ANDREA SPIEGEL: Ich würde vorher nochmal über ein Thema sprechen wollen, was du auch gerade schon angesprochen hast. Dieses Thema Hierarchien oder auch diese klassische Chefposition.
Wenn Teams arbeiten, dann brauchst du schon immer jemanden, der vielleicht auch ein bisschen den Ton angibt oder die Richtung vorgibt. Gleichzeitig möchte aber auch niemand, wie du sagst, für einen Bestellantrag von 50 Euro 15.000 Unterschriften. Dann verschwindet es noch ausversehen, einer gibt es nicht frei und dann dauert es noch vier Monate, bis dann der Antrag raus ist für eine neue Packung Taschentücher, so ungefähr.
Wie verändert sich da dieses ganze Thema Führung? Was passiert da? Ich habe schon viel gesehen, wie von weg vom Boss hin zum Leader. Was versteht man darunter?
MORITZ HÄMMERLE: Das ist natürlich so ein bisschen die Theorie dahinter, dass man sagt, Führung verändert sich hin zum Leadership.
Also Leadership würde jetzt bedeuten, weniger die Kontrollfunktion und Linienführung zu übernehmen und die Aufgaben, die eher formal dahinter hängen. Sondern viel mehr in Richtung Vorstellungen zu entwickeln, Zukunftsbilder zu zeichnen und Menschen zu entfachen, im Sinne von wirklich ideenreich und inspirierend zu wirken. In Kombination damit dann auch Engagement, Motivation, aber auch eine Verbindung der Arbeit zu den Mitarbeitern oder umgekehrt zu erzeugen. Damit dann eben auch Dinge zu erreichen, die man über klassische Linienstrukturen vielleicht einfach nicht erreichen kann, weil die weniger out of the box denken.
Am Ende des Tages geht es darum, dass sich was tut und entwickelt. Da brauchst du auch in Zukunft natürlich Strukturen, die mehr eine Richtungsweisung einnehmen.
ANDREA SPIEGEL: Also vielleicht sogar eher wie so ein Coach.
MORITZ HÄMMERLE: Das kann ein Coach sein. Das kann auch einfach eine Rolle sein, die ein Mitarbeiter übernimmt. Das muss auch gar nicht einer sein, der immer die gleiche Rolle übernimmt oder immer der gleiche Mitarbeiter sein. Dann sind wir nämlich wieder beim Vorgesetzten, wenn es immer der gleiche ist.
Vor allem muss das offen sein. Wir haben in der Vergangenheit natürlich die Situation, dass Vorgesetzte auch viel von Informationsprivilegien profitieren. Also Dinge früher wissen, Dinge wissen, die ihre Mitarbeiter vielleicht auch gar nicht wissen oder gar nicht rankommen.
Sowas muss und wird sich natürlich auch öffnen, weil wir durch sowas natürlich langsam sind. Geschwindigkeit ist das A und O, um wettbewerbsfähig zu sein. Damit müssen wir auch Informationen schneller fließen lassen.
ANDREA SPIEGEL: Du hast jetzt schon angesprochen dieses Thema Tools oder vielleicht auch Qualifizierung, wenn man nochmal mehr auf den Mitarbeiter schaut.
Wie kann das in Zukunft auch ablaufen, wenn ich keinen Chef mehr habe, der sagt, du gehst jetzt zu der Schulung? Oder wer ist dann auch verantwortlich, wenn jemand Neues ins Team kommt? Wie bricht dieses Konzept auf?
MORITZ HÄMMERLE: Am Ende des Tages basieren viele dieser New Work Konzepte auf Rollenkonzepten, wo es gewisse Aufgaben gibt, die gewisse Menschen haben, aber eben nicht gleich ihrer Funktion. Das ist der Qualitätsbeauftragte, das ist der Führungsbeauftragte und der ist für die Kontrolle zuständig. Die werden eben dann punktuell übernommen.
So ähnlich wie wir es aus dem Projektgeschäft auch kennen, wo es einen Projektleiter gibt. Der ist vielleicht beim nächsten Mal dann nicht mehr der Projektleiter oder der Projektleiter von einem anderen Projekt. Also wo temporäre Aufgaben übernommen werden.
Das zweite ist, diese Aufgaben sind grundsätzlich definiert. Wir sehen auch klar im Mittelstand ganz viele Aufgaben, wo man zwar formal weiß, wer es macht. Aber macht es dann nur einer oder ist es überhaupt wichtig? Das fällt dann oft hinten runter und diese neuen Formen der Organisation, die definieren einfach die Dinge, die wichtig sind und lassen andere Sachen weg. Damit wird man schlanker und kann sich auf das konzentrieren, was für ein Projekterfolg oder für die Entwicklung eines neuen Produkts einfach auch relevant ist.