ANDREA SPIEGEL: Gut, dann haben wir uns jetzt quasi den Prozess angeschaut, was ich alles machen könnte, bevor ich an Digitalisierung und Automatisierung denke. Wenn wir jetzt einen Schritt weitergehen und sagen, zum Beispiel, mich interessiert heute vor allem das Thema Automatisierung oder Teilautomatisierung in einem zweiten Schritt. Wie kann ich an so ein Thema rangehen?
Also sagen wir mal, ein großer Knackpunkt ist oft das Thema, ich finde gar nicht mehr genug Fachkräfte für meine Logistik. Das heißt, ich könnte theoretisch alles mit einem Staplerpark abbilden, also mit jeder Menge Staplerfahrern. Aber gleichzeitig finde ich gar nicht genug Leute, die dafür qualifiziert sind. Wie gehe ich dann an so ein Thema Teilautomatisierung ran?
CHRISTOPH RIXE: Ja, das ist eine spannende Frage. Also wenn ich mir vorstelle, ich habe eine solide Prozessstruktur, gute Abläufe und eigentlich ein gut funktionierendes Logistiksystem, um meine Logistikprozesse abzudecken, dann gibt es zwei Treiber für Automatisierung, sei es Teilautomatisierung oder Vollautomatisierung. Und diese Treiber sind Kosten und Personalressourcen.
Ich mache mal ein Beispiel: Wenn ich keine Staplerfahrer mehr finde, um meinen wachsenden Prozess zu befriedigen, könnte ich auch einfach sagen, gut, ich biete 100.000 Euro Jahresgehalt, dann würden wahrscheinlich die Hälfte der Belegschaft als Staplerfahrer anfangen zu arbeiten. Kosten sind also der eine treibende Faktor. Der zweite treibende Faktor sind gesetzliche Rahmenbedingungen, die man nicht umgehen kann. Wenn es zum Beispiel ein maximales Hebelimit gibt, 25 Kilo sind es, glaube ich, dann muss ich diesen Prozess teil- oder vollautomatisieren.
ANDREA SPIEGEL: Dann musst du dir ein Exoskelett kaufen.
CHRISTOPH RIXE: Ganz genau. Das ist einer der treibenden Faktoren. Wenn ich sage, ich brauche einen Mitarbeiter, dann muss ich den Prozess teilautomatisieren und ihm eine Hebevorrichtung zur Verfügung stellen, damit er dieses Gewicht nicht mehr selbst tragen muss. Das ist dann eine Teilautomatisierung.
Die beiden treibenden Faktoren sind also Kosten und gesetzliche Rahmenbedingungen. Wenn ich weiß, dass ich den Prozess mit Automatisierung unterstützen muss, um meine Mitarbeiter zu entlasten oder um Kosten zu senken, zum Beispiel, weil ich keine Staplerfahrer mehr bekomme, dann muss ich mich entscheiden, ob ich eine Teilautomatisierung oder eine Vollautomatisierung mache. Das ist auch wieder eine Abwägung der Kosten und der gesetzlichen Rahmenbedingungen.
Ich kann vielleicht mit einer Teilautomatisierung alle gesetzlichen Rahmenbedingungen erfüllen. Aber ist das auch die gewinnbringendste oder kostensenkendste Maßnahme, die ich ergreifen kann? Das muss man sich dann leider von Einzelfall zu Einzelfall anschauen.
ANDREA SPIEGEL: Okay. Das heißt, du kannst keine pauschale Aussage machen oder gibt es Knackpunkte, wo du sagst, da geht es dann Richtung Automatisierung oder eben auch nicht?
CHRISTOPH RIXE: Also eine pauschale Aussage kann man wirklich schwer treffen. Ich sage, wenn man gute, standardisierte Grundprozesse hat, dann ist es immer leichter, eine Vollautomatisierung anzustreben. Aber das kann man nicht allgemein sagen. Es ist aber leichter, mit einer Teilautomatisierung anzufangen als ersten Schritt.
Wenn ich jedoch keine soliden Grundprozesse habe, dann macht eine Vollautomatisierung vielleicht mehr Sinn, weil ich dann sagen kann, gut, jetzt nehme ich mir die Zeit und strukturiere alles von Anfang bis Ende durch und gehe gleich den Schritt zur Vollautomatisierung. Das ist natürlich auch ein großer Invest, den man als Mittelständler leisten muss.
ANDREA SPIEGEL: Ja, wenn ich jetzt das Gefühl habe, ich kann vielleicht nicht direkt alles automatisieren, weil ich da nicht ran möchte. Vielleicht habe ich auch einen Betriebsrat, der etwas dagegen hat. Das gibt es ja auch oft. Wie kann ich mit einer Teilautomatisierung starten? Welche Prozesse schaue ich mir da zum Beispiel an? Was würde ich als erstes automatisieren, wenn ich nur einen Teil meiner Logistik automatisiere? Was sind die sogenannten “low hanging fruits”, die man gut umsetzen kann?
CHRISTOPH RIXE: Innerbetrieblicher Transport wäre meine erste Tendenz. Kurz erklärt: Es gibt verschiedene logistische Prozesse. Das sind einmal die dispositiven und die planerischen Prozesse, die ich durchführen muss. Dann gibt es die, bei denen der Wareneingang erfasst werden muss, Einlagerungen müssen gebucht werden. Ich muss die Ware vom Wareneingang ins Lager bewegen, bereitstellen, kommissionieren etc. Eine Automatisierung dafür zu finden, ist nicht immer einfach. Aber das, was schon gut geht und wo es auch einen ausgereiften Stand der Technik gibt, ist der Transport. Das heißt, Ware von A nach B transportieren. Das funktioniert mit fahrerlosen Transportfahrzeugen schon ziemlich gut oder mit Stetigförderern, also Rollbahnen oder Bandförderern.
Das sind Automatisierungsmöglichkeiten, die schon seit Jahrzehnten am Markt bestehen und gut ausgereift sind. Damit kann man seine Logistikprozesse auf einen Schlag ziemlich optimieren. Auch das setzt wieder ein bisschen Umdenken voraus.
ANDREA SPIEGEL: In welcher Form?
CHRISTOPH RIXE: Ich versuche das Beispiel zu nehmen: Ich habe eine gute Voraussetzung, um meine Ware vom Wareneingang ins Hochregallager zu bringen, nicht direkt ins Regal, sondern nur zu einem Übergabepunkt. Von dort aus kann weiterhin mein Staplerfahrer die Palette ins Hochregallager bringen. Dafür bieten sich fahrerlose Transportsysteme an. Mein bisheriger Prozess sieht jedoch so aus, dass ich einen einstufigen Wareneingang mache. Das heißt, mein Mitarbeiter fährt zur LKW-Rampe, entnimmt eine Palette, bucht den Wareneingang und bringt die Palette direkt ins Lager.
Das bedeutet, er macht sowohl den Wareneingang als auch den Transport zur Einlagerung. In Zukunft muss ich diesen Prozess zweistufig gestalten. Das heißt, ich habe einen Mitarbeiter, der nur noch den Wareneingang macht. Er braucht dann vielleicht keinen Stapler mehr, sondern nur eine Ameise. Er macht die Wareneingangsbuchung, aber nicht die Einlagerung. Das heißt, er fährt nicht mehr zum Hochregallager, sondern lässt die fahrerlosen Transportsysteme (FTS) oder die fahrerlosen Transportfahrzeuge (FTF) die Paletten transportieren. Ich habe den Prozess von einem einstufigen Wareneingangsprozess zu einem zweistufigen Wareneingangsprozess geändert.
ANDREA SPIEGEL: Klingt erstmal nicht nach einem Gewinn, oder? Wenn ich vorher nur eine Stufe habe und jetzt zwei.
CHRISTOPH RIXE: Der Vorteil ist, dass sich der Mitarbeiter nur noch auf den Wareneingang konzentriert. Er kann den Wareneingang sehr schnell bestätigen, die Paletten auf den Übergabepunkt stellen und sich um den nächsten LKW kümmern. Bisher würde er eine halbe Stunde lang nichts anderes machen, als mit dem Stapler von A nach B zu fahren und die Paletten ins Lager zu bringen. Jetzt kann er gleich mit dem nächsten Stapler anfangen, während das fahrerlose Transportfahrzeug die Paletten langsam ins Lager bringt.
ANDREA SPIEGEL: Ja, okay, verstanden. Das heißt, eine Beschleunigung im Wareneingang und vielleicht auch in der Annahme der Waren.
CHRISTOPH RIXE: Genau. Der Stellplatz wird schneller am Tor frei, und der nächste LKW kann anfahren. Das verbessert das Handling auf dem Hof. Es hat viele Vorteile, aber diese Automatisierung erfordert, dass man den dahinterliegenden Prozess in Frage stellt und von einem einstufigen auf einen zweistufigen Wareneingang umstellt.