ANDREA SPIEGEL: Ich glaube, ich starte jetzt ganz direkt.
MARILLA BAX: Ganz direkt, das ist ganz ungewöhnlich.
ANDREA SPIEGEL: Wie finde ich gutes qualifiziertes Servicepersonal?
MARILLA BAX: Diese Frage ist sehr schwer zu beantworten, darüber müssen wir auf jeden Fall 20 Minuten sprechen.
ANDREA SPIEGEL: Wir haben ein bisschen Zeit, leg los.
MARILLA BAX: Ich fange mit den schlechten Seiten des Service an. Der Service hat eigentlich kein positives Image. Wenn man Schüler in der Schule fragt, was sie später einmal werden wollen, dann beantwortet keiner von ihnen diese Frage mit Servicetechniker, weil sie das Berufsbild nicht kennen und wenn, dann vermutlich nur negativ.
ANDREA SPIEGEL: Woher kommt das?
MARILLA BAX: Das weiß ich auch nicht so genau. Ich glaube, man kann die Frage stellen, warum keiner weiß was der Service macht? Das liegt daran, dass der Service nicht über das Gute, was er macht, spricht. Viele Serviceleute bringen sehr viel Leidenschaft in ihren Job, aber sie sind nur Serviceleute und keine Vertriebler und sie verkaufen sich selbst nicht genug. Sie sind nicht in der Presse, sie werden kaum wahrgenommen und man zeigt sie nicht.
ANDREA SPIEGEL: Nur wenn der Service nicht funktioniert.
MARILLA BAX: Nur wenn der Service nicht funktioniert, dann kriegt der eine auf den Deckel und dann wird auch auf diesen hingezeigt.
Wobei, das möchte ich fairerweise erwähnen, da hat sich schon in den letzten Jahren viel entwickelt. Wir sehen heute immer mehr, auch in den sozialen Medien, positive Beispiele von Serviceleuten. Die Firmen haben verstanden, dass es sich lohnt, auch mit den Serviceleuten Werbung zu machen. Nicht zuletzt, wenn Service ein Geschäftsmodell wird, das eine Podcast-Folge bei uns war, dann ist es wichtig auch zu zeigen, mit welchen Leuten erbringe ich den Service. Damit fange ich an, sie transparent zu machen, sie zu zeigen und somit Werbung für sie zu machen. Das ist ein ganz wichtiger Baustein. Machen Sie Werbung für Service, zeigen Sie auf, welche Facetten der Service hat und wie interessant dieser Job ist. Damit wird es wahrscheinlicher Leute anzulocken, die dem Service bisher vielleicht nicht viel Beachtung geschenkt haben.
Ich erzähle immer wieder von Technikern, mit denen ich Besuche begleite oder Sonstiges und letzte Woche hatte ich die Gelegenheit, das war ganz nett, mich wieder mit einem Techniker ein wenig auszutauschen. Wir haben beim Kaffee ein bisschen darüber gesprochen, was den Job ausmacht. Ich finde, er hat sehr schön beschrieben, warum er Techniker ist. Er sagt, dass es für ihn keinen schöneren Job als Techniker im Außendienst gibt. Der ist sehr abwechslungsreich und er sieht jeden Tag etwas anderes. Das sind zwar ähnliche Produkte, die er immer wieder behandelt, aber die Situation ist eine andere. Der Kunde, die Ansprechpartner, der Ort und die Räumlichkeit sind verschieden. Es sind viele neue Dinge. Dann sagte er etwas, was ich sehr gut nachempfinden kann. Er findet es auch total toll, zwei Stunden auf der Autobahn zu sein und keiner will etwas von ihm. Das schätzt er sehr. Auch wenn es einmal drei Stunden sind, dann kann er sich Podcasts anhören. Er sagt, das macht er tatsächlich. Er lädt sich vorher die Sachen runter und genießt die Zeit. Er genießt aber vor allem die Abwechslung, dass er unterwegs ist. Das ist etwas, was man am Service Image positiv beeinflussen kann, vorausgesetzt die Firmensituationen lässt das zu. Er hat mit seinem Chef die Vereinbarung, welche für alle seine Kollegen ebenso gilt, dass sie zehn Stunden am Tag arbeiten, aber nur vier Tage. Das heißt, am fünften Tag haben sie frei. Die Vereinbarung ist, dass sie maximal eine Nacht auswärts verbringen. Im Mittel. Er sagt, es kann auch Wochen geben, wo es zwei sind, aber in der Regel ist es eine. Das heißt, es ermöglicht ihm, die sozialen Kontakte zu pflegen. Auch wenn sie in Zeiten von Pandemie vielleicht kürzer oder weniger waren. Die Techniker haben oft das Image, nur auf der Straße und nie zu Hause zu sein. Sie seien auf Montage. Das ist heutzutage nicht mehr unbedingt der Fall. Darauf kann ich Einfluss nehmen. An diesem Image kann ich arbeiten und den Technikerjob attraktiver machen, sodass er ein Privatleben ermöglicht, denn das ist etwas, was durchaus am Klischee hängt. Das kann ich nachvollziehen. Heutzutage wollen die jungen Leute gar nicht mehr viel reisen oder aber sie wollen ein ganzes Jahr im Ausland sein. Das ist etwas anderes. Aber ständig auf Achse sein, das ist nicht das, was alle sehr schätzen, sondern da spielt das Privatleben auch eine große Rolle.
Wenn wir über Servicepersonal sprechen, dann muss ich überlegen, was macht den Servicejob attraktiv. Was hat ihn bisher vielleicht nicht attraktiv gemacht. Welche Veränderungen kann ich vornehmen und die positiven Veränderungen wiederum mehr in den Vordergrund stellen.
ANDREA SPIEGEL: Bezieht sich das auch auf den Innendienst? Ist das ebenfalls ein unattraktiver Beruf oder nicht ausreichend bekannt?
MARILLA BAX: Dieser Beruf ist nicht ausreichend bekannt. Er ist unattraktiv, weil er am schlechtesten bezahlt wird. Warum das so sein muss, verstehe ich ebenfalls nicht, denn heutzutage wird im Innendienst viel mehr Expertise gefordert als früher. Die Techniker können in der Regel im Innendienst arbeiten, remote auf die Maschinen oder Geräte egal welcher Art zugreifen. Sie benötigen dabei eine hohe Expertise, die genauso entlohnt werden sollte wie beispielsweise ein Ingenieurberuf oder eine Form der Konstruktion, die ebenfalls eine Form des Ingenieurwesens darstellt. Das Image des Berufs hängt natürlich stark von der Bezahlung ab. Ein Servicetechniker im Außendienst kann durch seine Außeneinsätze oft noch Einbußen in der Bezahlung ausgleichen. Im Innendienst jedoch bedarf es ebenso angemessener Entlohnung, da hierfür umfassende Kompetenz und Fähigkeiten notwendig sind. Ich bin der Meinung, dass teilweise sogar vielfältigere Fähigkeiten erforderlich sind als in anderen Berufen. Diese Tatsache sollte sich auch in der Bezahlung angemessen widerspiegeln.
ANDREA SPIEGEL: Wahrscheinlich sind hier auch vermehrt Soft Skills gefragt. Dies erinnert mich ein wenig an Pflegeberufe. Diese sind ebenfalls von großer Bedeutung, wie wir alle gelernt haben.
MARILLA BAX: Ja haben wir alle gelernt.
ANDREA SPIEGEL: Dennoch haben diese Berufe noch nicht den Stellenwert erreicht haben, den sie eigentlich haben sollten.
MARILLA BAX: Absolut, das Problem ist immer noch dasselbe. Wer strebt eine Karriere als Kindergärtner, Pfleger oder telefonischer Servicetechniker an. Diese Berufe leiden unter vielen negativen Imagefaktoren und werden oft mit schlechter Bezahlung in Verbindung gebracht. Obwohl dies längst nicht überall der Fall ist, hält sich dieses Image.
Betrachten wir den Innendienst und stellen uns vor, ich bin ein Remote Servicetechniker und arbeite in einer Hotline. Allein der Begriff “Hotline” suggeriert, dass es sich lediglich um Telefonate handelt. Hier wird der Beruf abgewertet, obwohl das keineswegs angemessen ist. Wenn ich auf der Suche nach Mitarbeitern bin, muss ich hervorheben, welche positiven Aspekte dieser Job bietet. Ganz sicher ist er abwechslungsreich und ermöglicht den ganzen Tag über Interaktion mit Menschen. Dies trifft übrigens auch auf Pflegeberufe zu. Ich möchte hier keine falsche Verbindung herstellen, die wieder zu schlechtem Gehalt führt, aber dennoch ist es eine Tatsache. Dieser Beruf ist abwechslungsreich und beinhaltet wenig Routine. Bei der Mitarbeiterauswahl ist darauf zu achten, Mitarbeiter zu finden, die nicht nur nach Routine streben, sondern die auch Freude daran haben, unvorhergesehene Situationen zu bewältigen. Denn genau das ist, was da passiert.
ANDREA SPIEGEL: Ich glaube, dass wir in früheren Folgen über Agilität gesprochen haben. In diesem Berufsfeld ist Agilität wahrscheinlich wichtiger denn je, oder?
MARILLA BAX: Absolut, ja. Man weiß nie welches Thema gerade ansteht, wenn das Telefon klingelt oder eine E-Mail eingeht. Wer ruft an, was für eine Frage hat diese Person und was ist das Thema. Zumindest nicht in diesem Industriekundenumfeld, in dem wir sind. Hier sprechen wir nicht von einem Callcenter, wo sich ständig alles wiederholt und Massengeschäft an der Tagesordnung ist. Da gibt es Routinen. In diesem Umfeld, in dem wir uns bewegen, wie im Mittelstand, etwa beim Bau von Maschinenanlagen oder in der Medizintechnik oder ähnlichem, erfordert bereits der erste Kontakt mit dem Kunden eine hohe Expertise, um zu verstehen, worüber der Kunde eigentlich redet. Diese Expertise muss ich in den Vordergrund stellen. Das ist ein Beruf mit viel Leidenschaft, der jedoch auch mit viel Stress einher geht, da kontinuierliche externe Impulse eintreffen. Wenn das Telefon klingelt, muss ich sofort reagieren und in der jeweiligen Situation entscheiden, was ich mache und wie ich helfen kann.
ANDREA SPIEGEL: Aber wie erkenne ich nun als Unternehmer, wenn ich den Beruf attraktiver gestaltet und genügend Bewerber habe, die richtige qualifizierte Servicekraft, die zu mir passt?
MARILLA BAX: Wenn wir beim Innendienst bleiben, würde ich tatsächlich vor dem eigentlichen Gespräch, in der Pandemiezeit waren das vielleicht sogar Online-Gespräche, aber hoffentlich kehren Präsenzgespräche bald zurück, einen spontanen Anruf empfehlen. Wenn jemand, bei mir am Telefon arbeiten soll, dann möchte ich ihn auch am Telefon kennenlernen. Das heißt, ich rufe an und schaue, wie die Person reagiert und führe da bereits schon den ersten Stresstest durch. Wenn mir die Person nicht gefällt, weil die Person am Telefon spontan kaum redet, also die Zähne nicht aus einander bekommt, oder viel zu viel spricht und mich gar nicht wahrnimmt, dann habe ich bereits viel, worauf ich eingehen kann. Zudem kann ich für mich bewerten, ob die Person die Richtige bei uns am Telefon ist. Wichtig ist diese Soft Skills im Vordergrund erst einmal zu checken, wenn ich einen Innendienstmitarbeiter einstelle, der auch Fachwissen benötigt. Denn diese Soft Skills kann ich schwer weiterentwickeln, wenn sie nicht da sind. Fachwissen, vorausgesetzt da ist eine solide Basis vorhanden, kann ich antrainieren, schulen und das kann man lernen. Natürlich benötigt man auch ein Grundtalent für spezifische Themen sowie ein technisches Verständnis, aber das kann viel besser weiterentwickelt werden. Also Soft Skills weiterzuentwickeln. Jemand, der nicht gerne telefoniert, werde ich nicht zum Telefongott machen. Warum sollte ich das auch versuchen? Ebenso werde ich jemand, der lieber schreibt als spricht, nicht zwangsläufig zum Telefongott machen. Das gilt übrigens auch in umgekehrter Richtung. Jemand, der super telefonieren kann, ist nicht zwangsläufig jemand, der gut E-Mails schreiben kann, geschweige denn chatten. Heutzutage sehen wir oft, dass Servicekräfte nach dem Motto handeln, ich muss alle Kanäle bedienen, Telefonie, E-Mail, Chat, besonders wenn wir den Innendienst weiterhin betrachten. Aber jemand, der gut am Telefon agieren kann, muss nicht zwangsläufig auch gut im Chatten sein. Zwar handelt es sich bei beiden Medien um direkte und schnelle Kommunikationswege, jedoch erfordert der Chat zusätzlich eine korrekte schriftliche Ausdrucksweise. Im Chat wird jedoch der ein oder andere Tippfehler toleriert, aber er sollte nicht von Fehlern durchsetzt sein. Flüchtigkeitsfehler werden akzeptiert, dennoch ist eine angemessene Rechtschreibung wichtig. Auch Grammatik ist relevant, besonders wenn ganze Sätze im Chat verwendet werden.
Um kurz beim Thema Chat zu bleiben, wenn jemand in technischer Expertise chatten soll, stellt sich die Frage, welche Informationen kann ich tatsächlich im Chat vermitteln? Wann muss ich möglicherweise auf andere Medien wie E-Mail oder Telefon umsteigen? Das ist eine Herausforderung. Die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte verständlich darzulegen oder sie auf einfachere Weise zu erklären, ist ein weiteres Talent, welches ein Servicemitarbeiter im Innendienst benötigt. Techniker vor Ort sollten auch sprechen können. Die Zeiten, in denen Techniker nur stumm mit ihrer Scheuklappenbrille auf ihre Maschinen starrten, nach dem Motto, Kunde, sprich mich nicht an, sind vorbei. Ein Techniker draußen im Feld muss in der Lage sein, seine Arbeit zu präsentieren, ansprechbar zu sein und im Zweifelsfall sogar Schulungen vor Ort durchführen zu können.
ANDREA SPIEGEL: Eine Frage beantworten und vielleicht spontan auf einen zweiten Fehler reagieren, der aufgetreten ist, bevor er zustande kam.
MARILLA BAX: Im Idealfall sollte er seine Scheuklappen ablegen, nach links und rechts schauen und erkennen was sich im Umfeld von der jetzigen Situation im Service befindet. Er sollte diese Situation aktiv ansprechen und proaktiv auf den Kunden zugehen und mitteilen, dass er gerade vor Ort ist und zusätzliche Probleme erkannt hat, die korrigiert werden müssen.
Ein Techniker vor Ort sollte in der Lage sein, sich zu präsentieren, reden zu können und seine Leistung zu kommunizieren. Er kann auch zusätzliche Leistungen verkaufen, wenn er schon vor Ort ist, wie einen Wartungsvertrag oder ein Update. Wenn er sieht, dass der Kunde beispielsweise über eine Datenhaltung verfügt, dann kann er anbieten, die Konfigurationsdaten regelmäßig zu sichern oder ob diese bei uns gesichert werden. Das bedeutet, dass im Falle eines Ausfalls oder bei einem kompletten Ausfall einer Maschine die Konfigurationsdaten auf eine andere Maschine übertragen werden können, um die Arbeit schnell fortzusetzen. Diese Fähigkeiten werden heute von einem Techniker erwartet. Bei der Personalauswahl sollte man darauf achten, jemanden zu finden, der hierfür die Motivation mitbringt.