum, der andere braucht Anweisungen. Wie schnell lässt sich so etwas anpassen? Und wie genau muss ich meine Mannschaft dafür vorbereiten, damit ich das im Zweifel umsetzen kann?

MARKUS ZIPPER: Das kommt aufs System an. Es gibt Systeme, bei denen man Routen- oder Streckenänderungen einfach über ein Smartphone vornehmen kann – das ist sehr einfach. Dann gibt es Systeme, bei denen Programmierarbeit nötig ist. Beides hat Vor- und Nachteile.
Wenn ich ein autonomes Fahrzeug habe, das Hindernissen ausweicht, muss ich natürlich auch darauf achten, dass die Umgebung frei bleibt – nicht überall etwas hinstellen. Viele Firmen haben gesagt: „Wir hatten ein autonomes Fahrzeug, wollen jetzt aber wieder ein spurgebundenes, weil wir so sicherstellen, dass Fahrwege frei bleiben – etwa Fluchtwege oder Wege für manuell betriebene Fahrzeuge.“ Im Normalfall ist eine Streckenänderung heutzutage sehr einfach. Besonders bei Gebäudenavigation muss man den Boden nicht mehr aufreißen oder Magnetbänder verlegen – die Software wird einfach angepasst, auf die Fahrzeuge gespielt, und weiter geht’s.

ANDREA SPIEGEL: Das heißt, ich muss meine Leute entsprechend schulen.

MARKUS ZIPPER: Genau. Es braucht geschultes Personal, das beurteilen kann, ob alles korrekt ist: Passt die Route noch? Entspricht alles den Normen? Sind Sicherheitsabstände und Fluchtwege freigehalten? Fehler passieren, da muss jemand geschult sein, um damit umgehen zu können.

ANDREA SPIEGEL: Für wie wichtig hältst du das Thema autonome, flexible Transportsysteme im Rahmen einer ganzheitlichen Digitalisierungsstrategie? Ist das etwas, wo man langfristig nicht dran vorbeikommt, oder muss man individuell prüfen, ob es Mehrwert bringt?

MARKUS ZIPPER: Wenn jemand wiederkehrende Transporte hat, im Mehrschichtbetrieb produziert und Logistikumschläge bewältigt, kommt man eigentlich nicht mehr daran vorbei. Die Systeme sind mittlerweile leicht zu integrieren, deutlich günstiger, schnell einsatzbereit, flexibel und skalierbar. Und das Thema Fachkräftemangel wird nicht verschwinden. Deshalb ist es ein Thema, mit dem sich jeder beschäftigen sollte – zumindest, um zu prüfen, ob es für das eigene Unternehmen sinnvoll ist.

ANDREA SPIEGEL: Du hast gerade schon gesagt: „Die nächsten Jahre“. Es gibt ja schon lange diese ganzen Systeme. Sie haben sich stark verändert, sind günstiger geworden und bieten mehr Auswahl sowie erweiterte Funktionen – zum Beispiel mehr Ladungsträger transportieren zu können. Was glaubst du, welche Neuerungen in den nächsten drei bis fünf Jahren noch dazukommen? Das Thema KI ist ja auch schon länger präsent, wird aber für die Industrie immer interessanter. Welche Trends oder Entwicklungen beobachtest du bereits?

MARKUS ZIPPER: Das KI-Thema wird immer relevanter. Inwieweit es bereits einen großen Nutzen bringt, zeigt sich vor allem bei der Softwareentwicklung: KI kann Prozesse deutlich beschleunigen und damit Systeme kostengünstiger machen. Wir werden immer mehr lernen – auch im Bereich Instandhaltung. Industrie 4.0 war ja mal das große Thema, jetzt geht es schon weiter.

ANDREA SPIEGEL: Das ist ja fast schon Industrie 5.0.

MARKUS ZIPPER: Genau, bei 5.0 geht es vor allem um lernende Systeme. Selbstlernende Maschinenthematik wird immer wichtiger. KI wird dabei helfen, dass Implementierungen schneller und günstiger erfolgen. Der Gerätepreis allein ist nicht entscheidend – wichtig ist, wie schnell ich das System einsetze. Es nützt mir nichts, ein günstiges Gerät zu kaufen, wenn jemand ein halbes Jahr braucht, um es in Betrieb zu nehmen. Am besten ist natürlich Plug-and-Play, wie beim Staubsaugerroboter zuhause: Auspacken, installieren und loslegen.

ANDREA SPIEGEL: Wenn es länger als eine halbe Stunde dauert, hat man schon keinen Bock mehr.

MARKUS ZIPPER: Genau, da muss es hingehen.

ANDREA SPIEGEL: Sind diese Systeme heutzutage sicher genug, dass Plug-and-Play realistisch ist?

MARKUS ZIPPER: Ja, die Lebenssicherheit der Geräte ist auf jeden Fall gewährleistet, wenn ein entsprechendes Fabrikat vorliegt – also CE-konform ist, eine Risikobeurteilung durchgeführt wurde und den deutschen sowie europäischen Normen entspricht.
Warum es trotzdem nicht immer einfach ist, liegt an der Umgebung: Jeder Kunde hat andere GegebenheitenTreppenhäuser, Brandschutzanforderungen etc. Das lässt sich nicht vollständig automatisieren. Es ist daher immer notwendig, einen passenden Integrator oder Hersteller zu haben, der das System in Betrieb bringt. Außerdem muss der Betreiber eine Gefährdungsbeurteilung durchführen, Risiken identifizieren und entsprechende Maßnahmen zur Absicherung treffen.

ANDREA SPIEGEL: Hast du vielleicht, wenn wir so Richtung Ende der Folge gehen, noch ein Beispiel aus der Praxis, wo du sagst: „Hey, da hatten wir ein cooles Projekt bei einem Kunden, der hatte einen spannenden Use-Case oder uns ein tolles Feedback gegeben“?

MARKUS ZIPPER: Ja, ich habe noch einen richtig spannenden Use-Case, bei dem ich nie gedacht hätte, dass es einen solchen Anwendungsfall gibt. Outdoor-Fahrzeuge kommen immer mehr – auch ein Trend, mit dem wir in der Beratung zunehmend zu tun haben. Viele wollen auch Outdoor-Transporte automatisieren, sei es nur von Halle zu Halle oder wirklich draußen. Ein besonders spannender Fall war der Transport von Strandkörben. Das war in Büsum, beim Tourismusverband. Der hat etwa 200 Strandkörbe, die regelmäßig versetzt werden müssen, weil sonst die Grasnarbe darunter kaputtgeht. Personal dafür finden sie nicht. Wir haben eine Planung erstellt, wie man das mit acht AGVs automatisieren kann. Sie hätten selbst nicht gedacht, dass das möglich ist. Wir haben eine Plattform gefunden, und die wird nun in der Pilotphase umgesetzt. Ich bin schon gespannt – das ist ein sehr interessantes Projekt. Das zeigt auch, dass sich der Trend dahin entwickelt, zu überlegen: Wo gibt es bisher ungenutzte Anwendungsfälle? Bisher transportiert man vor allem Paletten, KLT-Träger oder Boxen. Jetzt geht es darum: Was kann man noch transportieren und wie?

ANDREA SPIEGEL: Ich glaube auch, wie du sagst, besonders das Outdoor-Thema. Ich erinnere mich an Folgen von vor ein paar Jahren, wo wir schon darüber gesprochen haben – ich mit anderen Gästen. Damals hieß es immer: Outdoor-Transport ist schwierig. Jetzt ist es ja auch ein echter Gewinn.

MARKUS ZIPPER: Es ist immer noch herausfordernd, aber es wird besser. Auch die Sensortechnik verbessert sich. Outdoor-Bedingungen wie Schnee oder extreme Temperaturen sind weiterhin schwierige Voraussetzungen, bei denen die Sensortechnologie an ihre Grenzen kommt. Aber ich glaube, in den nächsten Jahren wird hier noch viel passieren – vor allem auch mit dem KI-Thema. Kameratechnologien werden weiterentwickelt, und wir hoffen, dass es dadurch tolle Lösungen für Outdoor-AGVs geben wird.

ANDREA SPIEGEL: Ich stelle mir gerade vor, wie die AGVs kleine „Augen“ haben, mit denen sie gucken, wenn der Namensaufkleber noch drauf ist.

MARKUS ZIPPER: Genau. Und sind ja.

ANDREA SPIEGEL: Das hört sich doch gut an.

ANDREA SPIEGEL: Gibt’s denn noch irgendeinen Tipp oder zwei, drei Tipps, wo du sagst: Wenn Geschäftsführer zuhören, die darüber nachdenken, oder Logistikleiter, die sagen, „Klingt das cool, was der Markus erzählt hat, das würde ich auch gerne haben“ – was kannst du ihnen noch mitgeben? Wo sagst du: Diese drei Punkte solltet ihr auf jeden Fall berücksichtigen?

MARKUS ZIPPER: Also, wirklich die Reihenfolge einhalten. Viele Kunden, bei denen wir in der Beratung waren, haben gesagt: „Wir haben hier schon auf der Messe mit zwei, drei Herstellern gesprochen, vielleicht schon ein Gerät gekauft – und wie machen wir’s jetzt?“ Da ist es wichtig, die Reihenfolge einzuhalten: Erst technisch prüfen, dann die Wirtschaftlichkeit bewerten und sich dann um die Technologie kümmern. Und dann wirklich sauber definieren, welche Erwartungen man an das Ganze hat. Nicht selten kommt es vor, dass man etwas kauft und später sagt: „Das hatte ich mir aber ganz anders vorgestellt.“

ANDREA SPIEGEL: Jetzt.

MARKUS ZIPPER: Oder es funktioniert so nicht bei uns. Dann ist natürlich das Kind in den Brunnen gefallen. Man kann nicht sagen, dass man das nicht einführen kann, aber vielleicht war die Reihenfolge einfach die falsche. Deshalb: Reihenfolge einhalten und sich mit einem Profi austauschen, wenn man keine eigenen Kapazitäten oder Erfahrungen hat. Jemand Unabhängiges kann dann helfen, die richtige Wahl zu treffen.

ANDREA SPIEGEL: Einen davon haben wir heute gehört. Vielen Dank, Markus Zipper, für deine Zeit. Es hat Spaß gemacht. Wir haben über das Thema autonome, flexible Transportsysteme gesprochen, uns angeschaut, was ein AGV von einem AMR unterscheidet, und wir haben Use Cases für beide Lösungen betrachtet. Wir haben diskutiert, wann es überhaupt sinnvoll ist, die Systeme zu nutzen, welche Voraussetzungen in der Halle und Umgebung geschaffen werden müssen und welche Herausforderungen es bei der Einführung gibt. Und natürlich haben wir einen Blick in die Zukunft geworfen, was in den nächsten Jahren bei dem Thema passiert.

Wenn euch die Folge gefallen hat, lasst gerne einen Daumen nach oben auf YouTube da oder eine Bewertung bei Apple Podcasts oder Spotify. Wenn ihr Fragen habt, leiten wir die an Markus weiter, er kann sie im Nachgang beantworten. Oder wir machen noch eine zweite Folge daraus – je nachdem, was kommt. Wenn ihr Ideen und Vorschläge für neue Folgen oder weitere Themen habt, schreibt uns gerne eine E-Mail oder einen Kommentar. Lasst es uns auf jeden Fall wissen. Wir freuen uns aufs nächste Mal. Macht’s gut!

Welche Idee steckt hinter der Multikommissionierung in der Lagerlogistik?

„Die Idee bei der Multikommissionierung ist auch da, eben solche Leerfahrten, Leerwege, egal ob jemand läuft oder eben fährt, zu vermeiden.“

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