ANDREA SPIEGEL: Ihr habt ja schon viel erlebt, auch in verschiedenster Weise. Würdest du sagen, es lohnt sich eigentlich immer zu digitalisieren? Oder gibt es vielleicht auch Fälle, wo ihr sagt, nice to have, aber eigentlich nicht nötig, weil wir vielleicht gar nicht den Output brauchen oder so? Oder dass es halt so klein ist, dass es sich nicht lohnt? Oder würdest du sagen, auf lange Sicht gesehen, auf jeden Fall sinnvoll?
PASCAL LÖCHNER: Würde ich gern drei Antworten darauf geben.
ANDREA SPIEGEL: Dann starten wir mit der ersten.
PASCAL LÖCHNER: Genau. Die erste Antwort ist, es gibt Fälle, die sind so glasklar. Ja, da lohnt es sich auf jeden Fall zu digitalisieren. Dort ist viel entsprechendes Mengenvolumen da, ein paar Papierzettel, manuelle Arbeit. Das ist dann relativ simpel wegzurationalisieren. Also das rechnet sich auch super einfach. Klar, die Fälle haben wir sehr, sehr häufig und da brauchen wir auch nicht lange drüber diskutieren. Heute fragt keiner mehr nach der Nutzenrechnung, weil jeder im Kontext von Apps und Smartphones sieht, dass der Nutzen eigentlich auf der Straße liegt. Wäre die erste Kategorie-Antwort.
Dann gibt es die zweite, die passiert lustigerweise auch relativ häufig. Da sagt man: Wenn wir jetzt am Digitalisieren sind, dann richtig. Dann versucht man, auf Teufel komm raus, alles zu digitalisieren, was rumliegt. Da muss man dann schon auch mal die berechtigte Frage stellen, was ist der Use Case? Was ist das Mengenvolumen dahinter? Wenn sie einen Prozess zweimal die Woche haben und der geht manuell ganz gut und das ist irgendwie vielleicht auch eine Sondergeschichte, die dieses Unternehmen, die Produkte oder die Branche oder den Markt dann betrifft.
ANDREA SPIEGEL: Also zum Beispiel stark spezialisiert ist.
PASCAL LÖCHNER: Genau. Dann lass den Prozess so wie er ist. Da brauche ich keine 15, 20 Tage für irgendein Customizing, Beratung und Pflichtenhefterstellung. Lass den Prozess so ist.
Wenn das Mengenvolumen wächst oder die Probleme damit zu groß werden, weil ich Regressanforderungen vor Kunden, Imageverluste oder sonst irgendwas habe. Wenn ich die Ware nicht pünktlich rausbringe, die falsche Ware geliefert wird oder beschädigt ist, dann sag ich, lass den Prozess wie er ist. Also ich frage dann immer unsere Kundeninteressenten, wie viel steckt denn da dahinter? Ich glaube, die Diskussion ist teurer wie der Nutzen, den wir dann nachher raushaben. Lass es.
Und jetzt kommt da eigentlich ein ganz spannender dritter Teil. Das sind die Punkte, wo man es nicht so genau weiß, wo man sich einen Nutzen verspricht, einen hypothetischen Use Case hat und da weiß man manchmal nicht ganz genau, was bringt es denn eigentlich? Da muss man die dritte von der zweiten Kategorie auch irgendwie gut auseinanderhalten können. Da gibt es nicht immer die eine eindeutige Antwort.
Da gibt es schon durchaus Use Cases und Digitalisierungsmedien, wo man sagt, da testen wir mal erste Gehversuche. Mit so Pilotprojekten kann man dann gute Erkenntnisse gewinnen und man investiert erstmal nur in kleinen Schritt, um auszuprobieren, wie sich eine bestimmte Technologie anfühlt. Dabei ist es jetzt egal, ob mobile Endgeräte, RFID, Ortungsthematiken oder digitale Labels. Was bringen mir die überhaupt? Sammle Erfahrung mit dieser Technologie und beurteile dann nachher besser. Das ist so ein Weg, um sich dem dritten Fall dann nachher anzunähern.
ANDREA SPIEGEL: Du hast jetzt gerade schon das Thema angesprochen. Wo fange ich eigentlich an, wo setze ich an, was ist sinnvoll zu digitalisieren? Kannst du da irgendwie vielleicht mal ein Beispiel nennen, also welcher Prozess zum Beispiel bietet sich in den meisten Firmen an?
Vielleicht gibt es da so eine Pauschalität zu digitalisieren, um damit zu starten und einen Einstieg in die Digitalisierung zu finden?
PASCAL LÖCHNER: Ja, der einfachste Einstieg ist immer da, wo es Technologie und etablierte Dinge schon lange gibt. Das sind zwangsläufig im Laufe der Zeit Mobillösungen gewesen. Vor zehn Jahren war die Firma L-mobile noch halb so alt. Da war Mobil ganz neu, die iPhones kamen gerade erst auf den Markt, da war das alles Teufelszeug.
Wir hatten vier oder fünf verschiedene mobile Betriebssysteme. Da gab es noch irgendwie eins von Nokia und nochmal drei, vier Stücke. Da erinnert man sich heute schon gar nicht mehr dran. Da wusste noch keiner genau, wie wird denn das jetzt tatsächlich mit der Mobilität, bringt das überhaupt was? Die Frage stellt heute keiner mehr.
Da haben sich jetzt im Laufe der Jahre viele stabile Lösungen im Bereich der Mobilität entwickelt. Das ist eher einfacher anzufangen, weil da man durchaus Standardlösungen hat.
ANDREA SPIEGEL: Das heißt mit Scannern oder sowas?
PASCAL LÖCHNER: Zum Beispiel mit Scannern, Smartphones. Das ist dann wirklich eher der einfache Weg oder wo die Hürde nicht mehr ganz so groß ist. Wenn man dann eher in technologisch komplexere oder anspruchsvollere Verfahren einsteigt, da haben sich die Use Cases noch nicht so gefunden, die Standardlösungen sind noch nicht so weit und die technologische Reife ist auch nicht so stabil. Beispielsweise auch RFID. Auch eine Technologie, die es schon seit weit über zehn oder zwanzig Jahren sogar schon gibt.
Da muss man deutlich mehr Research auch innerhalb von einem Projekt betreiben, auch wenn es natürlich auf der Hardware und Software Seite so eine Standardkompetenz gibt. Aber da sind die Investition und der Sprung höher, als wenn man von so einem mobilen Szenario ausgeht. Weil was brauchen wir dafür? WLAN. Hat heute fast jeder, technologisch super stabil. Mobile Geräte auf Android oder iOS Basis, super stabil. Dann brauche ich noch eine Anwendung darauf, aber das ist App-Programmierung oder Web-Programmierung. Beherrscht heute auch ein Großteil der Entwicklungsgilde hier in Deutschland oder auf der Welt. Da ist es relativ simpel.
Die Frage nach dem Prozess war ja noch, welche Prozesse kann man da nachher nehmen? Ich versuche es auch von einer anderen Ecke zu beantworten. Wenn man in so ein digitales Sicherungsprojekt einsteigt, sind ganz viele Probleme, die wir in so einem Projekt sehen, immer Stammdaten. Das heißt, Kunden haben heute eine Ausgangsvoraussetzung an Datenbasis, meistens in ihren Warenwirtschafts-ERP-Systemen.
Wenn wir so ein Digitalisierungsprojekt machen, dann zeigt sich immer relativ schnell, wie gut diese Firma ihre Stammdaten nachher im Griff hat. Weil ohne die passenden Stammdaten digitalisiert es sich schlecht. Das heißt, wir haben oftmals ganz viele Stammdaten, Lagerplatzstrukturen, Bestandsgenauigkeiten und so Dinge. Damit müssen wir dann arbeiten. Sowas lässt sich dann mit Mobillösung auch deutlich leichter im Laufe des Projekts dann bewerkstelligen.