#106 Datenbasierte Entscheidungen in der Produktion treffen mit Sabrina Rein

Podcast Industrie 4.0 | Der Expertentalk für den Mittelstand

Wir treffen jeden Tag duzende Entscheidungen – nicht alle stellen sich im Nachhinein als richtig heraus. Und gerade in mittelständischen Unternehmen kann eine falsche Entscheidung fatale Folgen haben.

Bei der heutigen Folge sprechen wir darüber, wie im unternehmerischen Kontext dafür gesorgt werden kann, dass fundierte und transparente Entscheidungen getroffen werden können.

Andrea und Sabrina, Teamlead Produktion MS Dynamics bei uns, gehen dabei mit Schwerpunkt auf die Produktion ein. Aber: Die Tipps und Learnings lassen sich auch auf jeden anderen Bereich in mittelständischen Unternehmen ausweiten!

Dabei geben wir euch mit, wieso die Transparenz dabei eine entscheidende Rolle spielt und wie durch digitalisierte Systeme wie einem Werkerassistenzsystem oder einer MDE genügend verwertbare Daten gesammelt werden können.

Triff die richtige Entscheidung und hör jetzt in unsere neuste Folge rein!

Das Transkript zur Podcast-Folge: Datenbasierte Entscheidungen in der Produktion treffen

ANDREA SPIEGEL: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge Industrie 4.0, der Experten-Talk für den Mittelstand.
Sehr gute Entscheidungen zu treffen, ist manchmal nicht so einfach. Vor allem dann, wenn die Entscheidungsgrundlage nicht ganz sauber oder noch ein wenig unklar ist.
Wie man speziell Transparenz in Entscheidungen in der Produktion bringt und warum mehr Transparenz eine gute Entscheidungsfindung ermöglicht, das schauen wir uns heute genauer an – gemeinsam mit meinem Gast. Ihr kennt sie vielleicht schon: Bei mir ist heute Sabrina Rein. Sie ist bei uns bei der L-mobile Teamleiterin im Bereich Produktion für das ERP-System Microsoft Dynamics. Ich freue mich, dass du heute da bist.

SABRINA REIN: Vielen Dank, Andrea, ich freue mich auch.

ANDREA SPIEGEL: Sehr schön. Wir schauen uns das Thema gleich genauer an. An der Stelle wie immer noch der kurze Hinweis für euch: Schaut gerne auch auf unserem YouTube-Kanal vorbei, da seht ihr unser tolles neues Studio. Ich freue mich immer noch darüber – es ist zwar schon eine Weile her, aber ich bin sehr happy, dass wir es haben.

ANDREA SPIEGEL: Sabrina, du warst schon einmal da – ich habe es schon verraten. Wir haben schon über das Thema Werkerassistenzsysteme gesprochen, über die Begleitung der Montage mit digitalen Arbeitsanweisungen und Ähnlichem. Trotzdem darfst du dich heute noch einmal vorstellen. Vielleicht hat jemand diese Folge verpasst. Wer bist du, und was machst du bei L-mobile?

SABRINA REIN: Sehr gerne. Ich bin bei L-mobile Teamleiterin für den Bereich MS Dynamics. Das heißt, ich betreue alle ERP-Systeme im Microsoft-Bereich und verantworte dabei vor allem den Produktionsbereich. Das umfasst alle Softwareprodukte, die wir im Produktionsumfeld einsetzen. Ich begleite die Projekte von der Kick-off-Phase über die Workshops bis hin zur Definition der Soll-Prozesse und schließlich zum erfolgreichen Go-Live.

ANDREA SPIEGEL: Sehr gut, das ist ein spannendes Arbeitsfeld, würde ich sagen. Wir haben auch einiges, was das Thema Produktion betrifft und das passt sehr gut zu unserem heutigen Thema.

ANDREA SPIEGEL: Du kennst das Spiel schon. Bevor wir loslegen, bekommst du wieder eine kleine Frage von mir. Für dich habe ich mir heute überlegt: Wenn du von heute auf morgen auf unserer Erde irgendetwas ändern könntest, was wäre das und warum?

SABRINA REIN: Das ist eine sehr schöne Frage. Ich glaube, ich würde das Wohlwollen zwischen den Menschen als verpflichtende Charaktereigenschaft festlegen. Denn ich finde: Wenn man sich mit Wohlwollen begegnet, mit einem gemeinsamen Ziel vor Augen, kann man so viel mehr erreichen und gleichzeitig ein viel schöneres Leben führen. Deswegen würde ich die Eigenschaft des Wohlwollens bei jedem Menschen als Pflichtkriterium definieren.

ANDREA SPIEGEL: Das finde ich eine sehr coole Antwort. Vielen, vielen Dank.

ANDREA SPIEGEL: Dann würde ich sagen, wir starten direkt. Wir haben schon gesagt: Es soll um das Thema Produktion gehen, um das Thema Daten und darum, wie man diese Daten nutzen kann. Was sind denn typische Probleme, die in der Produktion entstehen, wenn Unternehmen keine klaren Daten haben und Entscheidungen vielleicht eher aus dem Bauch heraus treffen?

SABRINA REIN: Da kommt immer wieder das Thema Blackbox auf. Die Produktion ist heutzutage in vielen Unternehmen einfach eine Blackbox, weil keine Datentransparenz vorhanden ist. Die Daten liegen zwar irgendwo in der Datenbank, wurden aber nicht aufgearbeitet. Das führt letztendlich dazu, dass große Investitionsprojekte auf Basis von Bauchentscheidungen getroffen werden. Zum Beispiel, weil man glaubt zu wissen, wo das Bottleneck liegt. Oft ist das jedoch nicht der Fall. Häufig ist es eher so, dass sich ein Personenkreis lauter beschwert als der Bereich, in dem das wahre Bottleneck liegt.

Das führt dann dazu, dass große Investitionsprojekte an der falschen Stelle getätigt werden. Am Ende verbessert sich der Output, also die Leistung der gesamten Produktion nicht, obwohl viel Geld investiert wurde, weil das tatsächliche Bottleneck an einer anderen Stelle sitzt.

Ich sage immer: Man kann es sich vorstellen wie ein Wasserrohr. Wenn man meint, die Verstopfung vorne zu lösen, während hinten eine viel größere Verstopfung sitzt, kommt am Ende trotzdem nicht mehr Wasser heraus.

ANDREA SPIEGEL: Das stimmt.

ANDREA SPIEGEL: Jetzt hast du gerade schon gesagt: Es gibt wahrscheinlich bereits Daten – in irgendeiner Datenquelle oder vielleicht in einer Datenbank. Welche Daten sind denn überhaupt relevant für die Produktion und später auch für meine Entscheidungsfindung?

SABRINA REIN: Da kommt es immer darauf an, was man überhaupt auswerten möchte. Oder besser gesagt: Ich beginne lieber mit der Frage, warum man überhaupt eine Auswertung erstellen möchte. Grundsätzlich können alle Daten relevant sein. Wichtig ist, sich zunächst zu fragen: Warum möchte ich diese Auswertung haben, also wozu? Erst dann stellt sich die nächste Frage: Mit welchen Daten kann ich das überhaupt auswerten?

Die Basisinformationen oder die Basisdaten, die wir auswerten, sind meist die Ist-Stückzahl und die geplante Stückzahl, um diese gegenüberzustellen und daraus die Leistung zu berechnen. Hinzu kommen Bearbeitungszeiten, also die produktive Bearbeitungszeit, sowie Stillstandszeiten, etwa bei Maschinenstörungen. Auch Ausschusszeiten spielen eine Rolle, um diese ins Verhältnis zu setzen, ebenso wie Informationen zu Ausschussgründen und Störungsgründen.

Das sind, würde ich sagen, die Basisdaten, auf denen man den ersten Schritt aufbauen kann.

ANDREA SPIEGEL: Das sind also die KPIs, bei denen du sagen würdest: Das sind die Basic-KPIs. Oder gibt es noch andere, von denen du sagst, die sind auf jeden Fall hilfreich, auch wenn viele vielleicht nicht direkt daran denken?

SABRINA REIN: Ja, genau das sind die Basic KPIs. Wenn wir eine eher maschinengeführte Produktion betrachten, gibt es noch den Klassiker OEE, also die Gesamtmaschineneffizienz. Aber grundsätzlich gilt: Die KPIs sind so verschieden wie die Produktionsprozesse und die Unternehmen selbst.

Deswegen empfehlen wir immer, sich zuerst wirklich Gedanken darüber zu machen: Warum möchte ich das? Wozu? Und erst danach in die Fragen Was und Wie einzusteigen. Auch dabei unterstützen wir gerne in der Beratung. Wir sehen viele unterschiedliche Produktionen und können dadurch gute Inputs reinbringen, welche KPIs eventuell eine sinnvolle Erweiterung darstellen könnten.

ANDREA SPIEGEL: Was wäre denn eine klassische Antwort auf das Was und Wozu, also auf die erste Frage?

SABRINA REIN: Auf das Was und Wozu gibt es sehr unterschiedliche Antworten. Eine klassische wäre: Ich möchte sehen, welche Maschinen oder aus welchen Gründen meine Produktion niedriger ist als in meiner theoretischen Planung.

Dann kann man weitergehen und prüfen: Stimmt das wirklich? Ist die Produktion tatsächlich geringer als geplant? Hier kommt dann der Vergleich zwischen der IST-produzierten-Menge und der Soll-produzierten-Menge ins Spiel.

Um tiefer zu analysieren, würden wir außerdem empfehlen, die produktiven Bearbeitungszeiten den Stillständen gegenüberzustellen – ergänzt um die jeweiligen Stillstandsgründe. So etwas kann man beispielsweise in einem Kuchendiagramm auf einen Blick darstellen. Dann sieht der Produktionsleiter sofort: Okay, Materialfehler sind für 80 Prozent der Stillstandsgründe verantwortlich. Das bedeutet, man müsste vielleicht das Gespräch…

ANDREA SPIEGEL: …mit der Einkaufsabteilung suchen.

SABRINA REIN: Genau. Mit denen klären, warum es so viele Materialfehler gibt oder im Zweifel sogar direkt auf den Lieferanten zugehen.

Das wäre also das Warum: Warum leistet meine Produktion nicht das, was sie theoretisch leisten könnte? Genau daraus ergibt sich dann der Deep Dive: Woher kommt das eigentlich?

ANDREA SPIEGEL: Wie erfasse ich denn am Ende eigentlich solche Daten? Es klingt zunächst einmal schön: Wir haben Daten, wir stellen sie gegenüber und können dann tolle Ableitungen treffen. Aber wo bekomme ich diese Daten überhaupt her, und wo soll ich sie sammeln?

SABRINA REIN: Das ist, würde ich sagen, die größte Herausforderung in einem Projekt. Weniger die Frage woher die Daten kommen, denn heutzutage hat eigentlich jedes Unternehmen eine riesige Flut an Daten.

Die Daten sind oft schon vorhanden. Ob sie allerdings in der Granularität vorliegen, wie wir sie benötigen, muss man prüfen. Woher wir sie dann letztlich beziehen, ist Definitionssache. Ein Beispiel ist, und das ist meistens auch das führende System, das wir empfehlen, das ERP-System. Dort werden alle Daten verwaltet, etwa Artikel oder Sollzeiten, die für die finanzielle Betrachtung der Produkte genutzt werden.

Im Idealfall werden dort auch die Bearbeitungszeiten, also die Ist-Zeiten, zurückgeschrieben – sofern bereits eine BDE, also eine Betriebsdatenerfassung, im Einsatz ist. Dann können wir eigentlich alle relevanten Daten direkt dort abgreifen.

Es gibt jedoch auch Fälle, in denen das ERP-System – das sich hauptsächlich auf die Kerngeschäftsprozesse konzentriert – nicht ausreicht, beispielsweise für Störzeiten oder Störgründe. Einige ERP-Systeme bieten einfach keinen Bereich, in dem man diese Informationen zurückschreiben kann. In solchen Fällen können wir die ergänzenden Daten in der L-mobile-Datenbank erfassen, zurückschreiben und diese zusätzlich anbinden.

Am Ende gilt es also zu definieren: Warum machen wir das? Was wollen wir messen, also welche KPIs und wie können wir diese berechnen? Wie sieht die mathematische Formel der KPI aus und woher bekommen wir die Basisdaten und aus welcher Datenbank?

Auch hier unterstützen wir gerne bei der Analyse und erarbeiten gemeinsam ein Konzept, in dem genau das festgeschrieben wird.

ANDREA SPIEGEL: Wir haben in unserer letzten Folge, das habe ich schon im Intro angeteasert, über das Thema Werkerassistenz gesprochen. Das ist auch ein System, bei dem ich am Ende wieder Daten erfasse, die ich dann wahrscheinlich auch zurückspielen kann. Du hast vorhin, glaube ich, das Thema Maschinenpark beziehungsweise Maschinendatenerfassung erwähnt – das ist auch ein wichtiges Thema. Sind das Grundpfeiler, bei denen du sagst: Eine Betriebsdatenerfassung und eine Maschinendatenerfassung sind notwendig? Oder würdest du sagen: Nein, man kann auch schon mit den Basic-Daten im ERP-System ganz gut loslegen, auch wenn dort vielleicht manches fehlt?

SABRINA REIN: In den meisten Fällen ist die klare Empfehlung, zunächst auf eine Betriebsdatenerfassung oder sogar eine Maschinendatenerfassung zu setzen. Ich sage immer: Die Betriebsdatenerfassung oder auch ein Werkerassistenzsystem bildet die Basis. Sie sorgt für die Granularität der Daten, insbesondere der IST-Daten, die in Echtzeit ins ERP-System zurückgemeldet werden.

Im Idealfall ergänzt man das dann durch eine Maschinendatenerfassung. Vor allem, wenn bereits einige automatisierte Prozesse vorhanden sind. Das ist dann die Automatisierung: Die Daten gelangen fälschungssicher und ohne den Faktor Mensch ins ERP-System.

Erst danach macht es in den meisten Fällen Sinn, die KPIs auszuwerten, weil wir dann die solide Datengrundlage haben, auf die wir aufbauen können.

Nichtsdestotrotz: Wenn man bereits ein gutes Set an Daten im ERP-System hat und sagt, ich möchte jetzt starten, ich möchte es einmal greifbar machen, dann kann man auch zunächst mit einem Pilot KPIs definieren – basierend auf den ERP-Daten. Man muss sich jedoch bewusst sein: Wenn die Datengranularität steigt, möchte man die KPIs oft noch einmal anpassen, weil dann mehr Informationen zur Verfügung stehen. Das bedeutet in der Regel zusätzlichen Aufwand, da die KPIs aktualisiert werden müssen.

ANDREA SPIEGEL: Das heißt also: Die KPIs muss ich nicht zwingend vorher schon definieren, um daraus abzuleiten, welche Daten ich überhaupt erfassen muss? Oder würdest du sagen, das hängt schon miteinander zusammen?

SABRINA REIN: Es hängt definitiv zusammen. Wir müssen die KPIs vorher definieren, damit wir wissen, welche Daten wir überhaupt benötigen. Aber das hindert uns nicht daran, auch schon einmal vorher zu starten.

Ein Beispiel: Was ist denn überhaupt die Soll-Leistung der Produktion? Diese Daten werden über die Betriebsdatenerfassung nicht zwingend erfasst, sondern sind im ERP-System hinterlegt.

ANDREA SPIEGEL: Vom Planer festgelegt.

SABRINA REIN: Genau mit so einem KPI könnte man schon einmal beginnen, um es überhaupt greifbar zu machen.

Was bedeutet ein BI-Report für mich? Wie oft wird er aktualisiert? Welche Granularität habe ich? Wie tief kann ich hineinzoomen? Auf welche Ebenen kann ich gehen? Welche Darstellungsformen stehen mir zur Verfügung?

ANDREA SPIEGEL: Du hast vorhin schon einmal in einem Nebensatz das Thema Fehleranfälligkeit erwähnt. Gerade bei diesen Daten – insbesondere mit Blick auf unsere Production-Management-Plattform, auf die wir letztlich hinauswollen – möchte ich vermeiden, dass die Datenbasis fehleranfällig ist. Oder dass Fehler auftreten. Du hast schon gesagt, dass man durch Automatisierung vieles abfangen kann. Gibt es trotzdem Schwachstellen, auf die man besonders achten sollte?

SABRINA REIN: Dass die Datenbasis fehleranfällig ist, kann natürlich immer passieren. Vor allem, wenn der Faktor Mensch Daten zurückmeldet, da kann schon mal ein Zahlendreher drin sein. Das komplett zu vermeiden, ist schwierig.

Was auf jeden Fall durch automatisierte Auswertungen – also über BI und KPIs – an Fehlern reduziert wird, ist der menschliche Faktor bei der Datenauswertung. Wir sehen nämlich viele Unternehmen, die ihre Auswertungen noch über riesige Excel-Tabellen machen. Eine Person ist dort manchmal die halbe Woche nur damit beschäftigt, Daten aus dem ERP-System über Excel-Tabellen zusammenzuführen.

Hier ist das Fehlerrisiko immens: Ein einzelner Klick oder eine unvorsichtige Formelverschiebung kann die KPIs beeinflussen, ohne dass es auffällt. Im Worst-Case-Szenario vergleicht man dann Äpfel mit Birnen und darauf basieren möglicherweise große Investitionsentscheidungen, etwa die Anschaffung einer neuen Maschine.

Mit einem BI-Report passiert das nicht, weil immer die gleiche Berechnungs- und Datenstruktur verwendet wird. Zusätzlich sparen wir uns den manuellen Excel-Aufwand: Ein BI-Report wird beispielsweise jede Nacht aktualisiert. Das heißt, ich komme morgens zur Arbeit, hole mir meinen Kaffee und sehe als Produktionsleiter direkt, was gestern passiert ist.

ANDREA SPIEGEL: Was ist passiert? Wo stehe ich heute?

SABRINA REIN: Genau. Exakt.

ANDREA SPIEGEL: Ich finde, das klingt eigentlich relativ einfach und nicht so schwierig. Warum tun sich trotzdem so viele Unternehmen immer noch schwer, sich mit diesen KPIs auseinanderzusetzen, diese Daten zu erfassen und das dann in BI-Dashboards oder Ähnlichem umzusetzen? Vorhin hast du gesagt, dass Produktion für viele Unternehmen immer noch eine Blackbox ist, obwohl sie oft das Flaschenhals-Thema einer Firma sein kann. Gerade wenn man auf die Produktion angewiesen ist, damit hinten etwas herauskommt, um zu verkaufen. Warum ist das so? Warum macht das nicht einfach jeder?

SABRINA REIN: Ich glaube, das hat zwei Faktoren. Der eine Faktor ist, dass die Daten zwar da sind, man aber in der Illusion lebt, dass sie einem etwas bringen, zum Beispiel bei der Einführung weiterer Software-Systeme. Dann sind sie da, aber man hat sie doch nicht im Überblick, weil sie in diesen Datenbanken verschwunden sind. Eine Person, die sich noch nicht mit IT auseinandergesetzt hat, kann mit den Datenbanken, selbst wenn sie Zugang hätte, nicht viel anfangen.

ANDREA SPIEGEL: Das ist dann so ein Fall von „erst mal haben“?

SABRINA REIN: Genau, erst mal haben, aber dann irgendwie nicht weitermachen. Man ist erst einmal zufrieden und beschäftigt sich vielleicht lieber mit Nebenprojekten, lässt es dann liegen und es wird nie wirklich angegangen, ohne die zugrunde liegenden Probleme zu erkennen. Man gewöhnt sich daran, Entscheidungen auf Basis von Bauchgefühl oder Excel-Auswertungen zu treffen und kommt dadurch nicht weiter.

Das ist der erste Punkt: Der anfängliche Schritt verursacht keine realen Kosten, wie zum Beispiel Ausschuss in der Produktion, sondern eher Manager-Probleme, die durch extrem viel Mehraufwand ausgeglichen werden.

Der zweite Punkt, den ich sehr oft beim Thema KPIs sehe, ist der Anspruch, alles 100 Prozent perfekt zu machen. KPIs sollen so definiert werden, dass sie in allen Fällen genau passen. Das ist in den ersten Schritten nicht möglich. Meine Empfehlung ist: Es ist wichtig, die KPIs wohlüberlegt zu definieren. Aber lasst uns erst einmal mit den 80 Prozent starten. Wenn dann Sonderfälle auftreten, zum Beispiel ein nicht ausgefülltes Datenfeld oder ein fehlerhafter Wert, ist das okay. Wir sehen das im BI-Report und können nach und nach optimieren, sodass wir überhaupt ins Laufen kommen. Wenn wir von Anfang an versuchen, 100 Prozent zu erreichen, werden wir es nie schaffen.

ANDREA SPIEGEL: Dann kann man nicht wirklich anfangen.

SABRINA REIN: Genau.

ANDREA SPIEGEL: Das wäre schade. Du hast jetzt schon viel über BI, über Dashboards und so weiter. Das ist am Ende auch das, was dem Produktionsleiter vor allem den Überblick verschafft. Du hast es schon schön beschrieben: Der kommt morgens rein und sieht gleich, was in der Nachtschicht passiert ist.

ANDREA SPIEGEL: Wie baue ich denn so ein Dashboard überhaupt auf? Worauf muss ich da achten? Was brauche ich dafür alles?

SABRINA REIN: Also klar ist, dass man eine Software braucht, zum Beispiel ein BI-System, mit dem die Daten abgegriffen und aktualisiert werden können. Dann braucht man eine Vision: Wie soll das aussehen? Ich komme wieder auf das gleiche Thema zurück – das wozu? Welche KPIs will ich überhaupt erfassen und was? Das muss alles verknüpft werden. Letztendlich reicht oft schon ein Laptop mit einem Browser, auf dem das BI-System geöffnet werden kann. So einfach ist es grundsätzlich.
In der Umsetzung ist es ein Weg: Von der Konzeptphase, in der wir beraten und helfen – wie sehen die KPIs aus, wo bekommen wir die Daten her – bis zur Umsetzung. Auch die Hardware stellt in der Regel keine große Herausforderung dar.

ANDREA SPIEGEL: Das Schöne an so einem BI-Dashboard – wir nutzen das selbst bei uns auch. Ich kann das aus Marketingsicht sagen: Es macht Spaß und es ist hilfreich, diese Daten visuell aufbereitet zu sehen. In Grafiken, Kuchendiagrammen oder wie du schon gesagt hast, mit Farben, die bestimmte Dinge hervorheben, zum Beispiel rot, wenn Werte in einen kritischen Bereich fallen.

SABRINA REIN: Exakt, ja.

ANDREA SPIEGEL: Das sind wirklich coole Möglichkeiten, die ein BI-Dashboard visuell bietet.
Je nachdem, welcher Typ man ist, können Tabellen sehr nützlich sein, weil man daraus viel ablesen kann. Aber manchmal ist eine visuelle Aufbereitung einfach deutlich hilfreicher.

SABRINA REIN: Definitiv, ja.

ANDREA SPIEGEL: Das ist sehr cool.

ANDREA SPIEGEL: Wie stellen Unternehmen jetzt aber sicher, dass diese ganzen Dashboards auch aktuell bleiben? Wir haben schon über das Thema Datenerfassung gesprochen. Wenn diese bis zu einem gewissen Punkt automatisiert ist, bleiben die Daten wahrscheinlich eher aktuell. Aber gibt es da noch Fallstricke, auf die man achten muss?

SABRINA REIN: Also, was ich ganz oft sehe, ist, dass das Thema Cockpit, Echtzeit-Cockpit und BI-Reports häufig vermischt wird. Bei einem Cockpit – das fällt dann eher wieder in die Rubrik Werkerassistenzsystem – geht es wirklich um IST-Werte: Wie ist der aktuelle Stand meiner Maschine? Dieses Cockpit wird in Echtzeit aktualisiert, zum Beispiel jede Sekunde oder alle fünf Sekunden. Da haben wir also einen echten Echtzeit-Überblick.

Aber das ist nicht das Thema, das ich hier groß aufgreifen möchte. Es geht um die Analyse der KPIs. Hier gibt es verschiedene Lizenzarten, je nachdem, für welche Software man sich entscheidet – von dreimal am Tag Aktualisierung bis zu einmal in der Nacht. Meistens reicht unserer Erfahrung nach eine Aktualisierung einmal täglich vollkommen aus, weil es um mittel- und langfristige KPIs geht.

Bei der Production-Management-Plattform, also dem Dashboard, sind wir eher bei der mittel- bis langfristigen Datenaktualisierung. Meine Erfahrung zeigt: Einmal am Tag in der Nacht aktualisieren – das reicht vollkommen aus. Dann kann ich am nächsten Morgen sehen, wie der Stand ist.

ANDREA SPIEGEL: Jetzt hast du schon gesagt, dass dieses Dashboard eher für mittel- bis langfristige Entscheidungsfindung gedacht ist – einfach eine Grundlage, um zu sehen, was bei uns passiert, auch in der Rückschau.

ANDREA SPIEGEL: Was macht ein Produktionsleiter denn jetzt mit diesen KPIs, die er in seinem Dashboard sieht? Was kann er daraus ableiten? Was sind mögliche Handlungsschritte? Vielleicht hast du da auch in der Praxis schon Erfahrungen bei bestimmten Kunden gesammelt. Was ist nachher der Mehrwert und wie wird das genutzt?

SABRINA REIN: Vor allem können solche KPIs mittel- und langfristig für Investitionsentscheidungen genutzt werden. Sei es die Anschaffung einer neuen Maschine oder der Ersatz einer Maschine. Wenn ich beispielsweise drei baugleiche Maschinen habe – nicht unbedingt im gleichen Baujahr – lohnt es sich vielleicht, zum richtigen Zeitpunkt, wenn Maschine 1 die höchsten Störzeiten hat, Geld in eine neue Maschine zu investieren. Ich würde das unter dem Kapitel „Investitionsentscheidungen“ zusammenfassen, die auf Basis der KPIs getroffen werden können.

Das zweite große Thema ist das Qualitätsmanagement. Auch hier können Maßnahmen zur Verbesserung der Gesamtprozessqualität abgeleitet werden. Wenn ich zum Beispiel sehe, wie viele Ausschussgründe prozentual in einer Kategorie auftreten, kann ich langfristig abstellende Maßnahmen einführen. Dadurch lässt sich der Output erhöhen und gleichzeitig die Produktionskosten pro Stück senken. Ich nenne das mal „Optimierungsmaßnahmen“, sei es in Richtung Qualität.

Der dritte Punkt ist aus meiner Sicht ebenfalls sehr interessant, weil ich ursprünglich aus der Prozessoptimierung komme – also den klassischen Lean-Prinzipien. Hier geht es darum: Wo ist mein Bottleneck? Wenn ich mit der Produktion wachsen möchte, muss ich wissen, wo mein Bottleneck liegt. Löse ich das falsche Bottleneck, löst man am Ende nichts. So kann man also das richtige Bottleneck identifizieren und gezielt lösen. Danach entsteht automatisch das nächste Bottleneck, und dann kann man wieder die nächste Engstelle angehen.

ANDREA SPIEGEL: Dann bleibt es vielleicht woanders hängen, weil dann mehr durchkommt.

SABRINA REIN: Genau. Langfristig ist das aber der Weg zum Erfolg: Das gesamte System zu optimieren, die Performance zu erreichen, die man geplant hat.

ANDREA SPIEGEL: Sabrina, wie sind deine Erfahrungen in der Praxis? Finden das wirklich alle gut? Also sind alle dankbar für diese Transparenz, für diese Übersicht und für diese langfristige Planbarkeit oder zumindest Planungsunterstützung? Oder gibt es auch Stimmen, die sagen: „Nee, lieber nicht“?

SABRINA REIN: Es gibt natürlich auch Widerstände, keine Frage. Es gibt niemals ein Projekt, bei dem alle sofort „Juhu, genau so machen wir es!“ rufen. Generell tut Datentransparenz manchmal weh. Es ist nicht immer angenehm, sich selbst den Spiegel vorzuhalten und vielleicht zu erkennen, dass das, was man in den letzten zehn Jahren aus dem Bauch heraus und mit bestem Willen und wohlwollend gemacht hat, nicht immer der Realität entsprach, sondern nur der gefühlten Wahrheit.

Deswegen gibt es definitiv Hürden, bei denen Change Management eine große Rolle spielen kann. Von Anfang an muss man die Transparenz für alle betroffenen Mitarbeiter einbringen, damit sie verstehen, worum es geht. Es geht dabei nie um Kontrolle oder Fingerpointing. Es geht vielmehr darum, die gefühlte Wahrheit in die reale Wahrheit zu überführen und gemeinschaftlich am Gesamtziel der Produktionsoptimierung zu arbeiten.

ANDREA SPIEGEL: Dann erst mal vielen Dank für den ganzen Überblick. Was würdest du jetzt noch gerne KMUs da draußen mitgeben, die sich Gedanken darüber gemacht haben? Das klingt gut, was du gesagt hast und es hört sich spannend an und es ist etwas, das sie eigentlich auch brauchen. Was würdest du ihnen noch mit auf den Weg geben?

SABRINA REIN: Ich würde auf jeden Fall mitgeben, dass man sich nicht zu sehr verkopfen darf. Wie gesagt, 100 Prozent gibt es nicht. Es ist besser, mit ein bis drei KPIs zu starten und das Ganze dann nach und nach zu optimieren oder auszurollen, bis man vielleicht am Ende seine 15 KPIs erreicht hat, als nicht zu starten und in zehn Jahren immer noch eine Blackbox in der Produktion zu haben, die letztendlich niemandem etwas bringt.

ANDREA SPIEGEL: Das ist wohl wahr.

ANDREA SPIEGEL: Hast du zum Abschluss vielleicht noch eine Lieblings-KPI für die Produktion, bei der du sagen würdest: „Wenn ich nur eine haben könnte, diese würde ich auf jeden Fall immer haben wollen“?

SABRINA REIN: Hm, ja, ich glaube, es ist der Vergleich zwischen den geplanten und den tatsächlich produzierten Stückzahlen, weil man hier einfach direkt die Leistung erkennt und auch sofort Maßnahmen ergreifen kann, falls man hinter dem Plan liegt.

ANDREA SPIEGEL: Sehr schön.

ANDREA SPIEGEL: Dann vielen Dank für deine Zeit. Wir haben uns heute das ganze Thema Production Management Plattform angeschaut: Wie man eigentlich die richtigen KPIs für die eigene Produktion findet, was man mit diesen KPIs alles machen kann und wie man sie anschließend in saubere Dashboards und BI-Reports überführt, damit man langfristig gute und fundierte Entscheidungen treffen kann.
Wir haben uns angeschaut, warum Transparenz in der Produktion so wichtig ist, wofür man sie braucht, wie man die Daten generiert und idealerweise über schlanke Prozesse automatisiert aktuell hält. Wir haben über KPIs gesprochen – welche es gibt, wie man sie definiert und was man danach damit macht. Außerdem, wie man spannende Dashboards erstellt und wie KMUs mit datengetriebener Produktion und Entscheidungsfindung starten können. Vielen Dank für deine Zeit, es hat Spaß gemacht.

SABRINA REIN: Vielen Dank dir.

ANDREA SPIEGEL: An euch da draußen: Wenn ihr noch Fragen zu dem Thema habt oder bestimmte andere Aspekte der Datenerfassung in der Produktion wissen wollt, schreibt uns gerne eine E-Mail oder einen Kommentar. Lasst es uns auf jeden Fall wissen. Wenn ihr Ideen für weitere Folgen habt, meldet euch sehr gerne bei uns – wir freuen uns darüber.
Wenn euch die Folge gefallen hat, lasst uns gerne einen Daumen nach oben bei YouTube oder eine Bewertung bei Apple Podcasts oder Spotify da. Vielen Dank für eure Zeit, macht’s gut und bis zum nächsten Mal.

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„Die Idee bei der Multikommissionierung ist auch da, eben solche Leerfahrten, Leerwege, egal ob jemand läuft oder eben fährt, zu vermeiden.“

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