#33 Servicepersonal finden und halten mit Marilla Bax

Podcast Industrie 4.0 | Der Expertentalk für den Mittelstand

Es wird weihnachtlich im L-mobile Podcast!

Wie finde, entwickle und halte ich gutes Personal im Kundenservice? – In Folge 33 unserer Videoshow geht Andrea Spiegel mit Marilla Bax, Geschäftsführerin und Gründerin der marillabax GmbH, dieser Frage auf den Grund.

Wir fragen uns außerdem:

Wie erkenne ich gutes Personal im Customer Support? Wie sieht ein gelungener Onboardingprozess im Kundenservice aus? Wo und wie findet man die besten Kräfte für den technischen Kundendienst? Warum kündigen Servicemitarbeiter:innen? Wie sehen optimale Arbeitsbedingungen im Customer Support aus? Warum überhaupt Service-Mitarbeiter:innen entwickeln?

Neben einigen weiteren Fragen sprechen wir auch über Marillas drei goldene Regeln wenn es um Servicemitarbeiter:innen geht und ihre Prognose zur Komplexität der Arbeit von Servicepersonal im Innen- und Außendienst.

Das Transkript zur Podcast-Folge: Servicepersonal finden und halten

ANDREA SPIEGEL: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge Industrie 4.0, der Expertentalk für den Mittelstand.

Alle, die diese YouTube Folge ansehen, können erkennen, dass wir heute schon in Weihnachtsstimmung sind. Wir haben uns ein bisschen hübsch gemacht. Die Marilla trägt eine grüne Weihnachtsmütze und ich habe ein rot glitzerndes Geweih auf. Das ist für alle, die sich den Podcast anhören und sich das somit ein bisschen vorstellen können.

Da wir jetzt in Weihnachtsstimmung sind, möchten wir euch gerne ein vorweihnachtliches Geschenk machen. Es ist, wie immer, eine neue informative und spannende Folge zum Thema Servicepersonal. Das Beinhaltet wie man das Servicepersonal findet, wie man es bei der Stange hält und wie man es auch entwickelt. Was man alles tun muss und was da alles dazu gehört. Das wird uns heute die Marilla Bax erklären. Hallo Marilla, schön, dass du heute da bist.

MARILLA BAX: Hallo, schön, dass ich da sein darf.

ANDREA SPIEGEL: Mal wieder. Man kennt dich vielleicht schon aus der einen oder anderen Folge zum Thema Servicequalität oder zu dem Thema Service als Geschäftsmodell.

Bevor wir da jetzt wieder richtig durchstarten, nochmal kurz der Hinweis, auch die Folge gibt es wieder als Podcast bei Spotify, iTunes und Co. zu hören oder hier als Videoshow bei YouTube.

Marilla, die meisten kennen dich hoffentlich schon und haben die Folgen schon mindestens zweimal angehört.

MARILLA BAX: Bestimmt, ja.

ANDREA SPIEGEL: Aber erzähl uns nochmal ganz kurz, wer du bist und was du machst?

MARILLA BAX: Ja, mein Name ist Marilla Bax, bin Inhaberin einer Unternehmensberatung und wir haben uns zum Ziel gesetzt, alle, die sich in Sachen Service weiterentwickeln wollen, zu unterstützen. Das heißt, wir haben uns tatsächlich auf Servicequalität und Servicekultur spezialisiert und da sind wir auch näher beim Menschen. Immer da, wo Menschen im Service eine Rolle spielen, Fachidiot schlägt Kunde tot, wie mein Kollege immer sagt, da sind wir zu Hause. Insbesondere im technischen Kontext, sei es Maschinenbau, Medizintechnik und IT. Wir unterstützen mit Beratung, Training, Coaching, also alles, was in irgendeiner Weise notwendig ist, um in Sachen Servicequalität zu arbeiten und die Menschen in diesem Prozess zu begleiten.

ANDREA SPIEGEL: Ich glaube, ich starte jetzt ganz direkt.

MARILLA BAX: Ganz direkt, das ist ganz ungewöhnlich.

ANDREA SPIEGEL: Wie finde ich gutes qualifiziertes Servicepersonal?

MARILLA BAX: Diese Frage ist sehr schwer zu beantworten, darüber müssen wir auf jeden Fall 20 Minuten sprechen.

ANDREA SPIEGEL: Wir haben ein bisschen Zeit, leg los.

MARILLA BAX: Ich fange mit den schlechten Seiten des Service an. Der Service hat eigentlich kein positives Image. Wenn man Schüler in der Schule fragt, was sie später einmal werden wollen, dann beantwortet keiner von ihnen diese Frage mit Servicetechniker, weil sie das Berufsbild nicht kennen und wenn, dann vermutlich nur negativ.

ANDREA SPIEGEL: Woher kommt das?

MARILLA BAX: Das weiß ich auch nicht so genau. Ich glaube, man kann die Frage stellen, warum keiner weiß was der Service macht? Das liegt daran, dass der Service nicht über das Gute, was er macht, spricht. Viele Serviceleute bringen sehr viel Leidenschaft in ihren Job, aber sie sind nur Serviceleute und keine Vertriebler und sie verkaufen sich selbst nicht genug. Sie sind nicht in der Presse, sie werden kaum wahrgenommen und man zeigt sie nicht.

ANDREA SPIEGEL: Nur wenn der Service nicht funktioniert.

MARILLA BAX: Nur wenn der Service nicht funktioniert, dann kriegt der eine auf den Deckel und dann wird auch auf diesen hingezeigt.

Wobei, das möchte ich fairerweise erwähnen, da hat sich schon in den letzten Jahren viel entwickelt. Wir sehen heute immer mehr, auch in den sozialen Medien, positive Beispiele von Serviceleuten. Die Firmen haben verstanden, dass es sich lohnt, auch mit den Serviceleuten Werbung zu machen. Nicht zuletzt, wenn Service ein Geschäftsmodell wird, das eine Podcast-Folge bei uns war, dann ist es wichtig auch zu zeigen, mit welchen Leuten erbringe ich den Service. Damit fange ich an, sie transparent zu machen, sie zu zeigen und somit Werbung für sie zu machen. Das ist ein ganz wichtiger Baustein. Machen Sie Werbung für Service, zeigen Sie auf, welche Facetten der Service hat und wie interessant dieser Job ist. Damit wird es wahrscheinlicher Leute anzulocken, die dem Service bisher vielleicht nicht viel Beachtung geschenkt haben.

Ich erzähle immer wieder von Technikern, mit denen ich Besuche begleite oder Sonstiges und letzte Woche hatte ich die Gelegenheit, das war ganz nett, mich wieder mit einem Techniker ein wenig auszutauschen. Wir haben beim Kaffee ein bisschen darüber gesprochen, was den Job ausmacht. Ich finde, er hat sehr schön beschrieben, warum er Techniker ist. Er sagt, dass es für ihn keinen schöneren Job als Techniker im Außendienst gibt. Der ist sehr abwechslungsreich und er sieht jeden Tag etwas anderes. Das sind zwar ähnliche Produkte, die er immer wieder behandelt, aber die Situation ist eine andere. Der Kunde, die Ansprechpartner, der Ort und die Räumlichkeit sind verschieden. Es sind viele neue Dinge. Dann sagte er etwas, was ich sehr gut nachempfinden kann. Er findet es auch total toll, zwei Stunden auf der Autobahn zu sein und keiner will etwas von ihm. Das schätzt er sehr. Auch wenn es einmal drei Stunden sind, dann kann er sich Podcasts anhören. Er sagt, das macht er tatsächlich. Er lädt sich vorher die Sachen runter und genießt die Zeit. Er genießt aber vor allem die Abwechslung, dass er unterwegs ist. Das ist etwas, was man am Service Image positiv beeinflussen kann, vorausgesetzt die Firmensituationen lässt das zu. Er hat mit seinem Chef die Vereinbarung, welche für alle seine Kollegen ebenso gilt, dass sie zehn Stunden am Tag arbeiten, aber nur vier Tage. Das heißt, am fünften Tag haben sie frei. Die Vereinbarung ist, dass sie maximal eine Nacht auswärts verbringen. Im Mittel. Er sagt, es kann auch Wochen geben, wo es zwei sind, aber in der Regel ist es eine. Das heißt, es ermöglicht ihm, die sozialen Kontakte zu pflegen. Auch wenn sie in Zeiten von Pandemie vielleicht kürzer oder weniger waren. Die Techniker haben oft das Image, nur auf der Straße und nie zu Hause zu sein. Sie seien auf Montage. Das ist heutzutage nicht mehr unbedingt der Fall. Darauf kann ich Einfluss nehmen. An diesem Image kann ich arbeiten und den Technikerjob attraktiver machen, sodass er ein Privatleben ermöglicht, denn das ist etwas, was durchaus am Klischee hängt. Das kann ich nachvollziehen. Heutzutage wollen die jungen Leute gar nicht mehr viel reisen oder aber sie wollen ein ganzes Jahr im Ausland sein. Das ist etwas anderes. Aber ständig auf Achse sein, das ist nicht das, was alle sehr schätzen, sondern da spielt das Privatleben auch eine große Rolle.

Wenn wir über Servicepersonal sprechen, dann muss ich überlegen, was macht den Servicejob attraktiv. Was hat ihn bisher vielleicht nicht attraktiv gemacht. Welche Veränderungen kann ich vornehmen und die positiven Veränderungen wiederum mehr in den Vordergrund stellen.

ANDREA SPIEGEL: Bezieht sich das auch auf den Innendienst? Ist das ebenfalls ein unattraktiver Beruf oder nicht ausreichend bekannt?

MARILLA BAX: Dieser Beruf ist nicht ausreichend bekannt. Er ist unattraktiv, weil er am schlechtesten bezahlt wird. Warum das so sein muss, verstehe ich ebenfalls nicht, denn heutzutage wird im Innendienst viel mehr Expertise gefordert als früher. Die Techniker können in der Regel im Innendienst arbeiten, remote auf die Maschinen oder Geräte egal welcher Art zugreifen. Sie benötigen dabei eine hohe Expertise, die genauso entlohnt werden sollte wie beispielsweise ein Ingenieurberuf oder eine Form der Konstruktion, die ebenfalls eine Form des Ingenieurwesens darstellt. Das Image des Berufs hängt natürlich stark von der Bezahlung ab. Ein Servicetechniker im Außendienst kann durch seine Außeneinsätze oft noch Einbußen in der Bezahlung ausgleichen. Im Innendienst jedoch bedarf es ebenso angemessener Entlohnung, da hierfür umfassende Kompetenz und Fähigkeiten notwendig sind. Ich bin der Meinung, dass teilweise sogar vielfältigere Fähigkeiten erforderlich sind als in anderen Berufen. Diese Tatsache sollte sich auch in der Bezahlung angemessen widerspiegeln.

ANDREA SPIEGEL: Wahrscheinlich sind hier auch vermehrt Soft Skills gefragt. Dies erinnert mich ein wenig an Pflegeberufe. Diese sind ebenfalls von großer Bedeutung, wie wir alle gelernt haben.

MARILLA BAX: Ja haben wir alle gelernt.

ANDREA SPIEGEL: Dennoch haben diese Berufe noch nicht den Stellenwert erreicht haben, den sie eigentlich haben sollten.

MARILLA BAX: Absolut, das Problem ist immer noch dasselbe. Wer strebt eine Karriere als Kindergärtner, Pfleger oder telefonischer Servicetechniker an. Diese Berufe leiden unter vielen negativen Imagefaktoren und werden oft mit schlechter Bezahlung in Verbindung gebracht. Obwohl dies längst nicht überall der Fall ist, hält sich dieses Image.

Betrachten wir den Innendienst und stellen uns vor, ich bin ein Remote Servicetechniker und arbeite in einer Hotline. Allein der Begriff “Hotline” suggeriert, dass es sich lediglich um Telefonate handelt. Hier wird der Beruf abgewertet, obwohl das keineswegs angemessen ist. Wenn ich auf der Suche nach Mitarbeitern bin, muss ich hervorheben, welche positiven Aspekte dieser Job bietet. Ganz sicher ist er abwechslungsreich und ermöglicht den ganzen Tag über Interaktion mit Menschen. Dies trifft übrigens auch auf Pflegeberufe zu. Ich möchte hier keine falsche Verbindung herstellen, die wieder zu schlechtem Gehalt führt, aber dennoch ist es eine Tatsache. Dieser Beruf ist abwechslungsreich und beinhaltet wenig Routine. Bei der Mitarbeiterauswahl ist darauf zu achten, Mitarbeiter zu finden, die nicht nur nach Routine streben, sondern die auch Freude daran haben, unvorhergesehene Situationen zu bewältigen. Denn genau das ist, was da passiert.

ANDREA SPIEGEL: Ich glaube, dass wir in früheren Folgen über Agilität gesprochen haben. In diesem Berufsfeld ist Agilität wahrscheinlich wichtiger denn je, oder?

MARILLA BAX: Absolut, ja. Man weiß nie welches Thema gerade ansteht, wenn das Telefon klingelt oder eine E-Mail eingeht. Wer ruft an, was für eine Frage hat diese Person und was ist das Thema. Zumindest nicht in diesem Industriekundenumfeld, in dem wir sind. Hier sprechen wir nicht von einem Callcenter, wo sich ständig alles wiederholt und Massengeschäft an der Tagesordnung ist. Da gibt es Routinen. In diesem Umfeld, in dem wir uns bewegen, wie im Mittelstand, etwa beim Bau von Maschinenanlagen oder in der Medizintechnik oder ähnlichem, erfordert bereits der erste Kontakt mit dem Kunden eine hohe Expertise, um zu verstehen, worüber der Kunde eigentlich redet. Diese Expertise muss ich in den Vordergrund stellen. Das ist ein Beruf mit viel Leidenschaft, der jedoch auch mit viel Stress einher geht, da kontinuierliche externe Impulse eintreffen. Wenn das Telefon klingelt, muss ich sofort reagieren und in der jeweiligen Situation entscheiden, was ich mache und wie ich helfen kann.

ANDREA SPIEGEL: Aber wie erkenne ich nun als Unternehmer, wenn ich den Beruf attraktiver gestaltet und genügend Bewerber habe, die richtige qualifizierte Servicekraft, die zu mir passt?

MARILLA BAX: Wenn wir beim Innendienst bleiben, würde ich tatsächlich vor dem eigentlichen Gespräch, in der Pandemiezeit waren das vielleicht sogar Online-Gespräche, aber hoffentlich kehren Präsenzgespräche bald zurück, einen spontanen Anruf empfehlen. Wenn jemand, bei mir am Telefon arbeiten soll, dann möchte ich ihn auch am Telefon kennenlernen. Das heißt, ich rufe an und schaue, wie die Person reagiert und führe da bereits schon den ersten Stresstest durch. Wenn mir die Person nicht gefällt, weil die Person am Telefon spontan kaum redet, also die Zähne nicht aus einander bekommt, oder viel zu viel spricht und mich gar nicht wahrnimmt, dann habe ich bereits viel, worauf ich eingehen kann. Zudem kann ich für mich bewerten, ob die Person die Richtige bei uns am Telefon ist. Wichtig ist diese Soft Skills im Vordergrund erst einmal zu checken, wenn ich einen Innendienstmitarbeiter einstelle, der auch Fachwissen benötigt. Denn diese Soft Skills kann ich schwer weiterentwickeln, wenn sie nicht da sind. Fachwissen, vorausgesetzt da ist eine solide Basis vorhanden, kann ich antrainieren, schulen und das kann man lernen. Natürlich benötigt man auch ein Grundtalent für spezifische Themen sowie ein technisches Verständnis, aber das kann viel besser weiterentwickelt werden. Also Soft Skills weiterzuentwickeln. Jemand, der nicht gerne telefoniert, werde ich nicht zum Telefongott machen. Warum sollte ich das auch versuchen? Ebenso werde ich jemand, der lieber schreibt als spricht, nicht zwangsläufig zum Telefongott machen. Das gilt übrigens auch in umgekehrter Richtung. Jemand, der super telefonieren kann, ist nicht zwangsläufig jemand, der gut E-Mails schreiben kann, geschweige denn chatten. Heutzutage sehen wir oft, dass Servicekräfte nach dem Motto handeln, ich muss alle Kanäle bedienen, Telefonie, E-Mail, Chat, besonders wenn wir den Innendienst weiterhin betrachten. Aber jemand, der gut am Telefon agieren kann, muss nicht zwangsläufig auch gut im Chatten sein. Zwar handelt es sich bei beiden Medien um direkte und schnelle Kommunikationswege, jedoch erfordert der Chat zusätzlich eine korrekte schriftliche Ausdrucksweise. Im Chat wird jedoch der ein oder andere Tippfehler toleriert, aber er sollte nicht von Fehlern durchsetzt sein. Flüchtigkeitsfehler werden akzeptiert, dennoch ist eine angemessene Rechtschreibung wichtig. Auch Grammatik ist relevant, besonders wenn ganze Sätze im Chat verwendet werden.

Um kurz beim Thema Chat zu bleiben, wenn jemand in technischer Expertise chatten soll, stellt sich die Frage, welche Informationen kann ich tatsächlich im Chat vermitteln? Wann muss ich möglicherweise auf andere Medien wie E-Mail oder Telefon umsteigen? Das ist eine Herausforderung. Die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte verständlich darzulegen oder sie auf einfachere Weise zu erklären, ist ein weiteres Talent, welches ein Servicemitarbeiter im Innendienst benötigt. Techniker vor Ort sollten auch sprechen können. Die Zeiten, in denen Techniker nur stumm mit ihrer Scheuklappenbrille auf ihre Maschinen starrten, nach dem Motto, Kunde, sprich mich nicht an, sind vorbei. Ein Techniker draußen im Feld muss in der Lage sein, seine Arbeit zu präsentieren, ansprechbar zu sein und im Zweifelsfall sogar Schulungen vor Ort durchführen zu können.

ANDREA SPIEGEL: Eine Frage beantworten und vielleicht spontan auf einen zweiten Fehler reagieren, der aufgetreten ist, bevor er zustande kam.

MARILLA BAX: Im Idealfall sollte er seine Scheuklappen ablegen, nach links und rechts schauen und erkennen was sich im Umfeld von der jetzigen Situation im Service befindet. Er sollte diese Situation aktiv ansprechen und proaktiv auf den Kunden zugehen und mitteilen, dass er gerade vor Ort ist und zusätzliche Probleme erkannt hat, die korrigiert werden müssen.

Ein Techniker vor Ort sollte in der Lage sein, sich zu präsentieren, reden zu können und seine Leistung zu kommunizieren. Er kann auch zusätzliche Leistungen verkaufen, wenn er schon vor Ort ist, wie einen Wartungsvertrag oder ein Update. Wenn er sieht, dass der Kunde beispielsweise über eine Datenhaltung verfügt, dann kann er anbieten, die Konfigurationsdaten regelmäßig zu sichern oder ob diese bei uns gesichert werden. Das bedeutet, dass im Falle eines Ausfalls oder bei einem kompletten Ausfall einer Maschine die Konfigurationsdaten auf eine andere Maschine übertragen werden können, um die Arbeit schnell fortzusetzen. Diese Fähigkeiten werden heute von einem Techniker erwartet. Bei der Personalauswahl sollte man darauf achten, jemanden zu finden, der hierfür die Motivation mitbringt.

ANDREA SPIEGEL: Angenommen, ich habe einen Mitarbeiter, der wirklich motiviert ist, aber noch ein bisschen Unterstützung benötigt und den ich im Grunde von seinem aktuellen Standpunkt aus auf das gewünschte Niveau bringen möchte. In modernen Begriffen würde man das wohl als Onboarding-Prozess bezeichnen. Welche Schritte könnte ich unternehmen, um die Mitarbeiter dort abzuholen, wo sie gerade sind, und sie dorthin zu führen, wo ich sie haben möchte?

MARILLA BAX: Im Idealfall habe ich bereits einen erfahrenen Techniker im Feld, der eine Vorbildfunktion hat und als Mentor fungiert. Ich würde den neuen Mitarbeiter anfangs mit diesem erfahrenen Techniker mitlaufen lassen. Ich würde sagen, beobachte, wie er es macht, bei dem läuft es gut und schau dir etwas von ihm ab. Denn ein großer Teil von dem, wie der Kunde den Techniker vor Ort erlebt, ist auch die Unternehmenskultur. Die beste Art und Weise, die Unternehmenskultur zu verstehen, ist, sie von denen zu lernen, die es bereits erfolgreich umsetzen. Natürlich kann ich auch ein Servicebetriebshandbuch bereitstellen.

ANDREA SPIEGEL: Lies das mal durch.

MARILLA BAX: Genau, lies mal durch. Das ist ebenfalls wichtig. Aber wenn es darum geht, wie der Techniker vor Ort wirkt, dann ist es wirklich hilfreich, sich anzuschauen, wie es ein anderer Techniker macht. Es wäre sinnvoll, den neuen Mitarbeiter begleiten zu lassen, Mentoring anzubieten und sie in einem Zweier-Team zusammenarbeiten zu lassen. Dies hat nicht nur mit den Soft Skills zu tun, die er sich abschaut, sondern auch mit dem Fachwissen, das er sich aneignet. Techniker leben von ihrem Erfahrungswissen. Trotz all der Datenbanken, die wir aufbauen können, die auch wichtig sind, weil sie Sicherheit geben, ist dennoch das Erfahrungswissen, welches sie ergänzend dazuhaben, immer noch entscheidend. Sie bauen auf ihren Erfahrungen mit dem Produkt, dem Unternehmen und dem Kunden auf. Dieses Dreieck müssen sie lernen und abbilden. Dies kann am besten durch Mitlaufen erreicht werden.

ANDREA SPIEGEL: Wenn ich jetzt erstklassige Mitarbeiter gefunden habe und alles läuft reibungslos und ich bin zufrieden, dann möchte ich sicherstellen, dass sie nicht gleich bei den ersten Schwierigkeiten das Handtuch werfen oder bei einem unangenehmen Anruf, wie wir in der ersten Folge besprochen haben, nicht gleich weglaufen. Wie gehe ich vor, um sicherzustellen, dass meine Mitarbeiter in solchen Situationen standhaft bleiben? Schließlich ist es kein einfacher Job. Da kann jeden Tag was Neues passieren, wie ein unangenehmes Telefonat oder unerwartete Situationen, die draußen beim Techniker auftreten.

MARILLA BAX: Hierbei hilft es, den Mitarbeitern Sicherheit zu vermitteln und zu geben, indem ich ihnen zum einen Argumentationshilfen zur Verfügung stelle. Bei uns haben wir einen Kommunikationsleitfaden, auch als Vorlage, entwickelt, der typische schwierige Situationen beschreibt, welche gelegentlich bei uns vorkommen und Lösungsansätze aufzeigt. Also das ist eine Argumentationshilfe oder Textbausteine, die ihnen ein bisschen Sicherheit geben. Es geht nicht darum, dass sie diese auswendig lernen und stumpf ablesen, sondern sie sollen daran erinnert werden, wie sie reagieren könnten. Das gibt Sicherheit. Außerdem ist es wichtig, regelmäßig über solche Situationen zu sprechen, Erfahrungen auszutauschen und in Situationsanalyse. Sowie auch im Training also in einem geschützten Raum, wo man Dinge ausprobiert und Situationen nachstellt, kann man herausfinden, wie man auf Kundenreaktionen reagieren sollte, wenn der Kunde sagt, diese blöde Maschine fällt schon wieder aus und das ist Mist bei euch. wie man mit herausfordernden Situationen umgeht oder ob man überhaupt darauf eingeht. Wie reagiert man denn darauf? Was sage ich dazu? Sage ich überhaupt etwas dazu?

ANDREA SPIEGEL: Gehe ich darauf ein oder ignoriere ich das.

MARILLA BAX: Ignoriere ich das oder mache ich einen Scherz und sage, ich frage mich auch, wer Ihnen diese Maschine verkauft hat. Ich hätte sie Ihnen nicht verkauft. Natürlich ist das keine optimale Reaktion. Aber es gibt Techniker, die sich dem Kunden näher fühlen als dem Unternehmen. Diese Techniker kann ich nur einfangen, indem ich ihnen Sicherheit gebe. Dies gelingt mit Training, mit Leitfäden, mit Coaching und dass ich sie am Arbeitsplatz begleite.

Je größer die Organisation ist, desto eher besteht die Chance, dass man einen Servicequalitätsbeauftragten einstellt, der Techniker im Feld begleitet und sich nach deren Situationen erkundigt. Also womit sie sich auseinandersetzen müssen und wie man sie unterstützen kann. Damit auch Training unser Job macht.

ANDREA SPIEGEL: Wer trägt deiner Meinung nach, die Verantwortung dafür, Sicherheit zu vermitteln und eine positive Stimmung im Service zu schaffen? Wessen Aufgabe ist das?

MARILLA BAX: In erster Linie liegt diese Verantwortung bei der Serviceleitung. Je weiter entfernt sie von den Leuten ist, desto schwieriger kann es werden. Da stellt sich dann die Frage, ob noch ein Teamleiter oder eine Art Supervisor dazwischengeschaltet wird, um die Stimmung aufrechtzuerhalten und direkte Unterstützung anzubieten.

Übrigens, am Rande bemerkt, sind wir beide Frauen und sprechen über Techniker. Ich denke, in vielen Serviceteams könnten mehr Frauen sein und das liegt nicht daran, weil ich eine Frau bin. Diese Branche ist von Männern dominiert.

ANDREA SPIEGEL: Gilt das vor allem für den Außendienst oder auch den Innendienst?

MARILLA BAX: Das betrifft sowohl den Innendienst als auch den Außendienst. Im Innendienst ist der Frauenanteil im kaufmännischen Bereich wieder hoch. Frauen sind jedoch immer noch weniger in technischen Berufen vertreten, warum auch immer das so sein mag. Das Gerücht hält sich anscheinend noch. Ich bin in der Technik groß geworden und bin selber in der IT unterwegs gewesen.

ANDREA SPIEGEL: Ich glaube, das ist ein Sozialisierungsthema.

MARILLA BAX: Ja genau. Es ist auch eine Frage der Imagearbeit, gutes Personal zu finden. Wenn wir dieses Thema nochmal aufgreifen, dann kann man schon viel früher anfangen und überlegen wie man junge Mädchen für technische Berufe, also für die MINT-Berufe, begeistern kann. Vor allem das Thema Service ist davon geprägt. Mädchen oder Frauen gewinnen, gerade im Innendienst, da sie oft eine andere Art der Kommunikation und Beziehungspflege mitbringen. Aber es ist so, dass man sich voneinander etwas abschaut. Natürlich haben wir Frauen es in solchen Technikerberufen immer noch schwer. Auch das ist wieder Imagearbeit. Ich erinnere mich daran, dass eine Kollegin, die in der Service-Position im Service-Management oder als Service-Mitarbeiterin unterwegs war, mir erzählte, wie ein Kunde am Telefon zu ihr sagte, dass sie für eine Frau bemerkenswert technisches Verständnis habe. Das ist noch nicht lange her.

ANDREA SPIEGEL: Dann hat sie gesagt, danke.

MARILLA BAX: Ja, was soll man dazu noch sagen? Am liebsten würde man durch das Telefon kriechen und sagen geht’s noch Kerl? Aber das war von dem überhaupt nicht böse gemeint, sondern der war einfach überrascht, weil er das nicht gewohnt ist. Das ist wieder Imagearbeit. Mir ist ein Kunde begegnet und hat gesagt, Mensch, Sie sind aber groß.

ANDREA SPIEGEL: Ja, Entschuldigung.

MARILLA BAX: Entschuldigung, da konnte ich jetzt nichts dafür. Aber es ist so. Der hätte auch sagen können, für eine Frau sind Sie groß. Ich weiß nicht. Er war auch groß, also größer als ich. Sein Vorteil war, er musste nicht weit runtergucken. Ja, okay. Aber ist das erwähnenswert?

ANDREA SPIEGEL: Ja, dass es überhaupt erwähnenswert ist.

MARILLA BAX: Aber kommen wir zurück zum Thema. Imagearbeit kann durch eine Mischung geschaffen werden, indem man andere, mitunter Frauen, für diesen Job begeistert. Gerade im Innendienst ist das sehr hilfreich. Frauen sind, ich weiß auch nicht, warum das so ist, ein Naturtalent darin, schlechte Situationen positiv zu besetzen. Die können Kunden auch in kritischen Situationen gut auffangen.

ANDREA SPIEGEL: Warum entscheidet sich ein Servicemitarbeiter, im Außen- oder Innendienst, dazu zu kündigen?

MARILLA BAX: Ein Servicemitarbeiter kündigt, wenn er sich nicht wertgeschätzt fühlt und zu wenig Aufmerksamkeit für seine Leistungen erhält. Auch im Service muss man lernen, Erfolge zu feiern.

Stellen wir uns vor, ein Servicemitarbeiter, sei es im Innendienst oder Außendienst, ist oft mit vermeintlich negativen Situationen konfrontiert, wie Problemanrufen von Kunden, die er lösen muss. Wobei der Innendienst es noch etwas schwieriger hat als der Außendienst.

Anders als im handwerklichen oder konstruktiven Berufen, wo man am Ende das Produkt sieht, was man gebaut hat, man das dem Kunden wiederum präsentiert und man ein positives Feedback für seine Leistung bekommt, da dass Produkt seinen Vorstellungen entspricht. Servicemitarbeiter hingegen erfahren wenig Lob von außen, dass der Kunde ihnen um den Hals fällt und sagt, das ist eine richtig tolle Lösung, die sie mir gezeigt haben. Das passiert sehr selten. Das heißt, wo bekommen sie positive Nachrichten oder positive Schwingungen mit? Eigentlich nur dann, wenn ich ihnen unsere Ziele, die wir erreicht haben, aufzeige. Schau, das waren unsere Tagesziele und die haben wir erreicht.

ANDREA SPIEGEL: Erfolge feiern.

MARILLA BAX: Erfolge feiern und darauf achten, wie man diese messbar machen kann. Das ist ein sehr wichtiger Schlüssel mit dem man dann Wertschätzung für die Arbeit erbringen kann. Selbstverständlich ist es sehr schön, wenn der Chef gelegentlich herumläuft, bei Gesprächen zuhört und einem auf die Schulter klopft und sagt, das hast du sehr gut gelöst, das war Klasse und das hat mir gut gefallen. War ein tolles Gespräch. Das kann man äußern und es kostet nichts, außer Aufmerksamkeit.

ANDREA SPIEGEL: Und das hat eine gute Wirkung.

MARILLA BAX: Das hat sofort Wirkung, weil ich demjenigen Aufmerksamkeit gebe und Wertschätzung erfahren lasse. Ich zeige ihm damit, dass das was er macht mir wichtig ist, ich darauf achte und weiß welche guten Leistungen er erbringt.

Selbstverständlich gilt dies auch im Rahmen von größeren Veranstaltungen, um den Service hervorzuheben und die guten Leistungen zu präsentieren wie beispielsweise, dass man in diesem Jahr 89 von 100 Kunden gehalten hat und im Vorjahr waren es nur 50. Keine Ahnung, welche Zahlen da eine genau Rolle spiele, aber der Vertrieb versteht es sehr gut, Erfolge zu feiern. Wir alle wissen, wie das funktioniert beim Vertrieb. Damit meine ich nicht, dass der Vertrieb das schlecht macht, sondern dass der Vertrieb weiß, wie man feiert. Warum weiß das der Service eigentlich nicht? Der Service weiß das auch, aber er zeigt sich nicht dabei.

ANDREA SPIEGEL: Das muss man ändern.

MARILLA BAX: Das muss man ändern. Der Service muss sich auch am Image positiv ins Unternehmen reinarbeiten und ihre guten Leistungen nach außen tragen. Das ist nicht ganz einfach, da immer das Gute zu finden.

ANDREA SPIEGEL: Jetzt geht es aber nicht nur darum, die Mitarbeiter zu halten und dafür zu sorgen, dass sie alle einigermaßen gute Laune haben, sondern man möchte ihnen auch eine Perspektive bieten. Gerade weil das vielleicht viele wollen. Sie wollen sich verändern und sich weiterentwickeln. Die Frage ist also, wann ist der richtige Zeitpunkt für Mitarbeiterentwicklung und wer wird entwickelt?

MARILLA BAX: Die Frage ist, wie entwickle ich und wo entwickle ich hin? Viele Serviceorganisationen sind sehr eindimensional. Ich kann in der Hotline, im Remote Service, im Ersatzteileservice oder als Techniker arbeiten. Fertig. Wo soll ich mich jetzt hin entwickeln? Das heißt, die Mitarbeiter fragen automatisch, wo sie Karriere machen können? Entweder wächst man in eine Führungsrolle, von denen im Service nicht viele vorhanden sind, da es meistens wenige sind, oder man wechselt vom Service in die Projektierung, in den Vertrieb oder in die Produktentwicklung. Das ist oft der naturgegebene Weg, dass sie sich rausentwickeln. Dies gilt es aufzuhalten und zu überlegen, welche Rollenprofile man im Service schaffen kann?

Heutzutage werden durch die Digitalisierung und durch die Weiterentwicklung der Geschäftsmodelle im Service, Möglichkeiten gefördert und gegeben, im Service Karrieren sowie Fachkarrieren zu gestalten und nicht nur Führungskarrieren.

Das heißt, ich kann zum Beispiel eine Rolle schaffen, die sich vordergründig damit beschäftigt, die Geschehnisse im Service zu analysieren. Ich könnte beispielsweise den Service Business Analyst schaffen. Der hat alles im Fokus, was an Daten im Service aufläuft, sowie Kennzahlen, die sich damit beschäftigen und den Chef dabei zu unterstützen, was man aus unseren Servicezahlen letztendlich ableiten kann. Das kann eine Hauptrolle sein, also ein Hauptjob oder auch ein Teil Job, der zu meiner anderen Rolle ergänzend ist. Es kann auch sein, dass ich ein Spezialist in der Kundenbindung werde. Das heißt, ich weiß besonders viel über all unsere Kunden und habe den Fokus auf die Kundenbeziehungen und was dort passiert. Da werte ich wieder Servicezahlen aus und werde zu demjenigen, der den Kontakt, aus dem Service heraus, zum Kunden sucht und wie eine Art CRM-Manager im Service funktioniert. Auch das kann eine Rolle sein. Oder ich bin ein interner Trainer für alle, die da sind und je nach Größe der Organisation kann ich es mir leisten, eine solche Rolle zu besetzen. Ich bin derjenige, der überall mitspringt, Wissen weitergibt und dafür sorgt, dass alle das zum Arbeiten haben, was sie benötigen.

ANDREA SPIEGEL: Dass sich alle gut abgeholt fühlen.

MARILLA BAX: Genau. Oder ich bin jemand, der sich besonders gut in Serviceprozessen auskennt und dafür sorgt, dass an allen Schnittstellen alles gut läuft. Ich bin dann ein Servicequalitätsbeauftragter. Auch das kann eine Rolle sein.

Es geht darum, neue Rollen zu schaffen und zu überlegen, wie man dort Karrierepfade aufbauen kann. Wenn ich bei dem Thema der Hotline, bei dem sogenannten Customer Support am Telefon, bleibe, dann kann es da die Juniorrolle aber auch eine Seniorrolle geben.

Die besonders schweren Fälle, bei denen ich eine First- Second-Level-Struktur aufbaue, landen im Second-Level und dann verläuft meine Karriere vom First-Level in den Second-Level. Oder ich bin jemand, der besonders gut chatten kann und dort viel Know-how aufgebaut hat und bin somit der Chat-Spezialist. Oder ich bin der Beschwerdemanagement-Spezialist. Es gibt viele Bereiche, in denen man sich spezialisieren kann.

ANDREA SPIEGEL: Man kann sich auch viel ausdenken, was passt.

MARILLA BAX: Da kann man sich viel ausdenken. Je nach Größe der Organisation sind das alles Hauptrollen oder mehrere Rollen, die man anbietet.

ANDREA SPIEGEL: Die ich ergänzend für alltägliche Tätigkeiten haben kann.

MARILLA BAX: Genau. Das ist sehr gut, wenn man dort mehrere Hüte aufsetzen kann und somit dafür sorgt, dass das Leben im Service abwechslungsreich bleibt und ich durch mehr Verantwortung mein Gehalt weiterentwickeln kann. Dabei wird häufig die Frage gestellt, was man tun kann, um mehr zu verdienen, denn nicht alle wollen immer die Führungskarriere.

ANDREA SPIEGEL: Das ist auch nicht für jeden geeignet, genau.

MARILLA BAX: Ist auch nicht für jeden geeignet, genau. Übrigens, ist die Serviceführung nicht zwingend jemand, der sich am besten damit auskennt, nach dem Motto der Edeltechniker, ist nicht zwingend die beste Serviceführungskraft. Das muss man auch durchaus hinterfragen.

Zudem fühlt sich nicht jeder Techniker gleich wohl, obwohl viele zunächst einmal in die Idee verliebt sind, Führungskraft zu werden, als Naturgegebenen Pfad und stellen aber im Nachhinein fest, dass sie keine Techniker mehr sind.

ANDREA SPIEGEL: Dann mache ich nicht mehr das, was ich eigentlich wollte.

MARILLA BAX: Ja, dass, was ich eigentlich wollte. Weil beim Führen stellen sie fest, dass sie sich dann mit Menschen und mit Kennzahlen beschäftigen müssen, sowie Management und Marketing machen müssen, wobei sie sich die Frage stellen, wann sie denn noch Technik machen können?

ANDREA SPIEGEL: Wann kann ich endlich zum Kunden?

MARILLA BAX: Wann kann ich zum Kunden? Das erleben wir oft und mein Kollege sagt immer, das sind meine Edelsachbearbeiter und dass die Serviceführungskraft rausgeht und die Welt rettet. Der ist dann als Edeltechniker unterwegs und versucht mit seiner Expertise, schwere Fälle zu lösen. Das ist aber nicht Führungsaufgabe. Hier müsste man darauf hinweisen, dass offensichtlich eine Second-Level-Struktur, also einen Service-Techniker-Spezialisten Senior oder ein Service-Trainer, benötigt wird. Wenn Expertise vorhanden ist, dann kann ich eine fachliche Karriere im Service gestalten und das muss nicht zwingend der Aufstieg in die Führungsrolle sein.

ANDREA SPIEGEL: Aber wer geht beim Thema Weiterbildung und Fortbildung auf wen zu? Bist du der Meinung, dass die Mitarbeiter es ansprechen sollten, sobald sie eine Veränderung wollen oder geht die Führungskraft auf die Mitarbeiter zu? Oder entsteht das am besten in einem Dialog? Wie funktioniert das?

MARILLA BAX: Ja, sowohl als auch. Da spielt womöglich die Personalabteilung eine Rolle, je nachdem, wie groß das Unternehmen ist. Generell gibt es Personalentwicklungsprogramme für das Unternehmen. Spätestens die kommen um die Ecke und erkundigen sich nach den Weiterbildungs- oder Fortbildungswünschen der Servicemitarbeiter. Aber jetzt können wir an das Thema aus dem ersten Podcast, wo wir über Servicequalität gesprochen haben, anknüpfen. Weil über Servicequalität definiere ich auch, welche Qualität meine Kundenbeziehungen erleben sollen, meine erlebbar machen und da bin ich wieder bei dem Thema Softskills. Da stelle ich dann den jetzigen Standpunkt der Situation fest. Beispielsweise kann ich eine Kundenbefragung durchführen, um zu überprüfen, wie die Kommunikation wahrgenommen wird. Daraus lässt sich wiederum ableiten, an welchen Stellen der Softskills wir womöglich noch Personalentwicklung betreiben müssen. Dann kann ich gezielt dort andocken und in Mitarbeitergespräche einfließen lassen und sagen, das sind unsere Ziele, als kompetenter, zuverlässiger und freundlicher Gesprächspartner wahrgenommen zu werden. Das überprüfen wir mit regelmäßiger Kundenbefragung. Hier sehen wir, dass es hier noch Nachholbedarf gibt, denn ihr werdet nicht zuverlässig wahrgenommen. Jetzt können wir schauen, welchen Anteil ihr in eurem Verhalten persönlich daran habt und welchen Anteil haben wir in unseren Prozessen, in unserer Organisation, der auch auf Zuverlässigkeit mit einzahlt. Zusammen ergibt das dann die Organisationsentwicklung und die Personalentwicklung.

ANDREA SPIEGEL: Das Thema Weiterbildung und Entwicklung, je nachdem ob man sich das in-house leisten kann oder ob man sich extern jemanden dazu holt, kostet Zeit und Geld. Lohnt sich das? Findest du solch eine Investition unbedingt sinnvoll? Oder ist das ein nice-to-have, wenn man die Zeit und die Möglichkeiten dazu hat, da das für kleinere Familienunternehmen nicht unbedingt hilfreich und gut umsetzbar ist.

MARILLA BAX: Es lohnt sich, also ich als Trainingsanbieter, muss diese Frage sowieso mit Ja beantworten. Es lohnt sich immer in Trainings zu investieren, weil es dazu führt, dass Gespräche meistens weniger konfliktreich werden, Geschäftsprozesse flüssiger laufen und ich mein Geschäft am Laufen halte. Die Frage ist, in welcher Dosis mache ich das? Da kommt es wiederum darauf an, wie viel Budget ich für sowas zur Verfügung habe. Ich sollte ein Budget haben, denn ein Personalentwicklungsbudget braucht man auch im Service.

Nach meiner Meinung, sollte man für einen Innendienst immer zwei Tage im Jahr Softskill-Trainings einplanen. Da gibt es viele Möglichkeiten diese zu gestalten, in dem man beispielsweise einen externen Trainer kauft oder E-Learning, Web-based-Training integriert, oder man einen internen Trainer hat oder einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch macht. Heutzutage gibt es viel mehr Möglichkeiten.

ANDREA SPIEGEL: Verschiedene Formate.

MARILLA BAX: Verschiedene Formate und nicht alle kosten gleich viel Geld. Aber man sollte mindestens zwei Tage im Jahr, gerade beim Innendienst, dafür einplanen, nur Softskills zu trainieren und zu entwickeln.

ANDREA SPIEGEL: Also zum Beispiel auch Gesprächsführung oder ähnliches.

MARILLA BAX: Genau.

ANDREA SPIEGEL: Was gehört da dazu?

MARILLA BAX: Gesprächsführung, Kommunikation per Mail, also wenn ich einen Mail-Kontakt habe, wie man Wissen aufbereitet und wie man Tickets vernünftig schreibt. Ticketqualität ist ein Thema. Wie schreibe ich etwas rein, mit dem jemand auch etwas anfangen kann? Wir sprechen in unserem Haus dabei von Service-Muskeln, die es gilt zu trainieren. Dazu muss ich diese auch definieren. Wir hatten vorhin das Thema Rollen. An einem Rollenbild kann ich festmachen, welche Service-Muskeln hier besonders wichtig sind. Was sind Service-Muskeln? Das könnte zum Beispiel die Kommunikation sein, ein ganz wichtiger Service-Muskel. Das kann aber auch die Lösungskompetenz, also die Problemlösungstechniken sein, die ich als Techniker im Außendienst unbedingt benötige. Oder wenn man als Remote-Service alleine über alle möglichen Daten sitzt, dann braucht dies starke analytische Fähigkeiten sowie Problemlösungsfähigkeiten.

ANDREA SPIEGEL: Das ist der Analyse-Muskel.

MARILLA BAX: Der Analyse-Muskel, genau. Oder wenn ich jemand bin, der ein Ersatzteil verkauft, dann habe ich womöglich noch mehr unternehmerisches Wissen, sowie wirtschaftliches und kaufmännisches Denken, was auch ein Service-Muskel ist. Hier gilt es, die Rollenprofile zu definieren und herauszufinden wer von was wie viel benötigt und man sich danach richtet, wie die Trainingsformate und das Budget dazu aussehen. Kann ich mir das selber leisten oder muss ich das kaufen?

ANDREA SPIEGEL: Gibt es goldene Regeln, ich glaube, wir haben in einem der vorherigen Podcasts darüber gesprochen, oder Tipps, die du teilen könntest?

MARILLA BAX: Die Drei-A-List-Regeln.

ANDREA SPIEGEL: Genau, drei war, glaube ich, eine deiner Lieblingszahlen.

Gibt es grundlegende Prinzipien, an die man sich halten sollte, wenn es um Mitarbeiter geht? Also sowohl bei der Einstellung als auch bei der Bindung und Entwicklung von Mitarbeitern. Wie kann man diese Aspekte harmonisch miteinander vereinen?

MARILLA BAX: Da kommen wir wieder zurück zum Anfang. Es geht um das Beschreiben von Profilen und Rollen, die ein positives Image haben. Schon der Titel der Stellenanzeige entscheidet darüber, ob sich jemand überhaupt dafür interessiert oder nicht. Wenn beispielsweise der Titel Hotline-Agent lautet, können Sie sicher sein, dass sich dafür keiner bewerben wird. Doch wenn der Titel Spezialist für Customer Support lautet, dann sind die Chancen schon höher. Der Begriff Spezialist impliziert eine gewisse Hochwertigkeit.

ANDREA SPIEGEL: Und Customer Support klingt auch besser als Hotline.

MARILLA BAX: Ganz genau, Customer Support klingt viel ansprechender als Hotline. Jedoch beginnt die Gestaltung nicht nur mit den Titeln, sondern auch mit den beschriebenen Anforderungen und dem entsprechenden Gehalt, welches passen muss. Tatsächlich ist das so. Hinzu kommen sogenannte Hygienefaktoren in Bezug auf die Ausstattung. Die Ausstattung umfasst nicht nur materielle Aspekte, sondern auch die Arbeitszeit. Die Arbeitszeit sollte, sowohl im Innendienst als auch im Außendienst, mit dem Privatleben der Mitarbeiter vereinbar sein. Flexibilität wird hier oft geschätzt. Schichtmodelle hingegen sind nicht beliebt, dennoch muss es diese auch geben. Auch hier ist die Frage, wie man sie so gestalten kann, dass sie für die Mitarbeiter angenehm sind.

ANDREA SPIEGEL: Vielleicht können die Mitarbeiter sogar bei der Gestaltung mitwirken.

MARILLA BAX: Genau. Wir erleben es immer noch und das ist erschreckend, trotz der Pandemie und des angeblichem Remote-Vorschubs, dass gerade Mitarbeiter im Innendienst am schlechtesten ausgestattet sind, was die Hardware angeht. Das heißt, sie werden ins Homeoffice geschickt, nach dem Motto, du kannst auch remote arbeiten und bekommen einen Mini-Laptop mit. Im Büro hingegen haben sie drei Bildschirme, Headset, Stehtisch und zu Hause haben sie einen Mini-Laptop und kein Headset. Und die Webcam nehmen wir vom Laptop. Das muss funktionieren, weil das reicht. Du kannst auch remote arbeiten. Auf der anderen Seite der Luxus-Arbeitsplatz, den ich im Büro hatte mit drei Bildschirmen und einen guten Überblick.

Ich bin auf dem einen Bildschirm remote auf der Maschine, auf dem anderen Bildschirm habe ich mein CRM, mein Service-System, und auf dem dritten Bildschirm habe ich zusätzlich irgendeine Fachliteratur. Ja, was mache ich jetzt auf meinem kleinen Notebook zu Hause? Da schaue ich ganz schön in die Röhre. Dann stellt sich die Frage, wie bin ich dort unterwegs?

Macht es mir Spaß, dort zu arbeiten? Nein, nicht wirklich. Mit welchem Auto fahren Techniker im Außendienst? Macht das Spaß, mit dem Auto zu fahren? Denn diese müssen immerhin Transporter fahren.

ANDREA SPIEGEL: Ist das bequem?

MARILLA BAX: Ist das bequem, genau. Wie ist das Auto ausgestattet? Welche Werkzeuge stehen mir zur Verfügung? Und wie sieht es mit der Kleidung aus? Habe ich T-Shirts? Wird mir Arbeitskleidung gestellt?

ANDREA SPIEGEL: Habe ich Kleidung zum Wechseln?

MARILLA BAX: Genau. Interessanterweise gibt es hier oft ein Ungleichgewicht: Die Techniker im Außendienst werden eher mit Kleidung ausgestattet, da sie durch das Marketing auch als Repräsentanten des Unternehmens wahrgenommen werden. Im Gegensatz dazu erhalten Mitarbeiter im Innendienst weniger. Sie sitzen oft in normaler Kleidung da. Doch warum eigentlich? Auch ihnen könnte man beispielsweise Polohemden oder witzige T-Shirts zur Verfügung stellen.

ANDREA SPIEGEL: Besonders wenn das Thema Videokommunikation bei Gesprächen mit Kunden immer wichtiger wird.

MARILLA BAX: Genau, plötzlich sehen die Kunden das Bild. Warum also nicht auch den Mitarbeitern angemessene Kleidung zur Verfügung stellen? Diese können genauso wie der Außendienst ausgestattet werden. Das gehört auch zur Wertschätzung dazu und wertet Job auf, was ihn für einen attraktiver macht. Diese vielen kleinen Faktoren spielen eine Rolle und sind für die Mitarbeiter von Bedeutung. Übrigens ist auch der Austausch unter den Mitarbeitern von großer Bedeutung. Sowohl Techniker im Außendienst als auch im Innendienst benötigen diesen Austausch. Sie möchten zusammenarbeiten, miteinander umgehen und leben vom Austausch ihrer Erfahrungen, die sie gemacht haben. Dafür muss der entsprechende Raum geschaffen werden, mindestens einmal im Jahr. Ein jährliches Service-Meeting, bei dem alle zusammenkommen, ist unverzichtbar. Die Mitarbeiter sollten die Möglichkeit haben, sich für zwei Tage zurückzuziehen und sich auszutauschen.

ANDREA SPIEGEL: Darüber reden, was man alles erlebt hat.

MARILLA BAX: Genau und das ist sehr heilsam, weil der Service trotzdem weiterlaufen muss. Wenn dann andere Abteilungen dazu veranlasst werden, den Service für diese Zeit zu übernehmen, stellen diese fest, wie anspruchsvoll dieser Service-Job eigentlich ist.

ANDREA SPIEGEL: Das trägt wiederum zur Wahrnehmung im Unternehmen selbst bei.

MARILLA BAX: Du hattest vorhin das Thema Onboarding erwähnt. Das ist ebenfalls ein entscheidender Faktor, um ein positives Service-Image zu etablieren. Onboarding betrifft nicht nur Service Mitarbeiter, sondern alle Mitarbeiter. Idealerweise sollte jeder Mitarbeiter irgendwann auch Zeit im Service verbringen. Jeder Mitarbeiter im Unternehmen sollte einmal im Kundendienst tätig sein, um dieses Geschäft zu verstehen.

ANDREA SPIEGEL: Um auch ein Gefühl für die Kollegen zu haben.

MARILLA BAX: Genau. Es gibt sogar Unternehmen, welche ich auch in meinem Kundenkreis habe, die das nicht nur im Rahmen des Onboardings tun, sondern es als fortlaufenden Prozess etabliert haben. Jeder sollte einmal im Jahr eine Woche im Service arbeiten, um nie die Bodenhaftung und die Wertschätzung für diesen Job zu verlieren.

ANDREA SPIEGEL: Ich kenne das auch aus anderen Unternehmen, wenn Mitarbeiter, die den ganzen Tag im Büro sitzen, für eine Woche in den produzierenden Bereich gehen und eine Einsatzwoche machen.

MARILLA BAX: Ja, genau. Es geht darum, ein besseres Gefühl füreinander zu entwickeln.

ANDREA SPIEGEL: Warum also nicht auch andersherum?

MARILLA BAX: Ganz genau, das ist sehr wichtig.

MARILLA BAX: Vielleicht sollte an dieser Stelle noch ein weiterer Punkt erwähnt werden, den du zwar nicht explizit angesprochen hast, aber der wichtig ist – die Servicekultur. Sie ist eine Frage der Haltung im Unternehmen. Ich bin immer auf der Suche nach Unternehmen, die den Service nicht nur als Angelegenheit der Service-Abteilung verstehen, sondern das gesamte Unternehmen den Service lebt. Das ist die hohe Kunst oder das höchste Ziel. Die Servicekultur beginnt zwar in der Service-Abteilung – schließlich steht es bereits im Namen –, doch sie sollte das ganze Unternehmen erfassen und Teil der Unternehmenskultur sein. Sie sollte im täglichen Umgang miteinander spürbar sein. Das bedeutet, dass Mitarbeiter sich gegenseitig auch als Kunden und Dienstleister verstehen, unabhängig von ihrer jeweiligen Rolle. Erst dann beginnt Servicekultur. Nicht nur in der Service-Abteilung. Dies trägt ebenfalls zu einem positiven Image bei. Wer sich mit dem Service-Personal beschäftigen möchte, sollte über seine Servicekultur nachdenken und seine Mitarbeiter als Kunden begreifen.

ANDREA SPIEGEL: Ich lasse das so stehen.

Marilla, vielen Dank für deine Zeit und erneute Teilnahme. Wir schätzen es sehr, dass du wieder bei uns warst und uns einen tieferen Einblick in dieses spannende Thema gegeben hast.

Wie immer hoffen wir, dass ihr da draußen viel mitnehmen konntet. Wenn ihr Fragen habt, schreibt sie gerne in die Kommentare. Falls ihr Vorschläge für weitere Themen habt, die wir in zukünftigen Folgen behandeln sollen, lasst es uns wissen. Vielleicht können wir auch Marilla für eine weitere Folge gewinnen, falls es ein spezifisches Thema gibt, das euch besonders interessiert und das wir bisher nur an der Oberfläche angeschnitten haben.

MARILLA BAX: Mir fallen immer noch Themen ein. Aber die Frage ist, was euch interessiert.

ANDREA SPIEGEL: Genau, es gibt noch viele Themen in diesem Bereich, über die wir sprechen können. Also teilt uns eure Interessen gerne mit. Ansonsten wünschen wir euch eine schöne Adventszeit. Wenn euch das Video gefallen hat, gebt uns gerne einen Daumen nach oben oder auch eine Bewertung bei iTunes für den Podcast. Macht’s gut. Wir hören uns beim nächsten Mal.

MARILLA BAX: So machen wir es. Bis bald.

Welche Idee steckt hinter der Multikommissionierung in der Lagerlogistik?

„Die Idee bei der Multikommissionierung ist auch da, eben solche Leerfahrten, Leerwege, egal ob jemand läuft oder eben fährt, zu vermeiden.“

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